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  • · Fachbeitrag · § 25a UStG

    Differenzbesteuerung auch beim Verkauf von Fahrzeugen zum Ausschlachten

    Der EuGH hat in einem Verfahren zum belgischen Umsatzsteuerrecht darauf erkannt, dass Wiederverkäufer endgültig stillgelegte Kraftfahrzeuge als Gebrauchtgegenstände differenzbesteuert zum Ausschlachten weitverkaufen können. Voraussetzung ist, dass die Fahrzeuge noch Teile enthalten, welche die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten, sodass sie in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendet werden können Zum anderen muss feststehen, dass die Fahrzeuge aufgrund einer solchen Wiederverwendung der Teile in ihrem Wirtschaftszyklus geblieben sind.

     

    Hintergrund

    Art. 311 ff. MwStSystRL sehen eine Sonderregelung unter anderem für Gebrauchtgegenstände vor. Letztere definiert Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL wie folgt:

     

    • Definition

    „‚Gebrauchtgegenstände‘ sind bewegliche körperliche Gegenstände, die keine Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten und keine Edelmetalle oder Edelsteine im Sinne der Definition der Mitgliedstaaten sind und die in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind.“

     

    In Deutschland setzt § 25a UStG die Sonderregelung um. Ziel der Regelung ist nach dem 51. Erwägungsgrund der MwStSystRL u. a. das Vermeiden von Doppelbesteuerungen. Dazu ausführlich die Urteilsbegründung.

     

    Sachverhalt

    Der Steuerpflichtige ist ein Unternehmer, der in Belgien für eine im Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen und Autowracks bestehende gewerbliche Tätigkeit zu Mehrwertsteuerzwecken erfasst ist. Im Rahmen dieser Tätigkeit erwirbt er insbesondere Fahrzeuge mit Totalschaden von Versicherungsunternehmen und verkauft sie „zum Ausschlachten“ an Dritte weiter.

     

    Die belgische Steuerverwaltung entschied, die Verkäufe von der Differenzbesteuerung auszuschließen. Dem folgte das erstinstanzliche Gericht. Es müsse geprüft werden, ob die vom Steuerpflichtigen verkauften Fahrzeuge die Funktionen behalten hätten, die sie im Neuzustand gehabt hätten, so dass sie im derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendet werden könnten. Letzteres sei bei „zum Ausschlachten“ verkauften Fahrzeugen offensichtlich nicht der Fall.

     

    Gegen das Urteil wendet sich die Kassationsbeschwerde des Steuerpflichtigen. Der Kassationshof legte die Rechtsfrage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

     

    Entscheidung

    Gebrauchtgegenstände im Sinne der Sonderregelung „sind bewegliche körperliche Gegenstände, … die in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind“.

     

    Entscheidung des EuGH aus 2017 zum Verkauf von vorher ausgebauten Ersatzteilen

    In diesem Zusammenhang hat der EuGH bereits in der Entscheidung „Sjelle Autogenbrug“ entschieden, dass dieser Begriff bewegliche körperliche Gegenstände auch dann einschließt, wenn sie von einem anderen Gegenstand stammen, dessen Bestandteile sie waren. Für die Einordnung als „Gebrauchtgegenstand“ ist nur erforderlich, dass dem gebrauchten Gegenstand weiterhin die Funktionen zukommen, die er im Neuzustand hatte, und dass er daher in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar ist.

     

    Ebenfalls in der Entscheidung „Sjelle Autogenbrug“ hat der EuGH darauf erkannt, dass die Anwendung der Regelung der Differenzbesteuerung nicht zwangsläufig eine Identität zwischen dem angekauften und dem verkauften Gegenstand voraussetzt. So ist diese Regelung auch auf den Wiederverkauf von Teilen, die vom Steuerpflichtigen selbst aus einem von ihm erworbenen Altfahrzeug entnommen wurden, anwendbar, da ein Kraftfahrzeug aus einzelnen Teilen besteht, die zusammengefügt wurden und die wieder voneinander getrennt und in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung wiederverkauft werden können.

     

    Im Ausgangsverfahren Verkauf von kompletten Fahrzeugen

    Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens unterscheidet sich von dem der Entscheidung „Sjelle Autogenbrug“ durch die Tatsache, dass der Steuerpflichtige die Teile nicht aus dem endgültig stillgelegten Fahrzeug entnommen hat, sondern das Fahrzeug in seinem derzeitigen Zustand „zum Ausschlachten“ wiederverkauft hat, d. h. für eine weitere Verwendung der Teile dieses Fahrzeugs als Ersatzteile.

     

    Allerdings kann dieser Unterschied, wie auch die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen im Wesentlichen ausführt, nicht zu der Annahme führen, dass die Argumentation in Sachen „Sjelle Autogenbrug“ nicht auf den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalt übertragen werden könnte.

     

    Die vom Steuerpflichtigen erworbenen Fahrzeuge sind endgültig stillgelegt und können daher nicht wiederverkauft werden, um in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung wiederverwendet zu werden. Da das Fahrzeug als solches als beweglicher körperlicher Gegenstand per Definition in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung nicht erneut verwendbar im Sinne der Sonderregelung ist, sind für die Prüfung, ob es als Gebrauchtgegenstand angesehen und ob demnach darauf die Differenzbesteuerung angewandt werden kann, nur die Bestandteile des Fahrzeugs zu berücksichtigen, die im Rahmen eines Wiederverkaufs an andere Personen erneut verwendbar sind.

     

    Doppelbesteuerung soll vermieden werden

    Eine Auslegung, nach der ein endgültig stillgelegtes Fahrzeug als Gebrauchtgegenstand unter die Regelung der Differenzbesteuerung fallen kann, weil manche seiner Bestandteile erneut verwendbar sind, steht mit dem Ziel dieser Regelung in Einklang, welches nach dem 51. Erwägungsgrund der MwStSystRL darin besteht, u. a. Doppelbesteuerungen zu vermeiden, die sich aus dem Umstand ergeben können, dass

    • zum einen im Verkaufspreis dieser Bestandteile schon zwangsläufig die Mehrwertsteuer berücksichtigt wurde, die im Vorfeld beim Kauf des Fahrzeugs entrichtet wurde, und
    • zum anderen dieser Betrag weder von dieser Person noch vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer abgezogen werden kann.

     

    Prüfung, ob das Kfz verwendbare Bestandteile enthält

    Das vorlegende Gericht muss prüfen,

    • ob die wiederverkauften Fahrzeuge noch Bestandteile enthielten, die die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten, und die daher in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind, oder
    • ob die Fahrzeuge nicht in Wirklichkeit verkauft wurden, um einfach verschrottet oder in einen anderen Gegenstand umgewandelt zu werden. Ein Fahrzeug, aus dem die Bestandteile, die die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten, vom Käufer nicht entnommen werden, um in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendet zu werden, bleibt nämlich nicht in seinem Wirtschaftszyklus und kann daher nicht in den Genuss der Differenzbesteuerung kommen.

     

    Im Rahmen dieser Prüfung muss das vorlegende Gericht alle objektiven Umstände berücksichtigen, unter denen der Wiederverkauf erfolgt ist. Wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, haben die in der Mehrwertsteuerrichtlinie verwendeten Begriffe nämlich objektiven Charakter und sind unabhängig von Zweck und Ergebnis der betreffenden Umsätze anwendbar. Während die Berücksichtigung der Absicht eines an einem Geschäft beteiligten Steuerpflichtigen, abgesehen von Ausnahmefällen, mit den Zielen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems unvereinbar ist, kann das vorlegende Gericht hingegen objektive Faktoren wie

    • die Präsentation,
    • den Zustand der Fahrzeuge,
    • den Gegenstand des Vertrags,
    • den Wert, zu dem die Fahrzeuge verkauft wurden,
    • die Abrechnungsmethode oder auch
    • die wirtschaftliche Tätigkeit der Person, die die Fahrzeuge erworben hat,

    berücksichtigen.

     

    Beachten Sie | Der EuGH fordert die Prüfung aller objektiven Umstände. Für den Wiederverkäufer kann es daher von Bedeutung sein, ob der Käufer aus dem Fahrzeug Ersatzteile zu generieren beabsichtigt. Daher sollte der Wiederverkäufer den Käufer eine entsprechende Selbstverpflichtung unterschreiben lassen. Hält der Käufer diese nicht ein, muss er für eventuelle steuerliche Nachteile des Wiederverkäufers (Regelbesteuerung und Nachzahlungszinsen) aufkommen.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 49732501

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