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  • · Fachbeitrag · Finanzgerichtsordnung

    Elektronische Dokumente im Prozess vor den Finanzgerichten ‒ Segen und Fluch zugleich!

    von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dortmund

    §§ 52a ff. FGO ermöglichen auch im finanzgerichtlichen Verfahren eine weitgehend elektronische Prozessführung. Manche der Vorschriften sind optional, insbesondere die sich an Berufsträger richtenden Vorschriften sind aber zwingend. Werden Letztere nicht eingehalten, gilt die Verfahrenshandlung als nicht vorgenommen. Aktuelle Gerichtsentscheidungen zeigen die Brisanz.

     

    Hintergrund

    Die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten war zu Beginn der 2010er Jahre in Deutschland weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Im Gegensatz zum außerprozessualen Geschäftsverkehr basierte die Kommunikation mit der Justiz noch fast ausschließlich auf Papier. Als Grund hierfür wurde regelmäßig das noch immer ‒ auch bei professionellen Einreichern ‒ fehlende Nutzervertrauen in die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen der elektronischen Kommunikation mit den Gerichten genannt.

     

    Das bereits 2013 verabschiedete „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten“ sollte das Potenzial der technischen Entwicklungen mit gesetzlichen Maßnahmen zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs auf prozessualem Gebiet nutzen, die Zugangshürden für die elektronische Kommunikation mit der Justiz senken und das Nutzervertrauen im Umgang mit dem neuen Kommunikationsweg stärken.

     

    Die §§ 52a ff. FGO übertragen das gesetzgeberische Ziel auch auf die finanzgerichtliche Prozessführung. Alles braucht seine Zeit! Deshalb ist der Gesetzgeber behutsam vorgegangen und hat z. B. die Nutzungspflicht für Berufsträger erst zum 1.1.2022 aufleben lassen.

     

    Elektronische Dokumente (§ 52a FGO)

    Die Vorschrift erweitert und vereinfacht für den Finanzgerichtsprozess den elektronischen Zugang zu den Gerichten.

     

    Zu Beginn der 2010er Jahre wurden im Finanzgerichtswesen elektronische Kommunikationswege nur verhalten genutzt (s. o.). Ein Grund war, dass die bisher für die formgerechte Einreichung elektronischer Dokumente notwendige qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz zu wenig verbreitet war. Zum anderen reichten jedoch auch die von den Landesjustizverwaltungen eröffneten Möglichkeiten, elektronische Dokumente bei Gericht einzureichen, nicht aus.

     

    Deshalb eröffnet § 52a Abs. 3 FGO bundeseinheitlich die Möglichkeit („können“, § 52a Abs. 1 FGO), elektronisch auf einem sicheren Übermittlungsweg i. S. d. § 52a Abs. 4 FGO formgerecht Dokumente einzureichen. Den Vorgaben der Signaturrichtlinie entsprechend ist es daneben weiterhin möglich, elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wurden, einzureichen.

     

    Voraussetzung ist gemäß § 52a Abs. 2 Satz 1 FGO, dass das elektronische Dokument für das Gericht lesbar und bearbeitungsfähig ist. Dies hängt insbesondere von den technischen Rahmenbedingungen ab, die für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten gelten. Technische Rahmenbedingungen sind zum einen bei der Übermittlung von elektronischen Dokumenten an das Gericht zu beachten. Zum anderen werden durch die technischen Rahmenbedingungen die zugelassenen Dateiformate, aber gegebenenfalls auch durch die weiteren Dateieigenschaften und andere technische Parameter definiert.

     

    Die das Dokument verantwortende Person muss das elektronische Dokument

    • mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen oder
    • einen sicheren Übermittlungsweg nutzen.

     

    Zudem muss die verantwortende Person, wenn sie den sicheren Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 FGO wählt, das elektronische Dokument zum Abschluss signieren und damit zu erkennen geben, die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernehmen zu wollen.

     

    Wird das elektronische Dokument weder qualifiziert elektronisch signiert noch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, ist die prozessuale Form nicht gewahrt.


    PRAXISTIPP | Ein solches Dokument ist, sofern die Verfahrensordnung Schriftform voraussetzt, nicht wirksam eingereicht.


    Nach bisherigem Recht war es noch möglich, trotz Fehlen der qualifizierten elektronischen Signatur eine formwirksame Einreichung anzunehmen, weil die Pflicht zur Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist. Hierfür besteht künftig kein Bedürfnis mehr, weil die formwirksame Einreichung eines elektronischen Dokuments künftig auch ohne qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz möglich sein wird.

     

    Nutzungspflicht für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Behörden (§ 52d FGO)

    Die Regelung des § 52 FGO führt eine Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs ein ‒ und zwar für Rechtsanwälte, Behörden und vertretungsberechtigte Personen, die sich eines speziellen Übermittlungswegs auf der Grundlage des § 52a Abs. 4 Nr. 2 FGO bedienen können.

     

    Vertretungsberechtigte Personen sind gem. § 62 Abs. 2 FGO insbesondere

     

    • Rechtsanwälte,
    • Steuerberater,
    • Steuerbevollmächtigte,
    • Wirtschaftsprüfer und
    • vereidigte Buchprüfer.

     

    Denn selbst bei freiwilliger Bereitschaft einer Mehrheit dieser Personengruppe würde die Nichtnutzung durch eine qualifizierte Minderheit immer noch zu erheblichen Druck- und Scan-Aufwänden bei den Gerichten und bei allen anderen führen, welche die Vorteile des elektronischen Rechtsverkehrs nutzen wollen. Die Justiz müsste genauso wie ihre Kommunikationspartner mit erheblichen Investitionen in Vorlage treten, ohne die Gewissheit zu haben, dass tatsächlich die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Nutzung erfolgt.

     

    Um den elektronischen Rechtsverkehr zu etablieren, sieht § 52d Satz 1 FGO eine Pflicht für alle Rechtsanwälte und Behörden vor, Schriftsätze, Anträge und Erklärungen den Gerichten nur noch in elektronischer Form zu übermitteln.


    PRAXISTIPP | Die Einreichung ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten. Bei Nichteinhaltung ist die Prozesserklärung nicht wirksam. Eine Klage wäre 
z. B. unzulässig.


    Die zwingende Benutzung kann allerdings nicht gelten, wenn die Justiz aus technischen Gründen nicht auf elektronischem Wege erreichbar ist. Für diesen Fall erlaubt Satz 2 eine Einreichung auf herkömmlichem Weg. Dies ist jedoch, um Missbrauch auszuschließen, bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (§ 52 Satz 4 FGO).

     

    FAZIT | Die Einreichung in der richtigen Form ist eine Frage der Zulässigkeit. Bei Nichteinhaltung ist die Prozesserklärung nicht wirksam! Diese Erkenntnis scheint bei vielen Berufsträgern (noch) nicht angekommen zu sein, wie aktuelle Urteile des BFH und des Finanzgerichts Düsseldorf zeigen. Bei den Urteilen handelt es sich lediglich um eine repräsentative Auswahl.

     

    Um es abschließend ganz klar zu sagen: Berufshaftpflichtverfahren drohen!

     

    Fundstelle

    Quelle: Ausgabe 04 / 2023 | Seite 211 | ID 49235974

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