· § 69 FGO
Finanzamt legt keine Akten vor: Steuerpflichtiger mit AdV-Antrag vor dem FG erfolgreich

Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist auch dann begründet, wenn das Finanzamt dem FG keine Unterlagen, Akten oder präsente Beweismittel zu streitigen Hinzuschätzungen vorgelegt hat. Dem Finanzamt obliegt insoweit die Feststellungslast (objektive Beweislast); es muss die steuererhöhenden Umstände hinreichend schlüssig darlegen. |
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige war in den Streitjahren zu 50 % an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Bei der GmbH wurden eine Steuerfahndungsprüfung und vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt eine Amtsbetriebsprüfung durchgeführt. Auf Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das Finanzamt gegenüber dem Steuerpflichtigen geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es verdeckte Gewinnausschüttungen aus der GmbH als Kapitalerträge erfasste. Hiergegen legte der Steuerpflichtige Einsprüche ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt lehnte die Aussetzung der Vollziehung ab. Die Einspruchsverfahren sind noch nicht abgeschlossen.
Im Rahmen seines bei Gericht gestellten Aussetzungsantrags trug der Steuerpflichtige vor, dass die Bescheide nicht hinreichend begründet seien und die Hinzuschätzungen, die zu den verdeckten Gewinnausschüttungen geführt hätten, unzutreffend seien. Außerdem habe das Betriebsstättenfinanzamt die Körperschaftsteuerbescheide gegenüber der GmbH von der Vollziehung ausgesetzt. Das Finanzamt berief sich im Wesentlichen auf die Prüfungsberichte, die es dem Gericht jedoch trotz Aufforderung nicht vorlegte.
Entscheidung
Das FG setzte die geänderten Einkommensteuerbescheide vollumfänglich ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung aus, da nach der gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehen.
Dies folgt nicht bereits aus der Aussetzung der Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide der GmbH, da ein Körperschaftsteuerbescheid hinsichtlich einer verdeckten Gewinnausschüttung kein Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters ist.
Allerdings hat das Finanzamt, das für steuererhöhende Umstände wie verdeckte Gewinnausschüttungen die Feststellungslast trägt, die Voraussetzungen für deren Ansatz nicht hinreichend schlüssig dargelegt. Dem Gericht sind so gut wie keine Unterlagen, Akten oder präsente Beweismittel zu den streitigen Hinzuschätzungen und den damit begründeten verdeckten Gewinnausschüttungen vorgelegt worden. Da dem Gericht nicht einmal die Prüfungsberichte vorliegen, ist eine Überprüfung des streitigen Sachverhalts nicht ansatzweise möglich. Die Prüfungsberichte sind aber das Minimum dessen, was dem Gericht für eine Entscheidung im summarischen Verfahren vorgelegt werden müsste.
Eventuelle Schwierigkeiten, entsprechende Unterlagen bei anderen Finanzämtern zu beschaffen, muss das Finanzamt gegen sich gelten lassen. Etwaige Bedenken hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Steuergeheimnisses sind im Streitfall nicht nachvollziehbar, da es sich bei dem Steuerpflichtigen um einen ehemaligen Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH gehandelt hat. Außerdem wäre eine Offenbarung in einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig.
Beachten Sie — Von der Anordnung einer Sicherheitsleistung hat das FG abgesehen, da das Finanzamt keine konkreten Umstände dargelegt hatte, die Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation des Steuerpflichtigen zuließen. Offensichtlich verärgert setzt das Gericht am Ende des Urteils eine Spitze und führt wörtlich aus: „Der Antragsgegner [das Finanzamt] hat es in der Hand, durch eine zeitnahe Entscheidung über den Einspruch die Voraussetzungen für die weitere Vollziehung der angefochtenen Bescheide zu schaffen und einer Steuergefährdung durch weiteren Zeitablauf entgegenzuwirken.“
Fundstelle
- FG Münster 29.9.25, 1 V 1595/25 E, iww.de/astw, Abruf-Nr. 251404