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  • 07.04.2025 · IWW-Abrufnummer 247461

    Landesarbeitsgericht Niedersachsen: Beschluss vom 18.03.2025 – 4 SLa 755/24

    Nach § 814 Alt. 1 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Das Erfordernis der positiven Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld iSv. § 814 BGB kann nicht durch die Zurechnung des Wissens anderer entsprechend § 166 Abs. 1 BGB ersetzt werden.


    Tenor:

    Der Antrag der Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 25.09.2024 - 1 Ca 32/24 Ö - wird zurückgewiesen.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

    [Gründe]

    I.

    Das klagende Land nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Vergütung in Anspruch.

    Zwischen den Parteien bestand bis zum 31.08.2022 ein Arbeitsverhältnis. Die Beklagte und Widerklägerin (im Folgenden Beklagte) war im Zeitraum vom 14.02.2022 bis zum 31.08.2022 als IT-Systems Engineer Netzwerk- und Security beim Landesamt für Steuern Niedersachsen beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TV-L Anwendung. Das klagende Land kündigte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 31.08.2022.

    Das für die Auszahlung der Gehälter und Bezüge zuständige Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV) zahlte der Beklagten im Zeitraum vom 01.09.2023 bis 31.12.2023 das bisherige tarifliche Arbeitsentgelt weiter fort. Streitig ist, ob die Beklagte am 06.10.2022 ein Schreiben datierend auf den 04.10.2022 in den Briefkasten des NLBV geworfen hat, in welchem sie darüber informiert, dass sie trotz der Kündigung monatliche Gehaltszahlungen weiter erhält. Das nach den Behauptungen der Beklagten in den Briefkasten des NLBV eingeworfene Schreiben vom 04.10.2022 enthält weder die Personalnummer der Beklagten noch ein Aktenzeichen. Es richtet sich auch nicht an einen konkreten Ansprechpartner/Sachbearbeiter. Wegen des Inhalts des Schreibens im Einzelnen wird auf Blatt 84 der erstinstanzlichen Akte Bezug genommen.

    Mit Schreiben vom 24.01.2023 forderte das klagende Land die Beklagte außergerichtlich erfolglos zur Rückzahlung der Überzahlung in Höhe von 13.235,99 € (netto) auf. Die Beklagte hat im Laufe des seit dem 09.02.2024 rechtshängigen Verfahrens auf Rückerstattung der überzahlten Vergütung mit Schriftsatz vom 19.04.2024 Widerklage auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit der Note "gut"erhoben.

    Das klagende Land hat beantragt,

    Die Beklagte hat beantragt,

    Das klagende Land hat beantragt,

    Mit Urteil vom 25.09.2024 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage der Beklagten abgewiesen. Der Anspruch auf Rückerstattung der überzahlten Vergütung bestehe nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Der Bereicherungsanspruch sei nicht gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, nicht mehr bereichert zu sein. Diesem Einwand stehe die Bösgläubigkeit der Beklagten entgegen. Sie habe sich der Einsicht, dass ihr nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2022 keine Vergütung mehr zustehe, verschlossen. Dem stehe auch das Schreiben vom 04.10.2022 - den Zugang beim klagenden Land zugunsten der Beklagten unterstellt - nicht entgegen. Aus dem Ausbleiben einer Reaktion habe die Beklagte nicht schließen dürfen, die Zahlungen würden absichtlich weiter vorgenommen. Die Widerklage sei unbegründet. Ein etwaiger Anspruch der Beklagten auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses sei nach § 37 TV-L verfallen.

    Die Beklagte hat gegen diese Entscheidung rechtzeitig Berufung eingelegt und diese auch fristgemäß begründet. Sie hat zudem unbedingt Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt.

    Sie begründet ihrer Berufung zusammengefasst wie folgt: Soweit das Arbeitsgericht ihr mangelnde Einsicht bescheinige, könne dem nicht gefolgt werden. Auch finde die Rechtsansicht des Arbeitsgerichts zu § 814 BGB keine Stütze im Gesetz. § 814 BGB ordne an, dass der Leistende Kenntnis erhält; nicht, dass und wann er Kenntnis nehmen möchte. Bei richtiger Auffassung hätte das Arbeitsgericht zur Frage der Anzeige der Überzahlung mit Schreiben vom 04.10.2022 Beweis erheben müssen. Nur hilfsweise berufe sie sich darauf, nicht mehr bereichert zu sein. Hinsichtlich des Anspruchs auf Erteilung eines Zeugnisses sei die Berufung des klagenden Lands auf die Verfallfristen aufgrund der Tatsache, dass das Zeugnisbegehren Gegenstand der mündlichen Verhandlung im Kündigungsschutzverfahren gewesen ist, treuwidrig.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    II.

    Der Antrag ist unbegründet. Die Voraussetzungen zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die von der Beklagten eingelegte Berufung liegen nicht vor.

    1.

    Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält die Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. An die Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht sind keine überspannten Anforderungen zu stellen. Sie ist schon dann erfüllt, wenn der von der antragstellenden Partei vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BGH 14. Dezember 1993 - VI ZR 235/92 - zu II 2 der Gründe). Prozesskostenhilfe darf verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber fernliegend ist (BVerfG 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 - zu B I 1 der Gründe).

    2.

    Es fehlt vorliegend an den hinreichenden Erfolgsaussichten für das Berufungsverfahren.

    a)

    Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Erstattung des unstreitig überzahlten Entgelts in Höhe von 13.325,33 € netto gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nebst Zinsen verurteilt. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

    aa)

    Der Kondiktionsausschluss nach § 814 BGB greift nicht schon dann, wenn das NLBV (die Bezügestelle) - wie die Beklagte vorträgt - das Schreiben der Beklagten vom 04.10.2022 tatsächlich am 06.10.2022 zugegangen sein sollte.

    Nach § 814 Alt. 1 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Zweck der Vorschrift ist es, widersprüchliches Verhalten des Leistenden zu verhindern, bei welchem einerseits in Kenntnis der Nichtschuld geleistet wird und trotz dieser Kenntnis die Leistung später zurückgefordert werden soll (vgl. Klocke/Berndt JA 2024, 98, 99). Die auf dem Gedanken der Unzulässigkeit widersprüchlichen Verhaltens beruhende Norm will den Leistenden benachteiligen, während der Empfänger darauf vertrauen darf, eine bewusst zur Erfüllung einer nicht bestehenden Verbindlichkeit erbrachte Leistung behalten zu dürfen (vgl. BGH 11. Dezember 2008 - IX ZR 195/07 - Rn 15 mwN). Das Erfordernis der positiven Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld iSv. § 814 BGB kann nicht durch die Zurechnung des Wissens anderer entsprechend § 166 Abs. 1 BGB ersetzt werden (BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - Rn. 16).

    Von einem widersprüchlichen Verhalten kann nicht schon dann ausgegangen werden, wenn das Schreiben der Beklagten vom 04.10.2022 dem NLBV tatsächlich zugegangen ist. Da eine Zurechnung des Wissens entsprechend § 166 Abs. 1 BGB nicht stattfindet, wäre es an der Beklagten vorzutragen, dass die die Zahlung bearbeitenden und/oder anweisende Person Kenntnis von der fehlenden Verpflichtung zur Leistung gehabt hatte. Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies anders zu beurteilen gewesen wäre, wenn die Beklagte ihr Schreiben vom 04.10.2022 konkret an den sich regelmäßig aus der Entgeltabrechnung des NLBV ergebenden Ansprechpartner gerichtet hätte. Die Beklagte hatte das Schreiben vom 04.10.2022 aber ganz allgemein, ohne Benennung des Ansprechpartners oder ihrer Personalnummer an das NLBV gerichtet. Sollte nach einer Beweisaufnahme feststehen, dass dem NLBV das Schreiben der Beklagten vom 04.10.2022 tatsächlich zugegangen ist, mag dies für sich genommen den Vorwurf mangelnder Organisation der Bezügestelle rechtfertigen. Der Zugang allein bei der Bezügestelle belegt aber nicht, dass auch die leistende Person Kenntnis von der fehlenden Verpflichtung hatte und sie sich widersprüchlich verhält, wenn sie das Entgelt nunmehr zurückverlangt. Es ist nicht auszuschließen, dass das Schreiben vom 04.10.2022 die die Zahlung bearbeitenden und/oder anweisende Person intern erst später, möglichweise nicht vor Januar 2023 erreicht hat. Wie auch der Beklagtenvertreter selbst ausführt, geht es im Rahmen des § 814 BGB nicht um die Redlichkeit des Leistungsempfängers, sondern nur um die positive Kenntnis des Leistenden.

    bb)

    Auch der Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB greift nicht. Ein Schuldner kann sich auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen, wenn kein Fall des § 818 Abs. 4 BGB (verschärfte Haftung bei Rechtshängigkeit) oder § 819 Abs. 1 BGB (verschärfte Haftung bei Bösgläubigkeit) vorliegt. Selbst an dieser Stelle zugunsten der Beklagten unterstellt, sie sei nicht, wie vom Arbeitsgericht angenommen, bei Empfang sämtlicher Zahlungen wegen einer von ihr behaupteten Anzeige der Überzahlung mit Schreiben vom 04.10.2022 bösgläubig gewesen, kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte entreichert ist. Hierzu trägt die Beklagte nicht hinreichend konkret und einlassungsfähig vor.

    (1)

    Nach § 818 Abs. 3 BGB ist der Bereicherungsanspruch ausgeschlossen, "soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist". Dies ist nur dann der Fall, wenn das Erlangte ersatzlos weggefallen ist und kein Überschuss zwischen dem vorhandenen Vermögen und dem Vermögen mehr besteht, das ohne den bereichernden Vorgang vorhanden wäre. Von dem Fortbestehen einer Bereicherung ist auch dann auszugehen, wenn der Bereicherungsschuldner mit der Ausgabe des Erlangten anderweitige Aufwendungen erspart hat. Dies gilt auch bei überzahltem Lohn oder Gehalt. Ebenso besteht die Bereicherung in Höhe der Befreiung von einer Verbindlichkeit fort, soweit der Empfänger mit dem Erlangten bestehende Schulden tilgt. Ein Wegfall der Bereicherung ist dagegen anzunehmen, wenn der Empfänger die rechtsgrundlose Leistung ersatzlos für (Luxus-) Ausgaben verwendet hat, die er sonst nicht gemacht hätte (vgl. (BAG 18. Januar 1995 - 5 AZR 817/93 - zu II 1 der Gründe).

    Will der Empfänger rechtsgrundlos erhaltener Lohn- oder Gehaltsbezüge geltend machen, nicht mehr bereichert zu sein, so muss er im Einzelnen die Tatsachen darlegen, aus denen sich ergibt, dass die Bereicherung weggefallen ist, dass er also weder Aufwendungen erspart hat, die er ohnehin gemacht hätte, noch Schulden getilgt und dadurch seinen Vermögensstand verbessert hat. Diese Tatsachen hat der Bereicherungsschuldner gegebenenfalls auch zu beweisen. Dabei können ihm allerdings Erleichterungen zugutekommen (BAG 12. Januar 1994 - 5 AZR 597/92 - zu B III 2 der Gründe). Insbesondere bei kleineren und mittleren Arbeitseinkommen und einer gleichbleibend geringen Überzahlung des laufenden Arbeitsentgelts ist an die Möglichkeit des Beweises des ersten Anscheins für den Wegfall der Bereicherung zu denken (vgl. BAG 18. Januar 1995 - 5 AZR 817/93 - zu II 2 der Gründe).

    (2)

    Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine geringfügige Überzahlung, so dass der Beklagten keine Beweiserleichterungen, etwa in Form des Beweises des ersten Anscheins zugutekommen. Der Beklagten stand für den Zeitraum ab September 2022 vielmehr gar keine Vergütung zu, da das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich rechtskräftig zum 31.08.2022 seine Beendigung gefunden hatte.

    Zu einer Entreicherung trägt die Beklagte nicht hinreichend konkret vor. Dass sich am Ende des Betrachtungszeitraums kein Überschuss auf ihrem Konto befunden hat, ist nicht ausreichend. Ebenso ist es nicht ausreichend, wenn die Beklagte pauschal behauptet, für ihr Kind Luxusausgaben getätigt zu haben. Welche dies konkret gewesen sein mögen, ergibt sich weder schlüssig aus der Berufungsbegründung selbst noch aus der beigefügten Anlage. Soweit die Beklagte in ihrer Aufstellung Darlehensrückzahlungsverpflichtungen, Mietzahlungen ua. aufführt, kann schon deshalb nicht von einer Entreicherung ausgegangen werden, weil die Beklagte insoweit von einer ohnehin bestehenden Verbindlichkeit befreit wurde. Die Beklagte erläutert auch nicht, warum die Ausgaben für Lebensmittel, Bekleidung, Hausrat, Körperpflege und Medizinprodukte derart erheblich von 1.000,00 € im September 2022 bis hin zu 2.700,00 € im Dezember 2022 schwanken. Sie trägt auch nicht dazu vor, dass und in welchem Umfang ihr Lebenspartner/Ehemann über Einkommen verfügt und in welchem Umfang damit auch er zum Bestreiten der Kosten der normalen Lebensführung beizutragen verpflichtet war bzw. tatsächliche Beiträge geleistet hat.

    b)

    Die Beklagte hat auch keinen Anspruch auf Erteilung des mit der Widerklage geltend gemachten Zeugnisses. Der Anspruch ist nach § 37 TV-L verfallen. Die Berufung des klagenden Lands auf die Ausschlussfristen ist nicht treuwidrig. Es fehlt schon an substantiiertem Vorbringen der Beklagten dazu, dass und konkret in welchem Kontext die Erteilung eines Zeugnisses Gegenstand der mündlichen Verhandlung im Kündigungsschutzprozess gewesen sein mag.

    III.

    Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde lagen nicht vor. Gegen diesen Beschluss ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben, § 574 ZPO.

    Vorschriften§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, § 814 BGB, § 37 TV-L, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 69 Abs. 2 ArbGG, § 814 Alt. 1 BGB, § 166 Abs. 1 BGB, § 818 Abs. 3 BGB, § 818 Abs. 4 BGB, § 819 Abs. 1 BGB, § 574 ZPO