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  • · Fachbeitrag · Berufsrecht

    Unzulässig: Vermittlung von Anwaltsverträgen gegen Provision

    | Rund 165.000 Rechtsanwälte kämpfen täglich um neue Mandate. Da liegt es nahe, professionelle Vertriebsstrukturen insbesondere auch in der neuen digitalen Welt zu nutzen. Das anwaltliche Berufsrecht setzt hier allerdings klassischen Vertriebsmodellen im Internet berufsrechtliche Grenzen, wenn die anwaltliche Dienstleistung betroffen ist. Werbung ist das eine, die entgeltliche Vermittlung konkreter Mandate auf Provisionsbasis das andere. Das zeigt eine aktuelle Entscheidung des OLG Dresden. Im Zeitalter der Digitalisierung und von Social Media muss sich der Rechtsanwalt damit auseinandersetzen. |

    Sachverhalt

    Eine Websiten-Betreiberin macht Ansprüche gegen einen Rechtsanwalt als „Lizenzgebühren“ geltend. Die Anspruchsstellerin betreibt eine Website und bietet über die von ihr entwickelte Software Dienstleistungen für Betroffene an, die einen Anhörungsbogen bzw. Bußgeldbescheid zu einem behaupteten Verstoß gegen Vorschriften bei der Teilnahme am Straßenverkehr (Geschwindigkeits-, Abstands-, Wechsellicht-, Mobiltelefon-, Überhol- oder Vorfahrtsverstoß) erhalten haben. Zur Überprüfung der erhobenen Vorwürfe gegenüber den Betroffenen und der sich aus dem Prüfungsergebnis ergebenden Handlungsmöglichkeiten arbeitet sie mit Partnerkanzleien zusammen, zu denen auch der beklagte Rechtsanwalt gehört. Er war seit 1.7.18 eine der Partnerkanzleien und bezahlte bis zum 30.12.20 (Zahlungszeitpunkt der Novemberrechnung) die Rechnungen der Klägerin für ca. 40.000 Bußgeldfälle mit 108 Rechnungen über einen Gesamtbetrag von ca. 3.900.000 EUR.

     

    Für Dezember 2020 bis Juni 2021 begehrt die Websiten-Betreiberin nun eine weitere Zahlung von rund 235.056,98 EUR. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen vertraglichen Anspruch auf die Zahlung einer Lizenzgebühr, weil die zwischen den Parteien begründete Geschäftsbeziehung gemäß § 134 BGB nichtig sei, da sie gegen § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO verstoße. Ein Anspruch der Klägerin folge auch nicht aus Bereicherungsrecht. Das Erlangte sei nicht schlüssig dargetan. Ein Herausgabeanspruch der Klägerin an Teilen der Gebührenansprüche der Beklagten gegen ihre Mandanten bestehe nicht.

     

    Die Klägerin verfolgt ihren Anspruch mit der Berufung weiter. Sie beansprucht unabhängig vom „Ob“ und vom Inhalt des Auftrags, den der Website-Nutzer dem Rechtsanwalt erteile, ein pauschales Entgelt für die Nutzung der digitalen Infrastruktur. Der Rechtsanwalt widersprach: Es sei falsch, dass die Klägerin ein pauschales Entgelt für die Nutzung der Infrastruktur verlange. Sie verlange vielmehr unterschiedliche Entgelte entsprechend den erfüllten Kriterien der Mandatsanfrage. Für rechtsschutzversicherte Mandatsanfragen nehme die Klägerin etwa ein anderes Entgelt als für nicht rechtsschutzversicherte Mandate.

    Entscheidungsgründe

    Das OLG ist der Auffassung des Anwalts gefolgt und hat den Anspruch aufgrund nichtiger Vereinbarungen für unbegründet erachtet (Rev. beim BGH eingelegt unter IX ZR 89/23). Allerdings sieht das OLG auch rechtsgrundsätzliche Fragen und hat die Revision zugelassen.

     

    • Leitsatz: OLG Dresden 6.4.23, 8 U 1883/22

    Eine Vereinbarung zwischen einem Rechtsanwalt und einem kanzleifremden Dritten verstößt gegen das Provisionsverbot, wenn das zu zahlende Entgelt kausal mit der Vermittlung eines konkreten Mandats verknüpft ist. Insoweit ist die unzulässige Vermittlung von Anwaltsverträgen im Internet von zulässigen Informations- und Werbeplattformen abzugrenzen (Abruf-Nr. 235761).

     

    Das OLG prüft verschiedene Anspruchsgrundlagen und verneint diese jeweils. Geprüft hat es Ansprüche aus

    • Vertrag (§ 675 i. V. m. § 631 Abs. 1 BGB oder § 652 Abs. 1 S. 1 BGB) Ansprüche aus Bereicherungsrecht,
    • culpa in contrahendo,
    • Geschäftsführung ohne Auftrag und
    • unerlaubter Handlung.

     

    Nichtige Vertragsabrede

    Die vertragliche Vereinbarung der Parteien verstoße gegen § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO und sei daher nach § 134 BGB nichtig. § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO bestimmt, dass die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, unzulässig ist. Mit dem Provisionsverbot soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten; die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate „gekauft“ und „verkauft“ werden (BT-Drucksache 12/4993, 31; BGH NJW 16, 3105; Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 49b, Rn. 159; Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Aufl., § 49b, Rn. 76).

     

    Das OLG grenzt hier die zulässige Bereitstellung von Infrastruktur im Sinne einer allgemeinen Werbung von der unzulässigen Vermittlung im konkreten Einzelfall ab. Ist das zu zahlende Entgelt kausal mit der Vermittlung eines konkreten Mandats verknüpft, wird ein Verstoß gegen das Provisionsverbot angenommen.

     

    Eine Vermittlung setzt voraus, dass neben den Parteien des Anwaltsvertrags ein Dritter, also eine kanzleifremde Person, an dessen Akquisition durch den Rechtsanwalt beteiligt ist. Pauschale Entgelte für die Bereitstellung von Infrastruktur, die es potenziellen Auftraggebern ermöglicht, ihn zu mandatieren (Anwaltssuchdienste, Telefonmehrwertdienste), fallen nicht unter das Verbot, wenn die Vergütung nicht von der Zahl der Mandatserteilungen abhängt. Die erforderliche kausale Verknüpfung (Gebühr oder sonstiger Vorteil „für die Vermittlung von Aufträgen“) ist erfüllt, wenn sich die Gewährung oder die Entgegennahme des Vorteils und der beabsichtigte Abschluss eines Anwaltsvertrags wechselseitig bedingen (Kilian in Henssler/Prütting, a. a. O.).

     

    Online-Vermittlungsplattformen, die gegen Provision anwaltliche Dienstleistungen vermitteln, gehen nach Ansicht des OLG über die Funktion eines klassischen Werbemediums hinaus und sind deshalb unzulässig.

     

    MERKE | Die entgeltliche Vermittlung von Terminsvertretern wird dagegen für zulässig gehalten, wenn die erhobene Transaktionsgebühr nicht für die Vermittlung eines Auftrags geschuldet wird, sondern lediglich das Medium für die Vermittlung der Übernahme einer Terminsvertretung zur Verfügung gestellt wird (OLG Karlsruhe NJW 13, 1614).

     

    Eine erfolgsabhängige, prozentual anhand des eingebrachten Honorars bemessene Provisionszahlung spricht also für die (unzulässige) Vermittlung eines konkreten Mandats, wohingegen eine feste Gebühr unabhängig vom Zustandekommen eines Mandatsvertrags eher für die Vereinbarung eines Aufwendungsersatzes spricht.

     

    Das Zusammenbringen von Interessent (Betroffener in einem Bußgeldverfahren) und Partnerkanzlei war danach als Vermittlung zu qualifizieren, weil der sog. Lead erst an die Partnerkanzlei weitergeleitet wurde, als der Interessent die Vollmacht eingereicht hatte und weil die Vergütung an das konkrete Mandat anknüpfte.

     

    Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Provisionsverbot des § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO ist die Nichtigkeit der zwischen den Parteien geschlossenen Verträge nach § 134 BGB (OLG Düsseldorf NJW-RR 22, 778 Rn. 35, Peitscher in Har-tung/Scharmer, BRAO, § 49b, Rn. 96; Kleine-Cosack, BRAO, 9. Aufl., § 49b, Rn. 1118). Im Ergebnis hat die Klägerin gegen die Beklagte keine vertraglichen Vergütungsansprüche, weil die konkludent zustande gekommenen Verträge über die Vermittlung von Rechtsanwaltsmandaten gegen § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO verstoßen und nach § 134 BGB nichtig sind.

     

    Keine Bereicherungsansprüche

    Ansprüche der Klägerin folgen nach dem OLG auch nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB.

     

    Im Ausgangspunkt können Leistungen, die aufgrund eines nach § 134 BGB nichtigen Rechtsgeschäfts erbracht worden sind, grundsätzlich nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zurückgefordert werden (MüKo/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., BGB § 134 Rn. 195; BeckOGK/Vossler, 1.12.22, BGB § 134 Rn. 104).

     

    Erlangt habe die Beklagte die Gelegenheit, von Interessenten in Verkehrsrechtssachen mandatiert zu werden und die Rechtsanwaltsgebühren gegenüber den Rechtsschutzversicherungen abzurechnen. Die Vermittlung dieser Leads bedinge das gesamte Leistungsspektrum der Klägerin, weshalb die der Beklagten in Rechnung gestellten Beträge, die Gegenstand dieses Rechtsstreites sind, auch dem Wert des Erlangten entsprächen. Ein Ausschluss nach § 814 BGB (Leistung in Kenntnis der Nichtschuld) komme nicht in Betracht. Die insoweit beweisbelastete Beklagte (vgl. Sprau in Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 814, Rn. 11) trägt nicht vor, dass die Klägerin positiv wusste, auf einen nichtigen Vertrag zu leisten. Auch ein Ausschluss des Anspruchs nach § 817 S. 2 BGB sei nicht in Betracht zu ziehen.

     

    Das von der Klägerin geleistete und spiegelbildlich von der Beklagten Empfangene kann nicht gegenständlich herausgegeben werden, sodass Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB in Betracht kommt. Der Wertersatz ist nach der objektiven Theorie anhand des marktüblichen Preises für die erbrachte Leistung festzustellen, wobei Abweichungen aufgrund des Zwecks des verletzten Verbotsgesetzes von der Rechtsprechung zugelassen werden (Staudinger/Fischinger/Hengstberger, BGB, § 134, Rn. 160). Der objektive Verkehrswert entspricht dabei dem Betrag, den ein Dritter am Markt für das in Rede stehende Rechtsgut zu zahlen bereit wäre (BGH NJW 06, 2847).

     

    Von der Leistung der Klägerin hat die Beklagte durch Abschluss eines entsprechenden Hauptvertrags, eines Anwaltsvertrags, Gebrauch gemacht, wodurch die Klägerin nach allgemeinen Maßstäben (§ 652 Abs. 1 BGB) die von ihr in Rechnung gestellte Vergütung, nämlich eine erfolgsabhängige Provision, verdient hätte. Eine solche Provision für die Vermittlung eines Anwaltsmandats unterfällt aber dem Verbot des § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO und kann daher auch nicht mit Erfolg auf bereicherungsrechtlicher Grundlage beansprucht werden. Um den Schutzzweck des Provisionsverbots, wonach anwaltliche Mandate nicht ge- oder verkauft werden sollen, zu sichern, muss vermieden werden, dass im Rahmen des Bereicherungsausgleichs über das erlangte Etwas durch die „Hintertür“ die verbotene Provision verschafft wird. Das Verbot liefe sonst leer. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte in gleicher Weise eine andere Person hätte beauftragen können, die ihr die Leistung (die Mandate) gegen Entgelt in zulässiger Weise verschafft hätte.

     

    Da die Klägerin keine Differenzierung zwischen legalen Dienstleistungen, die die Beklagte sich bei ihr oder anderswo hätte einkaufen können, und der gesetzwidrigen Vermittlung von Mandaten bei ihrer Darstellung des Erlangten vornimmt, sah sich das OLG nicht in der Lage, der Klägerin eine Teilvergütung für ihre teilweise auch legalen Tätigkeitsanteile zuzusprechen, sodass ihr ein Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB auch insoweit nicht zugesprochen werden konnte.

    Relevanz für die Praxis

    Der Klägerin stehen nach dem OLG gegen die Beklagte auch keine Ansprüche aus culpa in contrahendo nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB zu. Derartige Ansprüche kommen nur in Betracht, wenn eine Partei die Verbotswidrigkeit des Rechtsgeschäfts kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (Staudinger/Fischinger/Hengstberger (2021) BGB § 134, Rn. 163). Hätte auch die andere Partei die Verbotswidrigkeit kennen müssen, ist der Anspruch wegen Mitverschuldens zu kürzen (Staudinger/Fischinger/Hengstberger (2021) BGB § 134, Rn. 163).

     

    Letzteres ist der Fall. Die Klägerin trägt im Rahmen der Streitverkündung vor, dass der Geschäftsführer der Beklagten, der zugleich zugelassener Rechtsanwalt ist, das Geschäftsmodell und die Plattform der Klägerin mitentwickelt hat und als ihr Justiziar für die rechtliche Ausgestaltung der Vertragsbeziehung der Klägerin zur Beklagten verantwortlich war. Die klägerische Behauptung zugrunde gelegt, war der Geschäftsführer auf beiden Seiten tätig, sodass derselbe Kenntnisstand auf beiden Seiten zu berücksichtigen wäre. Folge: Ein Anspruch scheidet jedenfalls wegen überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin aus.

     

    Es besteht auch kein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 670 BGB. Zwar sind bei Nichtigkeit eines Auftrags wegen § 134 BGB die §§ 677 ff. BGB anwendbar, wenn ihre sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind. Ein Vergütungsanspruch nach den §§ 683, 670 BGB entfällt aber, wenn die Aufwendungen in einer vom Gesetz verbotenen Tätigkeit bestanden, denn diese Aufwendungen durfte der Handelnde nicht den Umständen nach für erforderlich halten (BGH NJW 14, 1805; Staudinger/ Fischinger/Hengstberger, BGB, § 134, Rn. 159).

     

    Vergütungsansprüche folgen auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB in Form eines fremdnützigen Betruges des Geschäftsführers der Beklagten zugunsten der Beklagten oder aus §§ 826, 31 BGB analog als Schadenersatz. Die Klägerin hat insbesondere zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen nicht in hinreichender Form vorgetragen.

     

    Die Parteien haben zwar das Provisionsverbot gekannt, übereinstimmend aber vorgetragen, dass ein Verstoß nicht beabsichtigt war oder in Kauf genommen wurde.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2023 | Seite 160 | ID 49635218