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  • · Fachbeitrag · § 64 EStG

    Kindergeld: Änderung der Verhältnisse bei Betreuung im Wechselmodell

    Eine Änderung der Verhältnisse, die zur Änderung einer vorherigen Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG berechtigt, kann auch dann vorliegen, wenn durch Beginn der Betreuung im Wechselmodell die vorherige überwiegende Haushaltsaufnahme in den Haushalt eines Elternteils dadurch nicht mehr gegeben ist.

     

    Grundsatz

    Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG wird das Kindergeld bei mehreren Berechtigten entsprechend dem sog. Obhutsprinzip demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Eine Haushaltsaufnahme liegt vor, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen die Voraussetzungen materieller Art wie Versorgung oder Unterhaltsgewährung und immaterieller Art wie Fürsorge oder Betreuung erfüllt sein. Die Betreuung des Kindes im Haushalt eines Berechtigten muss einen zeitlich bedeutsamen Umfang haben und die Aufenthalte des Kindes dürfen nicht nur Besuchs- oder Feriencharakter haben.

     

    Bei Aufenthalten eines Kindes sowohl in dem Haushalt des einen wie auch des anderen Berechtigten ist darauf abzustellen, wo sich das Kind überwiegend aufhält und wo es seinen Lebensmittelpunkt hat, da eine Aufteilung des Kindergelds nach § 64 Abs. 1 EStG ausgeschlossen ist. Für den Fall der gleichwertigen Aufnahme in mehreren Haushalten, wie dies bei getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern, die gewillt sind, die gemeinsame Verantwortung auch nach der Trennung weiter zu tragen, vorkommt, bietet das Gesetz keine ausdrückliche Lösung. § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG verlangt einen gemeinsamen Haushalt mehrerer Berechtigter. § 64 Abs. 3 EStG ist nicht anwendbar, da eine Haushaltsaufnahme i. S. v. § 64 Abs. 2 EStG gegeben ist. In diesen Fällen ist § 64 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 EStG analog anzuwenden.

     

    Das Kriterium der Haushaltsaufnahme nach dem Obhutsprinzip berücksichtigt, dass diejenigen Berechtigten, die sich tatsächlich um das Kind kümmern, materiell und immateriell belastet sind. Nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG bestimmen bei Aufnahme eines Kindes in den gemeinsamen Haushalt mehrerer Berechtigter diese untereinander den vorrangig Berechtigten. Der Zweck der Regelung, den Berechtigten in dieser Situation die Bestimmung des vorrangig Berechtigten zu überlassen, trifft ebenso in Fällen gleichwertiger Haushaltsaufnahme bei zwei Berechtigten zu. Denn auch hier sind die Berechtigten typischerweise in gleicher Höhe mit den Leistungen für das Kind belastet, unabhängig davon, ob dies im konkreten Fall tatsächlich so gegeben ist.

     

    Entscheidung

    Vor diesem Hintergrund stand dem Anspruchsberechtigten im Streitfall kein Kindergeld zu, da das Kind A im Wechselmodell zu gleichen Anteilen beim Vater und der Mutter lebte. Es lag aber keine Berechtigtenbestimmung zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor.

     

    Zu Recht hatte die Familienkasse eine Änderungsbefugnis angenommen. Eine Kindergeldfestsetzung ist nach § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG zu ändern, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten. Dabei hat die Änderung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse zu erfolgen. Eine Änderung der Verhältnisse i. S. d. § 70 Abs. 2 EStG ist die Änderung der tatsächlichen oder auch rechtlichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten oder des Kindes.

     

    Eine solche Änderung der Verhältnisse lag im Streitfall ab Juni 2020 vor. Denn bis dahin war das Kind überwiegend in den Haushalt des Vaters aufgenommen. Ab Juni 2020 hatten der Vater und die Mutter das Kind jeweils zu gleichen zeitlichen Anteilen in ihren jeweiligen Haushalt aufgenommen. Diese Änderung ist auch erheblich, da in diesem Falle gerade eine Berechtigtenbestimmung erforderlich ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass nicht zugleich ein Anspruch der Mutter auf Festsetzung entstanden sein dürfte. Denn die Festsetzung bzw. Aufhebung gegenüber dem Vater ist hiervon getrennt zu betrachten.

     

    Eine Änderung der Verhältnisse liegt nicht nur dann vor, wenn nunmehr statt des einen Berechtigten ein anderer Berechtigter bezugsberechtigt i. S. d. § 64 EStG ist, sondern auch dann, wenn ‒ wie im Streitfall ‒ jedenfalls bei einem Berechtigten die Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 48547541

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