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  • · Fachbeitrag · Besondere Vollstreckungsarten

    So umgehen Sie Schwierigkeiten, wenn Sie den Taschengeldanspruch des Ehegatten pfänden

    | Ein Fall aus der Praxis: Im Rahmen der Vermögensauskunft gibt der Schuldner an, dass er monatlich 984,17 EUR netto verdient. Er beziehe weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld. Der nicht schuldnerische Ehegatte beziehe monatliche Nettoeinkünfte von 2.037 EUR. Kann der Gläubiger erfolgreich auf den sog. Taschengeldanspruch des Schuldners zugreifen? |

    1. Das ist der Taschengeldanspruch

    Der Taschengeldanspruch als Teil des Familienunterhalts nach §§ 1360, 1360a BGB ist ein individueller, auf Geld gerichteter Zahlungsanspruch des nicht- bzw. des „nur“ hinzuverdienenden Ehegatten gegen den anderen (hauptverdienenden) Ehegatten (BGH NJW 98, 1554). Er soll die angemessenen, persönlichen Bedürfnisse des Nicht- bzw. Geringerverdieners befriedigen und ist wie Arbeitseinkommen in den Grenzen des § 850b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO bedingt pfändbar (BVerfG FamRZ 86, 773; OLG Nürnberg Rpfleger 98, 294; OLG Stuttgart FamRZ 97, 1494).

     

    Der Taschengeldanspruch ist stets bedingt pfändbar (BGH VE 04, 153, Abruf-Nr. 041681). Er beträgt mindestens 5 Prozent des anrechenbaren Einkommens des unterhaltspflichtigen Ehegatten (BGH Rpfleger 98, 254).

    2. Schwierigkeiten bei der Pfändung

    Der Gläubiger muss, will er den Taschengeldanspruch pfänden, allerdings regelmäßig folgende Hürden überspringen:

     

    • Die Taschengeldpfändung setzt voraus, dass die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners - also in körperliche Sachen, Forderungen oder Rechte - die Gläubigerforderung nicht vollständigbefriedigt hat (§ 850b Abs. 2 ZPO). Es muss aber vorher keine Vollstreckung in unbewegliches Vermögen versucht worden sein.

     

    • Im Rahmen der sog. Billigkeitsprüfung gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO muss das Vollstreckungsgericht regelmäßig den Schuldner anhören (§ 850b Abs. 3 ZPO). Hierbei sind vor allem die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der Ehegatten wichtig, insbesondere die des drittschuldnerischen Ehegatten. Die Pfändung des Taschengeldanspruchs ist i.d.R. nur billig, wenn, verglichen mit durchschnittlichen Fällen, besondere Umstände vorliegen (OLG Hamm InVo 02, 191; OLG Nürnberg Rpfleger 98, 294). Das ist der Fall, wenn wegen eines Deliktsanspruchs vollstreckt wird (OLG Hamm InVo 02, 191; LG Karlsruhe InVo 02,430) und wenn der Taschengeldanspruch einschließlich des übrigen Unterhaltsanspruchs die Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO übersteigt (OLG Stuttgart Rpfleger 01, 557; LG Oldenburg JurBüro 02, 48; LG Stuttgart JurBüro 01, 45; LG Karlsruhe JurBüro 00, 548; LG Heilbronn JurBüro 00, 156; Rpfleger 99, 550; LG Siegen JurBüro 02, 609).

     

    PRAXISHINWEIS | Zur Billigkeit muss der Gläubiger vortragen. Hierbei ist zu beachten:

     

    • Es ist billig, wenn z.B. einer hohen titulierten Forderung ein relativ geringwertiger Taschengeldanspruch entgegensteht, weil damit Schuldner, die hoch verschuldet sind, besser gestellt werden als Schuldner, die ihre finanziellen Möglichkeiten nur wenig überschritten haben (LG Stuttgart JurBüro 01, 45).

     

    • Es ist auch billig, den Taschengeldanspruch zu pfänden, wenn es voraussichtlich länger dauern wird, bis die Forderung durch den pfändbaren Teil des Taschengelds befriedigt wird (OLG Stuttgart Rpfleger 97, 447; LG Stuttgart JurBüro 01, 45; LG Duisburg JurBüro 97, 491; LG Dortmund JurBüro 97, 45). Reicht allerdings der errechnete monatliche Taschengeldanspruch nicht aus, um die hohen Zinsen des titulierten Anspruchs abzudecken, kann angeordnet werden, dass die an den Gläubiger abzuführenden Beträge zunächst nur mit der titulierten Hauptschuld zu verrechnen sind (OLG Stuttgart Rpfleger 97, 447).

     

    • Dafür, ob der Taschengeldanspruch pfändbar ist, kommt es nicht darauf an, ob und wann und wie viel der unterhaltspflichtige Lebenspartner an Taschengeld ausbezahlt (LG Tübingen JurBüro 01, 46).
     

    3. Schwierigkeiten bei der Durchsetzbarkeit

    Selbst wenn das Vollstreckungsgericht den PfÜB erlässt, ist für den Gläubiger regelmäßig problematisch, dass der nicht schuldnerische Ehegatte als Drittschuldner nicht zahlt. Überwiesen werden kann letztlich nur, wenn der Pfändungsfreibetrag gemäß der Lohnpfändungstabelle überschritten ist. Ob dies der Fall ist, müssen die Fachgerichte (Familiengericht) auf der Grundlage des einfachen Rechts gegebenenfalls durch Drittschuldnerklage entscheiden.

     

    Auf den obigen Fall bezogen, beträgt der Taschengeldanspruch des Schuldners gegen den Ehegatten als Drittschuldner 101,85 EUR (= 5 Prozent von 2.037 EUR). Um die Pfändungsfreigrenze zu überschreiten, müsste der Gläubiger per Drittschuldnerklage klären lassen, ob Schuldner bei einer Trennung vom Ehegatten Barunterhalt beanspruchen könnte. Dieser Anspruch beträgt regelmäßig 3/7 des Unterschiedsbetrags der beiden Nettoeinkommen, also

     

    2.037 EUR abzgl. 984,17 EUR = 1.052,83 EUR x 3/7 = 451,21 EUR.

     

     

    Wird addiert (451,21 EUR zzgl. 101,85 EUR = 553,06 EUR), wird die Pfändungsfreigrenze nicht überschritten.

     

    Dem Gläubiger ist also zu raten, den Taschengeldanspruch nicht zu pfänden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • In einer der nächsten Ausgaben von VE zeigen wir Schritt für Schritt, wie Sie mit den amtlichen PfÜB-Formularen den Taschengeldanspruch pfänden
    Quelle: Ausgabe 09 / 2015 | Seite 160 | ID 43533991