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  • 22.11.2016 · IWW-Abrufnummer 190005

    Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 25.05.2016 – 4 Sa 1620/15

    1. § 1 Abs. 3 MiLoG begründet keine Bereichsausnahme für die fragliche Branche. Vielmehr verdrängt der Branchenmindestlohn den gesetzlichen Mindestlohn nur dann, wenn er mindestens dessen Höhe erreicht.

    2. § 24 Abs. 1 MiLoG setzt voraus, dass die abweichenden Regelungen das fragliche Arbeitsverhältnis erfassen.


    Tenor:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 11.09.2015 - 2 Ca 678/15 L - teilweise abgeändert.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.557,53 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

    aus 332,15 € seit dem 16.02.2015,

    aus weiteren 332,15 € seit dem 16.03.2015,

    aus weiteren 332,14 € seit dem 16.04.2015,

    aus weiteren 332,15 € seit dem 16.05.2015,

    aus weiteren 332,15 € seit dem 16.06.2015,

    aus weiteren 332,15 € seit dem 16.07.2015

    und aus weiteren 332,13 € seit dem 18.08.2015

    zu zahlen.

    Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

    Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.

    Die Revision wird zugunsten der Beklagten zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten im Wesentlichen über Arbeitsentgeltansprüche und diesbezüglich über die Frage, ob die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fanden.



    Die Beklagte betreibt private Pflegedienste in M und Umgebung. Die Klägerin wurde zum 11.10.2008 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 13.10.2008, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf Aktenblatt 6 bis 11 verwiesen wird, als Betreuungskraft eingestellt. Sie war zuletzt für jeweils 9,5 Stunden als Nachtwache tätig und hat dabei in einem nicht vorgetragenen Anteil Bereitschaftsdienst geleistet. Mit Änderungsvertrag vom 28.11.2011 haben die Parteien folgendes vereinbart:

    " . . . § 3 Tätigkeit Ab dem 01.02.2011 wird die sozialversicherungspflichtige Tätigkeit von Teilzeit in eine geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis (400-€-Grenze) umgewandelt. § 6 Arbeitszeit Die regelmäßige monatliche Arbeitszeit richtet sich nach den Vorgaben der Einsatzleitung. § 7 Vergütung Ab dem 01.02.2011 erhält Frau T für ihre Tätigkeit in der Betreuung eine Stundenvergütung pro geleisteter Arbeitszeit in Höhe von 6,65 € (Betrag in Worten: sechsfünfundsechzig). Pro geleisteter Schlafwache (9,5 Stunden) erhält der Arbeitnehmer eine Vergütung von 47,50 € (siebenundvierzigfünfzig). Sollte sich die Auftragslage ändern, so erhält Frau T, nach Genehmigung durch die Geschäftsführung, die Möglichkeit wieder in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zu wechseln. Alle anderen Vereinbarungen des Arbeitsvertrages bleiben unverändert. . . . "



    Die Klägerin verrichtete in den Monaten Januar bis Juli 2015 mit Ausnahme des Monats März 2015 (sieben Nachtwachen), in dem die Klägerin zweitweise arbeitsunfähig erkrankt war, jeweils zehn Nachtwachen und erhielt dafür eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 475,35 € (für März 2015: 475,36 und für Juli 2015, 475,37 €). Im Monat August 2015 leistete die Klägerin entsprechend der dienstplanmäßigen Einteilung sieben Nachtwachen, wofür die Beklagte ihr 332,74 € brutto zahlte.



    Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde zum 31.12.2015 beendet. Im Rahmen eines Verfügungsverfahrens, das beim Arbeitsgericht Hamm unter dem Aktenzeichen 4 Ga 17/15 L geführt wurde, schlossen sie am 20.10.2015 einen Vergleich mit folgendem Inhalt:



    - 1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch eine von der Antragsgegnerin noch in diesem Monat auszusprechende und zuzustellende ordentliche fristgerechte betriebsbedingte Kündigung mit dem 31.12.2015 enden wird.



    - 2. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist wird die Antragstellerin von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.



    - 3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass Urlaubsansprüche vollständig erfüllt sind.



    - 4. Die Monate Oktober, November und Dezember 2015 werden abgerechnet auf der Basis einer Vergütung von 450,00 EUR brutto pro Monat.



    - 5. Als Abfindung gemäß der §§ 9, 10 KSchG für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Antragsgegnerin an die Antragstellerin einen Betrag von 300,00 EUR brutto.



    - 6. Mit Erfüllung der Bedingungen dieses Vergleichs sind die wechselseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien erledigt, mit Ausnahme der Ansprüche, die Gegenstand des derzeit beim LAG Hamm anhängigen Verfahrens sind mit dem Aktenzeichen 2 Ca 678(15 L -Arbeitsgericht Hamm-.



    - 7. Damit ist der Rechtsstreit 4 Ga 17/15 L erledigt.



    Nach der am 31.12.2014 außer Kraft getretenen "Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche" galt seit 01.08.2010 u.a. für das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen ein branchenbezogenes Mindestentgelt in Höhe von zuletzt 9,00 € je Stunde. Nach § 1 Abs. 3 der Verordnung war diese anwendbar für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit überwiegend pflegerischen Tätigkeiten in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI.



    Die nachfolgenden "Zweiten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche" (2. PflegeArbbV), die grundsätzlich am 01.01.2015 in Kraft getreten ist, enthält u.a. folgende Regelungen:

    " . . . § 1 Geltungsbereich (1) . . . (2) Diese Verordnung gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie gilt nicht für: 1. Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz sowie 2. Pflegeschülerinnen und Pflegeschüler. (3) Diese Verordnung gilt nicht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Pflegebetriebe in folgenden Bereichen: 1. in der Verwaltung, 2. in der Haustechnik, 3. in der Küche, 4. in der hauswirtschaftlichen Versorgung, 5. in der Gebäudereinigung, 6. im Bereich des Empfangs- und des Sicherheitsdienstes, 7. in der Garten- und Geländepflege, 8. in der Wäscherei sowie 9. in der Logistik (4) Abweichend von Absatz 2 gilt diese Verordnung für Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Absatzes 3, soweit sie im Rahmen der von ihnen auszuübenden Tätigkeiten in nicht unerheblichem Umfang gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern tagesstrukturierend, aktivierend, betreuend oder pflegend tätig werden, insbesondere als: 1. Alltagsbegleiterinnen und -begleiter, 2. Betreuungskräfte von Menschen mit dementiellen Erkrankungen oder 3. Assistenzkraft. (5) Für Betreuungskräfte von Menschen mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung (§ 87b des Elften Buches Sozialgesetzbuch) und für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Absatz 4 ist dieser Verordnung ab dem 1. Oktober 2015 anzuwenden. (6) . . . § 2 Mindestentgelt (1) Das Mindestentgelt beträgt im Gebiet der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein - ab dem 1. Januar 2015: 9,40 Euro je Stunde, - ab dem 1. Januar 2016: 9,75 Euro je Stunde, - ab dem 1. Januar 2017: 10,20 Euro je Stunde. . . . "



    Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, die von ihr geleisteten Nachtwachen nach dem Mindestlohngesetz zu vergüten. Die 2. PflegeArbbV finde auf ihr Arbeitsverhältnis erst ab dem 01.10.2015 Anwendung. Bezogen auf die monatlich verrichteten zehn Nachtwachen schulde die Beklagte ihr daher ein Bruttoentgelt in Höhe von monatlich 807,50 € bei insgesamt 95 Arbeitsstunden. Bereits seit vielen Jahren habe sich das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis dahin konkretisiert, dass sie monatlich zehn Nachtwachen leiste. Daher habe sie auch im Monat August Anspruch darauf gehabt, in diesem Umfang beschäftigt zu werden.



    Die Klägerin hat beantragt,

    1. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Januar 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen, abzüglich am 09.02.2015 gezahlter 475,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2015; 2. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Februar 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen, abzüglich am 06.03.2015 gezahlter 475,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2015; 3. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat März 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen, abzüglich am 09.04.2015 gezahlter 475,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2015; 4. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat April 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen, abzüglich am 08.05.2015 gezahlter 475,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2015; 5. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Mai 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen, abzüglich am 15.06.2015 gezahlter 475,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2015; 6. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Juni 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen, abzüglich am 15.07.2015 gezahlter 475,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2015; 7. die Beklagte zu verurteilen, sie für den Monat Juli 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen, abzüglich am 17.08..2015 gezahlter 475,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2015 8. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie fortlaufend ab dem Monat August 2015 mit monatlich zehn Nachwachen zu beschäftigen.



    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.



    Die Beklagte hat vorgetragen, das Mindestlohngesetz finde auf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin keine Anwendung. Vielmehr sei die 2. PflegeArbbV als lex specialis einschlägig. Der dort geregelte Mindestlohn gelte für die Klägerin jedoch erst ab dem 01.10.2015. Sie sei vorwiegend in der hauswirtschaftlichen Versorgung tätig, daneben werde sie in nicht unerheblichem Umfang auch gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern tagestrukturierend, aktivierend, betreuend oder pflegend tätig. Daher sei § 1 Abs. 4 2. PflegeArbbV einschlägig, so dass nach § 1 Abs. 5 2. PflegeArbbV die Verordnung mit Wirkung ab dem 01.10.2015 auf die Klägerin anwendbar sei. Eine solche Auslegung sei auch nach Art. 4 GG i.V.m. Art. 140 GG und Art. 137 WRV verfassungsrechtlich geboten.



    Das Arbeitsgericht Hamm hat die Klage durch Urteil vom 11.09.2015 in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung führt das Arbeitsgericht aus, für den Monat August 2015 stehe der Klägerin ein Anspruch schon deshalb nicht zu, weil die Vergütung für diesen Monat gemäß Ziffer 4.1 des Arbeitsvertrages vom 13.10.2008 erst zum 15.09.2015 fällig werde. Auch für die Monate Januar bis Juli 2015 habe sie aber wegen der Bereichsausnahme des § 1 Abs. 3 MiLoG keinen Anspruch auf Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 MiLoG. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die 2. PflegeArbbV zu ihren Gunsten erst ab dem 01.10.2015 Anwendung finde. Die 2. PflegeArbbV setze allein voraus, dass der territoriale sowie der betrieblich-fachliche Geltungsbereich eröffnet sei, was unstreitig der Fall sei. Die Vergütungsvereinbarung sei auch nicht sittenwidrig, weil ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht feststellbar sei. Soweit die Klägerin Feststellung begehre, dass die Beklagte verpflichtet sei, sie auch zukünftig in zehn Nachtwachen zu beschäftigen, bestehe dafür keine Anspruchsgrundlage. Die Parteien hätten im Änderungsvertrag vom 28.01.2011 vereinbart, dass sich die regelmäßige monatliche Arbeitszeit nach den Vorgaben der Einsatzleitung richte. Damit hätten sie entsprechend § 12 Abs. 1 TzBfG vereinbart, dass die Klägerin Arbeit auf Abruf leiste. Da eine bestimmte wöchentliche oder tägliche Arbeitszeit nicht festgelegt worden sei, betrage gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit mindestens zehn Stunden, sodass die Klägerin im August 2015 vertragsgerecht beschäftigt worden sei. Eine nachträgliche einvernehmliche Änderung der vertraglichen Vereinbarung vom 28.01.2011 dahin, dass sie pro Monat zehn Nachtschichten im Bereitschaftsdienst zu erbringen habe, sei nicht vorgetragen. Selbst wenn sie nach der Vertragsänderung im Jahr 2011 jeden Monat zu zehn Nachtschichten eingeteilt gewesen sei, deute dies noch nicht auf eine ausdrückliche oder konkludente Vertragsänderung hin. Eine Konkretisierung der Arbeitszeit sei ebenfalls nicht ersichtlich. Es fehle jedenfalls an einem dem Arbeitgeber zurechenbaren Verhalten, aufgrund dessen die Klägerin darauf habe schließen können, dauerhaft oberhalb der Grenze des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG beschäftigt zu werden.



    Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf ABl. 89 - 95 Bezug genommen.



    Die Klägerin hat gegen das ihr am 15.09.2015 zugestellte Urteil mit am 14.10.2015 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.



    Die Klägerin trägt vor, rechtsirrig gehe das Arbeitsgericht davon aus, dass § 1 Abs. 2 MiLoG auf ihr Arbeitsverhältnis keine Anwendung finde. § 1 Abs. 3 MiLoG setze voraus, dass die Branchenmindestlöhne die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns nicht unterschritten. Außerdem etabliere § 2 2. PflegeArbbV gerade keinen Branchenmindestlohn, denn nach § 1 Abs. 3 2. PflegeArbbV seien eine Vielzahl von Arbeitsbereichen ganz und nach § 1 Abs. 5 2. PflegeArbbV weitere Arbeitsverhältnisse, darunter auch ihres, zeitlich befristet bis zum 30.09.2015 ausgenommen. Ihr Mindestlohnanspruch scheitere auch nicht an der Übergangsregelung gemäß § 24 Abs. 1 MiLoG, denn für sie sei die 2. PflegeArbbV erst ab dem 01.10.2015 verbindlich i.S.v. § 24 Abs. 1 MiLoG. Somit habe sie Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 € für die Zeit ab dem 01.01.2015. Hinsichtlich des Lohns für den Monat August 2015 hätte das Arbeitsgericht den Anspruch allenfalls als derzeit unbegründet abweisen dürfen. Im Übrigen stehe ihr der Anspruch zu, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergebe. Schließlich habe sie Anspruch darauf, ab Monat August 2015 mit monatlich zehn Nachtwachen beschäftigt zu werden. Dazu habe sie als Rechtstatsache vorgetragen, dass sich ihr Arbeitsverhältnis dementsprechend konkretisiert habe. Dies hätte das Gericht als unbestritten der Entscheidungsfindung zugrunde legen müssen. Jedenfalls leiste sie keine Arbeit auf Abruf.



    Die Klägerin beantragt,

    1. das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 11.09.2015, AZ: 2 Ca 678/15 L, abzuändern und a.) die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Januar 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen abzüglich am 09.02.2015 gezahlter 475,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2015, b.) die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Februar 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen abzüglich am 06.03.2015 gezahlter 475,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2015, c.) die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat März 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen abzüglich am 09.04.2015 gezahlter 475,36 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2015, d.) die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat April 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen abzüglich am 08.05.2015 gezahlter 475,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2015, e.) die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Mai 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen abzüglich am 15.06.2015 gezahlter 475,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2015, f.) die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Juni 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen abzüglich am 15.07.2015 gezahlter 475,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2015, g.) die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Juli 2015 807,50 EUR brutto zu zahlen abzüglich am 17.08..2015 gezahlter 475,37 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2015, h.) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie fortlaufend ab dem Monat August 2015 mit monatlich zehn Nachwachen zu beschäftigen, i.) die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat August 2015 807,50 € brutto abzüglich gezahlter 332,74 € brutto zu zahlen.



    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.



    Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und trägt ergänzend vor, die Berufung sei schon unzulässig, weil die Zahlungsanträge nicht hinreichend bestimmt seien. Die Klägerin hätte die erbrachten Nettozahlungen berücksichtigen müssen, Brutto- und Nettobeträge könnten nicht gegenseitig verrechnet werden. Mit Rücksicht auf die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2015 unter gleichzeitiger Freistellung sei auch der Antrag auf Beschäftigung mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Jedenfalls sei die Berufung aber unbegründet. Hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung vom 8,50 € brutto je geleisteter Arbeitsstunde fehle es an einer Anspruchsgrundlage, da § 1 Abs. 2 MiLoG keine Anwendung finde. Nach § 1 Abs. 3 MiLoG gehe das 2. PflegeArbbV den Regelungen des MiLoG vor. Dass die 2. PflegeArbbV für die Klägerin erst ab dem 01.10.2015 Anwendung fände, ändere nichts an dem Vorrang der diesbezüglichen Regelungen als lex specialis. Vielmehr könne die Klägerin bis zum 30.09.2015 weder den gesetzlichen Mindestlohn noch jenen nach der 2. PflegeArbbV verlangen. Dies entspreche dem gesetzgeberischen Willen und sei nicht zu beanstanden. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass sich die Pflegebranche von anderen Wirtschaftszweigen wesentlich unterscheide. Dies sei der Grund dafür, weshalb der Gesetzgeber mit Blick auf den gesetzlichen Mindestlohn in den §§ 10 bis 13 AEntG Sondervorschriften erlassen habe. Der überwiegende Anteil der Pflegeplätze werde von kirchlichen Leistungsanbietern gestellt. Mit Blick auf den dritten Weg habe der Gesetzgeber daher für die Pflegebranche eine besondere rechtliche Grundlage für die Einführung des Mindestlohnes schaffen müssen, weil dieser anderenfalls wegen eines offenkundigen Verstoßes gegen Art. 4 GG i.V.m. Art. 140 GG und Art. 137 WRV verfassungswidrig gewesen wäre. Daher habe der Gesetzgeber auf die sogenannte Kommissionsregelung des § 12 AEntG zurückgreifen müssen. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie verpflichtet sei, diese mit monatlich zehn Nachtwachen zu beschäftigen. Die Voraussetzungen für eine Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses lägen nicht vor. Selbst wenn man davon ausgehe, dass sie seit dem Jahr 2011 ausschließlich in der Nachtschicht tätig gewesen sei, reiche dies nicht aus, um eine Konkretisierung der Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht zu begründen. Jedenfalls mangele es am Umstandsmoment. Die Klägerin habe keine Umstände vorgetragen, aus denen geschlossen werden könne, dass sie sie in Zukunft nur noch im Rahmen der Nachwache eingesetzen werde.



    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu Protokoll genommenen Erklärungen der Parteien ergänzend Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe



    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 11.09.2015 ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.



    Die Berufung der Klägerin ist aber nur teilweise begründet.



    1. Soweit die Klägerin auch in zweiter Instanz Feststellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem Monat August 2015 monatlich mit zehn Nachwachen zu beschäftigen, ist die Klage unzulässig. Nachdem die Parteien im Verfügungsverfahren 4 Ga 17/15 L im Termin am 20.10.2015 sich im Wege des Vergleichs letztlich auf eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2015 verständigt haben, fehlt es ersichtlich an dem gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Dieses folgt auch nicht aus den bis zur Beendigung noch anfallenden Vergütungsansprüchen. Bis einschließlich August 2015 sind die Arbeitsentgeltansprüche der Klägerin ohnehin Gegenstand des Berufungsverfahrens. Etwaige Ansprüche der Klägerin für den Monat September 2015 sind durch die Ausgleichsklausel in Ziffer 6 des Vergleichs erledigt und ihre Ansprüche für die Monate Oktober bis Dezember 2015 haben in Ziffer 4 des Vergleichs eine ausdrückliche Regelung erfahren.



    Im Übrigen sind die Anträge der Klägerin zulässig. Sie sind insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO. Zwar ist die gewählte Form der Antragstellung ungewöhnlich und lässt unter Berücksichtigung der Fälligkeitsvereinbarung in Ziffer 4.1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 13.10.2008 einen nachvollziehbaren Sinn nicht erkennen. Gleichwohl lässt sich die Höhe der von der Klägerin verfolgten Zahlungsforderungen unter Anwendung der Grundrechenarten unschwer ermitteln und ist damit nicht unbestimmt. Insbesondere war die Klägerin nicht gehalten, anstatt der abgerechneten Bruttobezüge die von der Beklagten angewiesenen Nettobeträge bei ihren Zahlungsforderungen in Abzug zu bringen. Der Sache nach macht die Klägerin ausschließlich noch nicht abgerechnete Bruttodifferenzen geltend, für die naturgemäß keine Nettozahlungen erfolgt sind. Dass sie bei Zahlung des von ihr geforderten gesetzlichen Mindestlohns in den gesetzlichen Sozialversicherungen beitragspflichtig wird, ist erst bei der Nachberechnung der Vergütungsdifferenzen von der Beklagten entsprechend zu berücksichtigen.



    Auch über die im Berufungsverfahren beantragte Differenzvergütung für den Monat August 2015 kann in der Sache entschieden werden. Zwar hat die Klägerin den im Schriftsatz vom 27.08.2016 angekündigten Antrag Ziff. 9, der ihren Vergütungsanspruch für diesen Monat zum Gegenstand hatte, ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 11.09.2015 nicht gestellt. Es kann aber nicht angenommen werden, dass der Rechtsstreit insoweit noch in erster Instanz anhängig ist. Ausweislich der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wollte das Arbeitsgericht ein Schlussurteil erlassen und hat sich unnötigerweise sogar ausdrücklich mit den Vergütungsansprüchen der Klägerin für den Monat August 2015 befasst. Die Kammer geht insoweit von einer stillschweigend erklärten Teilklagerücknahme aus, was innerhalb der mündlichen Verhandlung nach § 269 Abs. 2 Satz 2 ZPO ohne Einreichung eines Schriftsatzes möglich ist (zu den weiteren Anforderungen: LAG Köln, Urteil vom 20.02.2015 - 4 Sa 573/14 - [...]). Der in der Berufungsinstanz gestellte Antrag erweist sich danach als sachdienliche Klageerweiterung i.S.v. § 533 ZPO.



    2. Soweit die Klägerin für die Monate Januar bis Juli 2015 für jeweils zehn Tage und für den Monat August 2015 für weitere sieben Tage jeweils für 9,5 Arbeitsstunden eine Vergütung auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns verlangt, ist die Berufung begründet. Der Anspruch folgt aus § 1 Absätze 1 und 2 Satz 1 MiLoG. Daraus errechnet sich zugunsten der Klägerin unter Berücksichtigung der seitens der Beklagten bereits geleisteten Zahlungen ein Differenzanspruch in Höhe von zusammengerechnet 2.557,53 € brutto.



    Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zahlung des Mindestlohns nach § 1 Abs. 1 sind erfüllt, denn zwischen den Parteien bestand unstreitig bis zum 31.12.2015 ein Arbeitsverhältnis und somit hatte die Beklagte als Arbeitsentgelt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 ab dem 01.01.2015 für jede geleistete Zeitstunde an die Klägerin einen Bruttolohn in Höhe von 8,50 € zu zahlen.



    Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten steht § 1 Abs. 3 MiLoG i.V.m. den Bestimmungen der zweiten Pflegearbeitsbedingungenverordnung dem nicht entgegen.



    Die Kammer hat schon erhebliche Zweifel, ob die Klägerin tatsächlich zu der in § 1 Abs. 4 2. PflegeArbbB bezeichneten Personengruppe zählt. Zwar hat die Beklagte, den Wortlaut der Rechtsverordnung wiedergebend, behauptet, die Tätigkeit der Klägerin sei in nicht unerheblichem Umfang davon geprägt gewesen, gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern tagesstrukturierend, aktivierend, betreuend oder pflegend tätig zu werden und die Klägerin ist dem auch nicht entgegengetreten. Andererseits ist diese unstreitig zumindest seit dem Jahr 2011 ausschließlich als Nachtwache für die Beklagte tätig, was den angeblichen "tagesstrukturierenden" Pflegetätigkeiten ersichtlich entgegensteht.



    Letztlich kann dies dahinstehen. Zwar ist die 2. PflegeArbbV auf Grundlage von § 11 AEntG als Rechtsverordnung erlassen worden. § 1 Abs. 3 MiLoG enthält jedoch entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts keine "Bereichsausnahme", sondern bestimmt lediglich, dass die in § 1 Abs. 3 MiLoG in Bezug genommenen Branchenmindestlöhne Vorrang haben, soweit ihre Höhe "die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet". Selbst wenn man also annehmen würde, dass die 2. PflegeArbbV bereits zum 01.01.2015 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien einwirkte, was wegen des Wortlauts des § 1 Abs. 5 2. PflegeArbbV schon schwer zu begründen wäre, würde dies jedenfalls nicht dazu führen, dass der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn unterschritten werden darf. § 1 Abs. 3 MiLoG bezweckt lediglich, dass andere Rechtsgrundlagen, welche einen verbindlichen Mindestlohn etablieren, Vorrang vor den Bestimmungen des Mindestlohngesetzes haben, sofern diese den gesetzlichen Mindestlohn erreichen oder überschreiten (ErfK/Franzen, 16. Auflage 2016, § 1 MiLoG Rn. 21). Soweit dies nicht der Fall ist, weil bestimmte Arbeitnehmergruppen ganz oder zum Teil (etwa zeitlich beschränkt) vom persönlichen Geltungsbereich der branchenspezifischen Mindestlohnregelung ausgenommen sind, gilt für die ausgenommenen Arbeitnehmer der allgemeine Mindestlohn (Lembke, NZA 2016, 1, 3 f). § 1 Abs. 3 MiLoG will sicherstellen, dass in seinem Anwendungsbereich für jedes Arbeitsverhältnis ein Mindestlohnregime zur Anwendung kommt (Riechert/Nimmerjahn, MiLoG, 2015, § 1 Rn. 177). Im Übrigen kann eine bloße Negativregelung ohnehin keine den gesetzlichen Mindestlohn verdrängende Branchenregelung darstellen (Riechert/Nimmerjahn a.a.O. Rn. 182).



    Der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 und 2 MiLoG steht auch nicht die Übergangsregelung in § 24 Abs. 1 MiLoG entgegen. Zwar handelt es sich, wie bereits dargelegt, bei den Bestimmungen der 2. PflegeArbbV um eine Rechtsverordnung auf Grundlage des § 11 AEntG, auf den § 24 Abs. 1 Satz 2 MiLoG verweist. Allerdings setzt § 24 Abs. 1 Satz 1 MiLoG voraus, dass die abweichenden Regelungen gerade auch das in Frage stehende Arbeitsverhältnis erfassen Riechert/Nimmerjahn, § 24 MiLoG Rn. 28). Allein aus dem Umstand, dass nach Maßgabe des § 1 Abs. 5 2. PflegeArbbV für bestimmte Arbeitnehmergruppen das Branchenmindestentgelt erst ab dem 01.10.2015 gilt, folgt noch nicht, dass bis dahin sich die arbeitsvertragliche Individualvereinbarung gegenüber den Bestimmungen des Mindestlohngesetzes durchsetzt. Auch wenn man annimmt, dass die 2. PflegeArbbV zugunsten der Klägerin ab dem 01.10.2015 greift, können für die Zeit davor keine wie auch immer gearteten Rechtsfolgen zu Gunsten oder zu Lasten der Klägerin aus der 2. PflegeArbbV abgeleitet werden. § 1 Abs. 5 2. PflegeArbbV ordnet die Anwendbarkeit der zweiten Pflegearbeitsbedingungenverordnung ab dem 1.10.2015 an. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass ihre Bestimmungen in der Zeit davor auf den fraglichen Personenkreis nicht anwendbar sind.



    Etwas anderes folgt auch nicht aus einer aus Artikel 4 GG i.V.m. 140 GG und 137 WRV abzuleitenden verfassungskonformen Auslegung. Auch die Beklagte macht nicht geltend, dass die Einführung eines Mindestlohns in der Pflegebranche gegen höherrangiges Recht verstößt und dafür ist auch nichts ersichtlich. Dies gilt auch dann, wenn man mit ihr annimmt, dass rechtstatsächlich überwiegend kirchliche Träger Arbeitgeber für die erfassten Pflegeberufe sind. Wenn die Einführung von Mindestlöhnen auch zu Lasten der kirchlichen Arbeitgeber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dann kann die Beklagte aber nicht aus dem Umstand, dass die 2. PflegeArbbV (ebenso wie die Vorgängerregelung) nur bestimmte Berufsgruppen dem persönlichen Geltungsbereich unterwirft, ein verfassungsrechtliches Gebot ableiten, für die nicht erfassten Arbeitnehmergruppen unter Außerachtlassung des gesetzlichen Mindestlohns bis zur Grenze des Lohnwuchers nach § 138 BGB einzelvertraglich ein geringeres Arbeitsentgelt zuzulassen.



    Nach alledem hat die Klägerin seit dem 01.01.2015 gegen die Beklagte aus § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG einen Anspruch auf Zahlung von 8,50 € brutto für jede geleistete Zeitstunde. Dass sie im Rahmen der ihr übertragenen Nachtwachen in nicht unwesentlichem Umfang Bereitschaftsdienst geleistet hat, steht dieser Annahme nicht entgegen (vgl. BAG, Urteil vom 19.11.2014 - 5 AZR 1101/12 = AP Nr. 24 zu § 611 BGB).



    Die Klägerin kann die Zahlung von Mindestlohn auch für die im Monat März 2015 infolge ihrer Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen drei Nachtwachen verlangen. Dies folgt zwar nicht unmittelbar aus § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG, aber aus §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 EFZG und dem diesen Bestimmungen zu Grunde liegenden Entgeltausfallprinzip (BAG, Urteil vom 18.11.2015 - 5 AZR 761/13 = NZA 2016, 828 ff. zum Mindestlohn nach der (1.) PflegeArbbV; BAG, Urteil vom 13.05.2015 - 10 AZR 495/14 = NZA 2015, 1127 ff. zum TV Mindestlohn für pädagogisches Personal).



    Nach alledem hat die Klägerin gemäß § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG für die Monate Januar bis einschließlich Juli 2015 Anspruch auf Zahlung von jeweils 807,50 € (10 Nachtwachen x 9,5 Zeitstunden x 8,50€). Im Monat August 2015 hat sie sieben Nachwachen geleistet, sodass ihr dafür ein Vergütungsanspruch in Höhe von 565,25 € zusteht. Dies ergibt in der Summe für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Bruttobetrag von 6.217,75 €. Hiervon abzuziehen sind die unstreitig erfolgten Bruttozahlungen in Höhe von insgesamt 3.660,22 €, sodass die Beklagte in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung dazu zu verurteilen war, an die Klägerin die Differenz von 2.557,53 € brutto zu zahlen.



    Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Ziffer 1, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. Ziffer 4.1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 13.10.2008. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin für den Monat August 2015 keinen Zinsantrag gestellt hat, sodass ihr insoweit nach § 308 Abs. 1 ZPO auch keine Zinsen zugesprochen werden konnten.



    Soweit die Klägerin unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1, 611 Abs. 1, 293 ff. BGB für den Monat August 2015 eine Vergütung für weitere drei Nachtwachen verlangt, war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen werden (§§ 69 Abs. 2 ArbGG), wobei dahinstehen kann, ob die Parteien durch den Änderungsvertrag vom 28.01.2011 ein Abrufarbeitsverhältnis im Sinne von § 12 TzBfG begründet haben. Jedenfalls haben sie mit diesem Änderungsvertrag die ursprünglich nach Ziffer 6.2 des Arbeitsvertrags vom 13.10.2008 mit durchschnittlich 40 Wochenstunden vereinbarte Arbeitszeit abgeändert und in ein geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis umgewandelt, wobei die regelmäßige monatliche Arbeitszeit sich "nach den Vorgaben der Einsatzleitung" richten sollte. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin monatlich mit zehn Nachtwachen zu beschäftigen, kann daraus nicht abgeleitet werden. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch nicht aus einer sogenannten Konkretisierung. Zwar wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelegentlich angenommen, dass sich bestimmte Arbeitsbedingungen nach langjähriger gleichförmiger Übung "konkretisieren" können. Ungeachtet der Frage, ob man diesem Rechtsansatz beitreten kann, ist jedenfalls anerkannt, dass für die sogenannte Konkretisierung nicht der bloße Zeitablauf genügt, sondern besondere weitere Umstände hinzutreten müssen, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und darauf vertrauen darf, dass diese Übung auch zukünftig beibehalten bleiben soll (vgl. BAG, Urteil vom 17.05.2011 - 9 AZR 201/10 = AP Nr. 12 zu § 106 GewO; BAG, Urteil vom 13.03.2007 - 9 AZR 433/06 = AP Nr. 26 zu § 307 BGB). Zu Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die Klägerin derartige Umstände nicht vorgetragen hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte ihrem diesbezüglichen Vortrag nicht ausdrücklich entgegengetreten ist. Unschlüssiger Sachvortrag einer Partei wird nicht allein dadurch zu einer unstreitigen "Rechtstatsache", dass die Gegenseite davon absieht, die fehlende Schlüssigkeit zu rügen. Ein Anspruch der Klägerin darauf, im August 2015 im Rahmen von zehn Nachtwachen beschäftigt zu werden, war nicht gegeben. Der darauf basierende Vergütungsanspruch für weitere drei Nachtwachen war daher unbegründet.



    Nach alledem war die erstinstanzliche Entscheidung nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen teilweise abzuändern und im Übrigen die weitergehende Berufung der Klägerin zurückzuweisen.



    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.



    Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zugunsten der Beklagten zuzulassen.

    Vorschriften§§ 9, 10 KSchG, § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI, § 1 Abs. 4 2. PflegeArbbV, § 1 Abs. 5 2. PflegeArbbV, Art. 4 GG, Art. 140 GG, Art. 137 WRV, § 1 Abs. 3 MiLoG, § 1 Abs. 2 MiLoG, § 12 Abs. 1 TzBfG, § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG, § 2 2. PflegeArbbV, § 1 Abs. 3 2. PflegeArbbV, § 24 Abs. 1 MiLoG, §§ 10 bis 13 AEntG, § 12 AEntG, § 64 Abs. 2 ArbGG, § 256 Abs. 1 ZPO, § 253 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO, § 269 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 533 ZPO, § 1 Absätze 1, 2 Satz 1 MiLoG, § 11 AEntG, § 1 Abs. 1, 2 MiLoG, § 24 Abs. 1 Satz 2 MiLoG, § 24 Abs. 1 Satz 1 MiLoG, Artikel 4 GG, 140 GG, 137 WRV, § 138 BGB, § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG, §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 EFZG, § 611 Abs. 1 BGB, §§ 286 Abs. 2 Ziffer 1, 288 Abs. 1 BGB, § 308 Abs. 1 ZPO, § 615 Satz 1, 611 Abs. 1, 293 ff. BGB, §§ 69 Abs. 2 ArbGG, § 12 TzBfG, §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG