· Fachbeitrag · Grunderwerbsteuer
Anteilsvereinigung durch Anteilsübertragung
| Der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft ändert sich i. S. d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG mittelbar, wenn ein an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligter Gesellschafter mit einem oder mehreren Treugebern vereinbart, den Gesellschaftsanteil treuhänderisch für diese zu halten, und die Treuhandvereinbarungen im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum dazu führen, dass den Treugebern mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft als neuen Gesellschaftern zuzurechnen sind. |
Sachverhalt
Die Klägerin sowie A und B waren Gesellschafter einer GmbH. Die GmbH war ohne Kapitalbeteiligung Komplementärin einer grundbesitzenden KG, deren Kommanditisten zu gleichen Teilen die Klägerin sowie A und B waren.
Die KG wird nach dem Gesellschaftsvertrag beim Ausscheiden eines Gesellschafters von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23.11.2011 übertrugen A und B ihre Gesellschaftsanteile an der GmbH mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.2011 auf die Klägerin. Zudem wurde vereinbart, dass A und B zum selben Zeitpunkt aus der KG ausscheiden und die Klägerin als alleinige Kommanditistin in der KG verbleibt. Als Gegenleistung vereinbarten die Gesellschafter, dass der aus mehreren Eigentumswohnungen bestehende Grundbesitz der KG in S, F und N auf A und B übertragen werde. Der Grundbesitz der KG in G sollte in der KG verbleiben.
Das FA vertrat die Ansicht, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden sei. Es stellte die Besteuerungsgrundlagen für die am 23.11.2011 „beurkundete und verwirklichte Übertragung“ von mindestens 95 % der Anteile der KG gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gesondert fest. Das FA berücksichtigte dabei auch den Grundbesitz in S, F und N als Grundstücke, deren Werte der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen seien.
Entscheidung
Die hiergegen gerichtete Klage war in erster Instanz, aber auch beim BFH, erfolgreich. Die Vereinbarung vom 23.11.2011, wonach ein Gesellschafter einer Personengesellschaft aus dieser gegen eine von der Personengesellschaft zu leistende Abfindung ausscheidet, erfüllt nach Auffassung des BFH nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG.
Ein Anspruch auf Übertragung eines Anteils an der Personengesellschaft werde hierdurch nicht begründet. Vielmehr wachse der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern kraft Gesetzes mit dem Ausscheiden zum 31.11.2011 an (sog. Anwachsung, § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB ggf. i.V.m. § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB).
Dies kann zur Verwirklichung des Tatbestands der Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ohne vorausgegangenes schuldrechtliches Geschäft i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG führen. Ein Anspruch auf Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft wird demgegenüber begründet, wenn die Übertragung der Beteiligung eines Gesellschafters an der Personengesellschaft - anders als im Streitfall - auf einen anderen Gesellschafter oder einen Dritten vereinbart wird.
Der Feststellungsbescheid kann nach Meinung des BFH auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die gesonderte Feststellung auf den 31.12.2011 erfolgen sollte, dem Zeitpunkt des Ausscheidens von A und B aus der KG. Zum einen werde in dem Bescheid lediglich das Datum 23.11.2011 erwähnt. Zum anderen sei das FA sowohl in der Einspruchsentscheidung als auch im gerichtlichen Verfahren davon ausgegangen, dass die gesonderte Feststellung auf diesen Tag erfolgt ist.
Zudem seien die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG für den Erlass eines Feststellungsbescheids auf den 31.12.2011 nicht erfüllt. Von dem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG werde kein außerhalb des Bezirks des FA liegendes Grundstück betroffen. Die Grundstücke in S, F und N seien bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG nicht zu berücksichtigen. Ein Grundstück „gehört“ nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es - wie im Streitfall - zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i. S. des § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG war.
Erläuterungen und Praxishinweise
Die Vereinbarung, dass die Kommanditisten einer grundbesitzenden KG bis auf einen gegen eine von der KG zu leistende Abfindung aus dieser ausscheiden und ihre Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH auf den verbleibenden Kommanditisten übertragen, erfüllt nach dieser Entscheidung des BFH nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der Grunderwerbsteuer unterliegt vielmehr erst der Vollzug der Vereinbarung, und zwar nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG.
Fundstelle
- BFH 25.11.15, II R 18/14, astw.iww.de, Abruf-Nr. 183320