09.09.2011
Landesarbeitsgericht Sachsen: Urteil vom 17.05.2011 – 7 Sa 137/10
1. Das Elternzeitverlangen einer Arbeitnehmerin/eines Arbeitnehmers für das 3. Lebensjahr des Kindes stellt keine Verlängerung der Elternteilzeit im Sinne von § 15 Abs. 3 Satz 1 BEEG dar und bedarf somit nicht der Zustimmung des Arbeitgebers.
2. Eine allgemeine tarifvertragliche Quote, wonach die Anzahl der Arbeitnehmer zur Inanspruchnahme von Teilzeit limitiert wird, verstößt gegen zwingendes Gesetzesrecht, wenn damit der Anspruch auf Gewährung von Elternteilzeit nach § 15 Abs. 7 BEEG, ohne dass dringende betriebliche Gründe vorliegen, eingeschränkt wird. (hier: Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 31.10.2009, insbesondere dessen § 3 Abs. 3 mit Protokollnotiz).
In dem Rechtsstreit
...
hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 7 - durch den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 17.05.2011
für R e c h t erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 11. Februar 2010 - 2 Ca 1697/09 - teilweise
a b g e ä n d e r t :
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich Ziffer 1 der Anträge entsprechend des Tatbestandes des Urteils des Arbeitsgerichts Dresden erledigt ist.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 9/10 und der Kläger zu 1/10.
4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Elternteilzeit sowie über Schadenersatzansprüche.
Der Kläger ist bei der Beklagten, die eine ... betreibt, in deren Orchester als Solo-Cellist mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3.603,40 € beschäftigt. Der Kläger ist Vater der Kinder ... und ..., geb. am ...2008. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme der Haustarifvertrag für die Musiker der ... in seiner jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden und an seine Stelle tretende Tarifverträge Anwendung. In der Fassung vom 01.06.2009 heißt es:
"§ 1
Für die Musiker des Orchesters der ... gilt der Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1991 in seiner jeweils geltenden Fassung i. V. m. dem Tarifvertrag vom 12. September 1994 für die Musiker des Orchesters der ...
..."
Im Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern vom 31. Oktober 2009 (TVK), in Kraft getreten am 01.01.2010, heißt es:
"§ 3
Begründung des Arbeitsverhältnisses
...
(3) Teilzeitarbeit ist nur insoweit zulässig, als im Arbeitsvertrag vereinbarte werden kann, dass der Musiker verpflichtet ist, innerhalb des in § 12 Abs. 2 vorgesehenen Ausgleichszeitraums höchstens die Hälfte der Anzahl der dort vorgesehenen Dienste zu leisten. Im Einvernehmen mit dem Orchestervorstand können die Dienste auch abweichend von Satz 1 auf die Spielzeit verteilt werden.
Anträge auf Teilzeitarbeit sind schriftlich zu stellen. Ein Anspruch auf Teilzeitarbeit besteht nicht, wenn die in Satz 2 der Protokollnotiz zu Abs. 3 für die Teilzeitarbeit in der jeweiligen Instrumentengruppe vorgesehenen Planstellen jeweils mit mindestens einem auf Teilzeit beschäftigten Musiker bereits besetzt ist.
...
Protokollnotiz zu Abs. 3:
Von der Gesamtzahl der im Haushaltsplan für die Musiker ausgebrachten Planstellen (§ 17) dürfen nicht mehr als 20 v. H., jeweils auf die volle Zahl aufgerundet, mit Musikern in Teilzeitarbeit besetzt werden. In Instrumentengruppen, für die im Organisations- und Stellenplan des Orchesters elf oder mehr Stellen ausgewiesen sind, dürfen höchstens drei Planstellen, in Instrumentengruppen mit sechs bis zehn solcherart ausgewiesenen Planstellen dürfen höchsten zwei Planstellen und in Instrumentengruppen mit zwei bis fünf solcherart ausgewiesenen Planstellen darf höchstens eine Planstelle in Teilzeit besetzt werden. Als Instrumentengruppe im Sinne dieser Protokollnotiz gelten die in der Protokollnotiz Nr. 1 zu den Absätzen 2 und 7 des § 17 genanten Gruppen. Im Einvernehmen mit dem Orchestervorstand können Planstellen in einzelnen Instrumentengruppen auch über die in Satz 2 festgelegten Kontingente hinaus in Teilzeit besetzt werden, sofern in einer anderen Instrumentengruppe die Anzahl der mit Teilzeit besetzten Planstellen entsprechend reduziert wird ...
..."
Im Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers hatte die Protokollnotiz zu Abs. 3 folgende Fassung:
"Von der Gesamtzahl der im Haushaltsplan für die Musiker ausgebrachten Planstellen (§ 22) dürfen nicht mehr als 15 v. H., jeweils auf die volle Zahl aufgerundet, mit Musikern in Teilzeitarbeit besetzt werden. In Instrumentengruppen, für die im Organisations- und Stellenplan des Orchesters elf oder mehr Stellen ausgewiesen sind, dürfen höchstens drei Planstellen, in Instrumentengruppen mit sechs bis zehn solcherart Planstellen dürfen höchsten zwei Planstellen und in Instrumentengruppen mit zwei bis fünf ausgewiesenen Planstellen darf höchstens eine Planstelle in Teilzeit besetzt werden. Als Instrumentengruppe im Sinne dieser Protokollnotiz gelten die in der Protokollnotiz Nr. 1 zu den Absätzen 2 und 7 des § 22 TVK genannten Gruppen. Im Einvernehmen mit dem Orchestervorstand können Planstellen in einzelnen Instrumentengruppen auch über die in Satz 2 festgelegten Kontingente hinaus in Teilzeit besetzt werden, sofern in einer anderen Instrumentengruppe die Anzahl der mit Teilzeit besetzten Planstellen entsprechend reduziert wird ..."
In § 20 TVK, in der ab dem 01.01.2010 geltenden Fassung ist zudem geregelt:
Tätigkeitszulagen
(1) Der Arbeitgeber kann dem Musiker mit seiner Zustimmung bei der Einstellung und während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmte Tätigkeit und das Spielen von Nebeninstrumenten übertragen. Die Übertragung bedarf der Schriftform. Der Arbeitgeber kann die Übertragung jederzeit widerrufen, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Er ist unwirksam, wenn er aus Gründen erfolgt, die nicht in des Leistungsfähigkeit oder der sonstigen Eignung des Musikers liegen. ...
Der Kläger befand sich zunächst in der Zeit vom 01.09.2008 bis 31.07.2009, durch einvernehmliche Verlängerung der Parteien zuletzt bis 30.09.2009, wegen des zuletzt geborenen Kindes ... in Elternzeit. Während dieser Zeit fungierten Herr ..., im Falle seiner Abwesenheit andere Kollegen als Solo-Cellisten. Mit Schreiben vom 05.01.2009 begehrte der Kläger für das dritte Lebensjahr des Kindes Elternteilzeit.
In diesem Schreiben heißt es an maßgeblicher Stelle:
"Sehr geehrter Herr ...,
hiermit möchte ich unter Bezugnahme auf die bereits geführten Gespräche offiziell den Antrag stellen, in der Spielzeit 2009/2010 als Solocellist auf halber Stelle zu arbeiten.
Hierbei handelt es sich nicht um eine Verlängerung der von mir derzeit wahrgenommenen Elternzeit, sondern um die Umsetzung meines Rechtsanspruchs auf Teilzeit im 3. Lebensjahr des Kindes in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten, wenn keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen ...
Der konkrete Zeitraum dieses Rechtsanspruchs wäre 21.2.2010 - 20.2.2011; um sowohl für meinen Sohn als auch für das Theater einen sinnvollen Ablauf zu ermöglichen, schlage ich vor, dies auf die Spielzeit 2009/2010, also den Zeitraum 1.8.2009 - 31.7.2010 vorzuziehen ...
..."
Auf Veranlassung der Beklagten konkretisierte der Kläger am 14.02.2009 auf von der Beklagten gestellten Formularen seinen Antrag auf Elternteilzeit mit dem er 50 % der tariflichen Arbeitszeit des TVK vom 01.8.2009 bis 31.07.2010 bzw. vom 21.02.2010 bis 20.02.2011 verlangte. Mit Schreiben vom 26.03.2009 (Bl. 17 bis 19 d. A.) lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers wegen entgegenstehender dringender betrieblicher und künstlerischer Gründe und unter Berufung auf die Protokollnotiz zu § 3 Abs. 3 TVK ab.
Mit seiner vor dem Arbeitsgericht am 21.04.2009 erhobenen Klage begehrt der Kläger nach zuletzt erstinstanzlich gestellten Anträgen die Feststellung, dass er sich in der Zeit vom 21.02.2010 bis 20.02.2011 bzw. hilfsweise in der Zeit vom 01.08.2009 bis 31.07.2010 in Elternteilzeit mit 50 % der Arbeitszeit befinde. Hilfsweise verlangt der Kläger die Zustimmung der Beklagten auf Verringerung der Arbeitszeit in den genannten Zeiträumen. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Elternzeit lägen vor. Die Ablehnungsgründe der Beklagten seien unzutreffend. Auf § 3 TVG und die entsprechende Protokollnotiz könne sich die Beklagte bereits deshalb nicht berufen, da hier ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet sei, auch weitere Teilzeitstellen in einer Instrumentengruppe einzurichten, wenn dafür in anderen Instrumentengruppen eine geringere Anzahl von Planstellen mit Teilzeitkräften besetzt sei. Die Argumentation des Chefdirigenten des Orchesters, er halte eine weitere Erhöhung der Teilzeitplanstellen "aus künstlerischen und organisatorischen Gründen" für unmöglich, stelle keinen einlassungsfähigen Vortrag dar. Auch während der Abwesenheit im Rahmen der ersten Phase der Elternzeit hätte es durch anderweitige Besetzungen seiner Stelle als Solo-Cellist keinerlei Schwierigkeiten gegeben. Unabhängig davon sei der Kläger auch bei Vollzeittätigkeit nur zu zwei Dritteln der anfallenden Dienste eingesetzt, so dass im Rahmen der übrigen Dienste die Position des Solo-Cellisten von einem Stellvertreter übernommen werde. Würde der Kläger wegen einer 50%igen Elternteilzeit in diesem Umfang als Solo-Cellist ausfallen, würde sich damit der auf zwei Drittel geschätzte Umfang der anfallenden Dienste in Vollzeit, auf ein Drittel reduzieren und für die entsprechenden Stellvertreter auf zwei Drittel erhöhen. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass die Mitglieder der Cellogruppe, des Orchestervorstands und der Personalrat die vom Kläger vorgeschlagene Regelung unterstützt hätten. Auch das tarifliche Limit von max. zehn Diensten in einer Woche stelle kein Problem dar, da dieses für Teilzeitmusiker gleichermaßen gelte. Die Teilzeitarbeit wirke sich lediglich dahingehend aus, dass er durchschnittlich pro Woche vier statt acht Dienste, also im achtwöchigen Ausgleichszeitraum nicht bis zu 64 Dienste, sondern nur eben 32 Dienste zu leisten hätte. Auch während seiner Abwesenheit im Rahmen der vorigen Elternzeit ohne Teilzeit, habe die Vertreterregelung, ohne dass dies zu irgendwelchen Überdiensten in der Cellogruppe geführt hätte, funktioniert.
Hinsichtlich der geltend gemachten Zeiträume habe der Kläger lediglich im Interesse des Orchesters Alternativvorschläge unterbreitet. Das eigentliche Anliegen des Klägers bestehe darin, die Elternteilzeit im dritten Lebensjahr des Kindes in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte sei daher auch verpflichtet, an den Kläger der Höhe nach noch zu ermittelnden Schadenersatz zu zahlen. Es seien insbesondere Kinderbetreuungskosten angefallen. Eine Saldierung des Schadens mit dem nunmehr durch die Vollzeit erlangten höheren Einkommen als "Gewinn" dürfe nicht erfolgen.
Der Kläger hat beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger sich bei der Beklagten im Zeitraum vom 21.02.2010 bis 20.02.2011 in Elternzeit befindet mit einer Verringerung seiner Arbeitszeit auf 50 %.
Hilfsweise:
Festzustellen, dass der Kläger bei der Beklagten im Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.07.2010 sich in Elternzeit befindet mit einer Verringerung seiner Arbeitszeit au 50 %,
Hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, einer Verringerung der Arbeitszeit des Klägers auf 50 % im Zeitraum vom 21.02.2010 bis 20.02.2011.
Hilfsweise
im Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.07.2010 zuzustimmen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die mangels rechtzeitiger antragsgemäßer Verringerung seiner Arbeitszeit anfallenden Kinderbetreuungskosten entsteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung der geltend gemachten Elternteilzeit.
Bereits die Antragstellung des Klägers, wonach er für unterschiedliche Zeiträume Elternzeit verlange, sei widersprüchlich. Der Gewährung der Elternzeit stünde auch § 3 Abs. 3 TVK i. V. m. der Protokollnotiz entgegen. Die entsprechende Anzahl der Teilzeitbeschäftigten des Orchesters sei ausgeschöpft. Die Cellogruppe habe bereits zwei Musikerkollegen in Teilzeit besetzt. Auch die vom Kläger und von anderen Kollegen, dem Orchestervorstand bzw. dem Personalrat entwickelten Modelle zur innerbetrieblichen Gestaltung seien der Beklagten nicht bekannt.
Die künstlerische Hauptverantwortung für das Orchester der ... liege beim Chefdirigenten Herrn ... Die Gruppenführer der verschiedenen Instrumentalgruppen, üblicherweise mit dem Zusatz "Solo" versehen, stünden der jeweiligen Gruppe vor und seien dem Chefdirigenten direkt unterstellt. Sie genießen insbesondere wegen ihrer Verantwortung für die künstlerische Arbeit einen Sonderstatus, zeichneten sich durch qualitativ höherwertige Fähigkeiten aus und würden über ein besonderes Probespiel vor dem gesamten Orchester und der künstlerischen Leitung des Hauses auserwählt. Grundsätzlich lehne der Chefdirigent der ... eine doppelte Besetzung des Solomusikers/Stimmführers für die Instrumentengruppe ab. Er verfolge das Konzept der Homogenität des Orchesters. Dies erfordere ein aufeinander abgestimmtes Einspiel. Dieses Konzept habe die Erhaltung des künstlerischen Niveaus, die Wahrung der Klangkultur und der Qualität des Orchesters zum Ziel. Zudem scheitere die Gewährung der Elternteilzeit daran, dass bei 50%iger Tätigkeit des Klägers die Tätigkeit des Solo-Cellisten i. S. d. § 26 TVK auf einen anderen Solo-Cellisten übertragen würde. Diese Übertragung könne nur aus Gründen, die in der Leistungsfähigkeit oder der sonstigen Eignung des Musikers liegen, widerrufen werden. Bislang habe man die Elternzeit durch Zeitbefristung mit Herrn ... überbrückt.
Weder die ... noch Herr ... seien verpflichtet, erneut eine zeitlich befristete Übertragung der Position als Solo-Cellist zu vereinbaren.
Wegen des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Parteivorbringens, wie es in erster Instanz vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen und die Schriftsätze der Parteien verwiesen (§ 69 Abs. 3 ArbGG).
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.02.2010 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe zwar einen Anspruch auf Inanspruchnahme der Elternzeit, allerdings jedoch keinen Anspruch auf Elternteilzeit. Dem stünden dringende betriebliche Gründe der Beklagten entgegen. Aus den vom Kläger zugeleiteten Schriftsätzen sei nicht eindeutig ersichtlich, ob er Elternzeit oder eine Teilzeitbeschäftigung verlange. Die Kammer habe versucht, dem teilweise in sich widersprüchlichen Begehren des Klägers zu folgen und sei zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger Elternzeit mit Anspruch auf Verringerung seiner Arbeitszeit gemäß § 15 BEEG von der Beklagten verlange. Das unternehmerische und künstlerische Konzept, nur einen Arbeitnehmer/in als Solomusiker und damit als Stimmführer/-in in der jeweiligen Musikgruppe des Orchesters zu beschäftigen, sei insbesondere deshalb anzuerkennen, weil der Solomusiker/die Solomusikerin für die jeweilige Orchestergruppe deren Spiel vorzugeben habe. Dieses Konzept führe die Beklagte unstreitig durch. Weder der Intendant noch der Chefdirigent der ... wünschten den Einsatz von zwei Stimmgebern einer Orchestergruppe, weil dadurch die Qualität der Ausführungen bei unterschiedlichen Auffassungen von zwei Stimmgebern einer Orchestergruppe gefährdet werde. Das betriebliche Interesse des Orchesters, für jede Orchestergruppe nur einen Stimmführer vorzuhalten, verdiene den Vorrang. Insoweit seien die Auffassungen des Intendanten und des Chefdirigenten der ... zu berücksichtigen, welche dafür zu sorgen hätten, ein optimales Klangergebnis des Orchesters zu erreichen.
Gegen das dem Kläger am 26.02.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts vom 11.02.2010 richtet sich die am 09.03.2010 eingelegte und begründete Berufung.
Unter Wiederholung des wesentlichen erstinstanzlichen Vorbringens hat der Kläger bei weiterer Vertiefung der rechtlichen Auseinandersetzung vorgetragen, das Arbeitsgericht habe fehlerhaft den Anspruch des Klägers verneint. Unzutreffend habe das Arbeitsgericht das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe für die Ablehnung des Elternteilzeitbegehrens des Klägers angenommen. Es könne dahinstehen, ob als dringender betrieblicher Grund bereits die theoretische Möglichkeit ausreichen würde, zwei Stimmführer, die bisher seit vielen Jahren harmonisch an einem Strang gezogen haben, könnten sich nun auf einmal innerhalb eines Jahres künstlerisch entzweien. Nochmals sei darauf hinzuweisen, dass auch bei Beschäftigung des Klägers in Vollzeit etwa ein Viertel bis ein Drittel der Dienste, der anfallenden Proben und Vorstellungen regulär vom Stellvertreter besetzt würden. Durch die Elternteilzeit würde sich diese Anzahl lediglich mathematisch halbieren. Schließlich habe die Beklagte auch während der Elternzeit des Klägers bei seinem ersten Kind seine Vollzeitstelle mit zwei befristet eingestellten Teilzeitmusikern besetzt.
Auch der dem Kläger durch Verweigerung der Elternteilzeit entstandene Schadenersatzanspruch sei festzustellen. Ihm seien Kinderbetreuungskosten entstanden.
Der dem Kläger entstandene "Vermögensvorteil" wegen seiner Vollzeittätigkeit nach Ablehnung seines Elternteilzeitantrages könne nicht mit dem entstandenen Schaden saldiert werden.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren zunächst beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger sich bei der Beklagten im Zeitraum vom 21.02.2010 bis 20.02.2011 in Elternzeit befindet mit einer Verringerung seiner Arbeitszeit auf 50 %.
Hilfsweise:
Festzustellen, dass der Kläger bei der Beklagten im Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.07.2010 sich in Elternzeit befindet mit einer Verringerung seiner Arbeitszeit auf 50 %, Hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, einer Verringerung der Arbeitszeit des Klägers auf 50 % im Zeitraum vom 21.02.2010 bis 20.02.2011.
Hilfsweise
im Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.07.2010 zuzustimmen.
Hilfsweise:
Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger (in dem jeweils genannten Zeitraum) Elternzeit mit einer Verringerung seiner Arbeitszeit auf 50 % zu gewähren. Den Rechtstreit zu Ziff. 1 hat der Kläger für erledigt erklärt.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die mangels rechtzeitiger antragsgemäßer Verringerung seiner Arbeitszeit anfallenden Kinderbetreuungskosten entsteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden beruhe auf keiner Rechtsverletzung. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung der Elternteilzeit bzw. auf Feststellung etwaiger Schadenersatzansprüche. Auch unter Berücksichtigung der ab dem 01.01.2010 geltenden Fassung der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 3 TVK sei die Beklagte berechtigt, das klägerische Elternteilzeitverlangen zu verweigern. Danach dürften in der Instrumentengruppe Cello höchstens zwei Planstellen in Teilzeit beschäftigt werden. Diese seien bereits durch die Herren ... und ... besetzt. Zudem sei das Antragsverhalten des Klägers widersprüchlich und genüge nicht den Bestimmtheitsanforderungen.
Die vom Kläger geltend gemachten Feststellungsanträge seien bereits unzulässig. Es fehle an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Angesichts der gesetzlichen Ausgestaltung des § 16 Abs. 3 BEEG stünde dem Kläger lediglich ein Gestaltungsrecht zu. Allerdings bedürfe die Verlängerung der Elternzeit der Zustimmung des Arbeitgebers. Einen Schadenersatzanspruch könne der Kläger nicht geltend machen, da er durch die Vollzeittätigkeit bereits ein höheres Einkommen erzielt habe und dieses damit auch gegen einen etwaigen Schaden, der zu bestreiten sei, zu verrechnen wäre. Darüber hinaus stünden die tarifvertraglichen Ausschlussfristen dem Anspruch entgegen. Die vom Kläger nunmehr hilfsweise erhobene "Fortsetzungsfeststellungsklage" sei abzuweisen, da sie im arbeitsgerichtlichen Verfahren unzulässig sei und ihr ebenso das Rechtsschutzbedürfnis fehle.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.
II. 1. In der Sache hat die Berufung überwiegend Erfolg. Soweit die Parteien über ein Elternteilzeitverlangen des Klägers für die Zeit vom 21.02.2010 bis 20.02.2011 streiten, war die Klage sowohl zulässig als auch begründet. Dem grundsätzlich zustimmungsfreien Elternzeitverlangen des Klägers für das dritte Lebensjahr des Kindes stehen auch hinsichtlich der begehrten Elternteilzeit keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen. Nach der insoweit einseitigen Erledigungserklärung des Klägers war die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen. Die Schadenersatzfeststellungsklage ist bereits unzulässig. Die insoweit gegen die Klageabweisung gerichtete Berufung ist daher erfolglos.
2. Die Schadenersatzfeststellungsklage ist unzulässig.
2.1 Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das besondere Feststellungsinteresse nach dieser Vorschrift muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens - auch noch in der Revisionsinstanz - gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (BAG 26.09.2002 - 6 AZR 523/00 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 73 = EzA ZPO § 256 Nr. 67, zu I. 2. der Gründe). Grundsätzlich ist einer Leistungsklage Vorrang vor einer Feststellungsklage eingeräumt, wenn der Kläger den Anspruch beziffern kann (vgl. BAG 01.10.2002 - 9 AZR 298/01 -, zu I. der Gründe, zitiert nach Juris).
2.2 Die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage liegen hier nicht vor. Der Kläger hat sich im Rahmen des Verfahrens lediglich auf Schadenersatzansprüche wegen zu erstattender Kinderbetreuungskosten berufen. Da der Zeitraum des Elternzeitbegehrens am 20.02.2011 beendet war, hätte der Kläger ohne weiteres seine Klageansprüche beziffern können. Trotz eines entsprechenden Hinweises der Kammer mit Beschluss vom 05.04.2011 (Bl. 350 d. A.), auf den vorliegend zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat der Kläger ausdrücklich auf die Bezifferung eines Schadenersatzanspruchs verzichtet und die Entscheidung über die Zulässigkeit der Schadenersatzfeststellungsklage anheimgestellt.
3. Im Übrigen ist die Berufung erfolgreich. Die Voraussetzungen zur Gewährung der Elternteilzeit im dritten Lebensjahr des Kindes für die Zeit vom 21.02.2011 bis 20.02.2011 haben vorgelegen. Dem Antrag des Klägers auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit haben keine dringenden betrieblichen Gründe entgegengestanden.
Die insoweit erhobene Klage auf Zustimmung der Beklagten zur Verringerung der Arbeitszeit auf 50 % der tariflichen Arbeitszeit war sowohl zulässig als auch begründet. Wegen der einseitigen Erledigungserklärung des Klägers war, da entsprechende Tatsachen für die Erledigung vorliegen festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
3.1 Im Rahmen des Klageverfahrens ist anerkannt, dass bei einer einseitigen Erledigungserklärung an die Stelle des ursprünglichen Klageantrags regelmäßig ein Sachantrag tritt, gerichtet auf die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Klage ursprünglich zulässig und begründet war und durch ein nachträgliches Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (BGH NJW 1992, 2235).
3.2 Die Feststellungsklage ist auch begründet, da unbestrittene Tatsachen vorliegen, die ein erledigendes Ereignis über den in der Hauptsache bestehenden Streit herbeigeführt haben.
Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Kammer am 08.04.2011 war es dem Kläger verwehrt, wegen der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes ... am 20.02.2011 noch Elternzeit in Anspruch nehmen zu können. Sein Begehren auf Elternzeitverlangen hatte sich somit wegen des Alters des Kindes und damit durch Zeitablauf erledigt.
3.3. Die auf das Elternteilzeitverlangen gerichtete Klage auf Zustimmung des Arbeitgebers und damit auf die Abgabe einer Willenserklärung war auch zulässig und begründet.
a) Der Klageantrag ist auch nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, soweit der Kläger für die Zeit vom 21.02.2010 bis 20.02.2011 die Zustimmung zur Elternteilzeit mit 50 % der tariflichen Arbeitszeit geltend gemacht hat, hinreichend bestimmt und damit zulässig.
Spätestens mit der Zustellung des Schriftsatzes des Klägers vom 01.12.2009 an die Beklagte am 04.12.2009 war sowohl für den Haupt- als auch den Hilfsantrags ersichtlich, dass der Kläger in erster Linie Elternzeit vom 21.02.2010 bis zum 20.02.2011 mit Verringerung der Arbeitszeit auf 50 % verlangt. Der Bestimmtheit des Klageantrags steht nicht entgegen, dass er die Verringerung seiner Arbeitszeit um die Hälfte der Dienste eines vollbeschäftigten Orchestermusikers begehrt. Damit ist die erstrebte Willenserklärung genau bezeichnet. Der Kläger hat dabei lediglich die verringerte Höchstgrenze des § 12 Abs. 2 TVK i. V. m. § 3 Abs. 3 TVK einzuhalten, wonach Teilzeitarbeit nur dann zulässig ist, wenn der Musiker höchstens die Hälfte der im Ausgleichszeitraum anfallenden Dienste verrichtet. Die Befugnis des Arbeitgebers, die Verteilung der Arbeitszeit selbst zu bestimmen, ist Gegenstand des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts (vgl. BAG 27.04.2009 - 9 AZR 522/03 - = BAGE 110, 232 - 243).
b) Der Kläger war danach auch nicht verpflichtet, die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit in seinem Antrag anzugeben. Der Kläger durfte die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit bzw. der Arbeitszeit im tariflichen Ausgleichszeitraum der Ausübung des Weisungsrechts der Beklagten nach billigem Ermessen überlassen (§ 106 Satz 1 GewO i. V. m. § 315 Abs. 1 BGB). Die gewünschte Verteilung der verringerten Arbeitszeit soll nach § 15 Abs. 7 Satz 3 BEEG zwar im Antrag angegeben werden. Der Arbeitnehmer ist dazu aber nicht verpflichtet (BAG, Urteil vom 15.12.2009 - 9 AZR 72/09 - EzA § 15 BErzGG Nr. 18 = NZA 2010, 447 - 452). Insgesamt genügt damit der Antrag des Klägers den Bestimmtheitsanforderungen, wie sie im Allgemeinen bei Vertragsanträgen i. S. v. § 145 BGB gestellt werden. Mithin muss der Antrag so formuliert sein, dass er durch ein schlichtes "Ja" angenommen werden kann (vgl. BAG 15.04.2008 - 9 AZR 380/07 - BAGE 126, 276 - 286). Diese Voraussetzungen liegen vor.
c) Die Klage war auch begründet.
aa) Die Anspruchsvoraussetzungen der Elternzeit nach § 15 Abs. 1 BEEG liegen hier vor. Danach haben Arbeitnehmer bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes Anspruch auf Elternzeit, wenn sie mit ihrem Kind in einem Haushalt leben und dieses Kind selbst betreuen und erziehen. (§ 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG). Die in § 16 BEEG geregelten Antragsfristen sind zudem gewahrt. Wer Elternzeit beanspruchen will, muss sie spätestens sieben Wochen vor Beginn schriftlich vom Arbeitgeber verlangen und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll. Mangels einer eigenständigen Regelung wird bei einem Elternzeitverlangen für das dritte Lebensjahr des Kindes von dieser gesetzlichen Frist auszugehen sein. Diese Frist ist mit dem beabsichtigten Beginn der Elternzeit für den 21.02.2010 auch gewahrt. Das formwirksame Elternzeitverlangen i. S. v. § 15 Abs. 7 BEEG kann auch, wie hier, in der Klageschrift enthalten sein (LAG Rheinland-Pfalz, 13.09.2007 - 11 Sa 244/07 - zitiert nach Juris) bb) Die Geltendmachung der Elternzeit durch den Kläger für das dritte Jahr nach der Geburt des Kindes im Anschluss an die Elternzeit innerhalb der ersten zwei Jahre stellt wiederum die Geltendmachung einer Elternzeit i. S. v. § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG dar und ist keine zustimmungsbedürftige Verlängerung.
aaa) Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG hat der Arbeitnehmer mit seinem schriftlichen Verlangen zugleich zu erklären, für welche Zeiten er "innerhalb von zwei Jahren" Elternzeit nehmen wird. Diese Anforderung ist dahin zu verstehen, dass der Arbeitnehmer den Zwei-Jahres-Zeitraum "mindestens" abdecken muss. Sie trägt dem Interesse des Arbeitgebers an Planungssicherheit Rechnung. Bleibt die mitgeteilte Elternzeit hinter diesem Zeitraum zurück, kann der Arbeitnehmer eine Verlängerung der Elternzeit daher nur mit Zustimmung des Arbeitgebers erreichen (§ 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG) und gegen dessen Willen nur dann, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Anspruchsberechtigung aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann (§ 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG; vgl. BAG 19.04.2005 - 9 AZR 233/04 - BAGE 114, 206 bis 218).
Die Vorschrift hindert den Arbeitnehmer jedoch nicht daran, von vornherein den gesamten in Betracht kommenden Zeitraum bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes abzudecken. Dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht zu entnehmen, ein solches Verlangen wäre unwirksam oder es würde den Arbeitnehmer nur bis zum Ablauf von zwei Jahren binden. Die Verkürzung des anzugebenden Zeitraums von vormals drei Jahren Erziehungsurlaub auf nunmehr zwei Jahre Elternzeit dient der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Gesetzgeber hat mit ihr den Interessen von Eltern Rechnung getragen, die oft bei der Geburt eines Kindes Umfang und Dauer der erforderlichen Kindesbetreuung nicht abschätzen können. Die Regelung beruht außerdem auf der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, das dritte Jahr der Elternzeit mit Zustimmung des Arbeitgebers auf einen Zeitpunkt nach Vollendung des dritten bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes zu übertragen (§ 15 Abs. 2 Satz 4 BEEG). Unabhängig von der Bindungswirkung des Gesetzes für die Dauer von zwei Jahren besteht der gesetzliche Elternzeitanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres. Diese Elternzeit kann der Kläger, ohne die innerhalb für den Zwei-Jahres-Zeitraum geltenden "Verlängerungsregeln" zu beachten, geltend machen (vgl. ArbG Frankfurt 22.04.2010 - 20 Ga 78/10 - = NZA-RR 2010, 487 bis 488; ArbG Düsseldorf 29.09.2010 - 4 Ca 4023/10 - zitiert nach Juris).
Nach der gesetzlichen Konzeption ist der Arbeitnehmer zur Durchsetzung seines Anspruchs auf Elternzeit auf keine Mitwirkung des Arbeitgebers angewiesen. Mit dem form- und fristgerechten Verlangen nach Elternzeit (§ 16 Abs. 1 BEEG) werden die beiderseitigen Hauptpflichten in den vom Arbeitnehmer angegebenen Zeiträumen suspendiert. Sein Interesse an Betreuung und Erziehung des Kindes ist gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an einer ungestörten Fortführung des Arbeitsvertrages vorrangig. Dementsprechend sind die Vorschriften über die Elternzeit unabdingbar (§ 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG). Die dem Arbeitnehmer zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten der Elternzeit sind nicht unerheblich. Er muss die Inanspruchnahme der Elternzeit zwar rechtzeitig ankündigen und dabei mitteilen, für welchen Zeitraum innerhalb von zwei Jahre er Elternzeit nimmt. Im Übrigen kann er aber frei entscheiden, ob er die Elternzeit für einen kürzeren oder einen längeren Zeitraum bis hin zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes nimmt. Es ist ihm auch überlassen, ob er § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG ausschöpft und zwischen Elternzeit, aktiver Zeit und erneuter Elternzeit wechselt. Der Arbeitgeber hat jede dem Gesetz entsprechende Entscheidung des Arbeitnehmers zu respektieren.
Von ihm wird erwartet, dass er die mit einer elternzeitbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers verbundenen betrieblichen Schwierigkeiten bewältigt und er die aus seiner Sicht erforderlichen Überbrückungsmaßnahmen trifft. Das gilt grundsätzlich auch für Beeinträchtigungen, die eine vom Arbeitnehmer während der Elternzeit gewünschte Teilzeitarbeit (Elternteilzeit) mit sich bringt, wie § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG verdeutlicht. Der Arbeitgeber kann den Verringerungswunsch lediglich aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen, während der allgemeine Verringerungsanspruch des § 8 TzBfG schon aus "betrieblichen" Gründen abgelehnt werden kann. Nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG setzt der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit das Fehlen entgegenstehender dringender betrieblicher Gründe voraus. An das objektive Gewicht der Ablehnungsgründe sind erhebliche Anforderungen zu stellen, wie der Begriff "dringend" verdeutlicht.
Mit ihm wird ausgedrückt, dass eine Angelegenheit notwendig, erforderlich oder auch sehr wichtig ist. Die entgegenstehenden betrieblichen Interessen müssen mithin von erheblichem Gewicht sein. Sie müssen sich gleichsam als zwingende Hindernisse für die beantragte Verkürzung der Arbeitszeit darstellen (BAG 05.06.2007 - 9 AZR 82/07 - BAGE 123, 30 - 40 = AP Nr. 49 zu § 15 BErzGG).
Geht es um die sog. Unteilbarkeit des Arbeitsplatzes oder die Vereinbarkeit der gewünschten Teilzeitarbeit mit den betrieblichen Arbeitszeitmodellen, sind die Tatsachen vorzutragen, die dem vom Senat für die "betrieblichen" Ablehnungsgründe i. S. v. § 8 TzBfG entwickelten Prüfungsschema entsprechen. Dies ergibt sich aus der vergleichbaren Interessenlage (BAG 18.05.2004 - 9 AZR 319/03 - RN 122, BAGE 110, 356 bis 372).
Das betriebliche Organisationskonzept und daraus abgeleitete Arbeitszeitregelungen sind dagegen regelmäßig ohne Bedeutung, wenn der Arbeitgeber geltend macht, er habe für den Arbeitnehmer "keine Beschäftigungsmöglichkeit". Es geht dann nicht um die Harmonisierung von Verringerungswunsch und betrieblichen Abläufen.
Angesprochen ist vielmehr die vorübergehende Beschäftigung des Arbeitnehmers in Elternzeit mit verringerter Arbeitszeit an sich, statt seines weiteren vollständigen Einsatzes mit der Arbeit bis zum Ende der Elternzeit.
bbb) Die allgemeinen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und 5 BEEG sind erfüllt. Die Beklagte beschäftigt i. d. R. mehr als 15 Arbeitnehmer. Das Arbeitsverhältnis bestand im Zeitpunkt der Antragstellung ohne Unterbrechung länger als sechs Monate. Die regelmäßige Arbeitszeit soll für die Dauer eines Jahres auf 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit reduziert werden.
ccc) Der Vortrag der Beklagten genügt bereits nicht den Anforderungen an "betriebliche Gründe" die zur Verweigerung einer Teilzeitbeschäftigung nach § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 TzBfG ausreichen. Ein betrieblicher Grund liegt vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Es genügt, dass der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Dringende betriebliche Gründe sind hier nicht erforderlich. Die Gründe müssen jedoch hinreichend gewichtig sein. Ob solche Gründe zur Ablehnung berechtigen, ist nach einem dreistufigen Prüfungsschema zu beurteilen. In der ersten Stufe ist festzustellen, ob überhaupt und wenn ja welches betriebliches Organisationskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt. Organisationskonzept ist das Konzept, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. Die Darlegungslast dafür, dass das Organisationskonzept die Arbeitszeitregelung bedingt, liegt beim Arbeitgeber. Die Richtigkeit seines Vortrags ist uneingeschränkt überprüfbar. Die dem Organisationskonzept zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung und die daraus abgeleiteten organisatorischen Entscheidungen sind hinzunehmen, soweit sie nicht willkürlich sind. Voll überprüfbar ist dagegen, ob das vorgetragene Konzept auch tatsächlich im Betrieb durchgeführt wird.
In der zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Dabei ist auch der Frage nachzugehen, ob durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes der betrieblich als erforderlich angesehene Arbeitszeitbedarf unter Wahrung des Organisationskonzepts mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers in Einklang gebracht werden kann.
Ergibt sich, dass das Arbeitszeitverlangen eines Arbeitnehmers nicht mit dem organisatorischen Konzept und der daraus folgenden Arbeitszeitregelung in Übereinstimmung gebracht werden kann, ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen: Werden durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung die in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG genannten besonderen betrieblichen Belange oder das betriebliche Organisationskonzept und die ihm zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung wesentlich beeinträchtigt? (BAG 27.04.2004 - 9 AZR 522/03 - aaO.). In der in Bezug genommenen Entscheidung hatte das Bundesarbeitsgericht gleichfalls über das Teilzeitbegehren einer Orchestermusikerin zu befinden und hat dabei vergleichbar wie im vorliegenden Rechtsstreit die "Konzeption der Homogenität des Orchesters", mit der sichergestellt werden soll, dass die vollzeitbeschäftigten Musiker sich in den Proben und Vorstellungen aufeinander einspielen und damit die Klangkultur und den Qualitätsanspruch des Orchesters erhalten, nicht ausreichen lassen. Es sei nicht ausreichend dargelegt, dass dieses Konzept durch die verlangte Teilzeitarbeit des Klägers beeinträchtigt werde. Auch der Vortrag, der Erhalt des künstlerischen Niveaus sei nur durch kontinuierliches Üben möglich, sei einleuchtend, aber substanzlos.
Denn der Kläger kann und wird auch wie bisher als Teilzeitkraft kontinuierlich üben.
Die Beklagte habe auch im Übrigen keine konkreten Angaben dazu gemacht, wie viele Stunden ein Musiker aus einer Orchestergruppe - vorliegend der Cellisten - mit einer entsprechenden Qualifikation - hier eines Solomusikers - täglich spielen muss, um für die ... das erforderliche künstlerische Niveau zu halten. Zwar können auch grundsätzlich künstlerische Belange Dritter dem Teilzeitwunsch eines Arbeitnehmers entgegenstehen. Allerdings habe die Beklagte, wie auch im vorliegenden Fall, solche Einschränkungen der Kunstfreiheit nicht dargetan (vgl. hierzu BAG 27.04.2004 - 9 AZR 522/03 - Rdnr. 58).
ddd) Gemessen daran hat die Beklagte zur Rechtfertigung der Ablehnung des Elternteilzeitverlangens weder betriebliche noch dringende betriebliche Gründe vorgetragen.
Die künstlerische und organisatorische Werthaltigkeit der Tätigkeit des Orchesters ist dabei zweifelsfrei ebenso anzuerkennen wie das darauf gerichtete Engagement des Intendanten und des Chefdirigenten der ... Allerdings gehen die von der Beklagten vorgebrachten Argumente, die das Elternteilzeitverlangen des Klägers haben ausschließen sollen, nicht über allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen hinaus. Die Interessen des Klägers an der Gewährung der Elternteilzeit überwiegen.
Dies lässt sich bereits damit begründen, dass das auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende und von den Parteien gelebte tarifliche Arbeitszeitregime mit sich bringt, dass der Kläger selbst im Falle seiner Vollbeschäftigung nicht alle bei der Beklagten anfallenden Dienste leisten kann. Ausfallzeiten wegen Krankheit und Urlaub oder auch wegen Elternzeit ohne Teilzeit wären nach dem normalen Lauf der Dinge im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zusätzlich zu berücksichtigen. Die Beklagte übersieht bei ihrer Argumentation, dass sie die vorgetragenen Nachteile in einem weitaus größeren Umfang erleiden würde, wenn der Kläger seine Elternzeit ohne Elternteilzeit beanspruchen würde. Anders formuliert, sollte die Beklagte bei den von ihr selbst vorgegebenen qualitativ hohen und künstlerischen Zielen doch froh sein, dass der Kläger nicht zu 100 %, sondern lediglich zu 50 % der geschuldeten Arbeitszeit ausfällt. Eine vollständige Homogenität des Klangbildes des Orchesters wird, bei der Vielgestaltigkeit der sich auf die Arbeitszeit auswirkenden Faktoren, nie zu erreichen sein.
cc) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Protokollnotiz zu § 3 Abs. 3 TVK berufen. Diese Regelung entfaltet, da sie in zwingendes Gesetzesrecht eingreift, keine Wirkung.
aaa) Bei der durch Tarifnormen erfolgenden Ausgestaltung der Rechte und Pflichten der Tarif unterworfenen Arbeitsvertragsparteien sind die Tarifvertragsparteien grundsätzlich frei. Der Staat enthält sich in diesem Betätigungsfeld grundsätzlich einer Einflussnahme und überlässt die erforderlichen Regelungen der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zum großen Teil den Koalitionen, die sie autonom durch Vereinbarung treffen (BVerfG 24.04.1996 - 1 BvR 712/86 - BVerfGE 94, 268 = AP HRG § 57 a Nr. 2, zu C. I. 1. der Gründe).
Die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien ist allerdings nicht schrankenlos.
Sie findet ihre Grenzen u. a. an entgegenstehendem zwingendem Gesetzesrecht (allgem. Auff. in Rechtspr. u. Schrifttum, vgl. etwa BAG 18.10.1994 - 1 AZR 503/93 - AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2, zu I. 3. b der Gründe).
Gleiches gilt für gesetzesvertretendes Richterrecht, soweit dieses nicht tarifdispositiv ist, sondern ihm zwingender Charakter zukommt. Dies ist der Fall, wenn das Richterrecht zur Verhinderung der Umgehung von zwingendem Gesetzesrecht oder in Befolgung einer dem Gericht obliegenden verfassungsrechtlichen Schutzpflicht entwickelt worden ist. Dabei ist der durch die Tarifautonomie den Tarifvertragsparteien verliehene Schutz gegen staatliche Beschränkungen dort am stärksten, wo eine Materie, wie etwa bei den Löhnen und den anderen materiellen Arbeitsbedingungen, aus Sachgründen am besten von den Tarifvertragsparteien geregelt wird (BVerfG 24.04.1996 - 1 BvR 712/86 - aaO., zu C. III. 1. der Gründe). In Fragen des Bestandsschutzes und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen ist dies weniger der Fall. Zwar gibt es auch in diesem Bereich häufig tarifvertragliche Regelungen.
Dennoch ist hier bereits aus ebenfalls verfassungsrechtlichen Gründen ein nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien stehender Mindestschutz der Arbeitnehmer unverzichtbar (BAG 18.10.1994 - 1 AZR 503/93 - AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2, zu I. 3. b der Gründe). Der Anspruch über die Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG und § 15 Abs. 7 BEEG sind zwingendes Gesetzesrecht (vgl. hierzu BAG 21.11.2006 - 9 AZR 138/06 - EzA-SD 207 Nr. 9).
bbb) In diesen Anwendungsbereich greift die tarifliche Regelung über die Quote der Teilzeitbeschäftigung in rechtswidriger Weise ein. Sie bleibt daher in diesem Zusammenhang unanwendbar. Eine Öffnungsklausel beinhaltet das hier anzuwendende Gesetz nicht. Ob die Beklagte darüber hinaus in der Lage und verpflichtet war, einen tarifgerechten über die Orchestergruppe hinausgehenden Ausgleich, der für das Orchester bestehenden Gesamtquote zu schaffen, kann damit offenbleiben.
dd) Die Beklagte kann sich unter den genannten Voraussetzungen auch nicht auf § 20 TVK in der ab dem 01.01.2010 geltenden Fassung berufen. Unabhängig davon hat die Beklagte nicht im Ansatz erläutert, weswegen ihr der Abschluss von bislang praktizierten befristeten Regelungen zur Übertragung der Tätigkeit des Solo-Cellisten nicht zugemutet werden kann. Aber auch davon unabhängig wäre es Sache der Beklagten, für den Fall eine Lösung anzustreben bzw. zu entwickeln, wenn der Kläger seine Elternzeit ohne Teilzeitverlangen geltend gemacht hätte. Allein die Behauptung, dass weder ihr noch von dem Vertreter Herrn ... befristete Regelungen nicht erwartet werden könnten, stellt keinen einlassungsfähigen Vortrag dar, zumal der Kläger unbestritten vorgetragen hat, dass die Cellistengruppe, der Orchestervorstand und der Personalrat mit Lösungen "einverstanden" waren, die es dem Kläger ermöglicht hätten, Elternteilzeit in Anspruch nehmen zu können. Dies dürfte die Bereitschaft des Herrn ..., der in der Vergangenheit die Vertretung des Klägers auch während der Elternzeit übernommen hat, einschließen.
Unter den gegebenen Umständen war daher das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abzuändern und die Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache festzustellen.
Hinsichtlich der Schadenersatzfeststellungsklage war die Berufung zurückzuweisen.
III. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10 zu tragen.
IV. Die Zulassung der Revision erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 72 a ArbGG.