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  • 21.02.2013

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 27.06.2012 – 11 K 459/07

    - Die von einem Rechtsanwalt an eine Rechtsanwalts- und Notarsozietät zu zahlenden Vertragsstrafe, für die Nichtteilnahme an der vereinbarten Bürogemeinschaft, ist bei der Sozietät steuerlich als laufende Betriebseinnahme aus selbständiger Tätigkeit und nicht als steuerbegünstigte Entschädigung zu erfassen.


    - Die Zahlung einer vereinbarten Vertragsstrafe im Zusammenhang mit einer Vertragsverletzung, die zu einer vorzeitigen Beendigung bzw. zum Nichtzustandekommen einer Geschäftsbeziehung geführt hat, liegt bei freiberuflich tätigen Rechtsanwälten noch im Bereich des Üblichen.


    - Als Ersatzleistung für ein außerordentliches Schadensereignis und damit als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG wäre sie nur dann zu qualifizieren, wenn sie den über die Konventionalstrafe hinausgehenden Schadensersatzansprüchen zuzuordnen wäre und wenn dem Steuerpflichtigen durch das Schadensereignis die wesentlichen Ertragsgrundlagen entzogen worden wären


    - Eine Entschädigung im Sinne des§ 24 Nr. 1b EStG liegt nicht schon dann vor, wenn sie kausal mit Nichtausübung einer Leistung verknüpft ist; vielmehr muss sie im Sinne einer finalen Verknüpfung die Gegenleistung für den Verzicht des Empfängers auf eine in der Zukunft liegende Einkunftserzielung darstellen.


    - Für eine Tarifvergünstigung nach §§16, 18 Abs. 3, 34 EStG hätte es der Aufgabe eines Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils durch die Sozietät bedurft.


    Tatbestand

    Streitig ist die steuerliche Behandlung einer im Jahre 1995 gezahlten Vertragsstrafe i.H.v. 78.354, DM bei einer Rechtsanwalts- und Notarsozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

    Die klagende GbR betrieb u.a. im Jahre 1993 in überörtlicher Sozietät eine Rechtsanwalts- und Notarkanzlei mit Sitz in Stadt A sowie eine Rechtsanwaltskanzlei in Stadt B. Am 05.06.1993 schloss sie mit dem in Stadt B ansässigen Rechtsanwalt und Notar (nachfolgend: X), der nicht Gesellschafter der GbR war und der selber eine eigenständige Rechtsanwalts- und Notariatskanzlei betrieb, einen Vertrag über eine Bürogemeinschaft. Danach beabsichtigten die Klägerin und X, bis zum Jahre 1996 einen Übertragungsvertrag und einen Sozietätsvertrag abzuschließen. Gegenstand des Vertrages vom 05.06.1993 ist auch das an X gerichtete Schreiben vom 31.03.1993, wonach die GbR und X zu diesem Zeitpunkt das Ziel verfolgten, am 05.06.1993 im Büro Stadt A einen Sozietätsvertrag abzuschließen. Ferner sollten sich X und der in Stadt B für die Klägerin tätige Rechtsanwalt Y um einen geeigneten Bürostandort in Stadt B bemühen. Nach dem weiteren Inhalt des Vertrages über eine Bürogemeinschaft vom 05.06.1993 vereinbarten die GbR und X, sich „bis zum Abschluss des Sozietätsvertrages” in Form einer Bürogemeinschaft zusammenzuschließen. Die Bürogemeinschaft sollte zum Zeitpunkt der Ausübung der gemeinsamen Tätigkeit in noch anzumietenden oder zu erwerbenden Büroräumen in Stadt B beginnen. Dies sollte bis spätestens 30.06.1994 geschehen. Ferner sollte jede Partei des Vertrages über eine Bürogemeinschaft die durch die Ausübung seiner Tätigkeit entstehenden Kosten selbst tragen. Teilbare Kosten (z.B. Miete, Telefon etc.) sollten nach noch festzulegenden Maßstäben getragen werden, wobei die tatsächliche Nutzung wesentlicher Verteilungsmaßstab sein sollte. Soweit X Notartätigkeiten durch Veranlassung der GbR vornimmt, sollten die Bruttogebühren nach der Kostenordnung (KostO) geteilt werden. Soweit die GbR durch Veranlassung von X Tätigkeiten vornimmt, sollte dieser 7,5 % der Bruttohonorare erhalten. Unter Ziffer 3. des Vertrages über eine Bürogemeinschaft vom 05.06.1993 heißt es: „Soweit einer der Vertragspartner den Beginn des Bürogemeinschaftsvertrages dadurch verhindert, dass er die Tätigkeit in angemessenen Räumlichkeiten nicht aufnimmt, verwirkt er eine pauschale Vertragsstrafe i.H.v. 75.000, DM an den anderen Vertragspartner. Die Geltendmachung von Schadenersatz wird hiervon nicht ausgeschlossen”.

    X nahm in der Folgezeit an der beabsichtigten Bürogemeinschaft nicht teil, weshalb es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kam. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleiches in dem Rechtsstreit der GbR gegen X vor dem LG Stadt B vom 05.12.1994 zahlte X an die GbR „zum Ausgleich aller wechselseitigen Ansprüche aus dem Vertrag vom 05. Juli 1993 75.000,00 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 01. August 1994”. Der daraus resultierende Betrag i.H.v. 78.354, DM für Hauptforderung und Zinsen wurden von X im Jahre 1995 an die GbR gezahlt. Nach der Mitteilung des LG Stadt B vom 14.02.2012 sind die Akten des landgerichtlichen Verfahrens bereits vernichtet, wobei nur noch das Aktenvorblatt und das Sitzungsprotokoll vom 05.12.1994 vorliegen. Die Klägerin hat auf gerichtliche Anfrage durch ihren Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass bei ihr keine Unterlagen bezüglich des landgerichtlichen Verfahrens mehr vorhanden seien.

    Im Zuge der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 1995 unterwarf der Beklagte bzgl. der GbR zunächst den Betrag von 78.354, DM den tarifbegünstigten Einkünften nach § 24 Einkommensteuergesetz (EStG).

    Im Anschluss an eine im Jahre 1997 durchgeführte Betriebsprüfung (Tz. 55 des Betriebsprüfungsberichts vom 30.01.1998) verneinte das Finanzamt insoweit das Vorliegen einer Entschädigung nach § 24 Nr. 1a EStG und behandelte den anteiligen Gewinn für die Vertragsstrafe nicht mehr als ermäßigt zu besteuernden Gewinn, sondern als laufenden Gewinn bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit. Einnahmen, die – wie hier – im Rahmen üblicher Geschäftsvorfälle erzielt würden, stellten keine Entschädigung im Sinne des § 24 EStG dar.

    Gegen den nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten, endgültigen Feststellungsbescheid vom 10.06.1998 legte die GbR Einspruch ein und beantragte, die Vertragsstrafe wieder als ermäßigt zu besteuernden Gewinn festzustellen. Dabei vertrat sie im Wesentlichen die Auffassung, dass es sich bei der Zahlung des X um eine Schadenersatzzahlung handele.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 11.01.2007 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Ein ermäßigter Einkommensteuersatz könne auf die Betriebseinnahmen von 78.354, DM nicht nach § 34 Abs. 1 EStG gewährt werden, da im Streitfall keine außerordentlichen Einkünfte vorlägen. Das Vorliegen einer Entschädigung i.S. des § 24 Abs. 1 EStG sei insbesondere deshalb zu verneinen, weil nach der Rechtsprechung des BFH solche Einnahmen von der Vorschrift nicht erfasst würden, die im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebs anfallen. Dies gelte auch für die in Folge einer Vertragsstörung im Rahmen des Erfüllungsinteresses geleisteten Zahlungen des Vertragsstörers. Es gehöre zu den typischen Handlungen von Rechtsanwälten, Steuerberatern und anderen Angehörigen von freien Berufen, mit anderen Standeskollegen Partnerschaften oder Bürogemeinschaften einzugehen, besonders wenn diese an einem anderen Ort tätig seien. Zudem sei mit der Aufkündigung der Bürogemeinschaft vor Beginn kein Berufsverbot oder ähnliches verbunden gewesen. Schließlich hätten die Vertragsbeteiligten vereinbart, dass es sich um eine Vertragsstrafe handeln solle und dass ein evtl. Schadenersatz, wie z.B. ein Einnahmeausfall, daneben geltend gemacht werden könne.

    Hiergegen richtet sich die Klage.

    Die Klägerin trägt vor, dass die streitigen Betriebseinnahmen i.H.v. 78.354, DM in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der als „Bürogemeinschaft” bezeichneten Gesellschaft entstanden und nach § 16 i.V.m. § 34 EStG begünstigt zu besteuern seien. Diese Gesellschaft sei eine mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Vorgesellschaft zu der mit Aufnahme des neuen Gesellschafters X noch zu begründenden Sozietät gewesen. Der Vereinbarung vom 05.06.1993 über eine Bürogemeinschaft sei zudem der Sozietätsvertrag beigefügt gewesen, womit sich die Vertragsschließenden faktisch zum Abschluss eines bestimmten Sozietätsvertrages verpflichtet hätten. Diese Festlegung beinhalte nach den Gesamtumständen eine Bindung der Parteien an ein mitunternehmerisches Zusammenwirken. Damit habe mehr als eine reine Bürogemeinschaft vorgelegen. Während das Merkmal einer Bürogemeinschaft eine ohne Gewinnerzielungsabsicht tätige reine Organisationsgesellschaft sei, sei – darüber hinausgehend – in der Vereinbarung vom 05.06.1993 in Tz. 2.2 und 2.3 im Rahmen einer faktischen Gewinnverteilungsabrede eine Aufteilung von gemeinsam erzielten Einnahmen vereinbart und damit ein mitunternehmerisches Risiko begründet worden. Ohne die spätestens am 05.06.1993 verabredete gemeinsame Berufsausübung sei auch der Vertrag zur Bürogemeinschaft nicht zustande gekommen. Gerade die beabsichtigte gemeinsame Berufsausübung sei auch Anlass dafür gewesen, durch eine im Betrag ungewöhnliche Vertragsstrafe die Beteiligten an die gemeinsame Berufsausübung zu binden. Es sei vorrangig auf das Aufnehmen einer gemeinsamen Tätigkeit und nicht auf ersparte Kosten oder entgangene Gewinne angekommen. Die vereinbarte Vertragsstrafe sei ein Druckmittel zur Bindung der Vertragsschließenden an die gemeinsame Berufsausübung gewesen. Organisatorisch sei verabredet gewesen, dass X die von ihm betriebene Kanzlei in die GbR mit allen Rechten und Pflichten einbringt und dort für den Notariatsbereich verantwortlich sein solle. Akquisitorisch habe im Vordergrund gestanden, den Kontakt zu den in Stadt B in dieser Zeit sehr aktiven Bauträgern zu finden und vorhandene Kontakte der GbR auszubauen. X habe an bestehende und künftige Partner herangeführt werden sollen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ergebe sich, dass der eigentliche Zweck des Vertrages über die Bürogemeinschaft die Einbringung in die vorhandene Sozietät gewesen sei. Deshalb könne die Bürogemeinschaft in den steuerlichen Folgen nicht anders als die verabredete Sozietät behandelt werden.

    Die Anwendung der Tarifbegünstigung des § 34 EStG ergebe sich unmittelbar aus § 24 Nr. 1 EStG, da die Einnahme nicht im Rahmen eines typischen unternehmensgegenständlichen Geschäftsvorfalles sondern als Entschädigung erzielt worden sei. Die Entschädigung sei vereinbart und gezahlt worden, weil die GbR durch die ausgebliebene Umsetzung der verabredeten gemeinsamen Sozietät einen Schaden erlitten habe, der mit Zahlung eines pauschalen Betrages habe ausgeglichen werden sollen. Dabei sei es schon bei Vertragsabschluss zur Festsetzung einer pauschalen Entschädigung gekommen, weil die Beteiligten Rechtssicherheit herstellen und Streit um die Höhe eines Schadens hätten vermeiden wollen. Bei der streitigen Zahlung habe es sich um Schadenersatz gehandelt.

    Mit Schriftsatz vom 30.04.2012 hat die Klägerin zuletzt vorgetragen, dass es sich nur um Einkünfte aus selbstständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 3 EStG handeln könne. Vorliegend handele es sich um einen Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung bzw. Aufgabe eines selbstständigen Anteils am Vermögen, das der selbstständigen Arbeit diene (§ 18 Abs. 3 EStG i.V.m. § 16 Abs. 3 EStG). Die Beteiligung an der Vorgesellschaft mit X habe unmittelbar der selbstständigen Arbeit gedient, weil sie selbst auf die Erzielung von Einkünften aus selbstständiger Arbeit ausgerichtet gewesen sei. Die Beteiligung sei ein selbstständiger Teil des Vermögens gewesen, weil mit eigenen, von der übrigen beruflichen Tätigkeit abgrenzbaren Leistungen Einkünfte hätten erzielt werden sollen. Abgrenzbar seien die Leistungen durch Standort und Mandantenstamm gewesen. Bereits aus dieser Vorgesellschaft seien Initiativen entfaltet und Risiken eingegangen worden, wie sie für die Tätigkeit zur Erzielung von Einkünften aus selbstständiger Arbeit typisch seien, wie Standortsuche und Mietvertrag. Dies gelte auch, wenngleich dies nicht im Gesetz ausdrücklich erwähnt werde, für die Aufgabe eines Teilbetriebes. Die Vorgesellschaft sei ein selbstständiger Vermögensanteil innerhalb des Gesamthandsvermögens der Sozietät gewesen. Die im Streitfall gezahlte Vertragsstrafe sei die Vergütung für die Aufgabe eines selbstständigen Vermögensanteils gewesen. Die Vertragsstrafe sei nicht Ausfluss einer laufenden Tätigkeit der Vorgesellschaft, auch nicht Ergebnis einer Vertragserfüllung, sondern eine Vergütung für deren Beendigung gewesen. Deshalb führe die Aufgabe der Vorgesellschaft zur Veräußerung eines selbstständigen Vermögensanteils i.S.v. § 18 Abs. 3 EStG und damit zur Anwendung der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG.

    Die Klägerin beantragt,

    die geänderte gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1995 vom 12.06.1998 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11.01.2007 mit der Maßgabe zu ändern, dass der aus der Zahlung von 78.354, DM resultierende Gewinn der Tarifbegünstigung nach § 34 EStG unterworfen wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er verweist zur Begründung zunächst auf die Einspruchsentscheidung. Weiter trägt er vor, dass es sich bei der Zahlung von X an die Klägerin um keine Entschädigungszahlung gemäß § 24 Nr. 1a EStG handele, da es insoweit erforderlich sei, dass die Ersatzleistung auf einer neuen Rechts- und Billigkeitsgrundlage beruhe. Es reiche nicht aus, wenn die bisherige vertragliche Basis bestehen bleibe und sich nur die Zahlungsmodalitäten änderten. Im Streitfall beruhe die Zahlung von X an die Klägerin keinesfalls auf einer neuen Rechtsgrundlage. Da die Zahlung einer Vertragsstrafe zwischen den Parteien bereits von vornherein vertraglich vereinbart worden sei, sei X bei der Zahlung an die Klägerin lediglich seiner vertraglichen Verpflichtung nachgekommen, selbst wenn die Klägerin hierfür gerichtliche Hilfe in Anspruch habe nehmen müssen. Es habe auch kein untypischer Geschäftsvorfall vorgelegen. Zum einen sei es an der Tagesordnung, dass sich Rechtsanwälte und Notare zu Bürogemeinschaften zusammenschlössen und dies auch vertraglich festhielten; zum anderen sei es üblich, dass Vertragsverletzungen, wie hier das Nichtzustandekommen der Bürogemeinschaft, mit einer Vertragsstrafe verhindert werden sollten. Dies stelle keinen außergewöhnlichen und untypischen Vorgang dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin handele es sich bei der Vereinbarung auch nicht um eine mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Vorgesellschaft. Zum einen sei diese nicht zustande gekommen, zum anderen ergebe sich aus den vertraglichen Vereinbarungen vom 05.06.1993 auch keine gemeinschaftliche Gewinnerzielungsabsicht. Ferner lägen weder die Voraussetzungen des § 24 Nr. 1b EStG noch ein Veräußerungsvorgang bzw. eine Betriebsaufgabe nach § 18 Abs. 3 EStG vor.

    Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung ein Band Feststellungsakten, ein Band Umsatzsteuerakten, ein Band Bilanzheft, ein Sonderband Betriebsprüfungsberichte sowie ein weiterer Sonderband Rechtsbehelfe vorgelegen. Wegen der Einzelheiten wird hierauf und auf die im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage hat keinen Erfolg. Der Beklagte hat die streitige Zahlung i.H.v. 78.354, DM zutreffend den laufenden Einkünften aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 Abs.1 Nr.1 EStG zugeordnet und das Vorliegen einer steuerbegünstigten Entschädigung und eines steuerbegünstigten Veräußerungsgewinns ebenfalls zutreffend verneint.

    1. Gemäß § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG unterliegen Entschädigungen einem besonderen Steuersatz.

    a) Nach § 24 Nr. 1a EStG sind Entschädigungen Leistungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Der Begriff der Entschädigung, der gesetzlich nicht definiert ist, setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass der Steuerpflichtige einen Schaden durch den Wegfall von Einnahmen erlitten hat und die Zahlung unmittelbar dazu bestimmt ist, diesen Schaden auszugleichen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 2004 IV R 23/02, BFHE 206, 287, BStBl. II 2004, 876). Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistungen eines Schuldverhältnisses sind, gehören nicht zu den Entschädigungen. Dem entsprechend liegt eine Entschädigung nur vor, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11. Januar 2005 IX R 67/02, BFH/NV 2005 und vom 22. Januar 2009 IV R 12/06, BFH/NV 2009, 933, jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Es reicht nicht aus, wenn die bisherige vertragliche Basis bestehen geblieben ist und sich nur Zahlungsmodalitäten geändert haben (BFH-Urteile vom 21.09.1993 IX R 32/90, BFH/NV 1994, 308; vom 09.07.2002 IX R 29/98, BFH/NV 2003, 21; vom 14. Mai 2003 XI R 16/02, BFHE 202, 486, BStBl II 2003, 881). Für die Frage, ab wann vertragliche Ansprüche nicht mehr auf der

    alten Rechtsgrundlage entstehen können, ist dabei von dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem die Parteien den Vertrag bürgerlich-rechtlich wirksam beendet haben (BFH-Urteil vom 22. Januar 2009 IV R 12/06, a.a.O.). Ob die Entschädigung im konkreten Fall als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gezahlt wird, ist grundsätzlich aus der Sicht der Vertragsparteien zu beurteilen; dazu ist der Inhalt der Entschädigungsvereinbarung, erforderlichenfalls im Wege der Auslegung, heranzuziehen (vgl. BFH-Urteile vom 09.08.1974 VI R 142/72, BFHE 113, 239, BStBl II 1974, 714; BFH-Beschluss vom 25. März 1998 IV B 30/97, Juris, sowie BFH-Urteile vom 11. Januar 2005 IX R 67/02, a.a.O. und vom 22. Januar 2009 IV R 12/06, a.a.O.).

    Eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG setzt ferner voraus, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder, wenn er vom Steuerpflichtigen selbst oder mit dessen Zustimmung herbeigeführt worden ist, dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand. Diesem Erfordernis liegt die Überlegung zugrunde, dass die Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG nur in den Fällen gerechtfertigt ist, in denen sich der Steuerpflichtige in einer Zwangssituation befindet und sich dem zusammengeballten Zufluss der Einnahmen nicht entziehen kann (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1994, 308; vom 13. August 2003 XI R 18/02, BFHE 203, 420, BStBl II 2004, 106).

    Löst das schädigende Ereignis für den Steuerpflichtigen zugleich anderweitige Vorteile aus, so steht dies der Beurteilung einer Abfindung als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1a EStG nicht entgegen; ein Vorteilsausgleich ist nicht vorzunehmen (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1974 VI R 142/72, a.a.O.; vom 20. Oktober 1978 VI R 107/77, BFHE 126, 408, BStBl II 1979, 176, jeweils zur Abfindung nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses; BFH-Beschluss vom 25. März 1998 IV B 30/97, Juris , zur Abfindung nach Auflösung eines Mietvertrages).

    Die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG bezweckt, die Härten auszugleichen, die sich aus der progressiven Besteuerung der Entschädigung ergeben (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1994, 308; vom 3. Juli 2002 XI R 80/00, BFHE 199, 395, BStBl II 2004, 447).

    Nach diesen Maßstäben ist die von der GbR vereinnahmte Zahlung von 78.354,- DM nicht als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1a EStG zu beurteilen und demgemäß auch nicht nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG mit einem ermäßigten Steuersatz zu besteuern.

    Im Streitfall fehlt es nach den konkreten Verhältnissen und insbesondere nach dem Inhalt der Vereinbarung über eine Bürogemeinschaft vom 05.06.1993 sowie in der Folge nach dem landgerichtlichen Vergleich vom 05.12.1994 an Leistungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen, d.h. für den Wegfall von Einnahmen, gewährt wurden. Die streitige Zahlung war vielmehr unmittelbar dazu bestimmt, die bereits im Vertrag über eine Bürogemeinschaft vom 05.06.1993 für den – hier später tatsächlich auch eingetretenen – Fall der Nichtaufnahme der Tätigkeit in angemessenen Räumlichkeiten und damit auch für den Fall des Nichtbeginns der Bürogemeinschaft vereinbarte vertragliche Verpflichtung, nämlich die Zahlung einer pauschalen Vertragsstrafe in Höhe von 75.000, DM zzgl Zinsen (in Höhe von 354, DM), zu erfüllen (vgl. auch BFH-Urteil vom 25.03.1975 VIII R 183/73, BFHE 115, 472, BStBl. II 1075, 634).

    Grundlage für den Erfüllungsanspruch war im Streitfall ausschließlich der zivilrechtliche Vertrag über eine Bürogemeinschaft vom 05.06.1993. Die ursprüngliche Rechtsgrundlage ist auch nicht dadurch weggefallen, dass sich die Vertragsparteien im Wege des Vergleiches über Grund und Höhe dieses Erfüllungsanspruches einigten (vgl. BFH-Urteil vom 25.03.1975 VIII R 183/73, a.a.O.). Die Hauptleistungspflicht der Vertragsparteien bestand nach Ziffer 2. des Vertrages in dem Zusammenschluss und dem Tätigwerden als Rechtsanwalt und Notar in Rahmen einer Bürogemeinschaft in noch anzumietenden oder zu erwerbenden Büroräumen in Stadt B bis spätestens 30.06.1994, wobei die Bürogemeinschaft bis zum beabsichtigten späteren Abschluss des Sozietätsvertrages bis spätestens 1996 fortbestehen sollte. Die Hauptleistungspflicht des X war damit nicht auf die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages sondern auf eine tatsächliche Handlung gerichtet. Die vertraglichen Regelungen in den Ziffern 2.1, 2.2 und 2.3 zur Kostentragungspflicht sowie zum Gebühren- und Honorarausgleich stellen sich dabei als weitere vertragliche Pflichten dar. X ist der vorgenannten Hauptleistungspflicht nicht nachgekommen, weshalb er vor dem Landgericht Stadt B auf der Grundlage des bestehenden Vertrages vom 05.06.1993 verklagt wurde. So weist das Aktenvorblatt des LG Stadt B als Klagegegenstand „Vertragsstrafe 75.000, DM” aus. Eine gerichtliche Inanspruchnahme aus den konkreten weiteren Pflichten des Vertrages vom 05.06.1993 (Zif. 2.1, 2.2, 2.3) konnte bereits deshalb nicht erfolgen, weil die Bürogemeinschaft gerade nicht zustande gekommen war und weil es damit insoweit auch nicht zu Gebühren- und Honorarforderungen kommen konnte. Der zur hier streitigen Zahlung führende gerichtliche Vergleich vor dem LG Stadt B konnte sich damit nur auf das Nichttätigwerden des X beziehen und beruhte dabei auch nicht auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage, sondern auf der Regelung in Zif. 3 Satz 1 des wirksamen Vertrages über eine Bürogemeinschaft vom 05.06.1993.

    Insoweit hat der GbR-Gesellschafter Z in der mündlichen Verhandlung auch ausgeführt, dass die Klage vor dem Landgericht Stadt B zum einen die bereits in Ziffer 3. Satz 1 des Vertrages über eine Bürogemeinschaft vereinbarte pauschale Vertragsstrafe und zum anderen einen auf Ziffer 3. Satz 2 des Vertrages über eine Bürogemeinschaft gestützten Schadenersatzanspruch im Rahmen einer sog. Zukunftsfeststellung betroffen habe. Im Rahmen des landgerichtlichen Vergleiches habe sich die Klägerseite mit der Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 75.000, DM zzgl. Zinsen zufrieden gegeben und auf die Verfolgung weitergehender Schadenersatzansprüche verzichtet. Dem entsprechend hatte der beklagte X nach dem Vergleich vor dem Landgericht Stadt B vom 05.12.1994 „zum Ausgleich aller wechselseitigen Ansprüche aus dem Vertrag” 75.000,00 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 01.08.1994 zu zahlen. Damit beruhte die im Vertrag vom 05.06.1993 – neben dem in Zif. 3 Satz 2 vereinbarten Schadenersatzanspruch – festgelegte und gezahlte Vertragsstrafe aber gerade nicht auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage sondern war Bestandteil der bisherigen Vertragsgrundlage (Zif. 3 Satz 1 des Vertrages über eine Bürogemeinschaft).

    Selbst wenn man – entgegen Zif. 3 der Entscheidungsgründe – mit der Klägerin davon ausginge, dass es sich bei der verabredeten Bürogemeinschaft um eine Vorgesellschaft der nach dem Vertrag vom 05.06.1993 erst für 1996 beabsichtigten Sozietät handelte und dass – entgegen der sich lediglich auf einzelne, von der jeweils anderen Vertragspartei veranlasste Geschäftsvorfälle beziehende Gebühren- und Honorarverteilung – „faktisch eine Gewinnverteilungsabrede” (im Rahmen einer tatsächlich nie zustande gekommenen Bürogemeinschaft) vorlag, fehlt es jedenfalls an dem für die Annahme einer Entschädigung erforderlichen Wegfall der bisherigen Grundlage für den Erfüllungsanspruch.

    Abgesehen hiervon ist die Klage im Hinblick auf den Aspekt der Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 a EStG bereits deshalb unbegründet, weil weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass das Nichtzustandekommen der Bürogemeinschaft und das Nichterreichen des mehrere Jahre entfernten Ziels der Gründung einer gemeinsamen Sozietät dazu geführt hat, dass der Klägerin dauerhaft die Grundlage für die Erzielung künftiger Einnahmen entzogen worden ist (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 22. Januar 2009 IV R 12/06, a.a.O.). Zwar hatte die GbR nach den Ausführungen des Gesellschafters Z in der mündlichen Verhandlung im Herbst 1993 14 Räume in der Allee in Stadt B mit einer Fläche von 320 qm im Rahmen eines 15-Jahres-Mietvertrages zu einem sehr hohen Mietzins angemietet, wo nur der für die GbR in Stadt B tätige Rechtsanwalt Y mit zwei weiteren Personen, nicht jedoch X mit dessen Angestellten tätig wurde. Zudem war X nach den Ausführungen des Gesellschafters Z in der mündlichen Verhandlung in der Folgezeit für die GbR nicht mehr erreichbar, wobei sich die GbR nach dem Beziehen der Räumlichkeiten in der Allee zur Erfüllung anfallender notarieller Tätigkeiten allerdings mit anderen Notaren behalf („Fremdnotare um die Ecke”) und ab 1996/1997 mit einem festen anderen Notar arbeitete. Damit vermag der erkennende Senat aber auch nicht den Schluss zu ziehen, dass der GbR durch die Nichtaufnahme der Tätigkeit des Rechtsanwalts und Notars X in angemieteten Büroräumen dauerhaft die Grundlage für die Erzielung künftiger Einnahmen entzogen worden war. Denn diese wurden tatsächlich mit anderen Notaren erzielt.

    Zudem betraf der Bürogemeinschaftsvertrag bereits angesichts des dargestellten Inhaltes des Vertrages vom 05.06.1993 nicht die Grundlage sondern lediglich eine darüber hinausgehende Erweiterung der Einnahmeerzielung der Klägerin und wurde lediglich zunächst im Vorfeld einer erst zu einem späteren Zeitpunkt avisierten Partnerschaft in Form einer Mitunternehmerschaft (Sozietät) abgeschlossen. So lag der Schwerpunkt in der Tätigkeit der Klägerin bis Mitte 1994 neben der mit nur einem Rechtsanwalt betriebenen Stadt B'er Rechtsanwaltskanzlei schwerpunktmäßig in Stadt A, wo die dort tätigen übrigen Sozien nach Auskunft des Gesellschafters Z in der mündlichen Verhandlung jährlich u.a. 2000-3000 notarielle Beurkundungen im Immobilienbereich durchführten.

    Nach dem grundlegenden Urteil des BFH vom 20. Juli 1978 IV R 43/74, BStBl. II 1979,9 muss es sich bei den einen Einnahmeausfall verursachenden Ereignissen ferner um außergewöhnliche Vorgänge handeln, die über den Rahmen einzelner Geschäfte hinausgehen, wie sie für die jeweilige Einkunftsart typisch sind. Ein solcher außergewöhnlicher Vorgang liegt dann vor, wenn der Steuerpflichtige von einem Außenstehenden an der Verwirklichung seines Gewinnstrebens dergestalt gehindert worden ist, das seiner Geschäftstätigkeit zumindest teilweise die Ertragsgrundlage, d.h. die Grundlage zum Abschluss einer unbestimmten Vielzahl von Geschäften entzogen worden ist. Eine solche Sachlage hat der BFH im Rahmen der Gewinneinkünfte für den Fall bejaht, dass der Mieter, der ein Möbelhaus betrieb, vom Vermieter aus einem noch bestehenden Geschäftsraum-Mietvertrag herausgedrängt und dadurch der Geschäftsbetrieb als solcher infrage gestellt worden war (BFH-Urt. vom 20. Juli 1078 IV R 73/74, a.a.O.). Bei freiberuflich tätigen Rechtsanwälten ist das Eingehen einer Bürogemeinschaft mit dem Ziel des späteren Abschlusses eines Sozietätsvertrages – auch wenn dem wie hier nicht unerhebliches wirtschaftliches Gewicht zukommt – kein außergewöhnlicher Vorgang. Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall des Nichtzustandekommens einer solchen verabredeten Bürogemeinschaft und jedenfalls dann, wenn die Vertragsparteien – wie hier – für den Fall der Nichtaufnahme der Tätigkeit in gemeinsamen Räumen von vornherein eine zahlenmäßig konkrete Vertragsstrafe vereinbart haben. Das Eingehen und die Kündigung von Geschäftsbeziehungen ist bei Freiberuflern ein normaler Vorfall (so auch Schmidt-Drenseck, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 30. Aufl. 2011, § 24 Anm. 14). Eine Zahlung im Zusammenhang mit einer Vertragsverletzung, die zu einer vorzeitigen Beendigung bzw. zum Nichtzustandekommen einer Geschäftsbeziehung geführt hat, liegt im Bereich freiberuflich tätiger Rechtsanwälte und Notare noch im Bereich des Üblichen. Als Ersatzleistung für ein außerordentliches Schadensereignis und damit als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG wäre sie nur dann zu qualifizieren, wenn sie den über die Konventionalstrafe hinausgehenden Schadensersatzansprüchen zuzuordnen wären und wenn dem Steuerpflichtigen durch das Schadensereignis die wesentliche Ertragsgrundlagen entzogen worden wären (vgl. auch BFH-Urteil vom 5. Oktober 1989, IV R 126/85, BStBl. II 1990, 155). Insofern enthält bereits der BP-Bericht vom 30.01.1998 – neben den obigen Ausführungen des Senates – den zutreffenden Hinweis, dass eine Zuordnung zu den über die Konventionalstrafe hinausgehenden Schadensersatzansprüchen vorliegend ausscheidet, weil die Klägerin im landgerichtlichen Verfahren – über die Vertragsstrafe hinaus – weitergehende Schadensersatzansprüche nicht durchsetzen konnte. Durch das Nichtzustandekommen der Bürogemeinschaft nach Maßgabe des Vertrages vom 05.06.1993 ist der Klägerin nach den geschilderten Umständen des Streitfalles – wie bereits ausgeführt – die Ertragsgrundlage auch nicht wenigstens teilweise entzogen worden. Durch das Nichtzustandekommen der geplanten Bürogemeinschaft wurde die erst in Zukunft geplante mitunternehmerische Zusammenarbeit in einem so frühen Vorstadium ausgeschlossen, dass insofern eine streitrelevante Erwerbsgrundlage i.S. der BFH-Rechtsprechung erst gar nicht entstehen konnte. So stand der dem Vertrag über eine Bürogemeinschaft beigefügte Übertragungsvertrag nach dessen § 3 ausdrücklich unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Tätigkeit der Klägerin und X in Stadt B in gemeinsamen, noch anzumietenden oder zu erwerbenden Büroräumen bis zum 30.06.1994 aufgenommen wird. Daraus ergibt sich, dass eine gemeinsame Ertragsgrundlage nach dem Willen der Beteiligten unter der aufschiebenden Bedingung der tatsächlichen Aufnahme der Bürogemeinschaft stand. Hierzu ist es aber erst gar nicht gekommen. Im Übrigen wurden die in Stadt B anstehenden notariellen Beurkundungen tatsächlich auch nach Nichtaufnahme der Tätigkeit durch X durch andere Notare sichergestellt.

    Da die Klage unter dem Aspekt der Entschädigung nach § 24 Nr. 1a EStG bereits aus den vorstehenden Gründen unbegründet ist, kann offen bleiben, ob die Klage insofern auch aus weiteren rechtlichen Erwägungen heraus unbegründet sein könnte. So setzt eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG ferner voraus, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder, wenn er vom Steuerpflichtigen selbst oder mit dessen Zustimmung herbeigeführt worden ist, dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand (ständige Rsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteil 22. Januar 2009 IV R 12/06, a.a.O.). Nach Aktenlage ist nicht ersichtlich, ob eine Veranlassung im vorgenannten Sinne ausschließlich X zugerechnet werden kann, und – falls dies zu verneinen sein sollte – ob die Klägerin unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand.

    b) Die Klage hat auch nach Maßgabe des § 24 Nr. 1b EStG keinen Erfolg. Danach sind Entschädigungen auch Leistungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche. Die Vorschrift betrifft Gegenleistungen für den Verzicht auf eine mögliche Einkunftserzielung und ist damit zukunftsgerichtet. Im Gegensatz zu den Entschädigungen nach § 24 Nr. 1a EStG dienen die Entschädigungen im Sinne des§ 24 Nr. 1b EStG nicht der Abgeltung und Abfindung von Interessen aus dem bisherigen Rechtsverhältnis, sondern erfassen – in gewisser Weise zukunftsgerichtet – Gegenleistungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit oder die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche und ist insoweit von der bisherigen Tätigkeit losgelöst (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Juni 1996 XI R 43/94, BFHE 180, 433, BStBl. II 1996, 516). Aus der Verwendung des Wortes „für” ergibt sich, dass eine Entschädigung im Sinne des§ 24 Nr. 1b EStG nicht schon dann vorliegt, wenn sie kausal mit der Aufgabe oder Nichtausübung verknüpft ist, sondern dass sie im Sinne einer finalen Verknüpfung die Gegenleistung für den Verzicht des Empfängers auf eine in der Zukunft liegende Einkunftserzielung darstellen muss. Dies setzt ein eigenes Interesse des Leistenden (hier: des X) daran voraus, dass der Empfänger die Erzielung bestimmter Einkünfte aufgibt oder unterlässt. Das Eigeninteresse des Leistenden (hier: des X) muss gerade auf die Unterlassung der künftigen Einkunftserzielung durch den Empfänger gerichtet sein, wie dies z.B. bei Wettbewerbsverboten der Fall ist (vgl. im Einzelnen Herrmann/Heuer/Raupach-Horn, Kommentar zum EStG, Stand: 2011, § 24 Anm. 46, 48 mit Rechtsprechungsnachweisen).

    Im Streitfall war die Zahlung des X jedoch gerade nicht final als Gegenleistung für den Verzicht der Klägerin auf eine Zukunft liegende Einkunftserzielung erfolgt. Denn X hat die Zahlung – wie bereits dargestellt – ausschließlich im Zuge der vertraglich festgelegten, ausschließlich ihn belastenden Konventionalstrafe (Vertragsstrafe) erbracht. Dabei war die Zahlung ausschließlich kausal durch die Nichtaufnahme der Tätigkeit des X im Rahmen einer zunächst verabredeten Bürogemeinschaft in den angemieteten Räumlichkeiten in Stadt B veranlasst und hatte einen entsprechend eingeschränkten Zweck. Die Zahlung war darüber hinaus nicht final auf eine bestimmte (spätere) Verhaltensweise der Klägerin, nämlich auf den Verzicht auf eine in der Zukunft liegende Einkunftserzielung gerichtet. Damit hat X die Zahlung gerade nicht für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit der Klägerin, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung der Klägerin oder für die Aufgabe einer Anwartschaft auf eine solche Gewinnbeteiligung zu Gunsten der Klägerin erbracht. Es ist zudem nach Aktenlage und nach dem Vortrag der Beteiligten in keiner Weise erkennbar, welches eigene Interesse X daran gehabt haben sollte, dass die Klägerin als Zahlungsempfängerin bzgl. der Konventionalstrafe die Erzielung bestimmter Einkünfte zukünftig aufgibt oder unterlässt. Solche vertraglichen Regelungen sind dem Vertrag über eine Bürogemeinschaft vom 05.06.1993 und den weiteren, im Klageverfahren eingereichten Schriftstücken auch nicht zu entnehmen. Im Übrigen hat die Klägerin die Erzielung freiberuflicher Einkünfte im Zusammenhang mit der notariellen Beurkundung von notariellen Kaufverträgen im Immobilienbereich nach dem Nichtzustandekommen der Bürogemeinschaft mit X gerade nicht aufgegeben, sondern jahrelang weiterbetrieben, wobei die mit X abgeschlossenen vertraglichen Absprachen dem gerade nicht entgegenstanden.

    2. Die Klage kann schließlich auch nicht nach Maßgabe des § 18 Abs. 3 EStG Erfolg haben. Die streitige Zahlung ist den laufenden Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzuordnen.

    a) Nach § 18 Abs.3 i.V.m. § 16 Abs.2 bis 4 und § 34 Abs.1 und 2 Nr.1 EStG kann ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn entstehen, wenn ein freiberuflich Tätiger sein der selbständigen Arbeit dienendes Vermögen, einen selbständigen Teil dieses Vermögens oder einen der selbständigen Arbeit dienenden Anteil am Vermögen veräußert oder aufgibt (BFH-Urteil vom 07. November 1990 IV R 14/90, BFHE 166, 527, BStBl. II 1992, 457). Veräußerungsgewinne bei den betrieblichen Einkunftsarten werden als außerordentliche Einkünfte allerdings nur dann begünstigt versteuert, wenn es sich um Veräußerungsgegenstände i.S. der §§ 14, 14a Abs. 1, 16, 17 und 18 Abs. 3 EStG handelt (§ 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG). Als solche kommen nach der Grundregelung des § 16 Abs. 1 EStG, der die Vorschrift über die Veräußerung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (§§ 14, 14a Abs. 1 EStG) sowie die Veräußerung des der selbständigen Arbeit dienenden Vermögens (§ 18 Abs. 3 EStG) nachgebildet worden sind, nur in Betracht: der ganze Betrieb, ein Teilbetrieb und der Anteil eines Mitunternehmers (BFH-Urteil vom 30.10.2008 VIII B 172/07, Juris).

    Zudem ist die Veräußerung freiberuflichen Vermögens dessen entgeltliche Übertragung auf einen anderen Rechtsträger, wobei die wesentlichen Grundlagen der selbständigen Tätigkeit auf den Erwerber übergehen müssen, damit eine begünstigungsfähige Veräußerung i.S. des § 18 Abs. 3 EStG angenommen werden kann. Die wesentlichen Grundlagen insbesondere der freien Berufstätigkeit bestehen oft nicht in körperlichen Wirtschaftsgütern sondern in immateriellen Wirtschaftsgütern (Mandantenstamm, Praxiswert). Nur wenn diese immateriellen Wirtschaftsgüter mit übertragen werden, liegt eine Veräußerung des gesamten der Tätigkeit dienenden Vermögens vor (Schmidt-Wacker, Kommentar zum EStG, 31. Auflage 2012, § 18 Anm. 221, 223, m.w.N., sowie BFH-Beschluss vom 17.02.2003 XI B 193/02, BFH/NV 2003,773).

    Der Zweck der Tarifvergünstigung nach §§ 16, 18 Abs. 3, 34 EStG besteht allein darin, die zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven von der progressiven Einkommensbesteuerung auszunehmen (BFH-Beschluss vom 28. Juni 2000 IV B 35/00; BFH/NV 2001, 333, m.w.N.).

    Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für die von der Klägerin begehrte Tarifvergünstigung nach §§ 16, 18 Abs. 3, 34 EStG in mehrfacher Hinsicht nicht vor. Denn die Klägerin hat im Zuge der im Streitfall streitigen Zahlung weder a) einen Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil aufgegeben und b) auch nicht entgeltlich freiberufliches Vermögen auf einen anderen Rechtsträger übertragen. Es fehlt schließlich c) auch an der zusammengeballten Realisierung von während vieler Jahre entstandener stiller Reserven.

    a) Die Klägerin war entgegen ihrer Auffassung schon deshalb nicht an einer Vorgesellschaft beteiligt, weil die von der Klägerin als Vorgesellschaft angesehene Bürogemeinschaft tatsächlich nicht zustande gekommen ist. So hat die Klägerseite bereits außergerichtlich mit Schreiben vom 30.01.2006 selber geltend gemacht, dass die Zahlung des X „für die Abstandnahme von der Vereinbarung über die Bürogemeinschaft” vorgenommen wurde. Damit hat die Bürogemeinschaft, die von der Klägerin als Vorgesellschaft zur angestrebten späteren Sozietät betrachtet wird, niemals begonnen (vgl. hierzu auch die diesbezügliche Regelung in Zif. 3 des Vertrages über eine Bürogemeinschaft). Dies hat zur Folge, dass die Klägerin mangels tatsächlicher Beteiligung an einer Personengesellschaft eine solche Beteiligung bzw. einen Anteil im Sinne der dargestellten Rechtsprechung (Anteil eines Mitunternehmers als selbständiger Anteil am Vermögen, das der selbständigen Arbeit dient) bereits dem Grunde nach nicht veräußern oder aufgeben konnte (vgl. BFH-Urteil vom 30.10.2008 VIII B 172/07, a.a.O.; Blümich-Hutter, Kommentar zum EStG, § 18 Anm. 314). Es fehlte mithin an einem Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil, der im Zuge des gerichtlichen Vergleiches im Dezember 1994 auf der Grundlage des Vertrages über eine Bürogemeinschaft vom 05.06.1993 hätte aufgegeben werden können.

    Überdies kann die avisierte Bürogemeinschaft nicht als Mitunternehmerschaft angesehen werden. Denn im Unterschied zu einer Mitunternehmerschaft hat eine Bürogemeinschaft lediglich den Zweck, den Beruf in gemeinsamen Praxisräumen auszuüben und bestimmte Kosten von der Praxisgemeinschaft tragen zu lassen und umzulegen. Ein einheitliches Auftreten nach außen genügt nicht, um aus einer Bürogemeinschaft eine Mitunternehmerschaft werden zu lassen. Voraussetzung einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 4 EStG ist, dass der Mitunternehmer Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann. Beide Merkmale müssen vorliegen; dabei kann die geringere Ausprägung eines Merkmals im Rahmen der gebotenen Gesamtbeurteilung der Umstände des Einzelfalles durch eine stärkere Ausprägung des anderen Merkmals ausgeglichen werden (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 20/01, BFH/NV 2003,601 sowie Ulmer in Münchener Kommentar zum BGB, vor § 705 Anm. 36 ff., 39). Auch wenn die Parteien des Vertrages über eine Bürogemeinschaft einer Sozietät avisiert haben, geht weder aus den vorgelegten Vertragsunterlagen noch aus dem Vortrag der Beteiligten hervor, dass im Zuge der angestrebten Bürogemeinschaft eine gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg der GbR verbunden war. X sollte nach dem Vertrag über eine Bürogemeinschaft vom 05.06.1993 gerade nicht am Gewinn und am Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des Geschäftswertes beteiligt werden. Eine gemeinschaftliche Gewinnerzielungsabsicht oder auch nur faktische Gewinnverteilungsabrede auf der Ebene der Gesellschaft bereits mit Abschluss des Vertrages über eine Bürogemeinschaft ist nicht erkennbar. So hat der Gesellschafter Z in der mündlichen Verhandlung auch ausgeführt, dass sein ehemaliger Studienfreund X auf Wunsch der anderen Sozien der GbR gerade nicht sofort als Sozius aufgenommen werden sollte; vielmehr habe die Zusammenarbeit auf Wunsch der anderen Sozien erst im Rahmen einer Bürogemeinschaft erprobt werden sollen.

    Schließlich kann eine Mitunternehmerschaft auch nicht daraus resultieren, dass X nach Zif. 4. des Schreibens vom 31.03.1993 bis zur „gemeinsamen Büroausübung … die im Büro Stadt B anfallenden Beurkundungstätigkeiten” abwickeln sollte bzw. abgewickelt hat, wobei die anfallenden Notargebühren geteilt wurden bzw. geteilt werden sollten. Denn auch bzgl. dieser eigenständigen vertraglichen Verpflichtung des X (außerhalb der Bürogemeinschaft und erst recht außerhalb der später avisierten Sozietät) fehlt es an einer Mitunternehmerschaft im vorgenannten Sinne (vgl. im einzelnen BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 20/01, a.a.O.), da über X insoweit lediglich laufend anfallende Beurkundungstätigkeiten unter Teilung der anfallenden Notargebühren abgewickelt werden sollten. Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko sind insofern nicht erkennbar.

    b) Im Streitfall fehlt es insgesamt an einer Veräußerung i.S.d. § 18 Abs. 3 EStG, d.h. an der erforderlichen entgeltlichen Übertragung freiberuflichen Vermögens auf einen anderen Rechtsträger, was schon für sich genommen zur Verneinung eines tarifbegünstigten Besteuerung unter dem Aspekt des § 18 Abs. 3 EStG führt. Denn es ist für den Senat nicht erkennbar, welches Vermögen die Klägerin auf X im Zuge der Zahlung des streitigen Betrages übertragen haben sollte. Auf X sind im Streitfall gerade nicht wesentliche Grundlagen der selbständigen Tätigkeit, insbesondere in Form von Wirtschaftsgütern oder Mandantenstamm, übergegangen. Dies war auch nicht möglich, da die Bürogemeinschaft bereits nicht zustande kam. X hat die Zahlung gerade nicht im Zuge einer Veräußerung bzw. Aufgabe freiberuflichen Vermögens sondern als pauschalierte Vertragsstrafe im Hinblick auf eine tatsächlich niemals realisierte Bürogemeinschaft, welche zeitlich nachfolgend in einer Sozietät münden sollte, vorgenommen. Bereits dies alleine spricht in streitentscheidender Weise gegen die begehrte Tarifvergünstigung nach §§ 16, 18 Abs. 3, 34 EStG und führt dazu, dass sich der erkennende Senat der Auffassung der Klägerin, dass die Vertragsstrafe eine Vergütung für die Aufgabe eines selbstständigen Vermögensanteils dargestellt habe, nicht anzuschließen vermag.

    c) Durch die Zuordnung der streitigen Zahlung zu den laufenden Einkünften wird schließlich auch der bereits dargestellte Gesetzeszweck der Tarifbegünstigung nach §§ 16, 18 Abs. 3, 34 EStG nicht verfehlt. Denn nach den dargestellten tatsächlichen Umständen, nach denen es nicht zum Beginn der Bürogemeinschaft gekommen ist, konnte es insofern auch nicht zur Entstehung stiller Reserven gekommen sein. Das Vorliegen stiller Reserven ergibt sich auch nicht aus der Gewinnermittlung der Klägerin. Durch die Zahlung des X aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vor Beginn der Bürogemeinschaft ist es damit auch nicht zu einer zusammengeballten Realisierung (während vieler Jahre entstandener) stiller Reserven gekommen.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

    VorschriftenEStG § 18 Abs. 1, EStG § 24 Nr. 1b, EStG § 24 Nr. 1a, EStG § 34