01.09.2025 · IWW-Abrufnummer 249956
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 13.12.2024 – 12 K 20/24
1. Corona-Soforthilfen haben keinen Darlehenscharakter und stellen im Zeitpunkt des Zuflusses steuerpflichtige Betriebseinnahmen dar.
2. Die Rückforderung von Corona-Soforthilfen stellt kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar.
Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 13.02.2024, Az. 12 K 20/24
Die Beteiligten streiten über die einkommensteuerrechtliche Behandlung der Zahlung von Corona-Soforthilfen im Jahr des Zuflusses.
Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum freiberuflich tätig und ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz - EStG - per Überschussrechnung. Der Kläger beantragte am 02.04.2020 die Gewährung und Auszahlung der "Niedersachsen-Soforthilfe Corona (mit finanzieller Unterstützung des Bundes)" für die Monate April, Mai und Juni 2020 in Höhe von EUR 10.527,00. Im Rahmen der Antragstellung gab der Kläger unter 4.4 unter anderem folgende Erklärungen ab:
"Ich nehme zur Kenntnis, dass die Soforthilfe als Einnahme zu versteuern ist und kein Rechtsanspruch auf die Gewährung der Soforthilfe besteht.
Ich nehme zur Kenntnis, dass im Falle einer Überkompensation die zu viel gezahlte Soforthilfe zurückzuzahlen ist."
In seiner dem Finanzamt am 31.05.2022 übermittelten Gewinnermittlung für das Jahr 2020 erfasste er die antragsgemäß gewährte "Corona-Soforthilfe Kleinstunternehmen und Soloselbständige (Bundes-Soforthilfe)" in Höhe von EUR 10.527,00 als Betriebseinnahme. Insgesamt erklärte der Kläger einen Gewinn aus der freiberuflichen Tätigkeit in Höhe von EUR 17.555,38.
Der Beklagte führte die Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2020 mit Bescheid vom 15.07.2022 erklärungsgemäß durch.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass sich nach Überprüfung durch die zuständigen Stellen ergeben habe, dass ihm lediglich ein Soforthilfe-Betrag in Höhe von EUR 777,00 zustehe und mit einer entsprechenden Rückforderung in Höhe von EUR 9.750,00 zu rechnen sei. Tatsächlich erging mit Datum vom 12.05.2023 ein Bescheid gegenüber dem Kläger, mit welchem dieser zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von EUR 9.242,35 verpflichtet wurde. In Höhe des zurückzuzahlenden Betrages handele es sich um eine nicht als Betriebseinnahme zu erfassende Darlehensgewährung. Dies ergebe sich auch aus den Vorgaben im Antragsformular. Es könne nicht rechtmäßig sein, eine Beihilfe, die unter dem Vorbehalt der Rückzahlung gewährt worden sei, steuerlich als Einnahme zu werten, solange nicht feststehe, dass die Beihilfe vollumfänglich bei dem Steuerpflichtigen verbleiben könne. In 2020 sei lediglich der letztlich auch bei dem Kläger verbleibende Betrag als Betriebseinnahme zu erfassen.
Der Beklagte hat den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gelte das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG, nach welchem Einnahmen und Ausgaben in dem Jahr der tatsächlichen Vereinnahmung und Verausgabung anzusetzen seien. Es sei systemimmanent und hinzunehmen, dass als Folge der Einkommensteuerprogression oder fehlender tatsächlicher Ausgleichsmöglichkeiten steuerliche Be- oder Entlastungen entstünden. Der Kläger habe bereits bei Antragstellung zur Kenntnis genommen, dass die bezogenen Leistungen zu besteuern seien. Die Prüfung, ob eine existenzbedrohende Lage vorgelegen habe, habe bei Antragstellung ausschließlich im Einflussbereich des Klägers gelegen.
Der Kläger reichte gegen die Einspruchsentscheidung Klage ein. Er führt zur Begründung erneut aus, dass sich die Soforthilfe für ihn in Höhe des zurückzuzahlenden Betrages als Darlehen darstelle. Es sei offenkundig, dass die Mittel zunächst nur unter der Bedingung des Bestehens der vollständigen Anspruchsvoraussetzung gewährt worden seien und daher Darlehenscharakter aufwiesen. Aufgrund des Alters des Klägers würde die Erfassung als Betriebsausgabe bei Rückzahlung nicht zu identischen steuerlichen Konsequenzen führen und es könne nicht richtig sein, dass die Soforthilfe im Ergebnis zu steuerlichen Belastungen führen würde. Bei der endgültigen Versagung komme die Annahme eines rückwirkenden Ereignisses und damit eine Korrektur des Steuerbescheides nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Bei der in Anspruch genommenen Corona-Soforthilfe habe es sich nicht um eine Soforthilfe gehandelt, die unter den Regelungsbereich des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung vom 31.03.2020 falle, sondern um eine Corona-Hilfe mit ausschließlicher Unterstützung des Bundes.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 vom 15.07.2022 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.10.2022 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) die Betriebseinnahmen um EUR 9.242,35 gemindert werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist vollumfänglich auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, dass der Kläger es selbst in der Hand gehabt habe, etwaigen Progressionsnachteilen durch eine vorzeitige freiwillige Rückzahlung der Überkompensationen zu begegnen, wie dies in Niedersachsen bis zum 30.06.2021 bereits in Höhe von EUR 37.751.148,00 erfolgt sei. Zudem lägen in der Rückzahlung sowie dem Rückforderungsbescheid aufgrund der Überkompensation keine rückwirkenden Ereignisse im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, da diese nicht auf den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung zurückwirkten und die Rechtslage nicht rückwirkend veränderten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Der für den streitigen Zeitraum 2020 unter dem 15.07.2022 ergangene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Denn das beklagte Finanzamt hat im Streitfall zu Recht die Auszahlung der Corona-Soforthilfe in Höhe von EUR 10.527 als steuerpflichtige Betriebseinnahme des Klägers im Rahmen seiner Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG im Streitzeitraum behandelt.
1. Bei Anwendung der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG werden Betriebseinnahmen nach § 11 Abs. 1 S. 1 EStG im Jahr des Zuflusses erfasst (siehe Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG, Rn. 154). Dem Steuerpflichtigen sind Einnahmen gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 EStG zugeflossen, wenn er die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden (BFH v. 22.07.1997 - VIII R 13/96, BFHE 184, 46).
Der Zufluss der Corona-Soforthilfen in Höhe von EUR 10.527,00 durch Überweisung auf das Bankkonto des Klägers im Streitzeitraum ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, sondern lediglich die Beurteilung als Betriebseinnahme.
a) Der Beurteilung der Zahlung als zu besteuernde Betriebseinnahme steht insbesondere nicht entgegen, dass die Auszahlung als Gewährung eines Darlehens zu würdigen wäre. Konstitutives Merkmal eines Gelddarlehens ist die Überlassung der Valuta auf Zeit (vgl. dazu Freitag in Staudinger, § 488 BGB, Rn. 1). Hieran fehlt es, wenn die Pflicht zur Rückgewähr der Zuwendung vom Eintritt einer Bedingung dergestalt abhängig ist, dass nicht nur der Zeitpunkt der Rückzahlung ungewiss ist, sondern auch, ob die Verpflichtung zur Rückgewähr unbedingt entsteht (BFH v. 12.07.2016 - IX R 56/13, BFHE 255, 97). Dies gilt umso mehr, wenn der Zuwendungsgeber neben dem Bonitätsrisiko, dem Wesen eines Darlehensvertrags widersprechend (vgl. § 488 I 2 BGB), auch das wirtschaftliche Risiko für das Entstehen der Rückgewährschuld übernimmt, weil der Eintritt der Rückzahlungsverpflichtung von Umständen abhängt, die ausschließlich in der Sphäre des Zuwendungsempfängers liegen (BFH v. 12.07.2016 - IX R 56/13, BFHE 255, 97).
aa) Denn in einem solchen Fall ist die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen tatsächlich erhöht, weil der erhaltenen Zuwendung keine wirtschaftlich gleichwertige Rückzahlungsverpflichtung gegenübersteht. Eine wirtschaftliche Saldierung mit einer solchen lediglich latenten Rückzahlungsverpflichtung ist nicht möglich (BFH v. 12.07.2016 - IX R 56/13, BFHE 255, 97). Erhält der Steuerpflichtige diese Zuwendung anstelle entgangener oder entgehender Betriebseinnahmen, ist sie durch die betriebliche Tätigkeit veranlasst.
bb) Da vorliegend im Zeitpunkt der Gewährung der Corona-Soforthilfe sowohl ungewiss war, ob und in welcher Höhe überhaupt eine Rückzahlung erfolgen würde und zudem auch der Zeitpunkt nicht feststand, ist die Annahme des Klägers, dass es sich bei der Gewährung der Corona-Soforthilfe um ein Darlehen gehandelt habe, abzulehnen. Auch wenn die Auszahlung unter dem Vorbehalt einer späteren Überprüfung stattgefunden hat, so sollte aus Sicht der auszahlenden Stelle die Auszahlung den Charakter eines nicht zurückzuzahlenden Zuschusses zur Begleichung betrieblicher Fixkosten trotz ausbleibender Betriebseinnahmen aufweisen. Das Erfordernis der nachträglichen Überprüfung hatte seine Ursächlichkeit darin, dass erst im Nachhinein anhand des Jahresergebnisses festgestellt werden konnte, inwieweit eine Überkompensation des Hilfeempfängers vorgelegen hat.
Auch wenn der Verwaltungsakt über die Gewährung der Corona-Soforthilfe mit Wirkung für die Vergangenheit auf den Moment der Gewährung widerrufen wurde, nimmt dieser Bescheid keinen Einfluss auf den ursprünglichen Charakter der Gewährung der Corona-Soforthilfe als echter Zuschuss (vgl. BFH v. 07.12.2010 - IX R 46/09, BFHE 236, 87). Rechtsgrund für die teilweise Rückzahlung der ursprünglich gewährten Hilfe ist der Rückzahlungsbescheid vom 12.05.2023. Bis zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides gab es keine Grundlage, auf welche eine Rückforderung hätte gestützt werden können, insbesondere keinen existierenden Darlehensvertrag. Die konstitutiven Merkmale eines Darlehens werden durch die nachträgliche Feststellung der Rückzahlungsverpflichtung nicht hergestellt.
b) aa) Soweit die Corona-Soforthilfe nach der Überprüfung durch die zuständigen Stellen zurückgezahlt werden musste, wirkt diese Entscheidung auch nicht materiell - mit der verfahrensrechtlichen Folge des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) - auf den Zeitpunkt der Gewährung der Soforthilfe zurück (siehe auch BFH v. 14.02.1995 - IX R 5/92, BFHE 177, 93). Bei den laufend veranlagten Steuern wie der Einkommensteuer sind die aufgrund des Eintritts neuer Ereignisse materiell-rechtlich erforderlichen steuerlichen Anpassungen regelmäßig nicht rückwirkend, sondern in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem sich der maßgebende Sachverhalt ändert (BFH v. 19.07.1993 - GrS 2/92, BFHE 172, 66). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur insoweit, als die einschlägigen steuerrechtlichen Regelungen nicht bestimmen, dass eine Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts zu einer rückwirkenden Änderung steuerlicher Rechtsfolgen führt. Eine solche Rechtslage ist insbesondere bei Steuertatbeständen gegeben, die an einen einmaligen Vorgang anknüpfen, und bei denen nachträgliche Änderungen nicht in einer Folgebilanz oder nach den Grundsätzen des Zuflussprinzips in einem späteren Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden können (BFH v. 19.08.2009 - I R 3/09, BFHE 226, 486).
bb) Eine ausdrückliche Vorschrift, die ausnahmsweise eine Änderung des steuererheblichen Sachverhalts rückwirkend zulässt, ist nicht ersichtlich. Für Überschusseinkünfte sowie die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sind die tatsächlichen Zu- und Abflüsse von Einnahmen und Ausgaben materiell-rechtlich erheblich. Diese tatsächlichen Vorgänge können nicht durch später bewirkte tatsächliche Rückzahlungen ungeschehen gemacht werden (BFH v. 04.05.2006 - VI R 33/03, BFHE 214, 92). Die Berücksichtigung der Rückzahlungen erfolgt systemgerecht in dem Veranlagungszeitraum des Abflusses. Auftretende Vor- oder Nachteile hinsichtlich der Progression sind dem System der Zufluss- und Abflussbesteuerung immanent und hinzunehmen (so im Ergebnis auch BFH v. 04.05.2006 - VI R 33/03, BFHE 214, 92).
Die zurückgeforderten Corona-Soforthilfen waren bei der Bescheidung vollumfänglich als Zuschuss zu behandeln (vgl. BFH v. 07.12.2010 - IX R 46/09, BFHE 236, 87). Der Widerruf des ursprünglichen Bescheides in Höhe von EUR 9.242,35 mit Wirkung für die Vergangenheit auf die ursprüngliche Bewilligung stellt kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar, sondern der Rückforderungsbescheid bildet einen neuen Rechtsgrund für die Rückforderung.
2. Eine Steuerfreiheit der an den Kläger geleisteten Corona-Soforthilfen nach § 3 Nr. 2 d) EStG oder § 3 Nr. 11 EStG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Da die Soforthilfen zum Zwecke des Ausgleichs betrieblicher Fixkosten und nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts geleistet wurden, ist eine Anwendung der Befreiungstatbestände aufgrund der vorliegenden betrieblichen Zweckbindung anders als bei der Gewährung der "Überbrückungshilfe Plus", welche für die Bestreitung von Ausgaben der privaten Lebensführung vorgesehen war, abwegig (siehe zur Frage der Steuerfreiheit der "Überbrückungshilfe Plus" ebenfalls ablehnend FG Düsseldorf v. 07.11.2023 - 13 K 570/22 E, EFG 2024, 147).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, danach hat der unterlegene Beteiligte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erforderte (vgl. § 115 Abs. 2 FGO).
Tatbestand
Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum freiberuflich tätig und ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz - EStG - per Überschussrechnung. Der Kläger beantragte am 02.04.2020 die Gewährung und Auszahlung der "Niedersachsen-Soforthilfe Corona (mit finanzieller Unterstützung des Bundes)" für die Monate April, Mai und Juni 2020 in Höhe von EUR 10.527,00. Im Rahmen der Antragstellung gab der Kläger unter 4.4 unter anderem folgende Erklärungen ab:
"Ich nehme zur Kenntnis, dass die Soforthilfe als Einnahme zu versteuern ist und kein Rechtsanspruch auf die Gewährung der Soforthilfe besteht.
Ich nehme zur Kenntnis, dass im Falle einer Überkompensation die zu viel gezahlte Soforthilfe zurückzuzahlen ist."
In seiner dem Finanzamt am 31.05.2022 übermittelten Gewinnermittlung für das Jahr 2020 erfasste er die antragsgemäß gewährte "Corona-Soforthilfe Kleinstunternehmen und Soloselbständige (Bundes-Soforthilfe)" in Höhe von EUR 10.527,00 als Betriebseinnahme. Insgesamt erklärte der Kläger einen Gewinn aus der freiberuflichen Tätigkeit in Höhe von EUR 17.555,38.
Der Beklagte führte die Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2020 mit Bescheid vom 15.07.2022 erklärungsgemäß durch.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass sich nach Überprüfung durch die zuständigen Stellen ergeben habe, dass ihm lediglich ein Soforthilfe-Betrag in Höhe von EUR 777,00 zustehe und mit einer entsprechenden Rückforderung in Höhe von EUR 9.750,00 zu rechnen sei. Tatsächlich erging mit Datum vom 12.05.2023 ein Bescheid gegenüber dem Kläger, mit welchem dieser zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von EUR 9.242,35 verpflichtet wurde. In Höhe des zurückzuzahlenden Betrages handele es sich um eine nicht als Betriebseinnahme zu erfassende Darlehensgewährung. Dies ergebe sich auch aus den Vorgaben im Antragsformular. Es könne nicht rechtmäßig sein, eine Beihilfe, die unter dem Vorbehalt der Rückzahlung gewährt worden sei, steuerlich als Einnahme zu werten, solange nicht feststehe, dass die Beihilfe vollumfänglich bei dem Steuerpflichtigen verbleiben könne. In 2020 sei lediglich der letztlich auch bei dem Kläger verbleibende Betrag als Betriebseinnahme zu erfassen.
Der Beklagte hat den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gelte das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG, nach welchem Einnahmen und Ausgaben in dem Jahr der tatsächlichen Vereinnahmung und Verausgabung anzusetzen seien. Es sei systemimmanent und hinzunehmen, dass als Folge der Einkommensteuerprogression oder fehlender tatsächlicher Ausgleichsmöglichkeiten steuerliche Be- oder Entlastungen entstünden. Der Kläger habe bereits bei Antragstellung zur Kenntnis genommen, dass die bezogenen Leistungen zu besteuern seien. Die Prüfung, ob eine existenzbedrohende Lage vorgelegen habe, habe bei Antragstellung ausschließlich im Einflussbereich des Klägers gelegen.
Der Kläger reichte gegen die Einspruchsentscheidung Klage ein. Er führt zur Begründung erneut aus, dass sich die Soforthilfe für ihn in Höhe des zurückzuzahlenden Betrages als Darlehen darstelle. Es sei offenkundig, dass die Mittel zunächst nur unter der Bedingung des Bestehens der vollständigen Anspruchsvoraussetzung gewährt worden seien und daher Darlehenscharakter aufwiesen. Aufgrund des Alters des Klägers würde die Erfassung als Betriebsausgabe bei Rückzahlung nicht zu identischen steuerlichen Konsequenzen führen und es könne nicht richtig sein, dass die Soforthilfe im Ergebnis zu steuerlichen Belastungen führen würde. Bei der endgültigen Versagung komme die Annahme eines rückwirkenden Ereignisses und damit eine Korrektur des Steuerbescheides nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Bei der in Anspruch genommenen Corona-Soforthilfe habe es sich nicht um eine Soforthilfe gehandelt, die unter den Regelungsbereich des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung vom 31.03.2020 falle, sondern um eine Corona-Hilfe mit ausschließlicher Unterstützung des Bundes.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 vom 15.07.2022 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.10.2022 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) die Betriebseinnahmen um EUR 9.242,35 gemindert werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist vollumfänglich auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, dass der Kläger es selbst in der Hand gehabt habe, etwaigen Progressionsnachteilen durch eine vorzeitige freiwillige Rückzahlung der Überkompensationen zu begegnen, wie dies in Niedersachsen bis zum 30.06.2021 bereits in Höhe von EUR 37.751.148,00 erfolgt sei. Zudem lägen in der Rückzahlung sowie dem Rückforderungsbescheid aufgrund der Überkompensation keine rückwirkenden Ereignisse im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, da diese nicht auf den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung zurückwirkten und die Rechtslage nicht rückwirkend veränderten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Der für den streitigen Zeitraum 2020 unter dem 15.07.2022 ergangene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Denn das beklagte Finanzamt hat im Streitfall zu Recht die Auszahlung der Corona-Soforthilfe in Höhe von EUR 10.527 als steuerpflichtige Betriebseinnahme des Klägers im Rahmen seiner Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG im Streitzeitraum behandelt.
1. Bei Anwendung der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG werden Betriebseinnahmen nach § 11 Abs. 1 S. 1 EStG im Jahr des Zuflusses erfasst (siehe Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG, Rn. 154). Dem Steuerpflichtigen sind Einnahmen gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 EStG zugeflossen, wenn er die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden (BFH v. 22.07.1997 - VIII R 13/96, BFHE 184, 46).
Der Zufluss der Corona-Soforthilfen in Höhe von EUR 10.527,00 durch Überweisung auf das Bankkonto des Klägers im Streitzeitraum ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, sondern lediglich die Beurteilung als Betriebseinnahme.
a) Der Beurteilung der Zahlung als zu besteuernde Betriebseinnahme steht insbesondere nicht entgegen, dass die Auszahlung als Gewährung eines Darlehens zu würdigen wäre. Konstitutives Merkmal eines Gelddarlehens ist die Überlassung der Valuta auf Zeit (vgl. dazu Freitag in Staudinger, § 488 BGB, Rn. 1). Hieran fehlt es, wenn die Pflicht zur Rückgewähr der Zuwendung vom Eintritt einer Bedingung dergestalt abhängig ist, dass nicht nur der Zeitpunkt der Rückzahlung ungewiss ist, sondern auch, ob die Verpflichtung zur Rückgewähr unbedingt entsteht (BFH v. 12.07.2016 - IX R 56/13, BFHE 255, 97). Dies gilt umso mehr, wenn der Zuwendungsgeber neben dem Bonitätsrisiko, dem Wesen eines Darlehensvertrags widersprechend (vgl. § 488 I 2 BGB), auch das wirtschaftliche Risiko für das Entstehen der Rückgewährschuld übernimmt, weil der Eintritt der Rückzahlungsverpflichtung von Umständen abhängt, die ausschließlich in der Sphäre des Zuwendungsempfängers liegen (BFH v. 12.07.2016 - IX R 56/13, BFHE 255, 97).
aa) Denn in einem solchen Fall ist die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen tatsächlich erhöht, weil der erhaltenen Zuwendung keine wirtschaftlich gleichwertige Rückzahlungsverpflichtung gegenübersteht. Eine wirtschaftliche Saldierung mit einer solchen lediglich latenten Rückzahlungsverpflichtung ist nicht möglich (BFH v. 12.07.2016 - IX R 56/13, BFHE 255, 97). Erhält der Steuerpflichtige diese Zuwendung anstelle entgangener oder entgehender Betriebseinnahmen, ist sie durch die betriebliche Tätigkeit veranlasst.
bb) Da vorliegend im Zeitpunkt der Gewährung der Corona-Soforthilfe sowohl ungewiss war, ob und in welcher Höhe überhaupt eine Rückzahlung erfolgen würde und zudem auch der Zeitpunkt nicht feststand, ist die Annahme des Klägers, dass es sich bei der Gewährung der Corona-Soforthilfe um ein Darlehen gehandelt habe, abzulehnen. Auch wenn die Auszahlung unter dem Vorbehalt einer späteren Überprüfung stattgefunden hat, so sollte aus Sicht der auszahlenden Stelle die Auszahlung den Charakter eines nicht zurückzuzahlenden Zuschusses zur Begleichung betrieblicher Fixkosten trotz ausbleibender Betriebseinnahmen aufweisen. Das Erfordernis der nachträglichen Überprüfung hatte seine Ursächlichkeit darin, dass erst im Nachhinein anhand des Jahresergebnisses festgestellt werden konnte, inwieweit eine Überkompensation des Hilfeempfängers vorgelegen hat.
Auch wenn der Verwaltungsakt über die Gewährung der Corona-Soforthilfe mit Wirkung für die Vergangenheit auf den Moment der Gewährung widerrufen wurde, nimmt dieser Bescheid keinen Einfluss auf den ursprünglichen Charakter der Gewährung der Corona-Soforthilfe als echter Zuschuss (vgl. BFH v. 07.12.2010 - IX R 46/09, BFHE 236, 87). Rechtsgrund für die teilweise Rückzahlung der ursprünglich gewährten Hilfe ist der Rückzahlungsbescheid vom 12.05.2023. Bis zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides gab es keine Grundlage, auf welche eine Rückforderung hätte gestützt werden können, insbesondere keinen existierenden Darlehensvertrag. Die konstitutiven Merkmale eines Darlehens werden durch die nachträgliche Feststellung der Rückzahlungsverpflichtung nicht hergestellt.
b) aa) Soweit die Corona-Soforthilfe nach der Überprüfung durch die zuständigen Stellen zurückgezahlt werden musste, wirkt diese Entscheidung auch nicht materiell - mit der verfahrensrechtlichen Folge des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) - auf den Zeitpunkt der Gewährung der Soforthilfe zurück (siehe auch BFH v. 14.02.1995 - IX R 5/92, BFHE 177, 93). Bei den laufend veranlagten Steuern wie der Einkommensteuer sind die aufgrund des Eintritts neuer Ereignisse materiell-rechtlich erforderlichen steuerlichen Anpassungen regelmäßig nicht rückwirkend, sondern in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem sich der maßgebende Sachverhalt ändert (BFH v. 19.07.1993 - GrS 2/92, BFHE 172, 66). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur insoweit, als die einschlägigen steuerrechtlichen Regelungen nicht bestimmen, dass eine Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts zu einer rückwirkenden Änderung steuerlicher Rechtsfolgen führt. Eine solche Rechtslage ist insbesondere bei Steuertatbeständen gegeben, die an einen einmaligen Vorgang anknüpfen, und bei denen nachträgliche Änderungen nicht in einer Folgebilanz oder nach den Grundsätzen des Zuflussprinzips in einem späteren Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden können (BFH v. 19.08.2009 - I R 3/09, BFHE 226, 486).
bb) Eine ausdrückliche Vorschrift, die ausnahmsweise eine Änderung des steuererheblichen Sachverhalts rückwirkend zulässt, ist nicht ersichtlich. Für Überschusseinkünfte sowie die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sind die tatsächlichen Zu- und Abflüsse von Einnahmen und Ausgaben materiell-rechtlich erheblich. Diese tatsächlichen Vorgänge können nicht durch später bewirkte tatsächliche Rückzahlungen ungeschehen gemacht werden (BFH v. 04.05.2006 - VI R 33/03, BFHE 214, 92). Die Berücksichtigung der Rückzahlungen erfolgt systemgerecht in dem Veranlagungszeitraum des Abflusses. Auftretende Vor- oder Nachteile hinsichtlich der Progression sind dem System der Zufluss- und Abflussbesteuerung immanent und hinzunehmen (so im Ergebnis auch BFH v. 04.05.2006 - VI R 33/03, BFHE 214, 92).
Die zurückgeforderten Corona-Soforthilfen waren bei der Bescheidung vollumfänglich als Zuschuss zu behandeln (vgl. BFH v. 07.12.2010 - IX R 46/09, BFHE 236, 87). Der Widerruf des ursprünglichen Bescheides in Höhe von EUR 9.242,35 mit Wirkung für die Vergangenheit auf die ursprüngliche Bewilligung stellt kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar, sondern der Rückforderungsbescheid bildet einen neuen Rechtsgrund für die Rückforderung.
2. Eine Steuerfreiheit der an den Kläger geleisteten Corona-Soforthilfen nach § 3 Nr. 2 d) EStG oder § 3 Nr. 11 EStG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Da die Soforthilfen zum Zwecke des Ausgleichs betrieblicher Fixkosten und nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts geleistet wurden, ist eine Anwendung der Befreiungstatbestände aufgrund der vorliegenden betrieblichen Zweckbindung anders als bei der Gewährung der "Überbrückungshilfe Plus", welche für die Bestreitung von Ausgaben der privaten Lebensführung vorgesehen war, abwegig (siehe zur Frage der Steuerfreiheit der "Überbrückungshilfe Plus" ebenfalls ablehnend FG Düsseldorf v. 07.11.2023 - 13 K 570/22 E, EFG 2024, 147).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, danach hat der unterlegene Beteiligte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erforderte (vgl. § 115 Abs. 2 FGO).