26.06.2025 · IWW-Abrufnummer 248794
Landesarbeitsgericht Thüringen: Urteil vom 04.06.2025 – 4 Sa 281/22
In dem Rechtsstreit
_____________---
- Klägerin, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt _______________
gegen
______________
- Beklagter, Berufungsbeklagter und Anschlussberufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältin ______________
hat das Thüringer Landesarbeitsgericht auf die mündliche Verhandlung vom 24.07.2024 durch Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts Holthaus als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Spork und Münkwitz als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 23.6.2023 - 6 Ca 1833/21 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Kündigungen.
Ende 2020 schrieb der Beklagte eine Stelle als Konzept- und Musikdramaturg*in aus. Er lud für den 18.11.2020 Bewerber*innen zum Vorstellungsgespräch. Mit der Einladung übermittelte er Aufgaben, welche am Ende des Gespräches präsentiert werden sollten. Wegen Einzelheiten hierzu wird auf Anlage K5 (Bl. 80 der Akte) Bezug genommen.
Diesen Termin nahm die Klägerin krankheitsbedingt wahr. Sie hatte 3 Wochen später Gelegenheit zu einem Vorstellungsgespräch. Im Ergebnis der Vorstellungsgespräche verblieben die Klägerin und ein weiter Bewerber im Bewerbungsverfahren. Diese bekamen weitere Aufgaben zur Bearbeitung. Die Parteien unterschrieben einen auf den 15.02.2020 datierten Vertrag, nach welchem die Klägerin den Beklagten bei Vorbereitung und Konzeption der Bausteine für die musikpädagogische Onlineplattform sowie Konzertprogrammgestaltung für ausgewählte Konzerte zu beraten und unterstützen hatte. Als Entgelt vereinbarten sie eine Zahlung in Höhe von 750,00 € zzgl. Umsatzsteuer wöchentlich. Das Entgelt sollte umgehend nach Zugang einer prüffähigen Rechnung fällig sein. Die Parteien vereinbarten eine Dauer des Vertrages vom 16. bis zum 26.02.2021. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhaltes und Erscheinungsbildes dieses Vertrages wird auf die zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Bl. 24 - 26 der Akte) Bezug genommen. Die Klägerin erhielt Aufgaben am 16.02.2021. Sie erkrankte am 24.02.2022. Ihr Ehegatte übergab dem ersten Aufgabenteil am 03.03.2021 an den Beklagten. Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin dauerte bis zum 28.04.2021. Danach übermittelte der Beklagte sowohl der Klägerin als auch dem weiteren Bewerber weitere Aufgaben, die bis zum 05.05.2021 zu erledigen gewesen waren.
Nachdem der von dem Beklagten zunächst ausgewählte Bewerber die Stelle nicht antreten wollte, entschied sich der Beklagte, die Klägerin einzustellen. Am 17.5.2021 unterschrieben die Parteien einen Vertrag hinsichtlich dessen Inhaltes auf die zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Bl. 5 - 12 d.A.) Bezug genommen wird.
Mit Schreiben vom 25.10.2021, unterschrieben von der geschäftsführenden Intendantin, kündigte der Beklagte die Klägerin mit einer Frist von 2 Wochen. Wegen Einzelheiten wird auf die Kopie des Kündigungsschreibens (Bl. 13 der Akte) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 11.11.2021 kündigte die Prozessbevollmächtigte des Beklagten das Arbeitsverhältnis vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung vom 25.10.2021. Wegen der Einzelheiten dieses Kündigungsschreibens wird auf die zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Bl. 14 - 16 der Akte) Bezug genommen. Die Klägerin erhielt diese Kündigung am 13.11.2021.
Wegen des Weiteren unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug, ihrer dort vertretenen Rechtsansichten sowie der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (S. 2 - 6 des Entscheidungsabdrucks - Bl. 133 - 137 der Akte) Bezug genommen.
Mit Urteil vom 23.06.2022 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25.10.2021 nicht aufgelöst worden sei und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Die Kündigung vom 25.10.2021 habe das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst, weil diese rechtsunwirksam sei. Die Unterzeichnende geschäftsführende Intendantin sei hierzu nicht berechtigt gewesen.
Die Kündigung vom 11.11.2021 habe das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 27.11.2021 beendet. Das Arbeitsverhältnis habe erst seit dem 17.05.2021 bestanden, sodass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung finde. Für die vereinbarte 6-monatige Probezeit sei eine 14-tägige Kündigungsfrist geregelt worden. Der Zeitraum vor Abschluss des Vertrages vom 17.05.2021 sei nicht als Arbeitsverhältnis zu werten. Die Klägerin habe einen Dienstleistungs- und Beratungsvertrag mit dem Beklagten abgeschlossen. Dieser sei Grundlage für Probearbeiten in deren Bewerbungsverfahren gewesen. Es habe eine Aufgabenbezeichnung gegeben. Es sei eine Vergütung auf Rechnungsstellung vereinbart gewesen; die Klägerin habe eine entsprechende Rechnung auch erstellt. Aus dem E-Mail-Verkehr im Übrigen und den geschilderten Ablauf des Arbeitsverhältnisses sei nicht erkennbar, dass weisungsabhängige fremdnützige Arbeit geleistet worden sei. Wegen weiterer Einzelheiten des Inhaltes der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die diesbezüglichen Entscheidungsgründe (S. 7 - 9 des Entscheidungsabdrucks (Bl. 138 - 140 der Akte) Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 04.07.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 11.07.2022 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 01.09.2022 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Das Arbeitsgericht habe die Kündigung vom 11.11.2021 zu Unrecht für wirksam gehalten. Das beruhe darauf, dass es wesentlichen Tatsachenvortrag nicht zur Kenntnis genommen und nicht richtig bewertet habe. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien habe schon am 16.02.2021 begonnen und habe durchgehend bestanden. Daraus folge, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 11.11.2021 das Kündigungsschutzgesetz Anwendung gefunden habe. Ein Arbeitsverhältnis liege vor, wenn jemand sich aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages einem anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Dies sei hier der Fall gewesen. Sie, die Klägerin sei ab dem 16.02.2021 durchgängig vollständig in den Organisationsablauf des Beklagten hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit Dauer und Ort der Tätigkeit eingebunden gewesen. Ihr seien in der Geschäftsstelle des Beklagten sämtliche Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt worden. Sie habe insbesondere auf Anweisung des Beklagten von diesem sämtlichen Telekommunikationsmittel und auch die entsprechenden Briefköpfe/E-Mail-Adressen benutzt. Der vorgelegte Dienstleistungs- und Beratervertrag sei ein Scheinvertrag gewesen. Die dortigen Regelungen hätten der Vertragsdurchführung nicht entsprochen. Dieser Vertrag sei zu einem deutlich späteren Zeitpunkt, nämlich am 23.02.2021, von den Parteien unterzeichnet worden und zwar nur zum Schein, um Sozialversicherungen zu täuschen. Sie, die Klägerin, sei ab dem 16.02.2021 im Dienst des Beklagten zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet gewesen. Die Betriebsratsanhörung sei ebenfalls nicht ordnungsgemäß erfolgt. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Betriebsrat überhaupt zur ersten Kündigung am 15.10.2021 mündlich gehört worden sei, am 25.10.2021 im Rahmen der Besprechung mit ihm die Gründe ausführlich besprochen worden seien, der Betriebsrat nochmals schriftlich am 18. Oktober 2021 hinsichtlich der ersten Kündigung angehört worden sei, der Betriebsrat erklärt habe, keine Bedenken zu haben, der Betriebsrat hinsichtlich der zweiten Kündigung am 11.11.2021 angehört worden sei, hierauf bereits am 11.11.2021 eine Stellungnahme am selben Tage erfolgt sei und die schriftliche Kündigung erst nach Eingang der Stellungnahme des Betriebsrates versendet worden sei sowie, dass der Beklagte den Betriebsrat ein personenbezogenes Werturteil mitgeteilt habe, auf dessen Grundlage die Kündigung ausgesprochen sein soll. Originalurkunden seien nicht vorgelegt worden. Wegen der Erfahrungen von ihr, der Klägerin, mit zurückdatierten und gefälschten Urkunden des Beklagten werde mit Nichtwissen bestritten, dass die auf den Urkunden befindlichen Daten zutreffen.
Die Kündigung vom 11. November 2021 sei unwirksam, da diese der Schriftform nicht genüge und auch die beigefügte Vollmacht sich nicht auf diese Kündigung bezogen habe. Dies sei mit Schreiben vom 15.11.2021 gerügt worden. Die Vollmachtsurkunde enthalte nur die Bemerkung, dass sie sich auf "Kündigung" beziehe. Hätte sie zu einer weiteren Kündigung berechtigen sollen, hätte dies ausdrücklich in der Vollmachtsurkunde erwähnt werden müssen. So beziehe sich in die Vollmacht nur auf die Vertretung des Beklagten hinsichtlich der ersten Kündigung.
Die Vollmacht sei auch nicht rechtswirksam vom Beklagten erteilt worden. Handeln könne ausschließlich der Vorstand. Unterschrieben habe die Vollmacht nur die Vorstandsvorsitzende.
Sie, die Klägerin, sei im Übrigen auch während ihrer Arbeitsunfähigkeit nach dem 26.02.2021 durch den Beklagten durchgehend weiter beschäftigt worden. Das ergebe sich u. a. aus den E-Mails vom 24., 25., 26.02.2021 sowie 02.03. und 12.03.2021. Wegen des Inhaltes dieser EMails wird auf die zu den Akten gereichten Kopien hiervon (Bl. 250 - 260 der Akte) Bezug genommen.
Hinsichtlich der Kündigung vom 25.10.2021 verteidigt die Klägerin die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 23. Juni 2022 verkündeten und am 04. Juli 2022 zugestellten Urteils des Arbeitsgerichts Erfurt, Az.: 6 Ca 1833/21: 1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die ordentliche Kündigung vom 11. November 2021 aufgelöst worden ist. 2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein qualifiziertes, wohlwollendes Zwischenzeugnis mit der Gesamtbeurteilung "sehr gut" zu erteilen. 3. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungsgründe aufgelöst worden ist und über den 27. November 2021 hinaus fortbesteht.Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 23.6.2022 abzuändern und die Klage abzuweisen.Das Urteil ist dem Beklagten am 1.7.2022 zugestellt worden; die Berufungsbegründung ist ihm am 6.9.2022 zugestellt worden; die Anschlussberufung ist am 30.9.2022 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen.
Rechtsfehlerhaft sei, dass das Gericht die Kündigung vom 25.10.2021 als unwirksam betrachtet habe. Es fehlten hier die Feststellungen zur Wirksamkeit und Zurückweisung der Kündigung. Die Zurückweisung nach § 174 BGB sei schon nicht unverzüglichen gewesen und ihr habe auch nicht die Originalvollmacht beigelegen, was seitens des Beklagten unmittelbar gerügt worden sei. Im Übrigen verteidigt der Beklagte die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
Die Klägerin hat mit dem Widerruf des in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleiches weiteren Sachvortrag gehalten, wegen dessen Inhaltes im Einzelnen auf Bl. 364 - 366 der Akte Bezug genommenen wird. Hierüber hat die Kammer am 29.10.2014 24 nachberaten.
Entscheidungsgründe
Sowohl Berufung als auch Anschlussberufung sind unbegründet.
I.
Die Anschlussberufung ist deshalb unbegründet, weil die Kündigung vom 25.10.2021 nicht wirksam ist, denn der Beklagte hat es auch im Rahmen des Berufungsrechtszuges nicht vermocht, darzulegen, dass die die Kündigung unterzeichnende geschäftsführende Intendantin zum Ausspruch der Kündigung berechtigt gewesen ist. Daher geht es nicht um die Frage, ob die geschäftsführende Intendantin eine Originalvollmacht hätte beifügen müssen und ob deshalb rechtzeitig eine Rüge nach § 174 BGB erhoben worden ist, sondern um die Frage, ob die geschäftsführende Intendantin überhaupt zum Ausspruch der Kündigung berechtigt war.
Aus der Satzung des Beklagten ergibt sich, dass dieser durch den Vorstand vertreten wird und dass die Vorstandsvorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende zur Alleinvertretung des Vorstandes nach außen berechtigt sind (§ 12 Abs. 1 Satz 2 der Satzung - Bl. 273 der Akte).
Zwar hat nach der Satzung die Möglichkeit bestanden, bestimmte Geschäfte im Rahmen einer Geschäftsordnung auf andere Personen zu übertragen. Eine solche Geschäftsordnung konnte der Beklagte nicht beibringen.
Auch eine sonstige Vollmacht zum Kündigungsausspruch hat der Beklagte nicht hinreichend dargelegt.
II.
Die Berufung ist unbegründet, weil die Kündigung vom 11.11.2021 das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist am 27.11.2021 beendet hat. Die Kündigung ist wirksam.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde letztendlich unstreitig, dass die Klägerin selbst die Kündigung vom 11.11.2021 im Original erhalten hat. Das zunächst noch im Berufungsrechtszug erfolgte Bestreiten dieses Umstandes durch die Klägerin, erklärte sie mit einem Versehen. Diese Kündigung ging der Klägerin am 13.11.2021 zu.
Da dem auch eine Originalvollmacht beigefügt war, geht eine Rüge nach § 174 BGB ins Leere. Ins Leere geht auch die Rüge, der Kündigung entbehre die Schriftform.
Die jetzige Prozessbevollmächtigte des Beklagten war auch zum Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß bevollmächtigt. Es war ausreichend, dass die Vorstandsvorsitzende die Vollmacht für den Ausspruch der Kündigung unterschrieb. Das ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Beklagten. Zwar ist der Vorstand zur Vertretung des Beklagten berufen, jedoch lässt sich dieser nach der Satzung von der Vorstandsvorsitzenden allein gerichtlich und außergerichtlich nach außen hin vertreten. Das reicht aus. Es ist auch ausreichend, das als Gegenstand der Vollmacht "Kündigung" eingetragen ist. In Zusammenhang mit dem Ausstellungsdatum der Vollmacht wird hinreichend deutlich, dass die Vollmacht sich auf die Kündigung bezieht. Das verwendete Formular ist eine umfassende Vollmacht auch zur Abgabe von rechtsgestaltenden Erklärungen. Für den Erklärungsempfänger, hier die Klägerin, ist hinreichend ersichtlich, dass sich die Vollmacht auf den Ausspruch der Kündigung bezieht. In dem Schreiben geht es nicht um die Anzeige der Vertretung und Abwehr von Angriffen gegen die Kündigung vom 25.10.2021, sondern primär ganz offensichtlich um den an den Anfang des Schreibens gestellten Ausspruch einer neuen Kündigung. Diese Gesamtumstände belegen hinreichend den Willen des Vollmachtgebers, zum Ausspruch einer Kündigung zu bevollmächtigen.
Die Kündigung vom 11.11.2021 ist nicht wegen unterbliebener oder fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam. Die Kammer ist aufgrund des gesamten Inhaltes der mündlichen Verhandlung und der im Termin zusätzlich übergebenen Originalschriftstücke der Überzeugung, dass der Betriebsrat zu dieser Kündigung ordnungsgemäß angehört worden ist. In dem Anhörungsschreiben vom 11.11.2021 sind die Personalien und der Beginn des Arbeitsverhältnisses aus Sicht des Beklagten, die insoweit maßgeblich ist, mitgeteilt. Es ist mitgeteilt, dass beabsichtigt sei mit der Frist von 14 Tagen aufgrund mangelnder Eignung zu kündigen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Bl. 355 der Akte Bezug genommen.
Die Kammer ist auch aufgrund der Vorlage der Kopie der E-Mail des Betriebsratsvorsitzenden vom 11.11.2021 um 15:05 Uhr (Bl. 29 der Akte) der Überzeugung, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört und das Anhörungsverfahren abgeschlossen war, bevor die Kündigung den Machtbereich des Beklagten verlassen hatte. In der E-Mail nimmt der Betriebsratsvorsitzende Bezug auf eine "erneute Anhörung" zur Kündigung und stellt fest, dass kein neuer Sachverhalt vorliege und der Betriebsrat das Anhörungsverfahren als abgeschlossen betrachtet. Die erneute Anhörung war nicht ausdrücklich Gegenstand der Anhörung vom 11.11.2021, sodass sich daraus auch ergibt, dass der Betriebsrat schon zuvor zu einer Kündigung angehört worden ist.
Die Überzeugung der Kammer ergibt sich im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO; eine Beweisaufnahme war hierzu nicht erforderlich. Das Gericht konnte die originalen Anhörungsschreiben im Termin in Augenschein nehmen. Da diese per E-Mail an den Betriebsrat weitergeleitet worden sind, was folgerichtig vorgetragen ist, ist es auch nicht erstaunlich, dass Originale noch bei dem Beklagten verblieben sind. Der bloße Einwand, der erste Vertrages vom 16.02.2021 sei rückdatiert worden, ist der Kammer nicht hinreichend konkret und belastbar genug, um dem Beklagten zu unterstellen, er handele permanent mit Fälschungen von Urkunden und ihm sei nicht zu glauben. Die Klägerin versucht mit diesem Einwand ständiger Fälschung durch den Beklagten seinen Leumund zu belasten und seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Die implizit behaupteten Fälschungen der konkreten vom Gericht eingesehenen Schriftstücke sind damit nicht belegt und bewiesen. Dem Vortrag der Klägerin ist auch nicht mehr Glaubhaftigkeit und ihr nicht mehr Glaubwürdigkeit als der Beklagten zuzubilligen. Diesbezüglich darf auch bewertet werden, dass die Klägerin selbst an der behaupteten Rückdatierung des ersten Vertrages und der beabsichtigten Täuschung von Sozialversicherungsträgern (so ihr eigener Vortrag) mitgewirkt hätte. Im Übrigen ist die Kammer davon überzeugt, dass das Vorbringen der Klägerin sehr interessengeleitet ist, sowie sie auch durchgehend im zweiten Rechtszug bis zur mündlichen Verhandlung ihr Bestreiten aufrechterhielt, die Kündigung vom 11.11.2021 überhaupt persönlich erhalten zu haben. Die Erklärung, es habe sich um ein Versehen gehandelt, ist nicht selten in Verfahren und für sich gesehen auch nicht unplausibel. Sie indiziert jedoch, dass einer Prozesspartei, so auch hier der Klägerin vor allem darauf ankommt, so vorzutragen, wie es im Prozess für sie günstig ist, was ihr wichtiger ist, als die Einhaltung von § 138 Abs. 2 ZPO.
Deshalb ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass es sich bei den konkret vorgelegten Unterlagen des Beklagten um Fälschungen handelt. Daher reichen die vorgelegten Belege aus, um nach freier Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zu der Überzeugung zu kommen, dass der vorgetragene Inhalt und Ablauf der Betriebsratsanhörung zutreffend ist womit das Bestreiten durch Nichtwissen durch die Klägerin überwunden ist.
Die Kündigung ist auch inhaltlich wirksam. Sie bedarf gemäß § 1 Abs. 1 KSchG nicht der sozialen Rechtfertigung. Sie ist innerhalb der Wartezeit ausgesprochen.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien erst mit Unterzeichnung des Vertrages am 17.05.2021 begonnen hat. Die Kündigung vom 11.11.2021 ist am 13.11.2021, mithin innerhalb von 6 Monaten, zugegangen und damit innerhalb der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes.
Dass mit Wirkung vom 16.02.2021 begründete Rechtsverhältnis ist zur Überzeugung der Kammer kein Arbeitsverhältnis. Hierzu hat die dafür darlegungspflichtige Klägerin nicht hinreichend konkret vorgetragen.
Der Vertragswortlaut an sich spricht nicht nur für ein Arbeitsverhältnis. Es ist eine Aufgabe (Beratung und Unterstützung) vereinbart, die sowohl in einem freien Dienstverhältnis als auch in einem Arbeitsverhältnis erbracht werden kann. Hieraus lassen sich keine sicheren Rückschlüsse auf ein Arbeitsverhältnis ziehen. Die Entgeltabrede spricht für die Durchführung eines freien Dienstverhältnisses. Die weitere Abrede, dass andere Tätigkeiten und Arbeitsverhältnisse da von diesem Vertragsverhältnis unberührt bleiben, spricht dafür, dass kein Arbeitsverhältnis gewollt war, weil offensichtlich nicht die volle Arbeitskraft geschuldet war.
Die Klägerin vermochte auch nicht hinreichend konkret darzulegen, dass die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses dergestalt war, das sich hieraus ableiten ließe, die Klägerin hätte in persönlicher Abhängigkeit weisungsgebunden fremdnützig Dienste leisten müssen. Im Berufungsrechtszug trägt sie hierzu kaum Tatsachen vor. Sie behauptet nur ohne untermauernde Substanz, dass sie weisungsgebunden gewesen sei und wiederholt damit lediglich rechtliche Definitionen, abstrakte Obersätze der BAG-Rechtsprechung und des Gesetzes. Das reicht als Sachvortrag nicht aus.
Soweit sie rügt, das Arbeitsgericht habe ihren Sachvortrag diesbezüglich im ersten Rechtszug übergangen, bleibt sie in der Berufung die Darlegung schuldig, welche im ersten Rechtszug vorgetragenen Tatsachen genau das Arbeitsgericht nicht hinreichend bewertet hat und die zu einem anderen Ergebnis führen müssten.
Konkret feststellbar ist die Rechungsstellung der Klägerin gegenüber dem Beklagten. Diese spricht gegen das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Aber selbst wenn das Gericht den Vortrag vor allem aus dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 01.03.2022 (Bl. 38 - 88 der Akte) im Einzelnen heranzieht, bleibt auch dieser Vortrag, obschon umfangreich, sehr abstrakt und gibt lediglich sehr abstrakt die Definition eines Arbeitsverhältnisses wieder und behauptet, dies sei so tatsächlich durchgeführt worden. Soweit die Klägerin konkret vorträgt, sie sei angewiesen worden, in Vollzeit von 09:30 - 15:30 Uhr im Orchesterbüro in der Geschäftsstelle anwesend zu sein und anschließend noch 2 Stunden im Homeoffice zu arbeiten, bleibt sie weitere Einzelheiten, wer genau diese Anweisung wann gegeben haben soll schuldig. Die Vernehmung zahlreicher Zeugen hierfür, würde einen Ausforschungsbeweis darstellen, weil diese erst befragt werden müssten, was Sie mit dieser Weisung zu tun gehabt hätten, ob sie dabei gewesen wären oder selbst die Weisung ausgesprochen hätten, wann und unter welchen Umständen dies gesagt worden sei usw. Außerdem widerspricht dieser Sachvortrag dem von der Klägerin unterschriebenen Vertrag, nach dem Sie Arbeitsverhältnisse nebenher hätte haben dürfen, was mit einer Vollzeitstelle nicht vereinbar gewesen wäre. Ähnlich ist der weitere Sachvortrag, wenn die Klägerin vorträgt, sie habe umfassend dem Weisungsrecht der Intendantin unterlegen hinsichtlich der Durchführung, Inhalt, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit. Dies ist lediglich eine Scheinkonkretisierung abstrakter Kriterien. Soweit Sie weiter ausführt, dass die Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt worden seien und bestimmte Inhalte abgesprochen worden seien, wie z. B. auf S. 7 des Schriftsatzes vom 01.03.2022 in 1. Druckabschnitt (Bl. 44 der Akte) fehlt es an konkreteren Tatsachen. Die Klägerin hatte völlig unstreitig bestimmte Aufgaben zu erledigen, weil der Beklagte sie auf ihre Eignung für die Stelle hin prüfen wollte. Hierzu stehen die Verhaltensweise des Beklagten und insbesondere der Intendantin im Einklang. Die Kammer hat den gesamten weiteren Vortrag insoweit der durchgeprüft und kommt zu dem Ergebnis, dass hinreichend konkret keine Tatsachen vorgetragen sind, die die Durchführung weisungsabhängiger fremdnütziger Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit belegen.
Der Vortrag der Klägerin überzeugt die Kammer auch nicht davon, der Vertrag sei ein Scheinvertrag zur (gemeinschaftlichen) Täuschung der Sozialversicherung. Dies wäre in Betracht zu ziehen, wenn die Parteien tatsächlich ein Arbeitsverhältnis durchgeführt hätten. Das ist gerade wie oben gezeigt nicht der Fall. Deshalb hat die Kammer auch davon abgesehen, von der Möglichkeit des § 149 ZPO Gebrauch zu machen.
Davon abgesehen - selbst unterstellt - es hätte aufgrund des Vertrages vom 16.02.2021 ein Arbeitsverhältnis vorgelegen und wäre als solches durchgeführt wurden, wäre die Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht erfüllt, denn dieses Arbeitsverhältnis wäre befristet gewesen bis zum 26.02.2021. Die Wirksamkeit dieser Befristung, unterstellt es hätte sich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt, hat die Klägerin nie rechtzeitig angegriffen, sodass diese nicht mehr zu überprüfen wäre (§ 17 TzBfG). Das unterstellte Arbeitsverhältnis hätte damit am 26.06.2021 geendet.
Dieses Arbeitsverhältnis wäre nicht mit dem am 17.05.2021 begonnenen Arbeitsverhältnis zusammenzurechnen, denn es fehlt insoweit am erforderlichen zeitlichen und sachlichen inneren Zusammenhang.
Zwei Arbeitsverhältnisse können für die Erfüllung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG zusammengerechnet werden, wenn sie in einen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Es kann offenbleiben, ob die nahezu 3-monatige Unterbrechung noch einen engen zeitlichen Zusammenhang ergibt, jedenfalls fehlt es hier an dem sachlichen Zusammenhang. Zwar war dieses Vertragsverhältnis als Probe und Eignungsprüfung dem Arbeitsverhältnis vom 17.05.2021 vorgeschaltet, was zunächst für einen sachlichen Zusammenhang spricht. Allerdings gab es die deutliche Zäsur, dass sich der Beklagte zunächst für einen anderen Bewerber entschieden hatte. Womit der sachliche Zusammenhang abgebrochen und aufgehoben ist. Die Kammer ist aufgrund der vorgelegten Unterlagen und auch der Schreiben des anderen Bewerbers hinreichend davon überzeugt, dass tatsächlich zunächst dieser andere Bewerber ausgesucht wurde und dann abgesagt hat.
Soweit die Klägerin meint, sie sei nach Ende des befristeten unterstellten Arbeitsverhältnisses noch während ihrer Arbeitsunfähigkeit weiter beschäftigt worden, ist dies für die Kammer nicht nachvollziehbar. Der vorgelegte E-Mail-Verkehr ergibt dies gerade nicht. Der vorgelegte EMail-Verkehr ergibt lediglich, dass bereits erledigte Arbeiten noch abgegeben werden. Außerdem bedeutet es keine Weiterbeschäftigung, wenn sich der Beklagte nach dem Befinden der Klägerin erkundigt und ihr Tipps gibt, worauf Sie achten muss, wenn sie sich das nächste Mal auf dem Weg zum Beklagten machen möchte. Die Korrespondenz mit der Sekretärin, die Neuaufnahme von Arbeiten im April und die Ablieferung bisheriger Ergebnisse sind keine Fortsetzung des unterstellten Arbeitsverhältnisses. Im Übrigen ergibt sich auch aus den Umstand, dass die Klägerin arbeitsunfähig war, dass ein Arbeitsverhältnis gar nicht tatsächlich fortgesetzt worden sein könnte. Weder die Fortsetzung durch Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall noch durch Gewährung von Erholungsurlaub ist eine Fortsetzung i. S. v. § 15 Abs. 6 TzBfG (vergleiche BAG 09.02.2023 Beck RS 2023, 9851 sowie LAG Hamm 05.09.1990 und Beck RS 1990 07668).
Damit entfällt die Basis für einen Erfolg des Antrages zu 3. Auch ein Anspruch auf das beantragte Zwischenzeugnis ist bei einem beendeten Arbeitsverhältnis nicht gegeben.
Die Kosten waren gegeneinander aufzuheben, weil jeder mit seinem Rechtsmittel unterlegen war.
Anlass für die Zulassung der Revision sah die Kammer nicht, da die Entscheidung auf der Bewertung des vorgetragenen Sachverhaltes in diesem Fall beruht.
HolthausSporkMünkwitzVerkündet am 04.06.2025