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  • 26.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133569

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 24.07.2013 – 9 K 134/12

    1. Kosten einer Rechtsverfolgung (Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten) können WK sein, wenn der Gegenstand des Prozesses mit der Einkunftsart zusammenhängt, in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden.

    2. Der Zusammenhang mit der Einkunftsart richtet sich nach objektiven Gesichtspunkten und nicht nach den Vorstellungen des Stpfl.

    3. Ist der Gegenstand des Prozesses eine als sonstige Einkünfte zu versteuernde Berufsunfähigkeitsrente, so ist der für den WK-Abzug erforderliche Zusammenhang der Prozesskosten mit der Erwerbssphäre gegeben.


    Niedersächsisches Finanzgericht v. 24.07.2013

    9 K 134 / 12

    Tatbestand

    Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Prozesskosten als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften.

    Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die Klägerin als Rentnerin sonstige Einkünfte.

    Der Kläger, der seit dem 1. Januar 2005 bei der Firma G. E. im Rahmen einer Gleichstellungsmaßnahme für behinderte Menschen als Außendienstmitarbeiter beschäftigt war, beantragte mit Formular vom 31. Januar 2005 bei der X. LebensversicherungsAG eine Risikolebensversicherung, eine Unfallzusatzversicherung mit Erwerbsunfähigkeits- und Todesfallschutz und eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Mit Schreiben vom 10. Februar 2005 bestätigte die Versicherung dem Kläger vorläufigen Rechtschutz. Der Kläger unterschrieb eine Zusatzerklärung vom 22. Februar 2005, in der er Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit machte und eine Ausschlussklausel für Folgen aus einem früheren Unfall sowie einen monatlichen Beitrag von 129,13 € bestätigte. Nach Einholung eines ärztlichen Berichtes wies die Versicherung mit Schreiben vom 7. Juni 2005 den Kläger darauf hin, dass die Risikolebensversicherung nur gegen Zahlung eines Mehrbetrages angenommen werden könne und lehnte die Annahme einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab. Die Versicherung setzte dem Kläger eine Frist, einen entsprechenden Zusatzantrag bis zum 7. Juli 2005 zurückzureichen. Der Beitrag für die Risikolebensversicherung und Unfallzusatzversicherung betrug danach monatlich 81,77 €. In seinem Antwortschreiben bestätigte er die Annahme der Risikolebensversicherung und Unfallzusatzversicherung zum Mehrbetrag, verlangte aber die Einhaltung der Zusage, auch die Berufsunfähigkeitsversicherung zu übernehmen. Die Zusatzerklärung unterzeichnete er nicht.

    Aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes beanspruchte der Kläger von der X. Lebensversicherungs AG die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente. Da die Versicherung wegen Streitigkeiten um das Versicherungsverhältnis keinerlei Zahlungen an den Kläger leistete, klagte dieser bei LG Saarbrücken und in der Berufung beim Saarländischen Oberlandesgericht gegen die X. Lebensversicherungs AG unter anderem auf Feststellung der abgeschlossenen Vereinbarungen sowie Auszahlung einer Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 7. August 2006 bis 30. Juni 2007. Diese Streitpunkte machten im Verhältnis zu den weiteren Streitpunkten (Hinterbliebenenabsicherung, Unfallzusatzversicherung, Freistellung von Beitragszahlungen und Zinsen) einen an der Höhe der Streitwerte gemessenen Anteil von 44,83 % aus (Gesamtstreitwert: 141.221,70 €; auf Berufsunfähigkeitsrente entfallend: 63.311,73 €, vgl. Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichtes vom 24. November 2010, 5 U 636/09 -128-; Seiten 6, 21,22).

    Nach dem letztinstanzlichen Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichtes vom 24. November 2010 wurde die X. LebensversicherungsAG auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 3.486,51 € verurteilt. Im Übrigen hatte die Berufung gegen das zuvor vom LG Saarbrücken ergangene Urteil vom 3. Dezember 2009 (14 O 201/07) keinen Erfolg.

    Dieser Betrag wurde im Jahr 2010 auf die angefallenen vom Kläger zu tragenden Prozesskosten verrechnet. Im Übrigen zahlte der Kläger die aufgelaufenen Prozesskosten ab dem Jahr 2011 in Raten an die Versicherung ab.

    Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2010 machte der Kläger zunächst den vollen Prozesskostenbetrag als Werbungskosten geltend. Diesen Werbungskostenabzug versagte der Beklagte. Das Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg.

    Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den Abzug des mit den Prozesskosten verrechneten Betrages von 3.486,51 € als Werbungskosten. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor:

    Hauptziel des Klägers im Rahmen seines Prozesses gegen die X. Lebensversicherungs AG sei die Erlangung einer an ihn zu zahlenden Berufsunfähigkeitsrente gewesen. Im Erfolgsfall wäre die an ihn auszuzahlende Berufsunfähigkeitsrente steuerlich als abgekürzte Leibrente behandelt worden und hätte zu sonstigen Einkünften geführt. Ziel des Prozesses sei damit die Erzielung steuerpflichtiger Einkünfte gewesen. Auch wenn die beanspruchte Berufsunfähigkeitsrente nur hinsichtlich ihres Ertragsanteils zu steuerpflichtigen Einkünften geführt hätte, seien die Prozesskosten in voller Höhe abzugsfähig. Nicht entscheidend sei die Frage, ob das Versicherungsverhältnis letztlich bestanden habe. Immerhin sei zunächst vorläufiger Versicherungsschutz für die Berufsunfähigkeit gewährt worden. Angesichts der ärztlich nachgewiesenen Berufsunfähigkeit des Klägers sei sein zivilrechtliches Begehren letztlich an der Frage gescheitert, ob der vorläufige Versicherungsschutz auf dauernden Versicherungsschutz hätte geändert werden müssen. Die Klage sei auch nicht mutwillig erhoben worden. Immerhin habe das LG Saarbrücken wegen entsprechender Erfolgsaussichten Prozesskostenhilfe gewährt.

    Die Kläger beantragen,

    weitere Werbungskosten in Höhe 3.486,51 € bei den sonstigen Einkünften zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 2010 entsprechend herabzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte ist der Auffassung, ein grundsätzlich in Betracht kommender Werbungskostenabzug scheitere daran, dass ein Anspruch auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente nach dem Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts zu keinem Zeitpunkt bestanden habe. Der Prozess habe sich zwar mit dem Zustandekommen des Hauptvertrages und daraus resultierend einer monatlichen Rentenzahlung aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ab dem 7. August 2006 befasst. Weder aus dem Hauptvertrag noch aus dem vorläufig gewährten Versicherungsschutz könne aber ein Zahlungsanspruch hergeleitet werden. Infolgedessen fehle ein Zusammenhang der Prozesskosten mit den sonstigen Einkünften, denn hierfür seien allein die objektiven Gesichtspunkte maßgebend. Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 7. Juni 2013 Bezug genommen.


    Gründe

    1. Die Klage ist teilweise begründet.

    Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2010 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -), als die streitbefangenen Prozesskosten als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften steuermindernd zu berücksichtigen sind (§§ 9 Abs. 1 Satz 1, 22 EStG). Ein weitergehender Abzug als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 Abs. 1 EStG) scheidet bereits deshalb aus, weil die verbleibenden Prozesskosten unterhalb der zumutbaren Eigenbelastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG liegen.

    a. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) und liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen ein objektiver Zusammenhang besteht (BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 VI R 23/10, BStBl 2012 II S. 829).

    aa. Ob Aufwendungen der Erwerbssphäre oder der Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzurechnen sind, entscheidet sich dabei unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, ohne dass dabei allerdings schon ein abstrakter Kausalzusammenhang im Sinne einer conditio sine qua non die einkommensteuerliche Zuordnung der Aufwendungen zur Erwerbssphäre rechtfertigt. Aufwendungen sind vielmehr nur dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (ständige Rechtsprechung, zuletzt z.B. BFH-Urteile vom 6. Mai 2010 VI R 25/09, BStBl 2010 II S. 851; vom 17. September 2009 VI R 24/08, BStBl 2010 II S. 198). Danach können Kosten einer Rechtsverfolgung (Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten) Werbungskosten sein, wenn der Gegenstand des Prozesses mit der Einkunftsart zusammenhängt, in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden. Der Zusammenhang mit der Einkunftsart richtet sich dabei nach objektiven Gesichtspunkten, nicht nach den Vorstellungen des Steuerpflichtigen.

    bb. Ein solcher objektiver, steuerrechtlich anzuerkennender wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Aufwendungen des Steuerpflichtigen und dessen einkommensteuerrechtlich relevanter Erwerbssphäre besteht etwa bei bürgerlich-rechtlichen oder arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, die das Arbeitsverhältnis betreffen und deshalb der Einkunftsart der nichtselbständigen Arbeit zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 102/79, BStBl 1984 II S. 314). Sind dem Steuerpflichtigen entsprechende Aufwendungen dadurch entstanden, dass allein Zivil- und Arbeitsgerichte mit den streitigen Ansprüchen und Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis befasst worden waren, spricht deshalb regelmäßig eine Vermutung dafür, dass diese Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, den Werbungskostenabzug rechtfertigenden Veranlassungszusammenhang zu der Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen stehen (BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 VI R 23/10, BStBl 2012 II S. 829).

    b. Unter Berücksichtigen der vorstehenden Rechtsprechungsgrundsätze, denen der Senat folgt, besteht im Streitfall der für den Werbungskostenabzug erforderliche Zusammenhang der Prozesskosten mit der Erwerbssphäre, soweit Gegenstand des Prozesses die unstreitig als sonstige Einkünfte zu versteuernde Berufsunfähigkeitsrente war (Klageanträge zu 1a. und 2; vgl. Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichtes vom 24. November 2010, 5 U 636/09 -128-; Seiten 6, 21,22).

    Auslösendes Moment für die Verausgabung dieser Prozesskosten war entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur die begehrte Feststellung eines Versicherungsverhältnisses, sondern vielmehr konkret die daraus resultierende Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente, die zu sonstigen Einkünfte geführt hätte. Das vom Kläger behauptete Bestehen eines Versicherungsverhältnisses betraf daher nach der Überzeugung des Senats nur die Rechtsgrundlage für die in erster Linie begehrte Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente. Zu berücksichtigen ist dabei, dass aus Sicht des Klägers der Versicherungsfall – die Berufsunfähigkeit - bei Prozessbeginn bereits eingetreten war, das Bestehen des Versicherungsverhältnisses insoweit nur eine notwendige Vorfrage war und damit untrennbar mit dem geltend gemachten Zahlungsanspruch zusammenhing. Das auslösende Moment ist daher der Erwerbssphäre und nicht der Privatsphäre des Klägers zuzurechnen. Gegenstand des Prozesses war insoweit gerade die zukünftige Erzielung der steuerpflichtigen Einkünfte. Deshalb spricht auch eine Vermutung dafür, dass die Prozesskosten insoweit in einem hinreichend konkreten, den Werbungskostenabzug rechtfertigenden Veranlassungszusammenhang zu der Erwerbssphäre des Klägers stehen.

    Da die Prozesskosten – gemessen an den Streitwerten - im Umfang von 44,83% mit der Berufsunfähigkeitsrente zusammenhängen, war der Klage daher in diesem Umfang stattzugeben (weitere Werbungskosten: 1.563 €) und die Einkommensteuer 2010 entsprechend herabzusetzen.

    c. Da die zumutbare Eigenbelastung der Kläger bei einem zu versteuernden Einkommen von über 51.130 € bei 6% liegt (6% v. 62.055 € = 3.963,30 €) und damit die verbleibenden Prozesskosten übersteigt, kommt ein weitergehender Abzug als außergewöhnliche Belastung bereits aus diesem Grund nicht in Betracht (§ 33 Abs. 1, 3 EStG).

    d. Die Neuberechnung der Einkommensteuer 2010 stellt sich danach wie folgt dar:

    Zu versteuerndes Einkommen (z.v.E.) bisher: 62.055 €

    Z.v.E neu: 60.492 €

    Einkommensteuer neu: 11.406 €

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

    3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG 2009 § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2009 § 22 EStG 2009 § 33 Abs. 1 EStG 2009 § 9 Abs. 1 Satz 1

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