09.04.2024 · IWW-Abrufnummer 240760
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 26.06.2023 – 3 K 1249/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Hessisches Finanzgericht 3. Senat
Tenor
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger hinsichtlich einer erklärten selbständigen Tätigkeit als Softwareentwickler mit einer Gewinnerzielungsabsicht handelte. Sofern eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegen sollte, streiten die Beteiligten weiter um die Frage der Abziehbarkeit von Aufwendungen für erklärte Fremdleistungen, die vom Sohn der Kläger gegenüber dem Kläger erbracht worden sein sollen, sowie um den Abzug geltend gemachter Fahrtkosten.
Die Kläger sind verheiratet und wurden in den Streitjahren 2010 bis 2012 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. In diesen Jahren erzielte der Kläger u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit nach § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) als Professor. In den Einkommensteuererklärungen für 2010 bis 2012 erklärte der Kläger zudem Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 EStG.
Der Kläger erzielte seit dem Veranlagungszeitraum (Vz) 2005 Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit auf dem Gebiet der „Beratung im Bereich …“ und erwirtschaftete bis einschließlich Vz 2015 hieraus insgesamt einen positiven Totalgewinn i.H.v. … €.
In den Steuererklärungen 2010 bis 2012 gab der Kläger als Art der selbständigen Tätigkeit ebenfalls „Beratung im Bereich …“ an. Für den Vz 2010 erklärte der Kläger positive Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit i.H.v. … €, für den Vz 2011 und 2012 erklärte er ausschließlich Verluste aus selbständiger Tätigkeit. Die entsprechenden Betriebseinnahmen in 2010 i.H.v. insgesamt … € ergaben sich ausschließlich durch Auflösung einer Ansparabschreibung für Existenzgründer. Weitere Betriebseinnahmen wurden in den Streitjahren nicht erklärt. Als Betriebsausgaben setzte der Kläger insbesondere Aufwendungen für bezogene Fremdleistungen an, nämlich Zahlungen an die Firma A. Inhaber der Firma A war der Sohn der Kläger, der Zeuge Herr B. Die erklärten Fremdleistungen betrugen im Vz 2010 und 2011 jeweils (brutto) … € und im Vz 2012 … €. Neben diesen Betriebsausgaben machte der Kläger noch Fahrtkosten für „Dienstfahrten für die selbständige Beratertätigkeit“, Telefonkosten und sonstige Betriebsausgaben in geringem Umfang geltend, sowie in 2010 einen weiteren Investitionsabzugsbetrag für die beabsichtigte Anschaffung eines gebrauchten Pkws i.H.v. … €.
In der Anlage Vermietung und Verpachtung zur Steuererklärung betreffend das Objekt C in D erklärten die Kläger zudem jeweils Einkünfte nach § 21 EStG aus der Vermietung des Dachgeschosses i.H.v. jährlich … € abzüglich der Werbungskosten. Bei dem Objekt handelt es sich um ein von den Klägern bewohntes Haus. Vertragspartner des Mietvertrags und Mieter für die Räume im Dachgeschoss (ein rund 44 m² großes Dachstudio) war der Sohn der Kläger B mit seiner Firma A.
Der Steuererklärung 2010 war eine nicht datierte Rechnung der Firma A an den Kläger (Rechnungs-Nr. 2010 1201) in Kopie beigefügt. Darin wurde ein Betrag i.H.v. pauschal … € (12 × … €) für „Softwareentwicklung Maschinenbau und Motorsimulation im Jahr 2010“ zuzüglich einer Materialpauschale inklusive PC und Materialproben i.H.v. … €, insgesamt … € netto (… € brutto) in Rechnung gestellt. Abzüglich eines verrechneten Betrages für Büromieten i.H.v. … € (12 × … €) ergab sich ein verbleibender Zahlbetrag i.H.v. … €. Auf der Rechnung ist handschriftlich der Vermerk „Betrag erhalten“ sowie eine Unterschrift des Firmeninhabers und ein Firmenstempel der Firma A angebracht.
Im Rahmen der Veranlagungstätigkeit für den Vz 2010 forderte der Beklagte von den Klägern Zahlungsnachweise für die bezogenen Fremdleistungen in 2010 an. Die Kläger legten daraufhin erneut eine Rechnung der Firma A mit der Rechnungs-Nr. 2010 1201 in Kopie vor, nunmehr datiert auf den 15.12.2010. Diese wies jedoch ein anderes Layout auf, als die Rechnung mit identischer Rechnungsnummer, welche der Steuererklärung beigefügt war. In dieser Rechnung berechnete der Sohn der Kläger pauschal einen Betrag von … € netto für das gesamte Jahr 2010 für die „Softwareentwicklung im Bereich Maschinenbau und Simulationstechnik“. Der Bruttobetrag von … € wurde beglichen durch Verrechnung mit Mietzahlungen in Höhe von … € (12 x … €) sowie elf monatlichen Abschlägen in Höhe von je … €. Die verbleibende Restsumme betrug … €. Auf der Rechnung ist handschriftlich vermerkt: „Betrag dankend erhalten“. Versehen wurde dies ‒ ebenfalls handschriftlich ‒ mit einer Unterschrift, der Datumsangabe 16.12.2010 sowie einem Stempel der Firma A. Hinsichtlich der elf Abschlagszahlungen legte der Kläger für jeden Monat von Januar bis November 2010 Barquittungen über die Zahlung von jeweils … € brutto (… € netto) vor. Die Quittungen waren jeweils mit einem Stempel der Firma A und einer Unterschrift versehen.
Darüber hinaus legten sie die Rechnung Nr. 2012 1201 vom 28.12.2012 für „Softwareentwicklung im Bereich Maschinenbau und Simulationstechnik für das Jahr 2012“ vor. Mit der Rechnung für 2012 wurde ein Pauschalbetrag i.H.v. … € netto (… € brutto) in Rechnung gestellt. Die Gesamtsumme wurde auch hier verrechnet mit der Jahresbüromiete i.H.v. … € sowie monatlichen Abschlägen in Höhe von insgesamt … €. Hinsichtlich des Restbetrages i.H.v. … € ist auf der Rechnung maschinenschriftlich angegeben: „Restbetrag am 28.12. dankend erhalten“. Einen Quittierungsvermerk enthielt auch diese Rechnung nicht.
Auf Nachfrage des Betriebsprüfers welche Software der Kläger unter Mithilfe seines Sohnes entwickelt habe, erklärten die Kläger am 14.12.2014, dass es sich vorliegend um eine Berechnungssoftware im Bereich „E (Bereich der Motorlagerungssysteme)“ handeln würde. Die Software sei noch in der Entwicklung und habe daher noch keine Marktreife erlangt. Zu der Frage des Prüfers, warum in den Jahren 2010 bis 2012 keine Betriebseinnahmen erzielt worden seien, erklärten die Kläger im Dezember 2014, dass die zu entwickelnde Software durch die aktuelle Marktentwicklung erschwert worden sei. Hintergrund sei der vermehrte Einsatz von Hybridfahrzeugen. Solche, wie auch reine Elektrofahrzeuge, hätten eine komplette Überarbeitung der Software erfordert. Geplant sei, die Software im Jahr 2015 zu verkaufen. Man rechne insoweit mit einem Verkaufserlös i.H.v. … € bis … €. Dieser würde sich wie folgt zusammensetzen: Verkaufspreis der Software … € sowie laufende Lizenzgebühren in Höhe von ca. 30 Kunden mal … € pro Jahr. Der Bruder des Klägers sei im Im- und Export tätig und solle den Vertrieb im Ausland übernehmen.
Im Betriebsprüfungsbericht vom 12.02.2015 verneinte der Betriebsprüfer das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht in Bezug auf die selbständige Tätigkeit des Klägers als Softwareentwickler, so dass die erklärten Verluste nicht anzuerkennen seien. Es fehle insofern an einem nachvollziehbaren Konzept. Insbesondere im Hinblick auf die anvisierten Einnahmen ab dem Vz 2015 sei nicht nachgewiesen worden, an wen die Software verkauft werden soll. Die Fremdleistungen seien zudem ausschließlich durch den Sohn der Kläger erbracht und jeweils pauschal in Rechnung gestellt worden. Welche Leistungen tatsächlich erbracht worden seien und auf welcher vertraglichen Basis abgerechnet worden sei, sei nicht erkennbar. Auffällig sei, dass in 2010 und 2011 die gleichen Beträge abgerechnet wurden. Die erklärten Fahrtkosten könnten ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Was Anlass der jeweiligen Fahrt gewesen sei, sei vom Kläger nicht offengelegt worden. Ein betrieblicher Zusammenhang sei damit nicht erkennbar.
Die Veranlagungsstelle des Beklagten folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ am 18.03.2015 entsprechende Änderungsbescheide über die Einkommensteuer 2010 bis 2012. Hierbei legte der Beklagte Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit des Klägers i.H.v. … € für den Vz 2010 sowie jeweils null Euro für den Vz 2011 und den Vz 2012 zu Grunde.
Gegen die Änderungsbescheide legten die Kläger am 01.04.2015 jeweils Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass die Feststellungen des Prüfers und insbesondere die Annahme einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht bei der selbstständigen Tätigkeit unrichtig seien. Es sei mehrmals mitgeteilt worden, dass es sich um eine langfristige Softwareentwicklung handeln würde. Im Jahr 2014 sei dem Kläger ein Auftrag von der Firma F (Firma F) erteilt worden. In diesem Zusammenhang legten die Kläger eine Rechnung vom 30.10.2014, erteilt an die Firma F, vor. Aus dieser Rechnung (in englischer Sprache) geht hervor, dass ein E bei der Firma F eingeführt werden sollte. Der Kläger stellte der Firma F Berechnungs- und Kalkulationsleistungen und Leistungen für die technische Unterstützung in Rechnung. Der Rechnungsbetrag belief sich auf … €. Weiterhin reichten die Kläger eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) für das Jahr 2014 sowie für den Zeitraum Januar bis April 2015 ein. Zu der BWA 2015 erläuterten die Kläger, dass hier bereits die Einnahmen von … € angesetzt worden seien, ein Zahlungseingang allerdings noch nicht erfolgt sei. Der Auftraggeber ‒ die Firma F ‒ habe wirtschaftliche Probleme, der Kläger rechne mit einer Zahlung bis Ende Juni 2015.
Im Verlauf des Einspruchsverfahrens (und später im Klageverfahren) legten die Kläger zudem Kopien eines Vertrages zwischen der Firma F und dem Kläger („G“) nebst Technischer Vereinbarung („H“) im Original sowie in deutscher Übersetzung (übersetzt durch den Kläger) vor. Nach der Präambel des Vertrages entwickelt und produziert die Firma F als Hersteller Kraftfahrzeuge und der Kläger betreibt ein technisches Unternehmen, welches sich auf Berechnungen im Automobilbereich spezialisiert hat. Gegenstand des Vertrages ist die Erbringung von Beratungsleistungen vom Kläger an die Firma F sowie ein technischer Support im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Design eines E (vgl. Art. 1 der Vereinbarung). Nach Art. 3 des Vertrages beläuft sich der Zeitraum der Leistungserbringung auf den Zeitraum vom 30.05. bis 30.09.2014. Für seine Leistung soll der Kläger eine Servicegebühr i.H.v. … € erhalten, inklusive 6,72 % ausländischer Umsatzsteuer.
Nach der Technischen Vereinbarung sind die wichtigsten Arbeitsinhalte die Berechnung der Drehmomentachse, die Auslegung sowie die Energieberechnung des Engine Mounting Systems und Auslegung der Energieverteilung nach sechs Freiheitsgraden. Nach Ziffer II. der Technischen Vereinbarung übermittelt der Kläger den Berechnungsbericht des Engine Mounting Systems und die dazu-gehörigen Berechnungsdaten und legt einen Bericht über die Auslegung des hydraulischen Motorlagers vor.
Am 11.12.2015 wurde auf dem Konto der Kläger bei der I eine Überweisung der Firma F i.H.v. … € gutgeschrieben.
Mit Einspruchsentscheidung vom 25.11.2015 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung war adressiert an die Kläger persönlich und wurde mit einfachem Brief versandt. Mit Schreiben vom 10.02.2016 zeigte der Prozessbevollmächtigte dem Beklagten gegenüber die Vertretung der Kläger im Einspruchsverfahren an und bat um Fristverlängerung für die Fertigung einer Stellungnahme. Mit Schreiben vom 14.04.2016 unterrichtete der Beklagte den Prozessbevollmächtigten darüber, dass das Einspruchsverfahren bereits beendet sei durch Erlass der Einspruchsentscheidung am 25.11.2015. Der Prozessbevollmächtigte teilte daraufhin dem Beklagten mit, dass seine Mandanten die Einspruchsentscheidung vom 25.11.2015 nicht erhalten hätten und bat um Übersendung der Einspruchsentscheidung an den Prozessbevollmächtigten. Mit Schreiben vom 08.06.2016 übersandte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten eine Ausfertigung der Einspruchsentscheidung vom 25.11.2015. Das Übersendungsschreiben vom 08.06.2016 und die Kopie der Einspruchsentscheidung wurden dem Prozessbevollmächtigten zusammen mit einer Einspruchsentscheidung für den Veranlagungszeitraum 2013 vom 08.06.2016 laut Postzustellungsurkunde am 10.06.2016 förmlich zugestellt.
Hiergegen haben die Kläger am 05.07.2016 Klage erhoben.
Die Kläger haben mit der am 05.07.2016 eingereichten Klage zunächst Klage erhoben wegen Einkommensteuer 2010 bis 2013. Mit Beschluss vom 24.04.2019 hat der erkennende Senat das Verfahren getrennt in das Verfahren 3 K 631/19 wegen Einkommensteuer 2013 und in das Verfahren 3 K 1249/21 wegen Einkommensteuer 2010 bis 2012. Der zuständige Berichterstatter hat das Verfahren 3 K 631/19 mit Beschluss vom 03.07.2019 eingestellt, nachdem der Beklagte mit Datum vom 23.03.2018 einen Änderungsbescheid betreffend die Einkommen-steuer 2013 erlassen hat und die Kläger die Klage wegen Einkommensteuer 2013 zurückgenommen haben.
Die Kläger tragen vor, dass der Kläger neben seinem Beruf als Professor noch als selbstständiger Unternehmer und Softwareentwickler im Bereich der Simulationstechnologie tätig gewesen sei. Er sei insbesondere spezialisiert auf den Bereich Maschinenbau und dort auf den Bereich Mechatronik. Bereits in der Vergangenheit, vor seiner Tätigkeit als Professor, sei der Kläger bei der Firma J (Firma J) beschäftigt und dort in demselben Bereich, der Softwareentwicklung für Fahrzeugsimulationstechnik, tätig gewesen. Daher habe er über das entsprechende Know-how sowie die erforderlichen Kontakte verfügt, die für die Entwicklung und Vermarktung der Software erforderlich gewesen seien. So habe er bereits seit 2003 Kontakte zu Geschäftspartnern gehabt.
In den Jahren 2010 bis 2012 sei er mit der Entwicklung einer komplexen Software für Fahrzeugtechnik beschäftigt gewesen. Hierbei sei es um eine Softwareentwicklung im Bereich der Fahrzeugsimulationstechnik und zwar konkret um die Vermeidung von Störgeräuschen im Fahrzeugbau gegangen. Hintergrund sei, dass Eigenschwingungen und die hieraus resultierenden Störgeräusche als sehr unangenehm empfunden würden. Bei der streitgegenständlichen Software würde es sich um ein Softwarepaket handeln. Die entwickelte Software beziehe sich auf den Bereich der Aggregatlagerung von Kraftfahrzeugen. Die Entwicklung sei mit dem Ziel erfolgt, die Software am Markt an einen Automobilhersteller zu verkaufen.
Begonnen habe man mit der Entwicklung bereits im Jahre 2008 und zwar von Anfang an unter Mithilfe des Sohnes. Dieser habe ebenfalls einen Geschäftsbetrieb und sei schließlich für einen Teil der Softwareentwicklung als Subunternehmer beauftragt worden, wobei die Hauptleistung des Sohnes darin bestanden habe, die Software nach den Vorgaben des Klägers zu programmieren. Der übliche Stundensatz von Ingenieuren mit dem Kenntnisgrad des Sohnes würde bei über … € liegen. Ungeachtet dessen habe auch die Schwierigkeit bestanden, überhaupt einen Ingenieur zu finden, der in diesem Spezialbereich tätig ist und Kapazitäten frei hat. Auch gehe aus den Rechnungen hervor, welche Tätigkeiten der Sohn in Rechnung gestellt habe. Der Sohn habe konkrete Leistungen erbracht und die an ihn gezahlten Beträge versteuert.
Der Sohn sei auch entsprechend qualifiziert. Im November 2009 habe er ein Bachelor-Studium der Sinologie (Hauptfach) und der Mathematik (Nebenfach) beendet. Anschließend habe er im Januar 2013 seinen Master in Sinologie sowie im September 2014 den Master im Fach Computational Engineering erhalten. Er habe eine hohe Begabung für Mathematik, EDV und Programmierung und sei daher in seinen Fähigkeiten einem qualifizierten Softwareingenieur vergleichbar. Der Sohn der Kläger habe seinem Vater bereits als Schüler bei dessen Tätigkeit als Maschinenbauingenieur bei der Firma J unterstützt. Bereits im Alter von 14 Jahren sei der Sohn wegen seiner großen technischen und mathematischen Begabungen von seinem Vater in diesem Betrieb eingesetzt worden. Er habe dort parallel zur Schule in Form von Schulpraktika mitgeholfen.
Schriftliche Verträge, Dokumentationen, E-Mails, sonstige Aufzeichnungen habe es aufgrund des großen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und seinem Sohn nicht gegeben. Sämtliche Details seien ausschließlich mündlich besprochen worden. Der Arbeitsaufwand des Sohnes habe bei circa 10-15 Stunden je Woche gelegen.
Hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der Abwicklung des Vertrages mit der Firma F tragen die Kläger vor, dass Vorauszahlungen aufgrund einer Beta-Testversion erfolgt seien. Bei jeder Software gebe es eine Version, die auf den Markt komme. Hierfür sei ‒ wie im vorliegenden Fall ‒ auch der volle Betrag zur Zahlung fällig. Zum Vergleich könne die Veröffentlichung eines neuen Betriebssystems herangezogen werden. Hierfür würden über Jahre hinweg immer wieder Updates oder Revisionen veröffentlicht. Die Kunden würden jedoch nur einmal (beim Ankauf der Software) den Kaufpreis zahlen. Vorliegend sei die Rechnungsstellung am 30.10.2014 gerechtfertigt gewesen. Denn die Softwareversion sei zu diesem Zeitpunkt so weit entwickelt und fertiggestellt gewesen, dass sie Marktreife gehabt habe und habe verkauft werden können.
Einen Businessplan habe es nicht gegeben. Der Kläger sei aufgrund seiner Dozententätigkeit und seiner Kontakte in die Automobilbranche mit einem guten Netzwerk ausgestattet gewesen.
Es sei branchenüblich, dass bei der Entwicklung solch komplexer Software zunächst hohe Vorlaufkosten anfallen würden, gegebenenfalls über mehrere Jahre. Zu den ursprünglich weiteren erwarteten Einnahmen sei es letztendlich nur deshalb nicht mehr gekommen, weil der Kläger sich krankheitsbedingt ab dem Jahr 2015 aus dem Geschäftsleben zurückgezogen habe.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Kläger wird auf die im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze vom 14.11.2016, vom 25.02.2019, vom 17.06.2019 und vom 11.11.2019 sowie auf die Ausführungen des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 26.06.2023 verwiesen.
Die Kläger beantragen,
1. die Änderungsbescheide zur Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 2010, 2011 und 2012, alle vom 18.03.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 10.06.2016 aufzuheben;
2. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen;
3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass vorliegend im Hinblick auf die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in den Streitjahren keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegen würde. Zur Überprüfung dieses subjektiven Tatbestandsmerkmals sei auf äußere Indizien abzustellen, d.h. es müsse anhand objektiver Umstände auf das Vorliegen der Absicht geschlossen werden können.
In den Streitjahren seien keinerlei Einnahmen aus der angegebenen Tätigkeit als Softwareentwickler erzielt worden. Es liege auch kein nachvollziehbares Konzept vor und es sei auch bei den vom Sohn erbrachten Fremdleistungen nicht erkennbar, welche Leistungen tatsächlich erbracht wurden. Eine konkrete und überzeugende Darlegung dahingehend, welche Software genau entwickelt und zu welchem Zeitpunkt konkret mit der Entwicklung begonnen worden sei, fehle. Die Kläger hätten es bislang trotz mehrmaliger Aufforderung unterlassen ihr Vorbringen unter Vorlage entsprechender Nachweise zu konkretisieren und zu belegen. Die Konzeption und Entwicklung neuer Software in dem vom Kläger benannten Bereich müsse jedoch ein konkretes Ziel haben. Notwendig sei auch ein Anforderungsprofil dahingehend, welche Neuentwicklung simuliert und begleitet werden soll. Üblicherweise würden Autohersteller zudem eigene Entwicklungsabteilungen für derartige Aufgaben haben und/oder würden derartige Softwareentwicklungen in einem Team verschiedener Professionen erfolgen.
Auch seien keine Unterlagen zu möglichen Ertragserwartungen, einer Kosten-Nutzen-Analyse, einem Betriebsentwicklungsplan, einer Marktanalyse, o.ä. vorgelegt worden. Entsprechendes gelte auch für Dokumentationen, Unterlagen über Abstimmungen, sonstige Unterlagen oder Korrespondenz mit dem Auftraggeber. Keine Aussagen hätten die Kläger zudem dahingehend gemacht, welche speziellen Interessenten aus damaliger Sicht des Klägers als Kunden in Betracht gekommen seien, durch welche Maßnahmen Aufträge mit Kunden angebahnt werden sollten und welche Kunden (wann) Interesse an einer Zusammenarbeit oder Auftragserteilung gezeigt haben.
Eine Gewinnerzielungsabsicht könne vorliegend auch nicht unter dem Gesichtspunkt bejaht werden, dass der Kläger in den Jahren 2005-2009 eine freiberufliche selbständige Tätigkeit ausgeübt und hierbei Gewinne erzielt habe. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es sich um gleichartige Tätigkeiten handeln würde. Eine Gleichartigkeit der Tätigkeiten sei jedoch nicht gegeben. Denn in den Jahren bis 2009 habe der Kläger eine Beratungstätigkeit ausgeübt. Im Unterschied dazu sei die Tätigkeit ab 2010 als Softwareentwicklung einzustufen.
Ungeachtet dessen könnten die Betriebsausgaben für die behaupteten Fremdleistungen des Sohnes vorliegend auch deswegen nicht anerkannt werden, da diese, respektive das zugrundeliegende Vertragsverhältnis, einem Fremdvergleich nicht standhalten würden.
Es könne auch nicht nachvollzogen werden, dass und inwieweit der Sohn in diesem Bereich spezialisiert und ein ausgewiesener Fachmann sein soll. Ein fundiertes Fachwissen sowie eine fundierte Erfahrung seien zumindest fraglich.
Der Vortrag der Kläger sei zudem an vielen Punkten widersprüchlich. So hätten diese im Rahmen der bis Februar 2015 laufenden Betriebsprüfung nicht auf den zum damaligen Zeitpunkt bereits abgeschlossenen Vertrag mit F aus Mai 2014 hingewiesen oder diesen vorgelegt. Das gleiche gelte für die am 30.10.2014 ausgestellte Rechnung. Stattdessen habe man dem Prüfer noch im Dezember 2014 mitgeteilt, dass sich die Software noch in der Entwicklung befinde, noch keine Marktreife erlangt habe und man in 2015 mit Erlösen rechne. Die Behauptungen der Kläger stünden weiter auch im Widerspruch zu der Vereinbarung mit der Firma F. Denn danach sei lediglich ein technischer Support für die Entwicklung und Konstruktion eines E sowie die Lieferung von Berechnungsberichten nebst zugehörigen Berechnungsdaten vereinbart gewesen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beklagten wird auf die im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze vom 12.12.2016, vom 16.04.2019, vom 25.07.2019 und vom 13.12.2019 verwiesen.
Der erkennende Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Herrn B als Zeugen. Wegen des Beweisthemas wird auf den Beweisbeschluss vom 29.01.2020 und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift vom 26.06.2023 Bezug genommen. Zudem hat der Senat das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet und diesen informatorisch angehört.
Dem Gericht lagen die Einkommensteuerakten 2010 bis 2012, ein Sonderband Einnahmenüberschussrechnung (EÜR), ein Sonderband Rechtsbehelfsverfahren sowie das Fallheft der Betriebsprüfung vor und waren Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe
A. Die Klage hat Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung ‒FGO‒).
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere hat ein erfolglos durchgeführtes Vorverfahren gemäß § 44 Abs. 1 FGO stattgefunden, welches mit der Einspruchsentscheidung vom 10.06.2016 wirksam beendet wurde.
Die Einspruchsentscheidung vom 25.11.2015 wurde nicht wirksam bekannt gegeben, da die Kläger den Zugang dieser Entscheidung bestreiten und der Beklagte einen Zugang der Einspruchsentscheidung in den Machtbereich der Kläger nicht nachweisen konnte.
Wenn die Zustellung im Besteuerungsverfahren durch Zusendung eines einfachen Briefes erfolgt, besteht gegenüber dem den Empfang bestreitenden Steuer-pflichtigen keine gesetzliche Vermutung über den Zugang des Briefes (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‒BFH‒ vom 23.09.1966, III 226/63, Bundessteuerblatt ‒BStBl‒ III 1967, 99). Der Behörde obliegt daher der volle Beweis des Zugangs überhaupt, dieser konnte vorliegend nicht erbracht werden.
Die Einspruchsentscheidung der betreffenden Streitjahre wurde damit erstmals am 10.06.2016 wirksam an die Prozessbevollmächtigten zugestellt. Die Tatsache, dass der Beklagte lediglich eine Kopie der ursprünglich unter dem Datum vom 25.11.2015 erlassenen Einspruchsentscheidung zustellte, führt nicht zu einer unwirksamen Zustellung. Denn der Beklagte hatte seinen ursprünglich gefassten Bekanntgabewillen zwischenzeitlich nicht aufgegeben.
Nach der Rechtsprechung des BFH können der Bekanntgabewille und damit eine wirksame Bekanntgabe auch darin zum Ausdruck kommen, dass nicht die Originalausfertigung, sondern eine Fotokopie des Verwaltungsakts versandt wird. Wird die Ablichtung eines zutreffend adressierten Verwaltungsakts erneut übermittelt, so erfüllt dies die Voraussetzungen einer wirksamen Bekanntgabe selbst dann, wenn bei der Übermittlung der Kopie der Beamte in der Vorstellung handelt, die Urschrift sei bereits bekannt gegeben und er damit die Vorstellung hat, eine Bekanntgabe dadurch nicht bewirken zu wollen. Der Beamte hat hier zwar in diesem Moment keinen Willen zur Bekanntgabe; er hat diesen Willen, den er bei der ursprünglichen Bekanntgabe hatte, jedoch nicht aufgegeben, so dass seine Fortwirkung und - damit eine wirksame Bekanntgabe - angenommen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 15.01.1991, VII R 86/89, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH ‒BFH/NV‒ 1992, 81; BFH-Urteil vom 23.02.1994, X R 27/92, BFH/NV 1994, 768; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung (AO), § 122, Tz. 46).
II. Die Klage ist auch begründet. Die Kläger haben zur Überzeugung des erkennenden Senats i.S.d. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nachweisen können, dass der Kläger in den Streitjahren in Bezug auf seine selbständige Tätigkeit als Softwareentwickler mit einer Gewinnerzielungsabsicht tätig wurde. Weiterhin, dass er im Rahmen dieser Tätigkeit Fremdleistungen der Firma A seines Sohnes, dem Zeugen B, bezog, die er ‒ ebenso wie die übrigen betrieblich veranlassten Aufwendungen ‒ als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG abziehen kann.
Dies steht nach dem Akteninhalt, der durchgeführten Beweisaufnahme und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ‒ mithin nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ‒ zur Überzeugung des erkennenden Senats fest.
Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Maßgeblich ist die richterliche Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Tatsachen. Das ist weniger als eine (kaum erreichbare) Gewissheit, aber mehr als nur ein überwiegender Grad von Wahrscheinlichkeit, nämlich ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er nach der Lebenserfahrung praktisch der Gewissheit gleichkommt. Hierzu bedarf es einer Gesamtwürdigung aller entscheidungserheblichen Umstände. Als erwiesen ist ein Sachverhalt nach der Grundregel des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO demzufolge anzusehen, wenn er sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt.
Dies ist vorliegend der Fall.
a) Dies folgt zunächst aus der glaubhaften Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Der Kläger konkretisierte den schriftsätzlichen Vortrag und legte substantiiert dar, welche selbständige Tätigkeit er in den Streitjahren ausübte. Er schilderte nachvollziehbar, welchen Zweck die Software erfüllen sollte und wie er auf die Idee gebracht wurde, eine derartige Software zu entwickeln. Nach seiner Aussage sei er auf die Idee gekommen, eine derartige Berechnungssoftware zu entwickeln, da ein ehemaliger Kommilitone von ihm bei ihm angefragt habe, ob es möglich sei eine entsprechende Software zu entwickeln. Ziel sei es gewesen, eine Berechnungssoftware zu entwickeln, die es Firmen der Automobilbranche im Bereich der Vorentwicklung von Kraftfahrzeugen ermögliche, Störgeräusche die insbesondere der Motor eines Fahrzeuges verursache, möglichst zu verringern oder zu vermeiden. Derartige Störgeräusche würden anfallen durch Vibrationen, welche bei der Fahrt durch die Straße verursacht werden, aber z.B. auch beim Anlassen und Abstellen des Fahrzeugs, etwa durch den Motor, also innerhalb des Fahrzeuges durch den Abrieb bzw. die Eigenschwingungen der Fahrzeugteile. Daher seien die Hersteller von Fahrzeugen bzw. von Fahrzeugteilen sehr daran interessiert, die Fahrzeuge oder Fahrzeugteile so zu konzipieren, dass möglichst wenige Störgeräusche durch Vibration oder Abrieb/ Eigenschwingungen entstünden. Durch die konkrete Anfrage seines Kommilitonen, der bei der Firma F arbeite, sei sein Ehrgeiz geweckt worden, eine entsprechende Berechnungssoftware zu entwickeln, die im Bereich der Vorentwicklung von Fahrzeugen eingesetzt werden könne und als eine Art Rohversion dann an den jeweiligen Interessenten und dessen Bedürfnisse angepasst werden könne. Die Programmierung sei auf der Basis von Microsoft Excel erfolgt. Der Kläger habe über die erforderliche Fachkenntnis verfügt. Sein gesamter beruflicher Werdegang habe ihn befähigt, eine entsprechende Software zu entwickeln. Daher habe der Kläger seine Fachkenntnisse genutzt und diese mit den Fähigkeiten seines Sohnes vereint, um eine entsprechende Software zu entwickeln. Sein Sohn habe als Maschinenbauinformatiker die entsprechenden Programmierungscodes geschrieben.
b) Diese Aussage ist glaubhaft, die Schilderungen des Klägers erfolgten sachlich, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Dabei konnte der Kläger auch die Nachfragen des erkennenden Senats in der mündlichen Verhandlung zum besseren Verständnis des verfolgten Projekts und der diesbezüglichen Tätigkeiten durchweg souverän und in sich schlüssig beantworten.
Die Aussage des Klägers wird gestützt durch die Tatsache, dass der Kläger Maschinenbau studierte und im Streitzeitraum als Professor im Bereich Fahrzeugtechnik tätig war. Vor seiner Tätigkeit als Professor war er mehrere Jahre bei der Firma J beschäftigt. Entsprechend des Internetauftritts der Firma J zählt zu deren Kernproduktfeldern im Automobilbau die Akustik, die Aktuatorik und Polymersysteme. Die Firma J entwickelt und produziert Komponenten für den Automobilbau, die den akustischen Komfort und die Sicherheit des Automobils verbessern sollen. Demnach ist es glaubhaft, dass der Kläger sich die für die Entwicklung einer entsprechenden Software erforderlichen Fachkenntnisse im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit aneignete und damit nicht nur fachlich in der Lage war, eine entsprechende Software zu entwickeln, sondern auch über ein Netzwerk für eine entsprechende Vermarktung der Software verfügte.
c) Die Darstellung des Klägers wird weiter gestützt durch die Aussage des Zeugen B, dem Sohn des Klägers. Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft und der Zeuge ist glaubwürdig.
Dieser konnte die Aussage des Klägers bestätigen und zudem weiter konkretisieren. Der Zeuge erläuterte, dass sein Vater in den Streitjahren eine Software entwickelte, die im Bereich der Aggregatlagerung eingesetzt werden sollte. Im Rahmen des Projekts seines Vaters sei er für die Implementierung der Benutzeroberfläche und die basic-basierten Schnittstellen des Programms zuständig gewesen. Der Kläger habe die fachspezifischen Gleichungen geschrieben. Er sei für die Implementierung der Gleichungen in dem Programm zuständig gewesen. Hierfür habe er die Codierungen geschrieben, die für die Implementierung der Benutzeroberfläche und der Schnittstellen erforderlich gewesen seien.
aa) Diese Zeugenaussage ist glaubhaft, die Schilderungen des Zeugen erfolgten sachlich, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Auch der Zeuge B beantwortete die an ihn im Rahmen der Vernehmung gerichteten Fragen durchweg souverän. Seine Aussage wird zudem gestützt durch seinen beruflichen Werdegang. Insbesondere ergab sich erst im Rahmen der Zeugenvernehmung, dass der Zeuge parallel zwei Bachelorstudiengänge absolvierte. So absolvierte er neben dem Bachelorstudiengang Sinologie im Haupt- und Mathematik im Nebenfach einen weiteren Bachelorstudiengang und legte im Jahr 2010 den Bachelor im Fach Maschinenbauinformatik ab. Den Master im Fach Computational Engineering (Maschinenbauinformatik) schloss er im September 2014 ab. Mit den im Rahmen des Bachelorstudiengangs Maschinenbauinformatik erworbenen Kenntnissen hatte der Zeuge bereits im Streitzeitraum die fachliche Kompetenz, die entsprechenden Programmieraufgaben für seinen Vater zu übernehmen.
bb) Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen wird weiterhin dadurch gestützt, dass nach den Ermittlungen des Beklagten der Kläger zwar wohl der Hauptauftraggeber für die Firma A des Sohnes war, aber nicht der einzige Auftraggeber (Bl. 64 der Rechtsbehelfsakte). Zudem hat der Zeuge im Rahmen seiner Steuererklärungen die entsprechenden Betriebseinnahmen erklärt. Dadurch wird untermauert, dass der Sohn mit seiner Firma tatsächlich am Markt aufgetreten ist und Leistungen erbracht hat.
cc) Gegen die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage spricht auch nicht die Tatsache, dass keine Unterlagen hinsichtlich einer Dokumentation der Arbeitsergebnisse oder der Abstimmung der Prozesse untereinander vorgelegt werden konnten. Auf die Nachfrage des Vorsitzenden Richters, ob es zwischen ihm bzw. seiner Firma A und dem Kläger schriftliche Vereinbarungen gegeben habe, antwortete der Zeuge souverän und gab eine nachvollziehbare Erklärung ab. Er führte aus, dass dies nicht erforderlich war, da eine funktionsorientierte Dokumentation stattgefunden habe. Dies bedeutet, dass die entsprechenden Ergebnisse in der entwickelten Programmversion selbst dokumentiert und dann gemeinsam am Laptop begutachtet wurden, um zu besprechen, ob Änderungen erforderlich waren. Der Zeuge erläuterte diesbezüglich, dass es sich um den sogenannten Bottom-Up-Ansatz handele, der im Bereich der Softwareentwicklung u.a. Anwendung finde und eine übliche Vorgehensweise in der IT-Branche sei. Dabei sei es nicht erforderlich und auch nicht üblich, etwa ein Pflichten- oder Lastenheft zu schreiben.
Dies ist plausibel, da das Arbeitsergebnis letztlich die Software selbst war. Da der Zeuge nach seiner Aussage zumindest zweitweise an den Wochenenden und während den Semesterferien bei den Klägern wohnte, ist es zudem glaubhaft, dass die Abstimmungsprozesse mündlich gemeinsam am Laptop stattfanden und damit eine schriftliche Kommunikation etwa per Mail nicht erforderlich war. Es war letztlich ein offener Entwicklungsprozess, dessen Ergebnisse am Produkt selbst evaluiert wurden.
d) Die Ausführungen des Zeugen zu den konkreten Tätigkeiten werden ‒ ebenso wie die Ausführungen des Klägers ‒ weiterhin untermauert durch die Präsentation der entwickelten Software in der mündlichen Verhandlung. Der Kläger und der Zeuge führten die Benutzeroberfläche vor, die der Zeuge nach den Vorgaben des Klägers programmierte. Nach den Funktionen des Programms konnten unterschiedliche Fahrzeugmotoren ausgewählt werden und sodann Berechnungen durchgeführt werden. Der Zeuge verdeutlichte, dass es seine Aufgabe war, die Buttons, die auf der Benutzeroberfläche angeklickt werden können, mit einer entsprechenden Funktion zu hinterlegen. Mit dieser Vorführung der Software wurde verdeutlicht, dass tatsächlich ein Produkt ‒ eine Berechnungssoftware ‒ entwickelt worden ist.
e) Der Zeuge und der Kläger machten auf den erkennenden Senat auch einen glaubwürdigen Eindruck. Beide sprachen ruhig und sachlich und machten deutlich, wenn sie sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern konnten. Äußere Anzeichen, die auf eine Unrichtigkeit ihrer Aussage hätten hindeuten können, waren nicht erkennbar. Beide zeigten ein sicheres Auftreten und wirkten fachlich sehr kompetent.
Widersprüche, die der Beklagte hinsichtlich des schriftlichen Vortrags im außergerichtlichen Verfahren und in den Schriftsätzen der Kläger im Gerichtsverfahren aufgezeigt hat, sind wohl darauf zurück zu führen, dass der Kläger ‒ wie er im Rahmen seiner informatorischen Anhörung darlegte ‒ zwar der deutschen Sprache mächtig ist und diese auch versteht, jedoch vereinzelt Schwierigkeiten hat, die juristische Fachsprache zu verstehen und sich dementsprechend verständlich zu äußern. Zudem handelt es sich um eine komplexe Materie, mit der sich der Kläger beruflich beschäftigt, so dass letztlich erst die informatorische Anhörung des Klägers und die Zeugenvernehmung des Sohnes im Zusammenspiel mit der Darstellung der entwickelten Software Klarheit brachte, welche konkreten Tätigkeiten von beiden ausgeübt wurden. Denn auch im Tätigkeitsbereich des Klägers und des Zeugen existiert eine Fachsprache, die nicht immer aus sich heraus verständlich ist und auch eine andere Bedeutung als im Steuerrecht haben kann, etwa was den Begriff der Fertigstellung der Software anbelangt. So schilderte der Zeuge, dass eine Software letztlich niemals endgültig fertig gestellt ist, sondern immer wieder Batches und Updates erforderlich sind. Hiervon zu unterscheiden sei dann die Frage, wann die Software einen Entwicklungsstand erreicht habe, so dass sie nutzbar sei. So kann es im Rahmen der durchgeführten Betriebsprüfung tatsächlich zu Missverständnissen gekommen sein, etwa was den Zeitpunkt der Marktreife anbelangte.
2. Der Kläger handelte auch mit einer Gewinnerzielungsabsicht, denn er handelte in der Absicht, die entwickelte Software gewinnbringend zu veräußern. Dies steht nach dem Akteninhalt, der durchgeführten Beweisaufnahme und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ‒ mithin nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ‒ zur Überzeugung des erkennenden Senats i.S.d. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO fest.
a) Steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 18 EStG setzen voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG zu bejahen sind. Dies setzt bei natürlichen Personen u.a. voraus, dass diese mit einer Einkünfteerzielungsabsicht ‒ bei Einkünften nach § 18 EStG konkreter mit einer Gewinnerzielungsabsicht ‒ handeln (vgl. BFH-Urteil vom 25.06.1984, GrS 4/82, BStBl II 1984, 751; Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 2, Tz. 345). Der Kläger muss sich mit Gewinnerzielungsabsicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt haben. Nur wenn dies der Fall ist, sind die erzielten positiven wie negativen Einkünfte steuerbar. Anderenfalls liegt eine sogenannte Liebhaberei vor, deren Ergebnisse steuerlich unbeachtlich sind (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 18 EStG, Tz. 69).
b) Der Kläger erzielte als Softwareentwickler Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 EStG. Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist die Tätigkeit als Softwareentwickler als ingenieurähnlich anzusehen und damit mit einem in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sogenannten Katalogberuf vergleichbar. Das gilt zumindest dann, wenn ‒ wie vorliegend ‒ nicht bloß eine Trivialsoftware entwickelt wird (vgl. BFH-Urteil vom 04.05.2004, XI R 9/03, BStBl II 2004, 989). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
c) Dabei handelt es sich nicht um die bloße Fortführung der selbständigen Beratertätigkeit des Klägers aus den Vorjahren oder um eine gleichartige Tätigkeit. Die Tätigkeit als Softwareentwickler ist nicht vergleichbar mit einer selbstständigen Beratungstätigkeit. Ungleichartige Tätigkeiten sind hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht getrennt zu beurteilen. Daher ist für die Tätigkeit als Softwareentwickler isoliert zu prüfen, ob der Kläger diesbezüglich mit einer Gewinnerzielungsabsicht handelte. Der mit seiner Beratungstätigkeit erzielte positive Totalüberschuss muss hierbei außer Betracht bleiben.
d) Bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine innere Tatsache handelt, die anhand objektiver Beweiszeichen im Wege der Einzelabwägung zu ermitteln ist.
Dabei sind die besonderen Umstände etwa künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit (z.B. längere Verlustphasen) angemessen zu berücksichtigen. Hiernach können die freiberuflichen Besonderheiten rein betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte im Einzelfall überlagern (vgl. Kirchhof, Kommentar zum EStG, § 18 EStG, Tz. 10).
Die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht erfolgt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zweistufig (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 2 EStG, Tz. 380). So ist zunächst im Wege einer Totalerfolgsprognose zu ermitteln, ob für die entsprechende Tätigkeit ‒ objektiv betrachtet ‒ langfristig mit einem Gewinn zu rechnen ist. Erforderlich ist zudem, dass der Steuerpflichtige ‒ subjektiv betrachtet ‒ nach einer Betriebsvermögensmehrung in Form eines Totalgewinns, also einem positiven Gesamtergebnis (von der Gründung bis zur Veräußerung oder Aufgabe) des Betriebes strebt. Dies erfordert, je nach konkreter Gewinnermittlungsart eine Prognose, also eine in die Zukunft gerichtete langfristige Gesamtbeurteilung (vgl. Schmidt, Kommentar zum EStG, § 15 EStG, Tz. 30).
Die danach erforderliche Prognose des Totalgewinns bzw. allg. des Totalerfolgs kann verschiedene Ergebnisse haben:
Ist die Prognose positiv, d.h. ein Totalgewinn sehr wahrscheinlich, kann von vornherein kein Liebhabereibetrieb vorliegen, erst durch einen späteren Strukturwandel könnte der Betrieb zur Liebhaberei werden. Hierbei sind dann Anlaufverluste in einem angemessenen Umfang anzuerkennen. Ist die Prognose negativ oder unsicher, d.h. ist ein Totalgewinn von vornherein nicht zu erwarten, oder besteht Unsicherheit, ob ein Totalgewinn entstehen wird oder nicht, dann setzt die zweite Stufe der Prüfung ein. Es muss ermittelt werden, wie der Kläger zu der negativen bzw. unsicheren Prognose steht. Hierbei sind objektive Beweisanzeichen zu berücksichtigen. Es liegt keine Liebhaberei vor, wenn der Steuerpflichtige seine Gewinnerzielungsabsicht durch objektive Beweisanzeichen (Wesensart des Betriebs und Art seiner Bewirtschaftung) belegen kann (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 2, Tz. 400). Liebhaberei kommt dann in Betracht, wenn die Tätigkeit auf einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motiven beruht und der Steuerpflichtige sich gerade nicht wie ein Gewerbetreibender bzw. selbständig freiberuflich Tätiger verhält (vgl. Schmidt, a.a.O., Tz. 32).
Nach diesen Grundsätzen ‒ denen der erkennende Senat folgt ‒ ist eine Gewinnerzielungsabsicht des Klägers gegeben.
Es steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass die ausgeübte selbständige Tätigkeit des Klägers als Softwareentwickler infolge der beabsichtigten Vermarktung dieser Software dem Grunde nach geeignet war, Gewinne und langfristig betrachtet einen positiven Totalüberschuss zu erzielen. Die Tätigkeit des Klägers war nach ihrer Art zumindest nicht überwiegend dazu bestimmt, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen. Der Kläger strebte auch danach, mit dieser Tätigkeit langfristig Gewinne zu erzielen.
aa) Denn die entwickelte Software versprach von Beginn an entsprechendes Potential.
So erläuterte der Kläger in der mündlichen Verhandlung, dass er infolge der Anfrage durch seinen ehemaligen Kommilitonen, ob die Programmierung einer entsprechenden Berechnungssoftware im Bereich des E möglich sei, das Potential dieser Software erkannt habe. Der ehemalige Kommilitone sei Mitarbeiter der Firma F gewesen. So habe der Kläger erkannt, dass ein Interesse am Markt besteht.
Diese Aussage, dass die Software ein entsprechendes Potential versprach, wurde durch die glaubhafte Aussage des Zeugen B bestätigt, der schilderte, dass die entwickelte Software auch heute noch beispielsweise für die Firma bei der er als IT-Entwicklungsingenieur derzeit angestellt ist, von Interesse sei.
Es ist auch glaubhaft, dass die entwickelte Software für die entsprechenden Firmen der Automobilbranche interessant war und es damit auch potentielle Abnehmer gab. Denn es ist plausibel, dass Hersteller von Automobilen und Fahrzeugteilen ein Interesse daran haben, mögliche Störgeräusche zu beseitigen. Es gibt Firmen in der Fahrzeugbranche, wie beispielsweise die Firma J, die sich auf derartige Bereiche der Aggregatlagerung spezialisiert haben. Wie zuvor ausgeführt, hält der erkennende Senat den Zeugen B auch für glaubwürdig.
Ein weiteres Indiz für das Potential der Software ist auch, dass es bereits einen Interessenten gab, nämlich die Firma F. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest.
Dass die Firma F die Software im Jahr 2014 tatsächlich schon vom Kläger erwarb, steht hingegen nicht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest. Der Kläger und der Zeuge B erläuterten zwar unabhängig voneinander im Rahmen ihrer Vernehmung, dass Auftraggeber und Abnehmer der Software die Firma F war. Dies geht aber aus den eingereichten Unterlagen nicht eindeutig hervor. Der Kläger reichte zum Nachweis einen Vertrag ein, den er mit der Firma F im Mai 2014 unterzeichnete, sowie eine Rechnung, die er an die Firma F für seine erbrachten Leistungen am 30.10.2014 ausstellte. Aus dem Vertrag geht nach Ansicht des erkennenden Senats aber nicht eindeutig hervor, dass der Kläger an die Firma F ein Softwarepaket veräußerte, vielmehr wurde danach die Erbringung einer Beratungsleistung, die Durchführung von Berechnungen und eine technische Unterstützung im Rahmen der Einführung eines E vereinbart. Nach den Ausführungen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung war der Abschluss der Service Agreements und eines Technical Agreements erforderlich, da eine Art Testversion der Software an die Firma F überlassen worden sei und es sich um eine Art Testlauf gehandelt habe, so dass eine technische Unterstützung und Begleitung zur Einführung der Software erforderlich war. Dies sei vertraglich festgehalten worden. Aus den eingereichten Verträge und der ausgestellten Rechnung an die Firma F geht dies allerdings nicht eindeutig hervor. Der Kläger schuldete eine Unterstützung bei der Einführung eines E und die Durchführung von Berechnungen und Kalkulationen. Es ist zwar möglich, dass der Kläger diese Leistungen unter Einsatz seiner entwickelten Software erbrachte, dies wurde jedoch nicht ausreichend belegt. Dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, so dass eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung diesbezüglich nicht erforderlich war. Denn zumindest ist erkennbar, dass der Kläger mit der Firma F in einer Vertragsbeziehung stand und daher Kontakte zu dieser Firma hatte. Daher ist es plausibel und nach Aussage sowohl des Klägers als auch des Zeugen B glaubhaft, dass diese Firma zumindest ein Interesse an der Software hatte und als potentieller Abnehmer in Betracht kam. Dies kann als weiteres Indiz dafür herangezogen werden, dass die Tätigkeit des Klägers als Softwareentwickler dem Grunde nach geeignet war, Gewinne zu erzielen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Software in den Streitjahren auch tatsächlich schon veräußert wurde.
bb) Es ist auch glaubhaft, dass der Kläger das Potential der Software bereits zu Beginn seiner Tätigkeit erkannte und damit nach der Erzielung eines Totalüberschusses strebte, denn er war auf Grund seines beruflichen Werdegangs und seiner langjährigen Tätigkeit bei der Firma J, die sich auf diesen Bereich spezialisiert hat, in der Lage, den Bedarf auf dem Markt zu erkennen und realistisch einzuschätzen. Insofern ist es nach Ansicht des erkennenden Senats unschädlich, dass der Kläger zuvor keine Marktanalyse durchführte.
Der Kläger war bemüht, weitere Interessenten zu finden und damit das Produkt zu vermarkten. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters in der mündlichen Verhandlung, welchen Anlass die in den Steuererklärungen 2010 bis 2012 geltend gemachten Dienstfahrten für Beratungsleistungen hatten, antwortete der Kläger nachvollziehbar. Er führte aus, dass die geltend gemachten Fahrtkosten durch seine Vortragstätigkeit verursacht wurden, die auch der Kundenakquise dienen sollte. Dies ist glaubhaft. Anhand der eingereichten Listen ist erkennbar, dass jeweils Fahrten zu Firmen der Automobilbranche unternommen wurden. Der Kläger nutzte letztlich sein bestehendes Netzwerk zur Kundenakquise bzw. etablierte hierdurch ein Netzwerk.
cc) Damit sind die Anlaufverluste des Klägers anzuerkennen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Entwicklung einer Software gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters in der mündlichen Verhandlung, wie oft der Sohn einen derartigen Programmierungscode habe schreiben müssen, erläuterte der Kläger, es habe insgesamt acht Module gegeben, für die jeweils ein Programmierungscode habe geschrieben werden müssen. Ein Modul sei z.B. das Anstellen des Motors gewesen, ein anderes Modul das Abstellen des Motors. Hierbei seien jeweils Störgeräusche angefallen, die der Kläger berechnet habe. Diese Ergebnisse habe der Zeuge B dann codiert. Wie lange eine solche Codierung gedauert habe, konnte der Kläger nicht mehr genau sagen. Auch wenn der Kläger keine konkreten Zeiten benennen konnte, geht aus diesen Ausführungen hervor, dass die Programmierung längere Zeit benötigte. Es handelte sich um einen Entwicklungsprozess, der immer wieder Anpassungen erforderlich machte.
Dass es dann tatsächlich nicht zu der Erzielung eines Totalüberschusses kam, kann dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden. Denn dies ist darauf zurückzuführen, dass der Kläger nach einer Anlauf- und Entwicklungsphase aus gesundheitlichen Gründen seine Tätigkeit einstellen musste.
dd) Die Tatsache, dass die Erzielung eines Totalüberschusses vorgelagert davon abhing, dass es dem Kläger unter der Mithilfe des Sohnes überhaupt gelingt, die entsprechende Software zu entwickeln, ist indes nach Ansicht des erkennenden Senats nicht schädlich. Denn der Kläger und sein Sohn hatten jedenfalls die fachliche Qualifikation und eine entsprechende Berufserfahrung, so dass zumindest ernsthaft damit zu rechnen war, dass eine Softwareentwicklung erfolgreich sein kann und letztlich auch erfolgreich war. Im Übrigen handelte es sich diesbezüglich um ein typisches Unternehmerrisiko, welches jedoch nicht dazu führen kann, dem Kläger die Gewinnerzielungsabsicht von vornherein abzusprechen.
3. Der Kläger kann die geltend gemachten Fremdleistungen in Form der Zahlungen an die Firma A des Zeugen B für die Erbringung von Programmiertätigkeiten als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG abziehen.
Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben alle Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.
Nach den obigen Feststellungen steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass der Kläger in Zusammenarbeit mit der Firma A des Zeugen B die Berechnungssoftware entwickelte, so dass die Aufwendungen, die dem Kläger durch die Zahlungen an die Firma A entstanden sind, durch die selbständige Tätigkeit des Klägers veranlasst wurden.
Die vertragliche Gestaltung zwischen dem Kläger und dem Zeugen B hält auch einem Fremdvergleich stand und ist steuerrechtlich anzuerkennen.
Für die steuerrechtliche Anerkennung eines Vertrags zwischen nahen Angehörigen müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.2021, VIII R 17/19, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ‒ BFHE ‒ 275, 127; Kirchhof/Seer, Kommentar zum EStG, § 4, Tz. 161a):
a) Die Vereinbarung muss zivilrechtlich wirksam sein,
b) es muss eine klare und eindeutige Vereinbarung der Hauptpflichten erfolgt sein,
c) die Vereinbarung muss fremdüblich sein (Fremdvergleich),
d) die Vereinbarung muss tatsächlich durchgeführt worden sein.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
a) Die Beauftragung der Firma A seitens des Klägers erfolgte zivilrechtlich wirksam, insbesondere bestand kein Formzwang, so dass auch eine mündliche Beauftragung Wirksamkeit entfaltete. Der Firmeninhaber der Firma A, der Zeuge B, war in den Streitjahren bereits volljährig, so dass er voll geschäftsfähig war und eigenständig Verträge schließen konnte.
b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart waren, auch wenn zum Nachweis kein schriftlicher Vertrag geschlossen wurde. Denn die Aufgabenverteilung war klar geregelt. Der Kläger hat die fachlichen Gleichungen geschrieben und der Zeuge B hatte die Aufgabe, für diese Gleichungen die Codes zu schreiben und die Benutzeroberfläche sowie die Schnittstellen zu implementieren. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen und die Beweiswürdigung unter Tz. A.II.1. verwiesen. Der Zeuge sollte hierfür ein pauschales Honorar erhalten.
c) Die Vereinbarung hält auch einem Fremdvergleich stand. Insbesondere die Vergütung des Zeugen B ist nach Ansicht des erkennenden Senats nicht unangemessen hoch. Der Zeuge B führte aus, dass er sich bei der Festlegung der Höhe der Vergütung davon habe leiten lassen, dass er über zwei Bachelorabschlüsse verfügte und ihm ein Jahresgehalt für eine Vollzeittätigkeit als Maschinenbauinformatiker in Höhe von … € bis … € angemessen erschien. Dies habe er dann an seine Teilzeittätigkeit angepasst. Diese Berechnung erscheint dem erkennenden Senat unter Berücksichtigung der fachlichen Qualifikation des Zeugen nicht als zu hoch bemessen. Die Tatsache, dass ein Pauschalhonorar vereinbart wurde, schadet hierbei nicht.
d) Die Vereinbarung wurde auch tatsächlich durchgeführt. Der Kläger und der Zeuge B haben gemeinsam ein Produkt geschaffen, diesbezüglich wird auf die Ausführungen unter Tz. A.II.1. verwiesen. Der Zeuge stellte dem Kläger die Leistungen auch nachweislich tatsächlich in Rechnung. Zudem reichte der Kläger entsprechende Zahlungsnachweise zumindest für die Kalenderjahre 2010 und 2012 ein, die belegen, dass der Kläger die vereinbarten Beträge auch an den Zeugen zahlte.
4. Der Kläger kann die geltend gemachten Fahrtkosten als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG abziehen, da diese Fahrten betrieblich veranlasst waren. Wie zuvor dargestellt, dienten diese Fahrten dem Kläger dazu, ein Netzwerk aufzubauen und Kundenakquise zu betreiben.
5. Da der Kläger mit einer Gewinnerzielungsabsicht tätig war, steht ihm der Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 4 EStG auch für die im Übrigen im Rahmen der Anlage Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) angesetzten betrieblich veranlassten Aufwendungen ‒ wie etwa der Telefonkosten ‒ zu.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren erging gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozessordnung.
26.06.2023
Tenor
- Die Einkommensteuerbescheide für 2010, 2011 und 2012 vom 18.03.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 10.06.2016 werden aufgehoben.
- Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
- Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
- Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger hinsichtlich einer erklärten selbständigen Tätigkeit als Softwareentwickler mit einer Gewinnerzielungsabsicht handelte. Sofern eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegen sollte, streiten die Beteiligten weiter um die Frage der Abziehbarkeit von Aufwendungen für erklärte Fremdleistungen, die vom Sohn der Kläger gegenüber dem Kläger erbracht worden sein sollen, sowie um den Abzug geltend gemachter Fahrtkosten.
Die Kläger sind verheiratet und wurden in den Streitjahren 2010 bis 2012 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. In diesen Jahren erzielte der Kläger u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit nach § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) als Professor. In den Einkommensteuererklärungen für 2010 bis 2012 erklärte der Kläger zudem Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 EStG.
Der Kläger erzielte seit dem Veranlagungszeitraum (Vz) 2005 Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit auf dem Gebiet der „Beratung im Bereich …“ und erwirtschaftete bis einschließlich Vz 2015 hieraus insgesamt einen positiven Totalgewinn i.H.v. … €.
In den Steuererklärungen 2010 bis 2012 gab der Kläger als Art der selbständigen Tätigkeit ebenfalls „Beratung im Bereich …“ an. Für den Vz 2010 erklärte der Kläger positive Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit i.H.v. … €, für den Vz 2011 und 2012 erklärte er ausschließlich Verluste aus selbständiger Tätigkeit. Die entsprechenden Betriebseinnahmen in 2010 i.H.v. insgesamt … € ergaben sich ausschließlich durch Auflösung einer Ansparabschreibung für Existenzgründer. Weitere Betriebseinnahmen wurden in den Streitjahren nicht erklärt. Als Betriebsausgaben setzte der Kläger insbesondere Aufwendungen für bezogene Fremdleistungen an, nämlich Zahlungen an die Firma A. Inhaber der Firma A war der Sohn der Kläger, der Zeuge Herr B. Die erklärten Fremdleistungen betrugen im Vz 2010 und 2011 jeweils (brutto) … € und im Vz 2012 … €. Neben diesen Betriebsausgaben machte der Kläger noch Fahrtkosten für „Dienstfahrten für die selbständige Beratertätigkeit“, Telefonkosten und sonstige Betriebsausgaben in geringem Umfang geltend, sowie in 2010 einen weiteren Investitionsabzugsbetrag für die beabsichtigte Anschaffung eines gebrauchten Pkws i.H.v. … €.
In der Anlage Vermietung und Verpachtung zur Steuererklärung betreffend das Objekt C in D erklärten die Kläger zudem jeweils Einkünfte nach § 21 EStG aus der Vermietung des Dachgeschosses i.H.v. jährlich … € abzüglich der Werbungskosten. Bei dem Objekt handelt es sich um ein von den Klägern bewohntes Haus. Vertragspartner des Mietvertrags und Mieter für die Räume im Dachgeschoss (ein rund 44 m² großes Dachstudio) war der Sohn der Kläger B mit seiner Firma A.
Der Steuererklärung 2010 war eine nicht datierte Rechnung der Firma A an den Kläger (Rechnungs-Nr. 2010 1201) in Kopie beigefügt. Darin wurde ein Betrag i.H.v. pauschal … € (12 × … €) für „Softwareentwicklung Maschinenbau und Motorsimulation im Jahr 2010“ zuzüglich einer Materialpauschale inklusive PC und Materialproben i.H.v. … €, insgesamt … € netto (… € brutto) in Rechnung gestellt. Abzüglich eines verrechneten Betrages für Büromieten i.H.v. … € (12 × … €) ergab sich ein verbleibender Zahlbetrag i.H.v. … €. Auf der Rechnung ist handschriftlich der Vermerk „Betrag erhalten“ sowie eine Unterschrift des Firmeninhabers und ein Firmenstempel der Firma A angebracht.
Im Rahmen der Veranlagungstätigkeit für den Vz 2010 forderte der Beklagte von den Klägern Zahlungsnachweise für die bezogenen Fremdleistungen in 2010 an. Die Kläger legten daraufhin erneut eine Rechnung der Firma A mit der Rechnungs-Nr. 2010 1201 in Kopie vor, nunmehr datiert auf den 15.12.2010. Diese wies jedoch ein anderes Layout auf, als die Rechnung mit identischer Rechnungsnummer, welche der Steuererklärung beigefügt war. In dieser Rechnung berechnete der Sohn der Kläger pauschal einen Betrag von … € netto für das gesamte Jahr 2010 für die „Softwareentwicklung im Bereich Maschinenbau und Simulationstechnik“. Der Bruttobetrag von … € wurde beglichen durch Verrechnung mit Mietzahlungen in Höhe von … € (12 x … €) sowie elf monatlichen Abschlägen in Höhe von je … €. Die verbleibende Restsumme betrug … €. Auf der Rechnung ist handschriftlich vermerkt: „Betrag dankend erhalten“. Versehen wurde dies ‒ ebenfalls handschriftlich ‒ mit einer Unterschrift, der Datumsangabe 16.12.2010 sowie einem Stempel der Firma A. Hinsichtlich der elf Abschlagszahlungen legte der Kläger für jeden Monat von Januar bis November 2010 Barquittungen über die Zahlung von jeweils … € brutto (… € netto) vor. Die Quittungen waren jeweils mit einem Stempel der Firma A und einer Unterschrift versehen.
Der Beklagte führte daraufhin die Veranlagungen 2010 bis 2012 zunächst weitestgehend erklärungsgemäß durch. Die jeweiligen Einkommensteuerbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Prüfungsanordnung vom 27.10.2014 ordnete der Beklagte bei dem Kläger eine steuerliche Außenprüfung für die Jahre 2010 bis 2012 an.
Im Zuge der Außenprüfung legten die Kläger dem Prüfer die bereits im Veranlagungsverfahren vorgelegte Rechnung der Firma A zum Nachweis der Fremdleistungen für das Jahr 2010 vor. Darüber hinaus legten sie dem Prüfer noch die Rechnungen der Firma A Nr. 2011 1201 (undatiert) für „Softwareentwicklung Maschinenbau und Motorsimulation im Jahr 2011“ vor. Mit der Rechnung für 2011 wurde ein Pauschalbetrag i.H.v. … € (12 × … €) zuzüglich einer Materialpauschale inklusive PC und Materialproben i.H.v. … €, insgesamt … € netto in Rechnung gestellt. Die Gesamtsumme i.H.v. … € brutto wurde verrechnet mit der Büromiete i.H.v. … € (12 × … €), so dass sich ein Zahlbetrag von … € ergab. Vermerke zur Zahlung dieses Betrages wurden auf der Rechnung nicht angebracht.
Darüber hinaus legten sie die Rechnung Nr. 2012 1201 vom 28.12.2012 für „Softwareentwicklung im Bereich Maschinenbau und Simulationstechnik für das Jahr 2012“ vor. Mit der Rechnung für 2012 wurde ein Pauschalbetrag i.H.v. … € netto (… € brutto) in Rechnung gestellt. Die Gesamtsumme wurde auch hier verrechnet mit der Jahresbüromiete i.H.v. … € sowie monatlichen Abschlägen in Höhe von insgesamt … €. Hinsichtlich des Restbetrages i.H.v. … € ist auf der Rechnung maschinenschriftlich angegeben: „Restbetrag am 28.12. dankend erhalten“. Einen Quittierungsvermerk enthielt auch diese Rechnung nicht.
Auf Nachfrage des Betriebsprüfers welche Software der Kläger unter Mithilfe seines Sohnes entwickelt habe, erklärten die Kläger am 14.12.2014, dass es sich vorliegend um eine Berechnungssoftware im Bereich „E (Bereich der Motorlagerungssysteme)“ handeln würde. Die Software sei noch in der Entwicklung und habe daher noch keine Marktreife erlangt. Zu der Frage des Prüfers, warum in den Jahren 2010 bis 2012 keine Betriebseinnahmen erzielt worden seien, erklärten die Kläger im Dezember 2014, dass die zu entwickelnde Software durch die aktuelle Marktentwicklung erschwert worden sei. Hintergrund sei der vermehrte Einsatz von Hybridfahrzeugen. Solche, wie auch reine Elektrofahrzeuge, hätten eine komplette Überarbeitung der Software erfordert. Geplant sei, die Software im Jahr 2015 zu verkaufen. Man rechne insoweit mit einem Verkaufserlös i.H.v. … € bis … €. Dieser würde sich wie folgt zusammensetzen: Verkaufspreis der Software … € sowie laufende Lizenzgebühren in Höhe von ca. 30 Kunden mal … € pro Jahr. Der Bruder des Klägers sei im Im- und Export tätig und solle den Vertrieb im Ausland übernehmen.
Im Betriebsprüfungsbericht vom 12.02.2015 verneinte der Betriebsprüfer das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht in Bezug auf die selbständige Tätigkeit des Klägers als Softwareentwickler, so dass die erklärten Verluste nicht anzuerkennen seien. Es fehle insofern an einem nachvollziehbaren Konzept. Insbesondere im Hinblick auf die anvisierten Einnahmen ab dem Vz 2015 sei nicht nachgewiesen worden, an wen die Software verkauft werden soll. Die Fremdleistungen seien zudem ausschließlich durch den Sohn der Kläger erbracht und jeweils pauschal in Rechnung gestellt worden. Welche Leistungen tatsächlich erbracht worden seien und auf welcher vertraglichen Basis abgerechnet worden sei, sei nicht erkennbar. Auffällig sei, dass in 2010 und 2011 die gleichen Beträge abgerechnet wurden. Die erklärten Fahrtkosten könnten ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Was Anlass der jeweiligen Fahrt gewesen sei, sei vom Kläger nicht offengelegt worden. Ein betrieblicher Zusammenhang sei damit nicht erkennbar.
Die Veranlagungsstelle des Beklagten folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ am 18.03.2015 entsprechende Änderungsbescheide über die Einkommensteuer 2010 bis 2012. Hierbei legte der Beklagte Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit des Klägers i.H.v. … € für den Vz 2010 sowie jeweils null Euro für den Vz 2011 und den Vz 2012 zu Grunde.
Gegen die Änderungsbescheide legten die Kläger am 01.04.2015 jeweils Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass die Feststellungen des Prüfers und insbesondere die Annahme einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht bei der selbstständigen Tätigkeit unrichtig seien. Es sei mehrmals mitgeteilt worden, dass es sich um eine langfristige Softwareentwicklung handeln würde. Im Jahr 2014 sei dem Kläger ein Auftrag von der Firma F (Firma F) erteilt worden. In diesem Zusammenhang legten die Kläger eine Rechnung vom 30.10.2014, erteilt an die Firma F, vor. Aus dieser Rechnung (in englischer Sprache) geht hervor, dass ein E bei der Firma F eingeführt werden sollte. Der Kläger stellte der Firma F Berechnungs- und Kalkulationsleistungen und Leistungen für die technische Unterstützung in Rechnung. Der Rechnungsbetrag belief sich auf … €. Weiterhin reichten die Kläger eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) für das Jahr 2014 sowie für den Zeitraum Januar bis April 2015 ein. Zu der BWA 2015 erläuterten die Kläger, dass hier bereits die Einnahmen von … € angesetzt worden seien, ein Zahlungseingang allerdings noch nicht erfolgt sei. Der Auftraggeber ‒ die Firma F ‒ habe wirtschaftliche Probleme, der Kläger rechne mit einer Zahlung bis Ende Juni 2015.
Im Verlauf des Einspruchsverfahrens (und später im Klageverfahren) legten die Kläger zudem Kopien eines Vertrages zwischen der Firma F und dem Kläger („G“) nebst Technischer Vereinbarung („H“) im Original sowie in deutscher Übersetzung (übersetzt durch den Kläger) vor. Nach der Präambel des Vertrages entwickelt und produziert die Firma F als Hersteller Kraftfahrzeuge und der Kläger betreibt ein technisches Unternehmen, welches sich auf Berechnungen im Automobilbereich spezialisiert hat. Gegenstand des Vertrages ist die Erbringung von Beratungsleistungen vom Kläger an die Firma F sowie ein technischer Support im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Design eines E (vgl. Art. 1 der Vereinbarung). Nach Art. 3 des Vertrages beläuft sich der Zeitraum der Leistungserbringung auf den Zeitraum vom 30.05. bis 30.09.2014. Für seine Leistung soll der Kläger eine Servicegebühr i.H.v. … € erhalten, inklusive 6,72 % ausländischer Umsatzsteuer.
Nach der Technischen Vereinbarung sind die wichtigsten Arbeitsinhalte die Berechnung der Drehmomentachse, die Auslegung sowie die Energieberechnung des Engine Mounting Systems und Auslegung der Energieverteilung nach sechs Freiheitsgraden. Nach Ziffer II. der Technischen Vereinbarung übermittelt der Kläger den Berechnungsbericht des Engine Mounting Systems und die dazu-gehörigen Berechnungsdaten und legt einen Bericht über die Auslegung des hydraulischen Motorlagers vor.
Am 11.12.2015 wurde auf dem Konto der Kläger bei der I eine Überweisung der Firma F i.H.v. … € gutgeschrieben.
Mit Einspruchsentscheidung vom 25.11.2015 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung war adressiert an die Kläger persönlich und wurde mit einfachem Brief versandt. Mit Schreiben vom 10.02.2016 zeigte der Prozessbevollmächtigte dem Beklagten gegenüber die Vertretung der Kläger im Einspruchsverfahren an und bat um Fristverlängerung für die Fertigung einer Stellungnahme. Mit Schreiben vom 14.04.2016 unterrichtete der Beklagte den Prozessbevollmächtigten darüber, dass das Einspruchsverfahren bereits beendet sei durch Erlass der Einspruchsentscheidung am 25.11.2015. Der Prozessbevollmächtigte teilte daraufhin dem Beklagten mit, dass seine Mandanten die Einspruchsentscheidung vom 25.11.2015 nicht erhalten hätten und bat um Übersendung der Einspruchsentscheidung an den Prozessbevollmächtigten. Mit Schreiben vom 08.06.2016 übersandte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten eine Ausfertigung der Einspruchsentscheidung vom 25.11.2015. Das Übersendungsschreiben vom 08.06.2016 und die Kopie der Einspruchsentscheidung wurden dem Prozessbevollmächtigten zusammen mit einer Einspruchsentscheidung für den Veranlagungszeitraum 2013 vom 08.06.2016 laut Postzustellungsurkunde am 10.06.2016 förmlich zugestellt.
Hiergegen haben die Kläger am 05.07.2016 Klage erhoben.
Die Kläger haben mit der am 05.07.2016 eingereichten Klage zunächst Klage erhoben wegen Einkommensteuer 2010 bis 2013. Mit Beschluss vom 24.04.2019 hat der erkennende Senat das Verfahren getrennt in das Verfahren 3 K 631/19 wegen Einkommensteuer 2013 und in das Verfahren 3 K 1249/21 wegen Einkommensteuer 2010 bis 2012. Der zuständige Berichterstatter hat das Verfahren 3 K 631/19 mit Beschluss vom 03.07.2019 eingestellt, nachdem der Beklagte mit Datum vom 23.03.2018 einen Änderungsbescheid betreffend die Einkommen-steuer 2013 erlassen hat und die Kläger die Klage wegen Einkommensteuer 2013 zurückgenommen haben.
Die Kläger tragen vor, dass der Kläger neben seinem Beruf als Professor noch als selbstständiger Unternehmer und Softwareentwickler im Bereich der Simulationstechnologie tätig gewesen sei. Er sei insbesondere spezialisiert auf den Bereich Maschinenbau und dort auf den Bereich Mechatronik. Bereits in der Vergangenheit, vor seiner Tätigkeit als Professor, sei der Kläger bei der Firma J (Firma J) beschäftigt und dort in demselben Bereich, der Softwareentwicklung für Fahrzeugsimulationstechnik, tätig gewesen. Daher habe er über das entsprechende Know-how sowie die erforderlichen Kontakte verfügt, die für die Entwicklung und Vermarktung der Software erforderlich gewesen seien. So habe er bereits seit 2003 Kontakte zu Geschäftspartnern gehabt.
In den Jahren 2010 bis 2012 sei er mit der Entwicklung einer komplexen Software für Fahrzeugtechnik beschäftigt gewesen. Hierbei sei es um eine Softwareentwicklung im Bereich der Fahrzeugsimulationstechnik und zwar konkret um die Vermeidung von Störgeräuschen im Fahrzeugbau gegangen. Hintergrund sei, dass Eigenschwingungen und die hieraus resultierenden Störgeräusche als sehr unangenehm empfunden würden. Bei der streitgegenständlichen Software würde es sich um ein Softwarepaket handeln. Die entwickelte Software beziehe sich auf den Bereich der Aggregatlagerung von Kraftfahrzeugen. Die Entwicklung sei mit dem Ziel erfolgt, die Software am Markt an einen Automobilhersteller zu verkaufen.
Begonnen habe man mit der Entwicklung bereits im Jahre 2008 und zwar von Anfang an unter Mithilfe des Sohnes. Dieser habe ebenfalls einen Geschäftsbetrieb und sei schließlich für einen Teil der Softwareentwicklung als Subunternehmer beauftragt worden, wobei die Hauptleistung des Sohnes darin bestanden habe, die Software nach den Vorgaben des Klägers zu programmieren. Der übliche Stundensatz von Ingenieuren mit dem Kenntnisgrad des Sohnes würde bei über … € liegen. Ungeachtet dessen habe auch die Schwierigkeit bestanden, überhaupt einen Ingenieur zu finden, der in diesem Spezialbereich tätig ist und Kapazitäten frei hat. Auch gehe aus den Rechnungen hervor, welche Tätigkeiten der Sohn in Rechnung gestellt habe. Der Sohn habe konkrete Leistungen erbracht und die an ihn gezahlten Beträge versteuert.
Der Sohn sei auch entsprechend qualifiziert. Im November 2009 habe er ein Bachelor-Studium der Sinologie (Hauptfach) und der Mathematik (Nebenfach) beendet. Anschließend habe er im Januar 2013 seinen Master in Sinologie sowie im September 2014 den Master im Fach Computational Engineering erhalten. Er habe eine hohe Begabung für Mathematik, EDV und Programmierung und sei daher in seinen Fähigkeiten einem qualifizierten Softwareingenieur vergleichbar. Der Sohn der Kläger habe seinem Vater bereits als Schüler bei dessen Tätigkeit als Maschinenbauingenieur bei der Firma J unterstützt. Bereits im Alter von 14 Jahren sei der Sohn wegen seiner großen technischen und mathematischen Begabungen von seinem Vater in diesem Betrieb eingesetzt worden. Er habe dort parallel zur Schule in Form von Schulpraktika mitgeholfen.
Schriftliche Verträge, Dokumentationen, E-Mails, sonstige Aufzeichnungen habe es aufgrund des großen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und seinem Sohn nicht gegeben. Sämtliche Details seien ausschließlich mündlich besprochen worden. Der Arbeitsaufwand des Sohnes habe bei circa 10-15 Stunden je Woche gelegen.
Hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der Abwicklung des Vertrages mit der Firma F tragen die Kläger vor, dass Vorauszahlungen aufgrund einer Beta-Testversion erfolgt seien. Bei jeder Software gebe es eine Version, die auf den Markt komme. Hierfür sei ‒ wie im vorliegenden Fall ‒ auch der volle Betrag zur Zahlung fällig. Zum Vergleich könne die Veröffentlichung eines neuen Betriebssystems herangezogen werden. Hierfür würden über Jahre hinweg immer wieder Updates oder Revisionen veröffentlicht. Die Kunden würden jedoch nur einmal (beim Ankauf der Software) den Kaufpreis zahlen. Vorliegend sei die Rechnungsstellung am 30.10.2014 gerechtfertigt gewesen. Denn die Softwareversion sei zu diesem Zeitpunkt so weit entwickelt und fertiggestellt gewesen, dass sie Marktreife gehabt habe und habe verkauft werden können.
Einen Businessplan habe es nicht gegeben. Der Kläger sei aufgrund seiner Dozententätigkeit und seiner Kontakte in die Automobilbranche mit einem guten Netzwerk ausgestattet gewesen.
Es sei branchenüblich, dass bei der Entwicklung solch komplexer Software zunächst hohe Vorlaufkosten anfallen würden, gegebenenfalls über mehrere Jahre. Zu den ursprünglich weiteren erwarteten Einnahmen sei es letztendlich nur deshalb nicht mehr gekommen, weil der Kläger sich krankheitsbedingt ab dem Jahr 2015 aus dem Geschäftsleben zurückgezogen habe.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Kläger wird auf die im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze vom 14.11.2016, vom 25.02.2019, vom 17.06.2019 und vom 11.11.2019 sowie auf die Ausführungen des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 26.06.2023 verwiesen.
Die Kläger beantragen,
1. die Änderungsbescheide zur Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 2010, 2011 und 2012, alle vom 18.03.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 10.06.2016 aufzuheben;
2. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen;
3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass vorliegend im Hinblick auf die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in den Streitjahren keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegen würde. Zur Überprüfung dieses subjektiven Tatbestandsmerkmals sei auf äußere Indizien abzustellen, d.h. es müsse anhand objektiver Umstände auf das Vorliegen der Absicht geschlossen werden können.
In den Streitjahren seien keinerlei Einnahmen aus der angegebenen Tätigkeit als Softwareentwickler erzielt worden. Es liege auch kein nachvollziehbares Konzept vor und es sei auch bei den vom Sohn erbrachten Fremdleistungen nicht erkennbar, welche Leistungen tatsächlich erbracht wurden. Eine konkrete und überzeugende Darlegung dahingehend, welche Software genau entwickelt und zu welchem Zeitpunkt konkret mit der Entwicklung begonnen worden sei, fehle. Die Kläger hätten es bislang trotz mehrmaliger Aufforderung unterlassen ihr Vorbringen unter Vorlage entsprechender Nachweise zu konkretisieren und zu belegen. Die Konzeption und Entwicklung neuer Software in dem vom Kläger benannten Bereich müsse jedoch ein konkretes Ziel haben. Notwendig sei auch ein Anforderungsprofil dahingehend, welche Neuentwicklung simuliert und begleitet werden soll. Üblicherweise würden Autohersteller zudem eigene Entwicklungsabteilungen für derartige Aufgaben haben und/oder würden derartige Softwareentwicklungen in einem Team verschiedener Professionen erfolgen.
Auch seien keine Unterlagen zu möglichen Ertragserwartungen, einer Kosten-Nutzen-Analyse, einem Betriebsentwicklungsplan, einer Marktanalyse, o.ä. vorgelegt worden. Entsprechendes gelte auch für Dokumentationen, Unterlagen über Abstimmungen, sonstige Unterlagen oder Korrespondenz mit dem Auftraggeber. Keine Aussagen hätten die Kläger zudem dahingehend gemacht, welche speziellen Interessenten aus damaliger Sicht des Klägers als Kunden in Betracht gekommen seien, durch welche Maßnahmen Aufträge mit Kunden angebahnt werden sollten und welche Kunden (wann) Interesse an einer Zusammenarbeit oder Auftragserteilung gezeigt haben.
Eine Gewinnerzielungsabsicht könne vorliegend auch nicht unter dem Gesichtspunkt bejaht werden, dass der Kläger in den Jahren 2005-2009 eine freiberufliche selbständige Tätigkeit ausgeübt und hierbei Gewinne erzielt habe. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es sich um gleichartige Tätigkeiten handeln würde. Eine Gleichartigkeit der Tätigkeiten sei jedoch nicht gegeben. Denn in den Jahren bis 2009 habe der Kläger eine Beratungstätigkeit ausgeübt. Im Unterschied dazu sei die Tätigkeit ab 2010 als Softwareentwicklung einzustufen.
Ungeachtet dessen könnten die Betriebsausgaben für die behaupteten Fremdleistungen des Sohnes vorliegend auch deswegen nicht anerkannt werden, da diese, respektive das zugrundeliegende Vertragsverhältnis, einem Fremdvergleich nicht standhalten würden.
Es könne auch nicht nachvollzogen werden, dass und inwieweit der Sohn in diesem Bereich spezialisiert und ein ausgewiesener Fachmann sein soll. Ein fundiertes Fachwissen sowie eine fundierte Erfahrung seien zumindest fraglich.
Der Vortrag der Kläger sei zudem an vielen Punkten widersprüchlich. So hätten diese im Rahmen der bis Februar 2015 laufenden Betriebsprüfung nicht auf den zum damaligen Zeitpunkt bereits abgeschlossenen Vertrag mit F aus Mai 2014 hingewiesen oder diesen vorgelegt. Das gleiche gelte für die am 30.10.2014 ausgestellte Rechnung. Stattdessen habe man dem Prüfer noch im Dezember 2014 mitgeteilt, dass sich die Software noch in der Entwicklung befinde, noch keine Marktreife erlangt habe und man in 2015 mit Erlösen rechne. Die Behauptungen der Kläger stünden weiter auch im Widerspruch zu der Vereinbarung mit der Firma F. Denn danach sei lediglich ein technischer Support für die Entwicklung und Konstruktion eines E sowie die Lieferung von Berechnungsberichten nebst zugehörigen Berechnungsdaten vereinbart gewesen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beklagten wird auf die im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze vom 12.12.2016, vom 16.04.2019, vom 25.07.2019 und vom 13.12.2019 verwiesen.
Der erkennende Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Herrn B als Zeugen. Wegen des Beweisthemas wird auf den Beweisbeschluss vom 29.01.2020 und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift vom 26.06.2023 Bezug genommen. Zudem hat der Senat das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet und diesen informatorisch angehört.
Dem Gericht lagen die Einkommensteuerakten 2010 bis 2012, ein Sonderband Einnahmenüberschussrechnung (EÜR), ein Sonderband Rechtsbehelfsverfahren sowie das Fallheft der Betriebsprüfung vor und waren Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe
A. Die Klage hat Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung ‒FGO‒).
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere hat ein erfolglos durchgeführtes Vorverfahren gemäß § 44 Abs. 1 FGO stattgefunden, welches mit der Einspruchsentscheidung vom 10.06.2016 wirksam beendet wurde.
Die Einspruchsentscheidung vom 25.11.2015 wurde nicht wirksam bekannt gegeben, da die Kläger den Zugang dieser Entscheidung bestreiten und der Beklagte einen Zugang der Einspruchsentscheidung in den Machtbereich der Kläger nicht nachweisen konnte.
Wenn die Zustellung im Besteuerungsverfahren durch Zusendung eines einfachen Briefes erfolgt, besteht gegenüber dem den Empfang bestreitenden Steuer-pflichtigen keine gesetzliche Vermutung über den Zugang des Briefes (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‒BFH‒ vom 23.09.1966, III 226/63, Bundessteuerblatt ‒BStBl‒ III 1967, 99). Der Behörde obliegt daher der volle Beweis des Zugangs überhaupt, dieser konnte vorliegend nicht erbracht werden.
Die Einspruchsentscheidung der betreffenden Streitjahre wurde damit erstmals am 10.06.2016 wirksam an die Prozessbevollmächtigten zugestellt. Die Tatsache, dass der Beklagte lediglich eine Kopie der ursprünglich unter dem Datum vom 25.11.2015 erlassenen Einspruchsentscheidung zustellte, führt nicht zu einer unwirksamen Zustellung. Denn der Beklagte hatte seinen ursprünglich gefassten Bekanntgabewillen zwischenzeitlich nicht aufgegeben.
Nach der Rechtsprechung des BFH können der Bekanntgabewille und damit eine wirksame Bekanntgabe auch darin zum Ausdruck kommen, dass nicht die Originalausfertigung, sondern eine Fotokopie des Verwaltungsakts versandt wird. Wird die Ablichtung eines zutreffend adressierten Verwaltungsakts erneut übermittelt, so erfüllt dies die Voraussetzungen einer wirksamen Bekanntgabe selbst dann, wenn bei der Übermittlung der Kopie der Beamte in der Vorstellung handelt, die Urschrift sei bereits bekannt gegeben und er damit die Vorstellung hat, eine Bekanntgabe dadurch nicht bewirken zu wollen. Der Beamte hat hier zwar in diesem Moment keinen Willen zur Bekanntgabe; er hat diesen Willen, den er bei der ursprünglichen Bekanntgabe hatte, jedoch nicht aufgegeben, so dass seine Fortwirkung und - damit eine wirksame Bekanntgabe - angenommen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 15.01.1991, VII R 86/89, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH ‒BFH/NV‒ 1992, 81; BFH-Urteil vom 23.02.1994, X R 27/92, BFH/NV 1994, 768; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung (AO), § 122, Tz. 46).
II. Die Klage ist auch begründet. Die Kläger haben zur Überzeugung des erkennenden Senats i.S.d. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nachweisen können, dass der Kläger in den Streitjahren in Bezug auf seine selbständige Tätigkeit als Softwareentwickler mit einer Gewinnerzielungsabsicht tätig wurde. Weiterhin, dass er im Rahmen dieser Tätigkeit Fremdleistungen der Firma A seines Sohnes, dem Zeugen B, bezog, die er ‒ ebenso wie die übrigen betrieblich veranlassten Aufwendungen ‒ als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG abziehen kann.
1. Der Kläger konnte mit der für eine Überzeugungsbildung des Gerichts nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ausreichenden Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass er im Streitzeitraum unter Mithilfe seines Sohnes eine Berechnungssoftware für die Vorentwicklung geräuschloser Fahrzeuge entwickelt hat. Auch der Beklagte hat zuletzt in der mündlichen Verhandlung nicht mehr angezweifelt, dass dieses Produkt entstanden ist.
Dies steht nach dem Akteninhalt, der durchgeführten Beweisaufnahme und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ‒ mithin nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ‒ zur Überzeugung des erkennenden Senats fest.
Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Maßgeblich ist die richterliche Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Tatsachen. Das ist weniger als eine (kaum erreichbare) Gewissheit, aber mehr als nur ein überwiegender Grad von Wahrscheinlichkeit, nämlich ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er nach der Lebenserfahrung praktisch der Gewissheit gleichkommt. Hierzu bedarf es einer Gesamtwürdigung aller entscheidungserheblichen Umstände. Als erwiesen ist ein Sachverhalt nach der Grundregel des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO demzufolge anzusehen, wenn er sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt.
Dies ist vorliegend der Fall.
a) Dies folgt zunächst aus der glaubhaften Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Der Kläger konkretisierte den schriftsätzlichen Vortrag und legte substantiiert dar, welche selbständige Tätigkeit er in den Streitjahren ausübte. Er schilderte nachvollziehbar, welchen Zweck die Software erfüllen sollte und wie er auf die Idee gebracht wurde, eine derartige Software zu entwickeln. Nach seiner Aussage sei er auf die Idee gekommen, eine derartige Berechnungssoftware zu entwickeln, da ein ehemaliger Kommilitone von ihm bei ihm angefragt habe, ob es möglich sei eine entsprechende Software zu entwickeln. Ziel sei es gewesen, eine Berechnungssoftware zu entwickeln, die es Firmen der Automobilbranche im Bereich der Vorentwicklung von Kraftfahrzeugen ermögliche, Störgeräusche die insbesondere der Motor eines Fahrzeuges verursache, möglichst zu verringern oder zu vermeiden. Derartige Störgeräusche würden anfallen durch Vibrationen, welche bei der Fahrt durch die Straße verursacht werden, aber z.B. auch beim Anlassen und Abstellen des Fahrzeugs, etwa durch den Motor, also innerhalb des Fahrzeuges durch den Abrieb bzw. die Eigenschwingungen der Fahrzeugteile. Daher seien die Hersteller von Fahrzeugen bzw. von Fahrzeugteilen sehr daran interessiert, die Fahrzeuge oder Fahrzeugteile so zu konzipieren, dass möglichst wenige Störgeräusche durch Vibration oder Abrieb/ Eigenschwingungen entstünden. Durch die konkrete Anfrage seines Kommilitonen, der bei der Firma F arbeite, sei sein Ehrgeiz geweckt worden, eine entsprechende Berechnungssoftware zu entwickeln, die im Bereich der Vorentwicklung von Fahrzeugen eingesetzt werden könne und als eine Art Rohversion dann an den jeweiligen Interessenten und dessen Bedürfnisse angepasst werden könne. Die Programmierung sei auf der Basis von Microsoft Excel erfolgt. Der Kläger habe über die erforderliche Fachkenntnis verfügt. Sein gesamter beruflicher Werdegang habe ihn befähigt, eine entsprechende Software zu entwickeln. Daher habe der Kläger seine Fachkenntnisse genutzt und diese mit den Fähigkeiten seines Sohnes vereint, um eine entsprechende Software zu entwickeln. Sein Sohn habe als Maschinenbauinformatiker die entsprechenden Programmierungscodes geschrieben.
b) Diese Aussage ist glaubhaft, die Schilderungen des Klägers erfolgten sachlich, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Dabei konnte der Kläger auch die Nachfragen des erkennenden Senats in der mündlichen Verhandlung zum besseren Verständnis des verfolgten Projekts und der diesbezüglichen Tätigkeiten durchweg souverän und in sich schlüssig beantworten.
Die Aussage des Klägers wird gestützt durch die Tatsache, dass der Kläger Maschinenbau studierte und im Streitzeitraum als Professor im Bereich Fahrzeugtechnik tätig war. Vor seiner Tätigkeit als Professor war er mehrere Jahre bei der Firma J beschäftigt. Entsprechend des Internetauftritts der Firma J zählt zu deren Kernproduktfeldern im Automobilbau die Akustik, die Aktuatorik und Polymersysteme. Die Firma J entwickelt und produziert Komponenten für den Automobilbau, die den akustischen Komfort und die Sicherheit des Automobils verbessern sollen. Demnach ist es glaubhaft, dass der Kläger sich die für die Entwicklung einer entsprechenden Software erforderlichen Fachkenntnisse im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit aneignete und damit nicht nur fachlich in der Lage war, eine entsprechende Software zu entwickeln, sondern auch über ein Netzwerk für eine entsprechende Vermarktung der Software verfügte.
c) Die Darstellung des Klägers wird weiter gestützt durch die Aussage des Zeugen B, dem Sohn des Klägers. Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft und der Zeuge ist glaubwürdig.
Dieser konnte die Aussage des Klägers bestätigen und zudem weiter konkretisieren. Der Zeuge erläuterte, dass sein Vater in den Streitjahren eine Software entwickelte, die im Bereich der Aggregatlagerung eingesetzt werden sollte. Im Rahmen des Projekts seines Vaters sei er für die Implementierung der Benutzeroberfläche und die basic-basierten Schnittstellen des Programms zuständig gewesen. Der Kläger habe die fachspezifischen Gleichungen geschrieben. Er sei für die Implementierung der Gleichungen in dem Programm zuständig gewesen. Hierfür habe er die Codierungen geschrieben, die für die Implementierung der Benutzeroberfläche und der Schnittstellen erforderlich gewesen seien.
aa) Diese Zeugenaussage ist glaubhaft, die Schilderungen des Zeugen erfolgten sachlich, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Auch der Zeuge B beantwortete die an ihn im Rahmen der Vernehmung gerichteten Fragen durchweg souverän. Seine Aussage wird zudem gestützt durch seinen beruflichen Werdegang. Insbesondere ergab sich erst im Rahmen der Zeugenvernehmung, dass der Zeuge parallel zwei Bachelorstudiengänge absolvierte. So absolvierte er neben dem Bachelorstudiengang Sinologie im Haupt- und Mathematik im Nebenfach einen weiteren Bachelorstudiengang und legte im Jahr 2010 den Bachelor im Fach Maschinenbauinformatik ab. Den Master im Fach Computational Engineering (Maschinenbauinformatik) schloss er im September 2014 ab. Mit den im Rahmen des Bachelorstudiengangs Maschinenbauinformatik erworbenen Kenntnissen hatte der Zeuge bereits im Streitzeitraum die fachliche Kompetenz, die entsprechenden Programmieraufgaben für seinen Vater zu übernehmen.
bb) Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen wird weiterhin dadurch gestützt, dass nach den Ermittlungen des Beklagten der Kläger zwar wohl der Hauptauftraggeber für die Firma A des Sohnes war, aber nicht der einzige Auftraggeber (Bl. 64 der Rechtsbehelfsakte). Zudem hat der Zeuge im Rahmen seiner Steuererklärungen die entsprechenden Betriebseinnahmen erklärt. Dadurch wird untermauert, dass der Sohn mit seiner Firma tatsächlich am Markt aufgetreten ist und Leistungen erbracht hat.
cc) Gegen die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage spricht auch nicht die Tatsache, dass keine Unterlagen hinsichtlich einer Dokumentation der Arbeitsergebnisse oder der Abstimmung der Prozesse untereinander vorgelegt werden konnten. Auf die Nachfrage des Vorsitzenden Richters, ob es zwischen ihm bzw. seiner Firma A und dem Kläger schriftliche Vereinbarungen gegeben habe, antwortete der Zeuge souverän und gab eine nachvollziehbare Erklärung ab. Er führte aus, dass dies nicht erforderlich war, da eine funktionsorientierte Dokumentation stattgefunden habe. Dies bedeutet, dass die entsprechenden Ergebnisse in der entwickelten Programmversion selbst dokumentiert und dann gemeinsam am Laptop begutachtet wurden, um zu besprechen, ob Änderungen erforderlich waren. Der Zeuge erläuterte diesbezüglich, dass es sich um den sogenannten Bottom-Up-Ansatz handele, der im Bereich der Softwareentwicklung u.a. Anwendung finde und eine übliche Vorgehensweise in der IT-Branche sei. Dabei sei es nicht erforderlich und auch nicht üblich, etwa ein Pflichten- oder Lastenheft zu schreiben.
Dies ist plausibel, da das Arbeitsergebnis letztlich die Software selbst war. Da der Zeuge nach seiner Aussage zumindest zweitweise an den Wochenenden und während den Semesterferien bei den Klägern wohnte, ist es zudem glaubhaft, dass die Abstimmungsprozesse mündlich gemeinsam am Laptop stattfanden und damit eine schriftliche Kommunikation etwa per Mail nicht erforderlich war. Es war letztlich ein offener Entwicklungsprozess, dessen Ergebnisse am Produkt selbst evaluiert wurden.
d) Die Ausführungen des Zeugen zu den konkreten Tätigkeiten werden ‒ ebenso wie die Ausführungen des Klägers ‒ weiterhin untermauert durch die Präsentation der entwickelten Software in der mündlichen Verhandlung. Der Kläger und der Zeuge führten die Benutzeroberfläche vor, die der Zeuge nach den Vorgaben des Klägers programmierte. Nach den Funktionen des Programms konnten unterschiedliche Fahrzeugmotoren ausgewählt werden und sodann Berechnungen durchgeführt werden. Der Zeuge verdeutlichte, dass es seine Aufgabe war, die Buttons, die auf der Benutzeroberfläche angeklickt werden können, mit einer entsprechenden Funktion zu hinterlegen. Mit dieser Vorführung der Software wurde verdeutlicht, dass tatsächlich ein Produkt ‒ eine Berechnungssoftware ‒ entwickelt worden ist.
e) Der Zeuge und der Kläger machten auf den erkennenden Senat auch einen glaubwürdigen Eindruck. Beide sprachen ruhig und sachlich und machten deutlich, wenn sie sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern konnten. Äußere Anzeichen, die auf eine Unrichtigkeit ihrer Aussage hätten hindeuten können, waren nicht erkennbar. Beide zeigten ein sicheres Auftreten und wirkten fachlich sehr kompetent.
Widersprüche, die der Beklagte hinsichtlich des schriftlichen Vortrags im außergerichtlichen Verfahren und in den Schriftsätzen der Kläger im Gerichtsverfahren aufgezeigt hat, sind wohl darauf zurück zu führen, dass der Kläger ‒ wie er im Rahmen seiner informatorischen Anhörung darlegte ‒ zwar der deutschen Sprache mächtig ist und diese auch versteht, jedoch vereinzelt Schwierigkeiten hat, die juristische Fachsprache zu verstehen und sich dementsprechend verständlich zu äußern. Zudem handelt es sich um eine komplexe Materie, mit der sich der Kläger beruflich beschäftigt, so dass letztlich erst die informatorische Anhörung des Klägers und die Zeugenvernehmung des Sohnes im Zusammenspiel mit der Darstellung der entwickelten Software Klarheit brachte, welche konkreten Tätigkeiten von beiden ausgeübt wurden. Denn auch im Tätigkeitsbereich des Klägers und des Zeugen existiert eine Fachsprache, die nicht immer aus sich heraus verständlich ist und auch eine andere Bedeutung als im Steuerrecht haben kann, etwa was den Begriff der Fertigstellung der Software anbelangt. So schilderte der Zeuge, dass eine Software letztlich niemals endgültig fertig gestellt ist, sondern immer wieder Batches und Updates erforderlich sind. Hiervon zu unterscheiden sei dann die Frage, wann die Software einen Entwicklungsstand erreicht habe, so dass sie nutzbar sei. So kann es im Rahmen der durchgeführten Betriebsprüfung tatsächlich zu Missverständnissen gekommen sein, etwa was den Zeitpunkt der Marktreife anbelangte.
2. Der Kläger handelte auch mit einer Gewinnerzielungsabsicht, denn er handelte in der Absicht, die entwickelte Software gewinnbringend zu veräußern. Dies steht nach dem Akteninhalt, der durchgeführten Beweisaufnahme und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ‒ mithin nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ‒ zur Überzeugung des erkennenden Senats i.S.d. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO fest.
a) Steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 18 EStG setzen voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG zu bejahen sind. Dies setzt bei natürlichen Personen u.a. voraus, dass diese mit einer Einkünfteerzielungsabsicht ‒ bei Einkünften nach § 18 EStG konkreter mit einer Gewinnerzielungsabsicht ‒ handeln (vgl. BFH-Urteil vom 25.06.1984, GrS 4/82, BStBl II 1984, 751; Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 2, Tz. 345). Der Kläger muss sich mit Gewinnerzielungsabsicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt haben. Nur wenn dies der Fall ist, sind die erzielten positiven wie negativen Einkünfte steuerbar. Anderenfalls liegt eine sogenannte Liebhaberei vor, deren Ergebnisse steuerlich unbeachtlich sind (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 18 EStG, Tz. 69).
b) Der Kläger erzielte als Softwareentwickler Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 EStG. Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist die Tätigkeit als Softwareentwickler als ingenieurähnlich anzusehen und damit mit einem in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sogenannten Katalogberuf vergleichbar. Das gilt zumindest dann, wenn ‒ wie vorliegend ‒ nicht bloß eine Trivialsoftware entwickelt wird (vgl. BFH-Urteil vom 04.05.2004, XI R 9/03, BStBl II 2004, 989). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
c) Dabei handelt es sich nicht um die bloße Fortführung der selbständigen Beratertätigkeit des Klägers aus den Vorjahren oder um eine gleichartige Tätigkeit. Die Tätigkeit als Softwareentwickler ist nicht vergleichbar mit einer selbstständigen Beratungstätigkeit. Ungleichartige Tätigkeiten sind hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht getrennt zu beurteilen. Daher ist für die Tätigkeit als Softwareentwickler isoliert zu prüfen, ob der Kläger diesbezüglich mit einer Gewinnerzielungsabsicht handelte. Der mit seiner Beratungstätigkeit erzielte positive Totalüberschuss muss hierbei außer Betracht bleiben.
d) Bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine innere Tatsache handelt, die anhand objektiver Beweiszeichen im Wege der Einzelabwägung zu ermitteln ist.
Dabei sind die besonderen Umstände etwa künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit (z.B. längere Verlustphasen) angemessen zu berücksichtigen. Hiernach können die freiberuflichen Besonderheiten rein betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte im Einzelfall überlagern (vgl. Kirchhof, Kommentar zum EStG, § 18 EStG, Tz. 10).
Die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht erfolgt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zweistufig (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 2 EStG, Tz. 380). So ist zunächst im Wege einer Totalerfolgsprognose zu ermitteln, ob für die entsprechende Tätigkeit ‒ objektiv betrachtet ‒ langfristig mit einem Gewinn zu rechnen ist. Erforderlich ist zudem, dass der Steuerpflichtige ‒ subjektiv betrachtet ‒ nach einer Betriebsvermögensmehrung in Form eines Totalgewinns, also einem positiven Gesamtergebnis (von der Gründung bis zur Veräußerung oder Aufgabe) des Betriebes strebt. Dies erfordert, je nach konkreter Gewinnermittlungsart eine Prognose, also eine in die Zukunft gerichtete langfristige Gesamtbeurteilung (vgl. Schmidt, Kommentar zum EStG, § 15 EStG, Tz. 30).
Die danach erforderliche Prognose des Totalgewinns bzw. allg. des Totalerfolgs kann verschiedene Ergebnisse haben:
Ist die Prognose positiv, d.h. ein Totalgewinn sehr wahrscheinlich, kann von vornherein kein Liebhabereibetrieb vorliegen, erst durch einen späteren Strukturwandel könnte der Betrieb zur Liebhaberei werden. Hierbei sind dann Anlaufverluste in einem angemessenen Umfang anzuerkennen. Ist die Prognose negativ oder unsicher, d.h. ist ein Totalgewinn von vornherein nicht zu erwarten, oder besteht Unsicherheit, ob ein Totalgewinn entstehen wird oder nicht, dann setzt die zweite Stufe der Prüfung ein. Es muss ermittelt werden, wie der Kläger zu der negativen bzw. unsicheren Prognose steht. Hierbei sind objektive Beweisanzeichen zu berücksichtigen. Es liegt keine Liebhaberei vor, wenn der Steuerpflichtige seine Gewinnerzielungsabsicht durch objektive Beweisanzeichen (Wesensart des Betriebs und Art seiner Bewirtschaftung) belegen kann (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 2, Tz. 400). Liebhaberei kommt dann in Betracht, wenn die Tätigkeit auf einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motiven beruht und der Steuerpflichtige sich gerade nicht wie ein Gewerbetreibender bzw. selbständig freiberuflich Tätiger verhält (vgl. Schmidt, a.a.O., Tz. 32).
Nach diesen Grundsätzen ‒ denen der erkennende Senat folgt ‒ ist eine Gewinnerzielungsabsicht des Klägers gegeben.
Es steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass die ausgeübte selbständige Tätigkeit des Klägers als Softwareentwickler infolge der beabsichtigten Vermarktung dieser Software dem Grunde nach geeignet war, Gewinne und langfristig betrachtet einen positiven Totalüberschuss zu erzielen. Die Tätigkeit des Klägers war nach ihrer Art zumindest nicht überwiegend dazu bestimmt, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen. Der Kläger strebte auch danach, mit dieser Tätigkeit langfristig Gewinne zu erzielen.
aa) Denn die entwickelte Software versprach von Beginn an entsprechendes Potential.
So erläuterte der Kläger in der mündlichen Verhandlung, dass er infolge der Anfrage durch seinen ehemaligen Kommilitonen, ob die Programmierung einer entsprechenden Berechnungssoftware im Bereich des E möglich sei, das Potential dieser Software erkannt habe. Der ehemalige Kommilitone sei Mitarbeiter der Firma F gewesen. So habe der Kläger erkannt, dass ein Interesse am Markt besteht.
Diese Aussage, dass die Software ein entsprechendes Potential versprach, wurde durch die glaubhafte Aussage des Zeugen B bestätigt, der schilderte, dass die entwickelte Software auch heute noch beispielsweise für die Firma bei der er als IT-Entwicklungsingenieur derzeit angestellt ist, von Interesse sei.
Es ist auch glaubhaft, dass die entwickelte Software für die entsprechenden Firmen der Automobilbranche interessant war und es damit auch potentielle Abnehmer gab. Denn es ist plausibel, dass Hersteller von Automobilen und Fahrzeugteilen ein Interesse daran haben, mögliche Störgeräusche zu beseitigen. Es gibt Firmen in der Fahrzeugbranche, wie beispielsweise die Firma J, die sich auf derartige Bereiche der Aggregatlagerung spezialisiert haben. Wie zuvor ausgeführt, hält der erkennende Senat den Zeugen B auch für glaubwürdig.
Ein weiteres Indiz für das Potential der Software ist auch, dass es bereits einen Interessenten gab, nämlich die Firma F. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest.
Dass die Firma F die Software im Jahr 2014 tatsächlich schon vom Kläger erwarb, steht hingegen nicht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest. Der Kläger und der Zeuge B erläuterten zwar unabhängig voneinander im Rahmen ihrer Vernehmung, dass Auftraggeber und Abnehmer der Software die Firma F war. Dies geht aber aus den eingereichten Unterlagen nicht eindeutig hervor. Der Kläger reichte zum Nachweis einen Vertrag ein, den er mit der Firma F im Mai 2014 unterzeichnete, sowie eine Rechnung, die er an die Firma F für seine erbrachten Leistungen am 30.10.2014 ausstellte. Aus dem Vertrag geht nach Ansicht des erkennenden Senats aber nicht eindeutig hervor, dass der Kläger an die Firma F ein Softwarepaket veräußerte, vielmehr wurde danach die Erbringung einer Beratungsleistung, die Durchführung von Berechnungen und eine technische Unterstützung im Rahmen der Einführung eines E vereinbart. Nach den Ausführungen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung war der Abschluss der Service Agreements und eines Technical Agreements erforderlich, da eine Art Testversion der Software an die Firma F überlassen worden sei und es sich um eine Art Testlauf gehandelt habe, so dass eine technische Unterstützung und Begleitung zur Einführung der Software erforderlich war. Dies sei vertraglich festgehalten worden. Aus den eingereichten Verträge und der ausgestellten Rechnung an die Firma F geht dies allerdings nicht eindeutig hervor. Der Kläger schuldete eine Unterstützung bei der Einführung eines E und die Durchführung von Berechnungen und Kalkulationen. Es ist zwar möglich, dass der Kläger diese Leistungen unter Einsatz seiner entwickelten Software erbrachte, dies wurde jedoch nicht ausreichend belegt. Dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, so dass eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung diesbezüglich nicht erforderlich war. Denn zumindest ist erkennbar, dass der Kläger mit der Firma F in einer Vertragsbeziehung stand und daher Kontakte zu dieser Firma hatte. Daher ist es plausibel und nach Aussage sowohl des Klägers als auch des Zeugen B glaubhaft, dass diese Firma zumindest ein Interesse an der Software hatte und als potentieller Abnehmer in Betracht kam. Dies kann als weiteres Indiz dafür herangezogen werden, dass die Tätigkeit des Klägers als Softwareentwickler dem Grunde nach geeignet war, Gewinne zu erzielen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Software in den Streitjahren auch tatsächlich schon veräußert wurde.
bb) Es ist auch glaubhaft, dass der Kläger das Potential der Software bereits zu Beginn seiner Tätigkeit erkannte und damit nach der Erzielung eines Totalüberschusses strebte, denn er war auf Grund seines beruflichen Werdegangs und seiner langjährigen Tätigkeit bei der Firma J, die sich auf diesen Bereich spezialisiert hat, in der Lage, den Bedarf auf dem Markt zu erkennen und realistisch einzuschätzen. Insofern ist es nach Ansicht des erkennenden Senats unschädlich, dass der Kläger zuvor keine Marktanalyse durchführte.
Der Kläger war bemüht, weitere Interessenten zu finden und damit das Produkt zu vermarkten. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters in der mündlichen Verhandlung, welchen Anlass die in den Steuererklärungen 2010 bis 2012 geltend gemachten Dienstfahrten für Beratungsleistungen hatten, antwortete der Kläger nachvollziehbar. Er führte aus, dass die geltend gemachten Fahrtkosten durch seine Vortragstätigkeit verursacht wurden, die auch der Kundenakquise dienen sollte. Dies ist glaubhaft. Anhand der eingereichten Listen ist erkennbar, dass jeweils Fahrten zu Firmen der Automobilbranche unternommen wurden. Der Kläger nutzte letztlich sein bestehendes Netzwerk zur Kundenakquise bzw. etablierte hierdurch ein Netzwerk.
cc) Damit sind die Anlaufverluste des Klägers anzuerkennen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Entwicklung einer Software gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters in der mündlichen Verhandlung, wie oft der Sohn einen derartigen Programmierungscode habe schreiben müssen, erläuterte der Kläger, es habe insgesamt acht Module gegeben, für die jeweils ein Programmierungscode habe geschrieben werden müssen. Ein Modul sei z.B. das Anstellen des Motors gewesen, ein anderes Modul das Abstellen des Motors. Hierbei seien jeweils Störgeräusche angefallen, die der Kläger berechnet habe. Diese Ergebnisse habe der Zeuge B dann codiert. Wie lange eine solche Codierung gedauert habe, konnte der Kläger nicht mehr genau sagen. Auch wenn der Kläger keine konkreten Zeiten benennen konnte, geht aus diesen Ausführungen hervor, dass die Programmierung längere Zeit benötigte. Es handelte sich um einen Entwicklungsprozess, der immer wieder Anpassungen erforderlich machte.
Dass es dann tatsächlich nicht zu der Erzielung eines Totalüberschusses kam, kann dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden. Denn dies ist darauf zurückzuführen, dass der Kläger nach einer Anlauf- und Entwicklungsphase aus gesundheitlichen Gründen seine Tätigkeit einstellen musste.
dd) Die Tatsache, dass die Erzielung eines Totalüberschusses vorgelagert davon abhing, dass es dem Kläger unter der Mithilfe des Sohnes überhaupt gelingt, die entsprechende Software zu entwickeln, ist indes nach Ansicht des erkennenden Senats nicht schädlich. Denn der Kläger und sein Sohn hatten jedenfalls die fachliche Qualifikation und eine entsprechende Berufserfahrung, so dass zumindest ernsthaft damit zu rechnen war, dass eine Softwareentwicklung erfolgreich sein kann und letztlich auch erfolgreich war. Im Übrigen handelte es sich diesbezüglich um ein typisches Unternehmerrisiko, welches jedoch nicht dazu führen kann, dem Kläger die Gewinnerzielungsabsicht von vornherein abzusprechen.
3. Der Kläger kann die geltend gemachten Fremdleistungen in Form der Zahlungen an die Firma A des Zeugen B für die Erbringung von Programmiertätigkeiten als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG abziehen.
Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben alle Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.
Nach den obigen Feststellungen steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass der Kläger in Zusammenarbeit mit der Firma A des Zeugen B die Berechnungssoftware entwickelte, so dass die Aufwendungen, die dem Kläger durch die Zahlungen an die Firma A entstanden sind, durch die selbständige Tätigkeit des Klägers veranlasst wurden.
Die vertragliche Gestaltung zwischen dem Kläger und dem Zeugen B hält auch einem Fremdvergleich stand und ist steuerrechtlich anzuerkennen.
Für die steuerrechtliche Anerkennung eines Vertrags zwischen nahen Angehörigen müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.2021, VIII R 17/19, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ‒ BFHE ‒ 275, 127; Kirchhof/Seer, Kommentar zum EStG, § 4, Tz. 161a):
a) Die Vereinbarung muss zivilrechtlich wirksam sein,
b) es muss eine klare und eindeutige Vereinbarung der Hauptpflichten erfolgt sein,
c) die Vereinbarung muss fremdüblich sein (Fremdvergleich),
d) die Vereinbarung muss tatsächlich durchgeführt worden sein.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
a) Die Beauftragung der Firma A seitens des Klägers erfolgte zivilrechtlich wirksam, insbesondere bestand kein Formzwang, so dass auch eine mündliche Beauftragung Wirksamkeit entfaltete. Der Firmeninhaber der Firma A, der Zeuge B, war in den Streitjahren bereits volljährig, so dass er voll geschäftsfähig war und eigenständig Verträge schließen konnte.
b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart waren, auch wenn zum Nachweis kein schriftlicher Vertrag geschlossen wurde. Denn die Aufgabenverteilung war klar geregelt. Der Kläger hat die fachlichen Gleichungen geschrieben und der Zeuge B hatte die Aufgabe, für diese Gleichungen die Codes zu schreiben und die Benutzeroberfläche sowie die Schnittstellen zu implementieren. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen und die Beweiswürdigung unter Tz. A.II.1. verwiesen. Der Zeuge sollte hierfür ein pauschales Honorar erhalten.
c) Die Vereinbarung hält auch einem Fremdvergleich stand. Insbesondere die Vergütung des Zeugen B ist nach Ansicht des erkennenden Senats nicht unangemessen hoch. Der Zeuge B führte aus, dass er sich bei der Festlegung der Höhe der Vergütung davon habe leiten lassen, dass er über zwei Bachelorabschlüsse verfügte und ihm ein Jahresgehalt für eine Vollzeittätigkeit als Maschinenbauinformatiker in Höhe von … € bis … € angemessen erschien. Dies habe er dann an seine Teilzeittätigkeit angepasst. Diese Berechnung erscheint dem erkennenden Senat unter Berücksichtigung der fachlichen Qualifikation des Zeugen nicht als zu hoch bemessen. Die Tatsache, dass ein Pauschalhonorar vereinbart wurde, schadet hierbei nicht.
d) Die Vereinbarung wurde auch tatsächlich durchgeführt. Der Kläger und der Zeuge B haben gemeinsam ein Produkt geschaffen, diesbezüglich wird auf die Ausführungen unter Tz. A.II.1. verwiesen. Der Zeuge stellte dem Kläger die Leistungen auch nachweislich tatsächlich in Rechnung. Zudem reichte der Kläger entsprechende Zahlungsnachweise zumindest für die Kalenderjahre 2010 und 2012 ein, die belegen, dass der Kläger die vereinbarten Beträge auch an den Zeugen zahlte.
4. Der Kläger kann die geltend gemachten Fahrtkosten als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG abziehen, da diese Fahrten betrieblich veranlasst waren. Wie zuvor dargestellt, dienten diese Fahrten dem Kläger dazu, ein Netzwerk aufzubauen und Kundenakquise zu betreiben.
5. Da der Kläger mit einer Gewinnerzielungsabsicht tätig war, steht ihm der Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 4 EStG auch für die im Übrigen im Rahmen der Anlage Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) angesetzten betrieblich veranlassten Aufwendungen ‒ wie etwa der Telefonkosten ‒ zu.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren erging gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozessordnung.