08.08.2023 · IWW-Abrufnummer 236737
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 23.05.2023 – 5 K 59/22
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt mehrere Fitnessstudios. Sie begehrt die Behandlung von Geldern, die während pandemiebedingter, behördlich angeordneter Schließzeiten dieser Fitnessstudios vereinnahmt wurden, als nicht umsatzsteuerbar.
Nachdem die niedersächsischen Landkreise, die kreisfreien Städte sowie die Region Hannover auf Weisung des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 16. März 2020 mit sofort vollziehbaren Allgemeinverfügungen ab dem 17. März 2020 unter anderem den Betrieb von Fitnessstudios untersagt hatten, schloss auch die Klägerin die von ihr betriebenen Fitnessstudios und versandte taggleich eine E-Mail an ihre Mitglieder, in der zunächst über die Schließung der Studios informiert und sodann ausgeführt wurde:
„Für die Dauer der Schließung wird euch taggenau eine entsprechende Zeitgutschrift am Ende eurer Mitgliedschaft gewährt. Euch entsteht in der Nutzung eurer gesamten Trainingszeit keinerlei Nachteil, deshalb bitten wir, den automatischen Prozess der fortlaufenden Abbuchungen nicht zu unterbrechen und die Beiträge nicht zurück zu buchen. Ihr helft uns damit sehr, dass wir ohne administratives Chaos den Studiobetrieb ab der Eröffnungserlaubnis in unverändert hoher Qualität fortführen können.“
Ab dem 25. Mai 2020 durften die Fitnessstudios der Klägerin wieder öffnen, was diese mit E-Mail vom 23. Mai 2020 ihren Mitgliedern gegenüber ankündigte und ferner ausführte:
„Sobald wir dann am Montag wieder die Türen öffnen, kümmern wir uns selbstverständlich auch um deine Trainingsgutschrift. Hierfür werden dann Formulare am Tresen bereitliegen. Du füllst einfach das Formular aus, schickst es per Mail an unsere Mitgliederverwaltung und diese erledigt dann alles Weitere für dich. Weiterhin ist es wichtig zu beachten, dass keinerlei Rückbuchung oder Kündigung deinerseits nötig ist, damit wir die kostenlose Trainingszeit im Anschluss an die Erstlaufzeit freigeschalten. Hast du hierzu noch Fragen? Dann wende dich gerne an das Team.“
Nach Wiedereröffnung der Studios lagen dort zwei Antragsvordrucke zum Ausfüllen durch die Mitglieder aus. Sie trugen die Bezeichnungen „Antrag Zeitgutschrift als Ergänzung zum Nutzungsvertrag“ und „Antrag Gutschein Corona-Pandemie“, beide waren gerichtet an die Klägerin. Ersterer hatte die Vereinbarung zum Inhalt, dass das jeweilige Mitglied eine Zeitgutschrift von 10 Wochen erhielte. Durch diese Zeitgutschrift verschiebe sich das nächstmögliche ordentliche Vertragsende um diesen Zeitraum. Nach letzterem wurde vereinbart, dass das jeweilige Mitglied für die Dauer der Schließung einen Gutschein erhalte, dessen Wert den während der Schließzeit gezahlten Beiträgen entspreche. Diesen Gutschein könne das Mitglied ab Oktober 2020 einlösen oder auch schon vorher an eine andere Person verschenken.
Von den im Zeitraum vom 17. März 2020 bis 25. Mai 2020 über 17.000 Mitgliedern machten knapp 3.000 von den Formularen Gebrauch. Davon entschied sich die Mehrzahl für die Zeitgutschrift und rund 500 Personen für den übertragbaren Gutschein. Die übrigen Mitglieder reichten bis zum 31. Dezember 2020 keinen der angebotenen Antragsvordrucke bei der Klägerin ein. Die mit der Klägerin geschlossenen Verträge über die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio haben im Regelfall eine Laufzeit von einem Jahr, daneben werden für ein im Vergleich zur Jahresmitgliedschaft höheres Entgelt monatlich kündbare Mitgliedschaften angeboten. Die vereinbarten Mitgliedsbeiträge werden nach den AGB der Klägerin jeweils im Voraus am Monatsersten oder am 15. des Monats für den jeweiligen Kalendermonat fällig. Bei Abschluss eines Mitgliedvertrags erteilt das künftige Mitglied eine Einzugsermächtigung und ein Lastschriftmandat, wobei es auswählen kann, ob die Lastschrift jeweils zum 1. oder 15. des Monats erfolgt. Im Fall der Ermäßigung des gesetzlichen Umsatzsteuersatzes vermindert sich der Mitgliedsbeitrag entsprechend.
Die während der Schließzeit von den Mitgliedern im Wege des Lastschriftverfahrens weiterhin gezahlten Mitgliedsbeiträge berücksichtigte die Klägerin in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate März 2020 (anteilig), April 2020 (vollständig) und Mai 2020 (anteilig) nicht. In einer daraufhin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam die Prüferin zu der Auffassung, dass diese bisher nicht berücksichtigten Umsätze der Besteuerung zu unterwerfen seien. Der Beklagte schloss sich dem an und änderte die Festsetzungen der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für März, April und Mai 2020 jeweils unter dem 9. Oktober 2020 entsprechend. Die dagegen gerichteten Einsprüche der Klägerin hatten keinen Erfolg, Klage erhob sie im Anschluss nicht.
Mit geänderter Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2020 vom 24. September 2021 erklärte die Klägerin sodann negative Umsätze zum allgemeinen Steuersatz. Dem lag die Auffassung zugrunde, dass die Bemessungsgrundlage für die Monate März, April und Mai hinsichtlich derjenigen Mitglieder, die nicht von einem der Antragsformulare Gebrauch gemacht hatten, zu korrigieren sei, weil diesen gegenüber nunmehr endgültig keine Leistung erbracht worden sei. Der Beklagte folgte dem nicht und legte bei der geänderten Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2020 vom 20. Oktober 2021 keine Umsätze zum allgemeinen Steuersatz zugrunde.
Der dagegen gerichtete Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Klage macht sie geltend, sie habe die geschuldete Umsatzsteuer zutreffend nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 UStG korrigiert. Denn sie habe ihren Mitgliedern zur Abgabe der ausgelegten Antragsvordrucke eine Frist bis zum 31. Dezember 2020 gesetzt, nach deren Ablauf sie gegenüber denjenigen, die keinen Antrag auf eine Zeitgutschrift oder einen übertragbaren Gutschein gestellt hätten, endgültig keine Leistungen für die fraglichen Beitragszahlungen erbracht habe. Aufgrund der behördlich angeordneten Schließung habe sie die geschuldete Leistung gemäß § 275 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht erbringen können, sodass ihre Kunden von der Zahlungspflicht befreit waren bzw. bereits gezahlte Beiträge nach §§ 326 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB hätten zurückfordern können.
Die Klägerin gewähre den Mitgliedern, die keine Kompensation gewünscht hätten, keine Gegenleistung für die gezahlten Beiträge. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne die geschuldete Leistung ‒ das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten zum Trainieren ‒ innerhalb des Vertragszeitraums nicht nachgeholt werden, denn ein Fitnessstudio habe seine Leistung jeden Monat „neu“ zu erbringen. Wenn die Klägerin stattdessen eine Zeitgutschrift gewähren wolle, bedürfe dies der ausdrücklichen Zustimmung der Kunden. Eine solche Zustimmung zur Änderung des Vertrags sei nur von den Mitgliedern erklärt worden, die von einem der Antragsformulare Gebrauch gemacht hätten. Die übrigen Mitglieder hätten dem Angebot der Klägerin nicht zugestimmt.
Mit Bescheid vom 14. November 2022 hat der Beklagte die Umsatzsteuer für das Jahr 2020 während des Klageverfahrens festgesetzt und die Besteuerungsgrundlagen dabei gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) geschätzt, weil die Klägerin keine Steuererklärung abgegeben hatte. In der Rechtsbehelfsbelehrung des an die Klägerin gerichteten Bescheids wird ausgeführt: „Ein Einspruch ist jedoch ausgeschlossen, soweit dieser Bescheid einen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt, gegen den ein zulässiger Einspruch oder (nach einem zulässigen Einspruch) eine zulässige Klage, Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde anhängig ist. In diesem Fall wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens. Dies gilt auch, soweit sich ein angefochtener Vorauszahlungsbescheid durch die Jahressteuerfestsetzung erledigt.“ Der Bescheid ist nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen.
Das Gericht hat den anfänglichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Verfügung vom 3. Mai 2023 zur mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2023 geladen. Die Ladung, in der darauf hingewiesen wird, dass gemäß § 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entscheiden werden kann, ist dort am 4. Mai 2023 eingegangen. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 8. Mai 2023 mitgeteilt, die Klägerin nicht mehr zu vertreten. Die Ladung sei an die Klägerin weitergeleitet worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für die Klägerin niemand erschienen. Eine Steuererklärung hat die Klägerin für das Streitjahr bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht abgegeben.
Die Klägerin hat im vorbereitenden Verfahren sinngemäß begehrt, den Bescheid für 2020 über Umsatzsteuer vom 14. November 2022 dahingehend zu ändern, dass die mit den coronabedingten Schließzeiten korrespondierenden Umsätze nicht berücksichtigt werden und die Steuer entsprechend reduziert festgesetzt wird. Einwendungen gegen die Höhe der Schätzung im Übrigen hat die Klägerin nicht vorgetragen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung. Werde Kunden eines Fitnessstudios vor Beginn einer coronabedingten Schließzeit zugesagt, dass eine Beitragsfortzahlung zu einer tagegenauen Zeitgutschrift führe, die eine Verlängerung des abgeschlossenen Dauervertrags zur Folge hat, handele es sich um eine umsatzsteuerpflichtige Anzahlung in Form einer Entgeltvereinnahmung vor Ausführung der (Teil-)Leistung. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage sei dann nur unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG möglich. Die Minderung der Bemessungsgrundlage erfolge dabei erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Anzahlung oder das Entgelt zurück gewährt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Beklagten übersandten Steuer- und Betriebsprüfungsakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I. Die Klägerin war im Verfahren ordnungsgemäß vertreten.
Die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO zugestellt worden. Die Wirkung der Ladung für und gegen die Klägerin ist nicht dadurch verloren gegangen, dass der Prozessbevollmächtigte nach Empfang der Ladung die Beendigung des Mandats mitgeteilt hat. Das Gericht war daraufhin nicht verpflichtet, die Klägerin persönlich zu laden oder zu prüfen, ob der Prozessbevollmächtigte die Klägerin von der Ladung verständigt hatte (vgl. BFH, Beschluss vom 22.03.1994, X R 66/93, BFH/NV 1994, 499; Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, § 91 Rn. 9 m. w. N.).
Gemäß § 91 Abs. 2 FGO kann das Gericht beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandeln und entscheiden, wenn ‒ wie hier ‒ darauf in der Ladung hingewiesen worden ist.
II. An die Stelle des ursprünglich angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für Dezember 2020 vom 20. Oktober 2021 ist der Bescheid für 2020 über Umsatzsteuer vom 14. November 2022 getreten und gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. bspw. BFH, Urteil vom 19. Juli 2011, XI R 21/10, DStR 2011, 2148).
III. Der angefochtene Verwaltungsakt ist nicht rechtswidrig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Das Gericht überprüft den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid dabei im Rahmen des Klagebegehrens nach Maßgabe der Klagebegründung (Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl. 2022, § 164 Rn. 64; Koenig/Gercke, AO, 4. Aufl. 2021, § 164 Rn. 89).
Der Beklagte hat im Streitfall die während der durch die Corona-Pandemie bedingten Schließzeiten fortgezahlten Mitgliedsbeiträge auch derjenigen Mitglieder, die nicht von einem der Antragsformulare Gebrauch gemacht hatten, zurecht als Anzahlung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. 1 a Satz 4 UStG der Umsatzbesteuerung zugrunde gelegt.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer unter anderem die sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
a. Dazu muss zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet (BFH, Urteil vom 10. April 2019, XI R 4/17, BStBl. II 2019, 635). Dies ist dann der Fall, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert besteht (BFH, Urteil vom 10. April 2019, XI R 4/17, BStBl. II 2019, 635 m. w. N.).
Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung der Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (BFH, Urteil vom 22. Mai 2019, XI R 20/17, UR 2019, 764 und vom 16. Januar 2014, V R 22/13, BFH/NV 2014, 736). Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrags, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG regelmäßig erfüllt, falls der leistende Vertragspartner Unternehmer ist (BFH, Urteil vom 10. April 2019, XI R 4/17, BStBl. II 2019, 635).
Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen (BFH, Urteil vom 22. Mai 2019, XI R 20/17, UR 2019, 764 und vom 16. Januar 2014, V R 22/13, BFH/NV 2014, 736). Es stellt eine unionsrechtliche, unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht zu entscheidende Frage dar, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen erfolgt (BFH, Urteil vom 10. April 2019, XI R 4/17, BStBl. II 2019, 635; vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2018, C-295/17, MEO ‒ Serviços de Comunicações e Multimédia, www.curia.eu).
b. Bei Anwendung dieser Grundsätze waren die streitigen, während der Schließzeit vereinnahmten Mitgliedsbeiträge trotz der vorübergehenden Schließung der Fitnessstudios als Entgelt (§ 10 UStG) für steuerbare Leistungen im Sinne des § 1 UStG zu beurteilen.
Wird für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung. Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner zeitweise die Nutzungsmöglichkeit des Studios nicht gewähren, etwa, weil er das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie schließen muss, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar (BGH, Urteil vom 4. Mai 2022, XII ZR 64/21, NJW 2022, 2024).
Anders verhält es sich, wenn der Betreiber von der „Gutscheinlösung“ nach Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB Gebrauch gemacht hat.
Da der Gesetzgeber davon ausging, dass die Inhaber von Eintrittskarten und Nutzungsberechtigungen gemäß §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB berechtigt sind, die Erstattung des Eintrittspreises oder Entgelts von dem jeweiligen Veranstalter oder Betreiber zu verlangen, befürchtete er bei diesen einen erheblichen Liquiditätsabfluss, der für viele Unternehmen im Veranstaltungsbereich zu einer existenzbedrohenden Situation hätte führen können (BT-Drs. 19/18697, 1 und 5). Zudem sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass Insolvenzen von Veranstaltungsbetrieben neben den nachteiligen Folgen für die Gesamtwirtschaft und das kulturelle Angebot in Deutschland voraussichtlich auch dazu führen würden, dass viele Inhaber von Eintrittskarten oder Nutzungsberechtigungen keine Rückerstattung erhalten würden (BT-Drs. 19/18697, 5).
Um diese unerwünschten Folgen nach Möglichkeit zu verhindern, hat der Gesetzgeber dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung durch Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB das Recht eingeräumt, dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht nutzbaren Teils der Berechtigung entspricht (BT-Drs. 19/18697, 5).
Vertragliche Vereinbarungen der Parteien, die im Falle der Absage einer Veranstaltung oder Schließung einer Freizeiteinrichtung bereits privatautonom die Übergabe eines Gutscheins statt der Rückgewähr des Eintrittspreises oder Nutzungsentgeltes vorsehen, gehen der gesetzlichen Ersatzordnung nach Art. 240 § 5 EGBGB vor (MüKoBGB/Busche, EGBGB, 8. Aufl. 2021, Art. 240 § 5 Rn. 28). Gleiches gilt für anderweitige vertragliche Vereinbarungen (BGH, Urteil vom 4. Mai 2022, XII ZR 64/21, NJW 2022, 2024).
Vorliegend haben die Klägerin und ihre Mitglieder eine solche abweichende vertragliche Vereinbarung getroffen.
Die Änderung eines Vertrags ist ‒ wie auch der Vertragsschluss selbst ‒ ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, das zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, voraussetzt. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, § 133 BGB. Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, § 157 BGB.
Diese Auslegung ergibt vorliegend, dass die Klägerin ihren Mitgliedern mit E-Mail vom 17. März 2020 angeboten hat, den jeweils geschlossenen Vertrag dahingehend zu ändern, dass sie ihre Leistung teilweise (taggenau für die Dauer der durch die Corona-Pandemie bedingten Schließzeit) im Anschluss an die reguläre Vertragslaufzeit und das jeweilige Mitglied die Gegenleistung vorab während der Schließzeit erbringt.
Dieses Angebot haben die Mitglieder konkludent angenommen, indem sie den durch die Klägerin veranlassten Lastschriften nicht widersprochen haben, wobei auf den Zugang der Annahmeerklärung nach § 151 Satz 1 BGB verzichtet wurde. Nach dieser Vorschrift kommt ein Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Die Verzichtserklärung ist formlos möglich, sie kann auch konkludent erfolgen (MüKoBGB/Busche, BGB, 9. Aufl. 2021, § 151 Rn. 7).
Anders als in der Sachverhaltskonstellation der Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg (Urteil vom 16. Februar 2023, 6 K 239/21, BeckRS 2023, 9795), in dem lediglich durch einen Aushang vor Ort für Ersatzleistungen und eine Verlängerung der Vertragslaufzeit geworben wurde, wurde dies vorliegend allen Mitgliedern am Tag der Schließung für den Fall der Fortzahlung in Aussicht gestellt. Der Senat ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass die Weiterzahlung von Mitgliedsbeiträgen hier als konkludente Annahmehandlung angesehen werden kann, weil sich ein entsprechender Rechtsbindungswille erkennen lässt. Es handelt sich vorliegend nicht um die bloße Zahlung von Geld, aus der ein Leistungsaustausch geschlussfolgert wird, sondern der avisierte Leistungsaustausch stand bereits vorher für beide Vertragsparteien fest und bedurfte lediglich der Annahme. Auf den Zugang der Annahmeerklärung hat die Klägerin vorliegend konkludent verzichtet, indem sie eine Verlängerung der Mitgliedschaft um den Zeitraum der Schließung bei Fortzahlung in Aussicht gestellt hat. Daneben ist auch nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten, dass die Klägerin von rund 17.000 Mitgliedern Annahmeerklärungen erhalten wollte.
Nachdem die jeweiligen Fitnessstudioverträge auf diese Weise geändert wurden, bedurfte es später keiner (erneuten) Änderung durch das Ausfüllen eines durch die Klägerin bereitgestellten Antragsvordrucks. Insbesondere aber konnte die Vertragsänderung nicht durch eine einseitige Fristsetzung zur Abgabe eines ausgefüllten Antragsvordrucks bis zum 31. Dezember 2020 rückgängig gemacht werden.
2. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist. Um eine solche Anzahlung handelt es sich vorliegend. Weil die streitgegenständlichen Mitgliedsbeiträge in den Monaten März, April und Mai 2020 vereinnahmt wurden, ist die Steuer im Streitjahr entstanden.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.