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  • 26.01.2023 · IWW-Abrufnummer 233425

    Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 16.11.2022 – 4 K 41/22

    Die freiwillige Fortzahlung von Beiträgen, die von Mitgliedern im Rahmen eines in der Vergangenheit gelebten - und fortbestehenden - Dauerschuldverhältnisses an ein Fitnessstudio erbracht werden, welches vorübergehend pandemiebedingt schließen muss und auf die Erbringung von Ersatzleistungen verwiesen ist, steht in einem umsatzsteuerlich relevanten Zusammenhang mit den im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses erbrachten Leistungen. Dies umfasst einerseits die bereits vor der Schließung bezogenen Leistungen und andererseits die während der Schließzeit erbrachten Ersatzleistungen (Anschluss an den Beschluss des Senats zur Sache 4 V 17/21 vom 14.2.2022).

    Der Monatsbeitrag, welchen die Mitglieder des Fitnessstudios leisten, stellt damit ein Entgelt i.S.d. § 10 UStG dar, obgleich das Fitnessstudio in dem fraglichen Monat aufgrund einer behördlichen Anordnung zur Eindämmung der Coronapandemie geschlossen ("Lockdown") und somit von seiner vertraglich geschuldeten Primärleistung befreit ist (§ 275 BGB). Die sonach freiwillig erbrachten Beiträge (Entgelte) stellen keinen - nicht steuerbaren - echten Zuschuss dar.


    Finanzgericht Schleswig-Holstein

    Urteil vom 16.11.2022


    In dem Rechtsstreit
    wegen Umsatzsteuer 2020

    hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 16. November 2022 für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beitragszahlungen an ein Fitnesscenter auch dann als steuerpflichtige Entgelte anzusehen sind, wenn das Fitnesscenter aufgrund einer vorübergehenden, pandemiebedingten Schließung keine Nutzung seiner Räumlichkeiten anbieten kann.

    Die Klägerin betreibt ein Unternehmen in Gestalt eines Fitnessstudios. Sie berechnet die Umsatzsteuer gem. § 20 UStG nach vereinnahmten Entgelten ("Ist-Versteuerung). Ausweislich einiger aktenkundiger "Mitgliedsvereinbarungen" schloss die Klägerin mit ihren Kunden Verträge über befristete Mitgliedschaften (12 oder 24 Monate) ab, die von beiden Teilen mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende der jeweils vereinbarten Laufzeit kündbar waren. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung blieb dabei unberührt. Gem. Abs. 2 der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin waren die Mitglieder zur gemeinschaftlichen Mitbenutzung sämtlicher Einrichtungen der Räume berechtigt. Die Beiträge umfassten dabei die Mitbenutzung der Trainingsanlage und, wenn vorgesehen, die Teilnahme an Gymnastikstunden, die Mitbenutzung der Erholungs- und Clubräume und die Teilnahme an sportlichen und geselligen Aktivitäten.

    Gemäß der Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS- COV 2 in Schleswig-Holstein vom 17. März 2020 und vom 1. Mai 2020 musste die Klägerin ihr Fitnessstudio vom 17. März bis zum 17. Mai schließen. Die Klägerin reagierte auf die Schließung nach Aktenlage mit verschiedenen Ankündigungen. In den sozialen Medien teilte sie u.a. mit:

    - "Wir bleiben leider bis mindestens 3. Mai geschlossen. Unsere Mitglieder erhalten: 3 Gratismonate, 3 x 1 Gratismonat zum Verschenken, 1 x Personal-training. Nichtmitglieder erhalten: 3 Gratismonate über das Angebot (...). Weitere Infos per Telefon/Email."

    - "Wichtige Coronamitteilung Telefonhotline: täglich 10-14 Uhr oder 24/7 über Email-social Media. 100 Les Mills-Kurse. Jetzt gratis: (...). Online-Live-Kurse täglich 10 Uhr, Weltneuheit: 3 D-Körperscan kostenlos; geschenkt: 6 x 1 Monat - Gratisgutschein. Jeder Schließungsmonat wird ersetzt. 6 - Monats - Gratis-Paket. Hier klicken."

    - "Liebe Mitglieder, aufgrund einer flächendeckenden behördlich angeordneten Schließung wegen des Coronavirus müssen wir unsere Studios vorübergehend schließen. Wir werden jedoch auch weiterhin für euch da sein.

    1. Exklusive Les Mills Onlinekurse. Wir freuen uns sehr, euch ab sofort und für die gesamte Dauer der Epidemie die neuen Online-Kurse von Les Mills kostenfrei in euer Wohnzimmer, auf euer Handy, Monitor oder Home-TV senden zu dürfen (...)

    2. Online Kurse um 18 Uhr in deinem Wohnzimmer. Werktags um 18 Uhr senden wir live auf unseren Social-Media-Kanälen einen Onlinekurs direkt aus unserem Kursraum

    3. Persönlicher Onlineservice. In Kürze stellen wir dir Trainingspläne für Zuhause zur Verfügung. Dazu haben wir von 10 - 14 Uhr eine Hotline eingerichtet, über die du uns Fragen zu deinem Training stellen kannst.

    4. Finanzieller Ausgleich. Den Zeitraum, den ihr nicht bei uns trainieren könnt, bekommt ihr, neben vielfältiger Alternativangebote, am Ende eurer Mitgliedschaft beitragsfrei erstattet" (...)

    - "18. März: Ein ganz herzliches Dankeschön (...). Wir werden euch natürlich über Social Media auf dem Laufenden halten und unterstützen euch auch weiterhin dabei, gesund und fit zu bleiben. Wir können euch versichern, dass wir euch den ausgefallenen Zeitraum vollständig ersetzen werden. Seid euch sicher: Die Leistung, die ihr bezahlt, werdet ihr von uns auch bekommen, sodass euch definitiv kein Nachteil entstehen wird. Daher noch mal unser ganz herzliches Dankeschön für euren tollen support und euer Verständnis! (...)"

    - "18. April: Liebe Mitglieder, liebe Freunde, wir hoffen täglich darauf, unsere Studios für euch wieder öffnen zu dürfen. Bisher hat die Regierung eine Schließung bis mindestens 3. Mai angeordnet. Wir tun alles dafür, euch dabei zu unterstützen, auch während dieser Zeit aktiv und gesund zu bleiben und sind für euch da.

    1. Täglich um 18: Uhr Live-Kurse aus dem Studio

    2. Kostenfreier Les Mills Online Zugang (...)

    3. Unser You Tube-Kanal (...)

    4. Persönliche Trainingshotline 10-14 Uhr.

    - Unser größter Dank gilt unseren treuen Mitgliedern, die uns inmitten dieser außergewöhnlichen, unerwarteten, existenzbedrohenden Lage mit ihrer Geduld unterstützen. (...) Für euren Mitgliedsbeitrag wird allen Mitgliedern daher

    1. Der Monat Mai doppelt an das Vertragsende gehängt (...).

    2. Zudem erhältst Du 3x1 Gratismonate für deine Freunde/Familie, um mit dir gemeinsam zu trainieren,

    3. Sowie 1x Personal Training nach Öffnung der Studios (...)

    In einem Aushang vor Ort hieß es:

    "Den Zeitraum, den Ihr nicht bei uns trainieren könnt, bekommt Ihr, neben vielfältiger Alternativangebote, am Ende Eurer Mitgliedschaft beitragsfrei ersetzt. Diese Schließung bedeutet auch für uns eine große wirtschaftliche Herausforderung, da alle Kosten wie Gehälter, Mieten, Gerätekosten etc. von uns im vollen Umfang weitergetragen werden müssen und unser Personal auch weiterhin für Euch da sein wird. Daher schon jetzt ein großes Dankeschön für Euer Verständnis und Eure gute Unterstützung!"

    Auch in einem Online-Beitrag auf der homepage eines Wochenblattes im Raum A vom 9. April wird zu den von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen ausgeführt.

    Die Bezahlung der Beiträge der einzelnen Mitglieder erfolgte über das Dienstleistungsunternehmen C, welches die Beträge auf Basis erteilter Einzugsermächtigungen von den Konten einzog. Der Einzug der Beiträge - die ausweislich der Einzugsermächtigungen binnen acht Wochen zurückgefordert werden konnten - erfolgte auch in dem Zeitraum, in welchem die Räumlichkeiten der Klägerin wegen der Pandemie geschlossen blieben. Auf zwei exemplarisch eingereichten Kontoauszügen sind dem Abbuchungstext folgende Texte beigefügt worden:

    Kontoauszug 1. April: "Lastschrift Fitnesscenter E / Plus 1 Bonusmonat für dich - danke Corona bs";

    Kontoauszug 4. Mai: "Lastschrift Fitnesscenter E / Plus 3 Bonusmonate für Dich Danke Corona bs".

    Bereits im Voranmeldungsverfahren erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Juni 2020, dass die Anfang April vereinnahmten Mitgliedsbeiträge nicht in der Umsatzsteuervoranmeldung erklärt worden seien, da diese aufgrund der Schließung ohne Rechtsgrund gezahlt worden seien. Die Mitglieder könnten diese Beiträge jederzeit bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zurückfordern. Es könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgesehen werden, in welcher Höhe Rückforderungsansprüche geltend gemacht würden. Mangels eines Leistungsaustausches handle es sich bei den vereinnahmten Beiträgen nicht um zu versteuernden Entgelte. Entsprechend werde auch für die Monate März und Mai verfahren. Die Beiträge, die auf die Schließungszeit entfielen, wurden auf einem Sonderkonto ohne Umsatzsteuer erfasst. Das Finanzamt folgte den Angaben im Vorauszahlungsverfahren zunächst.

    In der Zeit vom 5. August 2020 bis 1. Oktober 2020 fand daraufhin eine, die Monate März bis Mai betreffende Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin statt. Die Prüferin vertrat dabei die Auffassung, dass es sich bei den weitergezahlten Beiträgen um der Umsatzsteuer zu unterwerfende Entgelte handle. Die Klägerin wandte hiergegen ein, dass es an einem Leistungsaustausch mangle, weil die vertraglich geschuldete Leistung in den streitigen Monaten nicht habe erbracht werden können. Bzgl. der Gratismonate sei darauf hinzuweisen, dass die Inanspruchnahme eher theoretischer Natur sei, weil die betroffenen Mitglieder diese Monate nach der Beendigung auf eigenen Wunsch wahrnehmen könnten. Dies bedürfe aber dann zu diesem Zeitpunkt einer neuen vertraglichen Vereinbarung und erfolge nicht "automatisch". Es sei indes eher realitätsfern, dass von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werde; Fälle, in denen ein ausgetretenes Mitglied die Gratismonate in Anspruch genommen hätte, lägen auch nicht vor. Weiter sei zu bedenken, dass nach Ablauf der Verjährung keine Ansprüche mehr bestünden; damit entfiele auch die Option der Gratismonate. Zur weiteren Begründung nahm die Klägerin zudem Bezug auf eine rechtliche Einschätzung der Juristin des DSSV e.V. Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen. Darin wurde darauf verwiesen, dass mit der Schließung beide Vertragsparteien wegen vorübergehender Unmöglichkeit von Ihren Leistungspflichten frei würden. Einen Anspruch auf Vertragsanpassung gebe es nicht; die Rechtsfolge beschränke sich damit auf einen Rückzahlungsanspruch, der bis zur Verjährung geltend gemacht werden könnte. Eine Abgeltung einer (alternativen) Leistung liege damit nicht vor. Insbesondere seien etwa die angebotenen Onlineangebote nicht geeignet, den vereinbarten Leistungsinhalt zu erfüllen; Fitnesscenter, die ein solches aliud anböten, erbrächten nicht die geschuldete Leistung, sodass auch keine Pflicht zur Bezahlung ausgelöst werde. Für eine solche Vergütungspflicht hätte es nicht nur eines alternativen Angebots, sondern auch einer Annahme bedurft. Daran mangle es aber - auch die Teilnahme an Onlinekursen stelle keine Annahme dar.

    Im BP-Bericht vom 5. Januar 2021 hielt die Prüferin an ihrer Rechtsauffassung fest. Sofern der Betreiber eines Fitnessstudios im Falle der Fortzahlung der Beiträge eine entsprechende Zeitgutschrift andiene, stelle der Beitrag eine steuerpflichtige Anzahlung dar; eine etwaige spätere Rückforderung könne allenfalls zu einer Korrektur nach § 17 Abs. 2 UStG führen. Dazu werde auch auf das BFH-Urteil vom 19.7.2007 (V R 11/05) zu "Überbezahlungen" oder "Doppelbezahlungen" verwiesen. Ob die Zusicherung der Verlängerung ein zivilrechtlich wirksames Vertragsverhältnis begründe, könne in Ansehung des § 41 AO dahinstehen.

    In dem angegriffenen - nach § 164 Abs. 2 AO geänderten - Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Mai 2020 vom 13. Januar 2021 folgte das Finanzamt der Auffassung der Prüferin. Nach Aktenlage wurde bei der Umsetzung wie folgt vorgegangen: Die jeweils neutral verbuchten Mitgliedszahlungen für die Monate März, April und Mai wurden - korrigiert um einen Sicherheitseinbehalt - addiert. Daraus ergab sich ein Netto-Mehrbetrag von insgesamt 86.479,98 EUR (Mehrsteuern: 16.431,20 EUR), wobei auf den Monat Mai lediglich ein Netto-Mehrbetrag von 20.481,26 EUR entfiel. Die Korrektur wurde jedoch zusammengefasst für alle drei Monate (zunächst) im Vorauszahlungsbescheid Mai umgesetzt und damit eine Nachzahlung in Höhe von 16.431,20 EUR angefordert.

    Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch und - nach Begleichung der Nachzahlungsforderung - einem Antrag auf Aufhebung der Vollziehung vom 4. Februar 2021. Zur Begründung trug sie u.a. vor, dass es ihr - der Klägerin - im Schließungszeitraum nicht möglich gewesen sei, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Die Geldzuwendungen hätten sich zwar auf freiwilliger Basis vollzogen und seien unmittelbar mit dem Vertragsverhältnis verknüpft; trotzdem seien diese Zahlungen keine Gegenleistungen für eine von ihr erbrachte Leistung. Aus diesem Grund könne auch die Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 19. Juli 2007 (V R 11/05) nicht Platz greifen. Denn bei der Überbezahlung gehe es darum, dass ein Leistungsempfänger irrtümlich eine Leistung doppelt zahle oder versehentlich zu viel leiste. In beiden Fällen sei es aber so, dass der Kunde den Mehrbetrag gezahlt habe, "um die Leistung zu erhalten". Ebenfalls nicht anwendbar seien die Regelungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Gutscheinen. Unabhängig davon, ob es sich um einen Einzweck- oder einen Mehrzweckgutschein handle, setze ein Gutschein (§ 3 Abs. 13 UStG) eine Verpflichtung des Leistenden voraus, den Gutschein als Entgelt für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzuerkennen. Erforderlich sei damit eine verbindliche Verpflichtung des Leistenden und nicht - wie hier - ein nur einseitiges Angebot. Im Streitfall sei es so, dass aufgrund der Unmöglichkeit der Leistungserbringung die gegenseitigen Pflichten entfallen seien (§§ 275, 326 BGB). Gleichwohl geleistete Beträge seien nach Bereicherungsrecht zu erstatten. Zwar könne eine Ersatzleistung an die ursprünglich vereinbarte Leistung treten; dafür bedürfe es aber eines gegenseitigen Vertrages, der hier nicht vorliege. Insbesondere könne in der Zahlung keine Vertragsannahme erkannt werden. Aus diesem Grund könne sich das Finanzamt auch nicht auf § 41 AO berufen, weil es eben gerade an dem erkennbaren Willen der Beteiligten mangle, ein bestimmtes Ergebnis eintreten und bestehen zu lassen. Insgesamt handele es sich daher um nicht steuerbare Zuwendungen, die von den Mitgliedern freiwillig geleistet worden sein, um der Klägerin die Fortführung ihrer Tätigkeit zu ermöglichen.

    Nachdem das Finanzamt die AdV abgelehnt hatte, verfolgte die Klägerin ihr Begehren zunächst mit einem am 8. März 2021 bei Gericht gestellten Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Mai 2020 weiter. Ergänzend zu den Ausführungen im Verwaltungsverfahren trug sie insbesondere vor, dass das lediglich einseitige Angebot eines Studiobetreibers gerade nicht für die Annahme einer verbindlichen Leistungspflicht ausreiche. Der Leistende (Studiobetreiber) könne den aus dem Bereicherungsrecht entstandenen Rückzahlungsanspruch nicht einseitig in einer Anzahlung auf künftige (andere) Leistungen "umwidmen". Sowohl eine vertragliche Verlängerung der Laufzeit, als auch ein Gutschein erfordere einen Konsens, der aus Angebot und Annahme bestehe. Ein bloßes Schweigen reiche für eine - sei es auch konkludente - Annahme nicht aus. Soweit das Finanzamt von sogenannten "Ersatzleistungen" in Form von Onlinekursen spreche, werde darauf hingewiesen, dass die Klägerin während des ersten Corona Lockdowns lediglich einmal pro Werktag 1 Stunde einen Kurs über die Social-Media-Kanäle gestreamt habe. Der Kurs sei öffentlich zugänglich gewesen, unabhängig davon, ob es sich um Mitglieder des Studios gehandelt habe oder nicht. Darin sei letztlich eine Art Werbung zu sehen; es habe weder ein Angebot gegeben, die Onlinekurse als Ersatzleistung im Austausch für die Mitgliedsbeiträge zu akzeptieren, noch habe es die Annahme eines solchen Angebots gegeben. Den Les Mills-Zugang auf der Homepage der Klägerin habe es erst seit Ende letzten Jahres gegeben und noch nicht zum streitigen Zeitpunkt; dabei handle es sich um zusammengefasste YouTube Videos, die kostenfrei für jedermann zugänglich seien. Mit Schreiben vom 16. März 2021 hat die Klägerin eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers eingereicht. Darin wird u.a. ausgeführt, dass damals völlig unklar gewesen sei, was mit den weiteren Mitgliedsbeiträgen geschehe. Man habe den Mitgliedern über Facebook, per Banner, auf der Homepage und per Aushang am Studio neben einer Beitragserstattung mehrere gratis Monate oder eine Verlängerung des Vertrages um die ausgefallene Zeit angeboten. Direkte Gespräche habe es nicht gegeben. Alle hätten abgewartet, wie sich die Situation insgesamt weiterentwickele. Es habe damals auch viele Kündigungen und Rücklastschriften gegeben, da die Mitglieder insoweit nicht bereit gewesen seien, für eine Leistung zu zahlen, die nicht mehr gewährt werden konnte. Abschließend verwies die Klägerin darauf, dass mittlerweile einige Zivilgerichte entschieden hätten, dass die vom Betreiber eines Fitnessstudios geschuldete Leistung aufgrund der behördlich angeordneten Schließung für den betroffenen Zeitraum unmöglich sei, so dass auch der Anspruch auf Zahlung der Beiträge entfalle und dem Mitglied ein Anspruch auf Rückzahlung zustehe (AG Papenburg, Urteil vom 18. Dezember 2020 - 3 C 337/20; LG Osnabrück, Urteil vom 9. Juli 2021 - 2 S 35/21). Daran änderten auch die Zusage einer Zeitgutschrift oder andere "Kompensationsangebote" nichts. Sie seien nicht "erfüllungstauglich", könnten also die vereinbarte Leistung nicht ersetzen (AG Hamburg, Urteil vom 11.6.2021 - 9 C 95/21). Dies lasse sich unmittelbar auch auf die umsatzsteuerliche Beurteilung übertragen: Da es bei der Vereinnahmung der Zahlung an der konkreten Leistungsvereinbarung mangle, liege auch keine Anzahlung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vor.

    Im Rahmen des AdV-Verfahrens korrigierte das Finanzamt die Bescheide über die Umsatzsteuervorauszahlungen dahingehend, dass die streitigen Entgelte nicht gebündelt im Monat Mai, sondern in der jeweiligen Höhe der Vereinnahmung auf die Monate März, April, Mai verteilt wurden.

    Daraufhin legte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Februar 2022 auch gegen die Bescheide für März und April 2020 Einsprüche ein.

    In dem den Monat Mai betreffenden AdV-Verfahren lehnte das Finanzgericht mit Beschluss vom 14. Februar 2022 ab und erkannte keine ernstlichen Zweifel daran, dass die weitergezahlten Beiträge als Entgelt im umsatzsteuerlichen Sinne anzusehen seien (Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Beschluss vom 14. Februar 2022, 4 V 17/21, EFG 2022, 111). Dabei ließ das Gericht dahinstehen, ob die unbeanstandete Fortzahlung der Beiträge aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls doch als Annahme der angebotenen Gratismonate anzusehen und damit ein zivilrechtlicher Anspruch entstanden sei. Auch ließ das Gericht dahinstehen, ob ein zu versteuerndes Entgelt unter dem Aspekt der "Überbezahlung" (BFH-Urteil vom 19.7.2007, V R 11/05, BStBl. II 2007, 966) anzunehmen sei, weil die Kunden in Ansehung der Alternativangebote und der damaligen Rechtsunsicherheit in der irrigen Annahme einer zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung "zur Erlangung" der Leistung gezahlt haben könnten. Denn jedenfalls habe die Fortzahlung der Beiträge in einem umsatzsteuerlich relevanten Zusammenhang zu einem von der Klägerin erbrachten Leistungsbündel gestanden. Dies habe einerseits aus den Alternativleistungen (tägliche Onlinekurse / Trainingspläne, Onlineservice und Telefonhotline) und - unter dem Aspekt der sog. freiwilligen Zusatzzahlungen - aus den bereits vor der Schließungszeit erbrachten Leistungen bestanden. Sämtliche Bestandteile bildeten das wesentliche, auslösende Moment der Zahlungen.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2022 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Vorauszahlungsbescheide für März, April und Mai als unbegründet zurück.

    Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 19. April 2022 bei Gericht eingegangenen Klage. Der Bundesgerichtshof habe mittlerweile klargestellt, dass die Mitglieder eines Fitnessstudios nach §§ 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 und Abs. 4 BGB einen Anspruch auf jederzeitige Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge hätten (BGH, Urteil v. 04.05.2022 - XII ZR 64/21). Gleichwohl erfolgte Zahlungen würden somit ohne Rechtsgrund geleistet und seien jederzeit rückforderbar. Das sei auch für die umsatzsteuerliche Bewertung maßgeblich, weil sich die Verknüpfung der Leistung mit der Zahlung und damit auch der Leistungsgegenstand nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis richte (vgl. BFH, Urteile vom 18. Dezember 2008 - V R 38/06, BStBl. II 2009, 749). Diese Differenzierung habe auch das Finanzgericht Hamburg in einer Entscheidung zu der Frage, ob eine Vertragsdurchführung unmöglich geworden sei (dann kein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch) oder ob ein umsatzsteuerbarer Leistungsverzicht vorliege, dogmatisch herausgearbeitet (FG Hamburg Urteil v. 13.02.2013, 5 K 280/10; ähnlich FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 20.03.2009, 7 V 7249/08). Nichts Anderes gelte hier.

    Bei der Telefonhotline habe es sich um die normale Rufnummer der Klägerin gehandelt. Dies habe nur zeigen sollen, dass die Klägerin für ihre Mitglieder auch in der Schließungszeit erreichbar sei. Es sei nicht darum gegangen, "Trainingsangebote" über das Telefon durchzuführen oder sogar Trainingspläne zu besprechen. Dies sei ohne Sichtkontakt gar nicht umsetzbar. Einen persönlichen Onlineservice habe es auch nicht gegeben, die täglichen Onlinekurse seien öffentlich einsehbar gewesen und den Les Mills Online Zugang habe es nicht im Streitzeitraum, sondern erst später gegeben. Nach Ansicht der Klägerin reiche das nicht, um ein Leistungsverhältnis anzunehmen, bei dem die Leistung derart mit der Zahlung verknüpft sei, dass sie sich auf die Erlangung einer Leistung richte. Außerdem entspräche etwa ein Onlinekurs gar nicht der eigentlichen vertraglichen Leistungsverpflichtung der Klägerin. Er könne daher nicht nachträglich zum Vertragsgegenstand gemacht werden, zumal alle Änderungen des Leistungskataloges nach § 364 BGB der Annahme bedürften und hier zusätzlich dem Schriftformerfordernis unterlägen.

    Auch eine als Entgelt zu wertende "Überzahlung" i.S.d. Rechtsprechung des BFH liege nicht vor. Denn dafür sei erforderlich, dass der Kunde eine vermeintliche Schuld tilgen wolle und die Über- oder Doppelzahlung im Zusammenhang mit einem tatsächlichen Leistungsaustausch stehe. In einem solchen Fall beruhe die Überzahlung lediglich auf einem "Motivirrtum". Wenn die Leistung dagegen wie hier von vornherein (erkennbar) gänzlich ausbleibe, fehle der Zusammenhang. Ebenfalls nicht übertragbar sei die Rechtsprechung zu nicht eingelösten Guthaben bei Prepaid-Telefonkarten (BFH, Urteil v. 10.04.2019 - XI R 4/17, BStBl. II 2019, 635). Der BFH habe im Zusammenhang mit der Nichteinlösung von Guthaben entschieden, dass es sich um ein "nachträgliches Entgelt" für die eröffnete Nutzung der zur Verfügung gestellten Infrastruktur handele, die die mobile Erreichbarkeit der Prepaid-Kunden ermögliche. Die Annahme einer solchen anderen Leistung scheide vorliegend aber ebenfalls aus, weil die Klägerin aufgrund der coronabedingten Leistungsstörungen überhaupt nicht habe leisten können. Ob die erfolgten Zahlungen als Anzahlung für eine andere oder spätere Leistung angesehen werden könnten mit der Folge, dass die Beiträge dann nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Satz 4 UStG umsatzsteuerbar seien, könne letztlich dahinstehen, weil von den Mitgliedern lediglich wenige (7,8 %) von dem Angebot Gebrauch gemacht hätten. Bei diesen seien die Konsequenzen zu ziehen, jedoch erst im Zeitpunkt der Angebotsannahme.

    Die Zahlungen stünden auch nicht unter dem Aspekt einer freiwilligen Überzahlung in einem Zusammenhang mit den vor der Schließzeit erbrachten Leistungen. Zwar könne eine solche Überzahlung umsatzsteuerlich zusätzliches Entgelt darstellen. Entscheidend sei aber auch dort, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Entgeltzahlung und Leistung bestehe. Bleibe die Leistung - wie im vorliegenden Fall - ganz aus, fehle dieser Zusammenhang.

    Die Klägerin hat zunächst eine entsprechende Änderung der Vorauszahlungsbescheide begehrt. Mit Datum vom 17. August 2022 hat der Beklagte einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid für das Jahr 2020 erlassen und gem. § 68 S. 3 FGO an das Gericht übersandt. Durch den geänderten Bescheid haben sich keine Auswirkungen auf den Streitgegenstand ergeben.

    Die Klägerin beantragt daher nunmehr,

    die Bescheide über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat März 2020 vom 8. Februar 2022, für den Monat April 2020 vom 8. Februar 2022 und für den Monat Mai 2020 vom 13. Januar 2021, geändert durch Bescheid vom 8. Februar 2022 - alle Bescheide Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2022 und ersetzt durch den Umsatzsteuerjahresbescheid 2020 vom 17. August 2022 - dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für das Jahr 2020 um 16.431,20 EUR herabgesetzt wird,

    das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären und

    die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für nötig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er nimmt Bezug auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass das von der Klägerin zitierte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 04.05.2022, XII ZR 64/21 für den vorliegenden Streitfall nicht einschlägig sei. Dort habe der Kläger seine Mitgliedschaft ausdrücklich gekündigt und auf Rückzahlung der für den Schließungszeitraum gezahlten Monatsbeiträge geklagt. Im vorliegenden Streitfall seien die Dauerschuldverhältnisse durch die Mitglieder nicht gekündigt worden. I.Ü. sei eine zivilrechtliche Verpflichtung für die Frage eines Leistungsaustausches im umsatzsteuerrechtlichen Sinne nicht erheblich. Im Streitfall habe das auslösende Moment für Zahlung der Mitgliedsbeiträge in den verschiedenen Leistungen gelegen, die während der Schließzeit und davor erbracht worden seien.

    Die Klägerin sei der Ansicht, dass eine Freiwilligkeit der Leistung für die Solidarität der Mitglieder spreche. Das führe indes nicht dazu, dass die Zahlungen "lediglich der Förderung der Tätigkeit des Empfängers im Allgemeinen" dienten und ihr auslösendes Moment außerhalb des beschriebenen Leistungsbündels gelegen hätte. Lediglich allgemein fördernde Zahlungen seien in der Rechtsprechung z.B. dann bejaht worden, wenn Leistungen aus öffentlichen Kassen eine allgemeine Förderung des Zahlungsempfängers aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Motiven bewirken sollten. Wesentlich in diesen Fällen sei dabei jeweils gewesen, dass der Zahlungsempfänger dem Fördernden keine relevante Leistung erbracht habe, die den Gegenstand einer Abgeltung darzustellen vermochte. Im Streitfall seien die Zahlungen dagegen - wie in den sonstigen Fällen der freiwilligen Zuzahlungen (BFH-Urteil vom 17. Februar 1972, V R 118/71, BStBl. II 1972, 405 Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 9. März 2011, 4 K 1932/10, juris) - im Kontext eines zivilrechtlichen Vertrages erfolgt. Freiwillige Aufgelder fänden in einem solchen Rahmen ihre Veranlassung grundsätzlich in der in diesem Zusammenhang erbrachten Leistung.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet. Der angegriffene Umsatzsteuerbescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher nicht ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO. Denn der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin vereinnahmten Gelder ihrer Mitglieder trotz der vorübergehenden Schließung des Studios als Entgelt (§ 10 UStG) für steuerbare Leistungen i.S.d. § 1 UStG zu beurteilen sind, welche die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Unternehmerin (§ 2 UStG) erbracht hat.

    1.)
    Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer (§ 2 UStG) im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Das Entgelt ist gem. § 10 Abs. 1 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Für das Vorliegen einer entgeltlichen Leistung, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar ist, sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) sowie des BFH im Wesentlichen folgende gemeinschaftsrechtlich geklärte Grundsätze zu berücksichtigen.

    Zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen (vgl. EuGH-Urteil vom 21. März 2002, C-174/00, BFH/NV- Beilage 2002, BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008, V R 38/06, BStBl. II 2009, m.w.N.). Dieser unmittelbare Zusammenhang muss sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergeben, in dessen Rahmen die Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008, V R 38/06, BStBl. II 2009, 749 m.w.N.). Dabei muss der Leistungsempfänger identifizierbar sein und einen Vorteil erhalten, der einen Kostenfaktor in seiner Tätigkeit bilden könnte und damit zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (BFH-Urteil vom 21. April 2005, V R 11/03, BStBl. II 2007, 63 m.w.N.; BFH-Urteil vom 9. November 2006, V R 9/04, BStBl. II 2007, 285 m.w.N.). Bei einem gegenseitigen Vertrag sind die Voraussetzungen für eine entgeltliche Leistung regelmäßig erfüllt; dann besteht zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang, und es steht der Leistungsempfänger aufgrund der vertraglichen Beziehung fest. Bei Leistungen, zu deren Ausführungen sich die Vertragsparteien verpflichtet haben, liegt auch der erforderliche Leistungsverbrauch grundsätzlich vor (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 2005, V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394).

    Unerheblich für die Annahme eines Leistungsaustausches ist, ob der Leistungsempfänger die bezogene Leistung tatsächlich verwendet und gegebenenfalls zu welchem Zweck er dies tut (BFH-Urteil vom 18. Januar 2005, V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394). Ferner steht es einem Leistungsaustausch nicht entgegen, wenn der Unternehmer mit der Tätigkeit (auch) einen eigenen (z.B. Werbe-) Zweck verwirklicht; denn die wirtschaftliche Tätigkeit wird nicht durch eine gleichzeitig im eigenen Interesse durchgeführte Betätigung verdrängt (BFH-Urteil vom 22. April 2015, XI R 10/14, BStBl. II 2015, 862). Ferner ist für die Annahme eines Entgeltes nicht notwendig, dass die Zahlung aufgrund einer zivilrechtlich wirksamen Rechtspflicht erfolgte. Dabei ist es zwar möglich - nicht aber erforderlich - dass die Zahlung versehentlich oder in der irrigen Annahme einer (in Wirklichkeit nicht bestehenden) Leistungspflicht bewirkt wurde; auch bewusst freiwillige Zahlungen können eine Gegenleistung darstellen (vgl. bspw. FG Kiel, Urteil vom 27. April 2016, 4 K 27/13, MwStR 2016, 768-769). Dementsprechend werden auch Zusatzzahlungen zum Entgelt gerechnet, die mit einer inneren Verknüpfung zur Leistung erbracht werden, aber gleichwohl freiwillig erfolgen und den vertraglich geschuldeten Betrag übersteigen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1972, V R 118/71, BStBl. II 1972, 405 "Trinkgelder"). Und schließlich ist es für die Annahme eines Entgeltes nicht erheblich, ob das Entgelt dem Wert der Leistung entspricht oder nicht (BFH-Urteil vom 22. April 2015, XI R 10/14, BStBl. II 2015, 862; Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 9. März 2011, 4 K 1932/10, juris). Keine Leistung gegen Entgelt liegt dagegen vor, wenn ein "Zuschuss" lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse dient und nicht Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Geldgeber sein soll (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008, V R 38/06, BStBl. II 2009, 749).

    Es bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis, ob zwischen der Leistung des Unternehmers und der Bezahlung ein umsatzsteuerlich relevanter Zusammenhang vorliegt (vgl. m.w.N. BFH-Urteil vom 10. April 2019, XI R 4/17, BStBl. II 2019, 635). Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen. Es stellt eine unionsrechtliche, unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht zu entscheidende Frage dar, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen erfolgt (vgl. m.w.N. BFH-Urteil vom 10. April 2019, XI R 4/17, BStBl. II 2019, 635).

    2.)
    Bei Anwendung dieser Grundsätze waren die streitigen, während der Schließzeit vereinnahmten Mitgliedsbeiträge trotz der vorübergehenden Schließung des Fitnessstudios als Entgelt (§ 10 UStG) für steuerbare Leistungen i.S.d. § 1 UStG der Klägerin als Unternehmerin (§ 2 UStG) zu beurteilen.

    a.) Zur Begründung verweist der Senat zunächst umfassend auf seine Ausführungen im Beschluss vom 14. Februar 2022 (4 V 17/21, EFG 2022, 111), an denen er auch im Lichte der Klagebegründung und der mittlerweile ergangen BGH-Rechtsprechung weiterhin festhält.

    b.) Das betrifft zunächst die Erwägung eines zivilrechtlich wirksamen Vertragsverhältnisses über die angebotenen Ersatzleistungen (Vertragsänderung) und die Frage, ob eine längerfristige und widerspruchslose Hinnahme der Abbuchungen im Lichte der o.g. Bekanntmachungen / Kommunikation der Klägerin und des bestehenden mitgliedschaftlichen Vertrauensverhältnisses als Annahme der angebotenen Ersatzleistungen angesehen werden könnte (zur Abbedingung einer einfachen Schriftformklausel bei formloser Vertragsänderung vgl. Staudinger/Hertel (2017) BGB § 127, Rn. 56). Dem steht das BGH-Urteil zur Frage der Unmöglichkeit bei einer Schließung nicht entgegen, weil sich diese Entscheidung - in welcher die Kunden gekündigt hatten und Rückzahlung der Beiträge begehrten - nicht mit der Würdigung einer dauerhaften, widerspruchslosen Fortzahlung auseinanderzusetzten hatte.

    c.) Ferner betrifft dies die Ausführungen zur Möglichkeit einer der Umsatzsteuer unterliegenden "Überzahlung" im Sinne des BFH-Urteils vom 19.07.2007 (BFH, Urt. v. 19.07.2007 - V R 11/05 - BStBl II 2007, 966). Soweit Prätzler (jurisPR-SteuerR 22/2022 Anm. 6) in der vorliegenden Konstellation an einer "Überzahlung" zweifelt, weil der BFH seinerzeit betont habe, dass er umsatzsteuerlich anders entschieden hätte, wenn der Kunde völlig rechtsgrundlos gezahlt hätte, weil er gar keine Leistungsbeziehung mit dem Unternehmer hatte (sog. "Fehlzahlung"), teilt der Senat diese Zweifel nicht. Denn im Streitfall liegt keine völlige Rechtsgrundlosigkeit vor. Die im AdV-Beschluss erwogene "Überzahlung" fußte vielmehr darauf, dass der Kunde in einem Dauerschuldverhältnis zum Unternehmer stand und dieser anstelle der unmöglich gewordenen Leistungen andere Leistungen anbot, im Zusammenhang damit eine weitere, kundenbezogene Präsenz mit fortwährender Unterstützung im Bereich des Fitnesstrainings kommunizierte und die Beiträge weiter abbuchen ließ. Dieser Fall ist mit einer Fehlüberweisung - die z.B. durch eine versehentliche Verwendung fehlerhafter Kontodaten erfolgt - nicht zu vergleichen und legt durchaus die Annahme nahe, dass die Kunden im Lichte der damaligen Rechtsunsicherheit davon ausgingen, zur Fortzahlung verpflichtet zu sein und ihre Zahlung schon deshalb "zur Erlangung" der Ersatzleistungen erfolgten. Dabei ist auch unschädlich, dass die Leistungen keinen äquivalenten Ersatz zur Nutzung des Studios darzustellen vermochten, dass sie z.T. auch für Nichtkunden erhältlich waren, oder dass sie nach dem neuerlichen Vortrag im Klageverfahren teilweise nicht dem entsprachen, was die Ankündigungen vermuten ließen (z.B. keine Servicehotline, sondern nur "Kummertelefon"). Dass sich die Mitglieder dabei hinsichtlich des Bestehens einer einseitigen Ersetzungsbefugnis der Klägerin, bzw. des Fortbestands der Zahlungsverpflichtung im Irrtum befunden hätten, änderte nichts am Zweck der Zahlung, sondern berührte lediglich das Zahlungsmotiv (BFH-Urteil vom 19.7.2007, V R 11/05, BStBl. II 2007, 966). Unbeachtlich wäre in diesem Fall auch, ob die Mitglieder diese Ersatzleistung im Zeitpunkt der Fortzahlung tatsächlich zu verwenden beabsichtigten oder nicht (BFH-Urteil vom 18. Januar 2005, V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394).

    d.) Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil der Senat auch im Lichte der Klagebegründung daran festhält, dass die Zahlungen der Kunden in einem umsatzsteuerlich relevanten Zusammenhang mit einem von der Klägerin tatsächlich erbrachten Leistungsbündel standen.

    Dieses Bündel umfasste zunächst die im Schließungszeitraum erbrachten Ersatzleistungen, welche nach den Ankündigungen der Klägerin die Zurverfügungstellung verschiedener, frei abrufbarer Hilfestellungen zum Fitnesstraining zum Inhalt hatten. Konkret zum Angebotenen gehörten dabei u.a. eine "Telefonhotline: täglich 10-14 Uhr oder 24/7 über Email-social Media", "Online-Live-Kurse täglich 10 Uhr, Weltneuheit: 3 D-Körperscan kostenlos", "Online Kurse um 18 Uhr in deinem Wohnzimmer direkt aus unserem Kursraum", "Persönlicher Onlineservice. In Kürze stellen wir dir Trainingspläne für Zuhause zur Verfügung", "von 10 - 14 Uhr eine Hotline, über die du uns Fragen zu deinem Training stellen kannst". In diesem Zusammenhang wies die Klägerin darauf hin, dass sie weiterhin für die Kunden da sei, diese weiterhin auf dem Laufenden halte und dabei unterstützte, gesund und fit zu bleiben. In der Schließzeit würden zu diesem Zweck "vielfältige Alternativangebote" in Anspruch genommen werden können.

    Bei diesen, als frei abrufbar angedienten Leistungen ist es entsprechend den o.g. Rechtsgrundsätzen unbeachtlich, ob die Leistungen tatsächlich von den Mitgliedern abgerufen und verwendet wurden, ob eine Verpflichtung zur Zahlung bestand, ob das Entgelt insoweit als angemessen zu betrachten ist, ob die Angebote auch werbenden Zwecken dienten, ob die Angebote einen äquivalenten Ersatz für die Nutzung der Fitnessräume darstellten, oder ob auch Dritte einige Leistungen aufgrund des freien Zugangs (YouTube) unentgeltlich hätten erlangen können. Denn die innere Verknüpfung der Zahlung zu den benannten und frei abrufbaren Leistungen wird durch die Freiwilligkeit, den geringen Wert der Leistung oder die (öffentliche) Darbietungsform nicht aufgelöst. Soweit die Klägerin nunmehr im Klageverfahren vorträgt, dass zumindest einige dieser dargestellten Leistungen de facto gar nicht ausgeführt wurden oder ausgeführt werden sollten/konnten (keine Trainingspläne / keine Besprechung des Trainings / statt Hotline nur "Kummertelefon" / kein Onlineservice), führt dies zu keiner anderen Sichtweise. Denn wenn ein Kunde Zahlungen in einem inneren Zusammenhang zu ausdrücklich angedienten Leistungen erbringt, wird dieser Zusammenhang nicht dadurch aufgelöst, dass diese Leistungen faktisch nicht abgerufen werden oder - was dem Angebot nicht zu entnehmen ist - teilweise in der angebotenen Form gar nicht abrufbar sind.

    Entgegen der Ansicht der Klägerin umfasste das im Zusammenhang mit den Mitgliedbeiträgen stehende Leistungsbündel zudem auch die im Rahmen des laufenden - und jeweils nicht gekündigten - Vertragsverhältnisses zuvor erbrachten Leistungen ("Zusatzzahlungen"). Der Umsatzbesteuerung unterliegende Zusatzzahlungen sind (Geld-)Leistungen, die nach einer vollständigen Begleichung der zivilrechtlich geschuldeten Gegenleistung auf freiwilliger Basis erfolgen und in einem inneren Zusammenhang zur Leistung stehen. Die Motivation mag dabei etwa in einer Dankbarkeit / Verbundenheit gegenüber dem Leistungserbringer und/oder in einer - gegebenenfalls rein subjektiv empfundenen - moralischen Verpflichtung liegen; maßgeblich ist jeweils, dass die Zahlung nicht losgelöst vom Leistungsaustausch, sondern in einem inneren Zusammenhang dazu erbracht wurde. Der Senat hält daran fest, dass eine freiwillige Fortzahlung von Beiträgen, die von Mitgliedern im Rahmen eines in der Vergangenheit gelebten - und fortbestehenden - Dauerschuldverhältnisses an ein Fitnessstudio erbracht werden, welches vorübergehend pandemiebedingt auf die Erbringung von Ersatzleistungen verwiesen ist, in einem inneren Zusammenhang mit eben diesen, im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses erbrachten Leistungen stehen; dies umfasst auch die bereits bezogenen Leistungen. Es ist nicht lebensnah, dass die Fortzahlungen durch die Mitglieder unter Ausblendung ihres persönlichen Vertragsverhältnisses zur Klägerin und der in diesem Zusammenhang ausgetauschten Leistungen erbracht wurden. Im Streitfall zahlten die Mitglieder - wie in den sonstigen Fällen der freiwilligen Zuzahlungen (BFH-Urteil vom 17. Februar 1972, V R 118/71, BStBl. II 1972, 405 Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 9. März 2011, 4 K 1932/10, juris) - vielmehr im unmittelbaren Kontext des bestehenden zivilrechtlichen Vertrages und der in diesem Vertragsverhältnis erbrachten Leistungen.

    3.)
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Beschwerde gem. § 115 Abs. 2 S. 1 FGO mit Blick auf die Ausführungen zu Ziff. 2.) zugelassen.

    RechtsgebietUStGVorschriften§ 10 Abs. 1 UStG