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  • 05.01.2023 · IWW-Abrufnummer 233062

    Finanzgericht Bremen: Urteil vom 03.11.2022 – 2 K 51/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Bremen

    Urteil vom 03.11.2022


    In dem Rechtsstreit
    des Herrn ...
    - Kläger -
    Prozessbevollmächtigte: ...
    gegen
    die Familienkasse Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit,
    ...
    - Beklagte -

    wegen Kindergeld

    hat das Finanzgericht Bremen - 2. Senat - ohne mündliche Verhandlung am 3. November 2022 durch ... für Recht erkannt:

    Tenor:

    Der Aufhebungsbescheid vom 14. Februar 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2022 wird hinsichtlich der Monate März 2022, April 2022 und Mai 2022 aufgehoben.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

    Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Kindergeld für seinen Sohn K., geboren am ... 2002 - nachfolgend abgekürzt: K. -, für die Dauer des freiwilligen Wehrdienstes nach Beendigung der Grundausbildung.

    Das Kind K. schloss seine Schulausbildung im Sommer 2021 mit dem Abitur (Durchschnittsnote: 1,7) ab.

    Am ... Juni 2021 beantragte der Kläger die weitere Gewährung von Kindergeld für seinen Sohn K. Er teilte der Beklagten auf den dafür vorgesehenen Vordrucken "Erklärung für ein volljähriges Kind ohne Ausbildungs- und Arbeitsplatz" und "Erklärung zu den Verhältnissen eines volljährigen Kindes" mit, dass K. einen Studienplatz suche und sich zur "Überbrückung" bei der Bundeswehr für den freiwilligen Wehrdienst beworben habe, jedoch noch keine endgültige Bestätigung habe. Hierzu fügte er eine vom ... Juni 2022 datierende Bestätigung des Karrierecenters der Bundeswehr ..., Dezernat Bewerbungsmanagement, über den Eingang der Bewerbung von K. bei.

    Mit Schreiben vom 8. Juli 2021 forderte die Beklagte den Kläger auf, zum Studienbeginn des Kindes K. Stellung zu nehmen. Sie bat um Angaben dazu, warum K. das Studium erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen werde, obwohl das nächstmögliche Semester das kommende Wintersemester sei, sowie um Vorlage von Nachweisen (z. B. Auszug aus den Studienbedingungen, Infomaterial der Hochschule oder Ähnlichem), falls ein früherer Beginn nicht möglich sein sollte, weil z. B. der angestrebte Studiengang ausschließlich zu einem späteren Semester beginne, vor Beginn des Studiums noch ein vorgeschriebenes Praktikum abzuleisten sei oder Arbeitsproben zu erstellen seien. Hierfür setzte sie dem Kläger eine Frist bis zum 29. Juli 2021.

    Mit Bescheid vom 13. Juli 2021 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind K. gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab dem Monat August 2021 auf und gab zur Begründung an, dass nach ihren Unterlagen das Kind K. im Monat Juli 2021 seine Schulausbildung beenden werde.

    Mit E-Mail vom 20. Juli 2021 wandte sich K. an die Beklagte und teilte dieser mit, dass er sich im Mai 2021 zum freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr mit dem voraussichtlichen Einstellungstermin 1. Oktober 2021 gemeldet habe und dass er sich dann innerhalb des Wehrdienstes entscheiden werde, ob er eine Verpflichtung mit einem damit verbundenen Studium und Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr eingehe oder ob er nach dem Wehrdienst aufhöre und einen zivilen Studiengang anstrebe.

    Mit Bescheid vom 19. August 2021 entsprach die Beklagte dem Antrag des Klägers auf Kindergeld vom 30. Juni 2021 und setzte Kindergeld für das Kind K. ab dem Monat August 2021 fest. Zur Begründung führte sie aus, dass das Kind K. eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen bzw. für eine beabsichtigte Berufsausbildung noch keinen Nachweis vorlegen könne. Es könne daher kindergeldrechtlich berücksichtigt werden.

    Mit Bescheid vom 14. Oktober 2021 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind K. gemäß § 70 Abs. 2 EStG ab dem Monat November 2021 auf und gab zur Begründung an, dass nach ihren Unterlagen die Suche des Kindes K. nach einem Ausbildungsplatz im Monat Oktober 2021 beendet sein werde.

    Mit Schreiben vom 7. Oktober 2021 bat K. um Weiterzahlung des Kindergeldes und übersandte der Beklagten die Kopie einer vom 28. September 2021 datierenden Mitteilung des Karrierecenters der Bundeswehr ... zum Dienstantritt am 16. November 2021 zwecks Ableistung eines 10-monatigen freiwilligen Wehrdienstes. In dem Schreiben des Karrierecenters der Bundeswehr ... war die vorgesehene "Anschlussverwendung" mit "MBes EGV ..." in ... angegeben.

    Mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 forderte die Beklagte den Kläger auf, die Ausbildung des Kindes K. bei der Bundeswehr auf dem dafür vorgesehenen Vordruck "Bescheinigung über die Ausbildung einer Soldatin/eines Soldaten bei der Bundeswehr" nachzuweisen.

    Hierauf ging am 9. Dezember 2021 der am 23. November 2021 von einem Bediensteten der ...schule, ...-Kaserne, unterschriebene und mit einem Dienstsiegel versehene ausgefüllte Vordruck "Bescheinigung über die Ausbildung einer Soldatin/ eines Soldaten bei der Bundeswehr" (Vordruck KG 15) bei der Beklagten ein. Darin war als Zeitraum der Grundausbildung die Zeit vom 16. November 2021 bis zum 11. Februar 2022 und als Laufbahngruppe, in der K. den freiwilligen Wehrdienst im Zeitraum vom 16. November 2021 bis zum 15. September 2022 absolviert, "Mannschaft (Freiwilliger Wehrdienst)" angegeben.

    Mit Bescheid vom 16. Dezember 2021 entsprach die Beklagte dem Antrag des Klägers auf Kindergeld vom 9. Dezember 2021 und setzte Kindergeld für das Kind K. ab dem Monat November 2021 fest. Zur Begründung führte sie aus, das Kind K. befinde sich "in einer sonstigen Ausbildungsmaßnahme bzw. einem Dienst nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG bzw. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. d BKGG" und könne daher kindergeldrechtlich berücksichtigt werden.

    In den "Hinweisen und Erläuterungen zum Bescheid vom 16.12.2021" heißt es unter anderem wörtlich: "Wer Kindergeld erhält ist verpflichtet, alle für die Festsetzung des Kindergeldes erheblichen Änderungen umgehend mitzuteilen (§ 68 EStG). [...] Näheres zur Mitteilungspflicht ist im Merkblatt Kindergeld unter Nr. 2 aufgeführt.".

    Mit Bescheid vom 14. Februar 2022 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind K. gemäß § 70 Abs. 2 EStG ab dem Monat März 2022 auf und gab zur Begründung an, dass nach ihren Unterlagen das Kind K. im Monat Februar 2022 "die sonstige Ausbildungsmaßnahme bzw. den Dienst nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG bzw. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. d BKGG" beenden werde.

    Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 8. März 2022 legte der Kläger Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 14. Februar 2022 ein. Zur Begründung führte er aus, dass "die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 b" für die Weitergewährung des Kindergeldes vorlägen. Sein Sohn K. leiste freiwilligen Wehrdienst nach § 58b des Soldatengesetzes (SG), der aus einer sechsmonatigen Probezeit und bis zu 17 Monaten anschließendem Wehrdienst bestehe. Daher sei K. kindergeldrechtlich weiterhin als Kind zu berücksichtigen.

    Mit Schreiben vom 11. April 2022 forderte die Beklagte den Kläger auf, den Vordruck KG 15 ("Bescheinigung über die Ausbildung einer Soldatin/eines Soldaten bei der Bundeswehr") bis zum 4. Mai 2022 einzureichen.

    Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 27. April 2022, das am 29. April 2022 bei der Beklagten einging, legte der Kläger einen am 21. April 2022 von einem Bediensteten der Mehrbesatzung Einsatzgruppenversorger ("Mehrbesatzung EGV ...", ...) unterschriebenen und mit einem Dienstsiegel versehenen ausgefüllten Vordruck "Bescheinigung über die Ausbildung einer Soldatin/eines Soldaten bei der Bundeswehr" (Vordruck KG 15) vor, in der - wie bereits in der Bescheinigung vom 23. November 2021 - als Zeitraum der Grundausbildung die Zeit vom 16. November 2021 bis zum 11. Februar 2022 angegeben und als Laufbahngruppe, in der K. den freiwilligen Wehrdienst im Zeitraum vom 16. November 2021 bis zum 15. September 2022 absolviert, "Mannschaft (Freiwilliger Wehrdienst)" angegeben ist und in der es ergänzend unter der Überschrift "sonstige Angaben" wörtlich heißt: "K... wird nach Beendigung seines FWDL ein ziviles Studium beginnen. Er befindet sich in der Bewerbungsphase für das Studium.".

    Mit Schreiben vom 5. Mai 2022 forderte die Beklagte den Kläger auf, bis zum 19. Mai 2022 Nachweise dafür vorzulegen, dass sich K. für ein ziviles Studium bewerbe, und außerdem anzugeben und nachzuweisen, für welchen Studiengang er sich bewerbe und wann K. die Bewerbung eingereicht habe.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2022 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie Folgendes aus:

    Für ein Kind, das sein 18. Lebensjahr vollendet habe, bestehe ein Anspruch auf Kindergeld nur, wenn es eine der in § 32 Abs. 4 EStG aufgeführten Voraussetzungen erfülle. Ein volljähriges Kind werde danach berücksichtigt, wenn es

    1. noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet habe, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet sei oder

    2. noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet habe und

    a) für einen Beruf ausgebildet werde oder

    b) sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befinde, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes i. S. des Buchst. d liege, oder

    c) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen könne oder

    d) ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr i. S. des Jugendfreiwilligendienstegesetzes oder einen Freiwilligendienst i. S. der Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 zur Einrichtung von "Erasmus+"', dem Programm der Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, und zur Aufhebung der Beschlüsse Nr. 1719/2006/EG, Nr. 1720/2006/EG und Nr. 1298/2008/EG (ABI. L 347 vom 20. Dezember 2013, S. 50) oder einen anderen Dienst im Ausland i. S. von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes oder einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "weltwärts" i. S. der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) oder einen Freiwilligendienst aller Generationen i. S. von § 2 Abs. 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst i. S. der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBI S. 1778) oder einen Bundesfreiwilligendienst i. S. des Bundesfreiwilligendienstgesetzes leiste oder

    3. wegen einer Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten sei.

    In den Laufbahngruppen der Bundeswehr könnten verschiedene Berufsausbildungsmaßnahmen als Berufsausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG berücksichtigungsfähig sein.

    Für die ersten vier Monate sei der Nachweis des Dienstantritts ausreichend. Darüber hinaus seien der Familienkasse Bescheinigungen vorzulegen, in welcher Laufbahn und welcher Ausbildungsmaßnahme sich das Kind befinde, und nach Abschluss der Ausbildungsmaßnahme, wann diese geendet habe.

    Eine Berücksichtigung des Kindes sei bei zusätzlichen Weiterbildungen bzw. Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen der Bundeswehrtätigkeit möglich, wenn die Maßnahme den Einstieg in eine Laufbahngruppe (Unteroffizier bzw. Offizier) oder den (mittelbaren) Aufstieg in eine höhere Laufbahngruppe ermögliche.

    Nach diesen Grundsätzen lägen die Berücksichtigungsvoraussetzungen für das Kind K. ab dem Monat März 2022 aus folgenden Gründen nicht vor:

    K. habe im Zeitraum vom 16. November 2021 bis zum 11. Februar 2022 die Grundausbildung in der Laufbahngruppe Mannschaft absolviert. Eine weitere Ausbildungsmaßnahme, die einen Einstieg in eine höhere Laufbahngruppe ermögliche, sei nicht nachgewiesen worden.

    Mit Schreiben vom 5. Mai 2022 sei der Kläger aufgefordert worden, einen Nachweis darüber einzureichen, dass sich sein Kind um einen Studienplatz bemühe. Dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen.

    Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung sei § 70 Abs. 2 EStG. Hiernach sei die Festsetzung des Kindergeldes aufzuheben, soweit in den Verhältnissen, die für die Zahlung des Kindergeldes erheblich seien, Änderungen eingetreten seien. Die Aufhebung habe mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also ggf. auch rückwirkend zu erfolgen. Ein Ermessensspielraum stehe der Familienkasse im Rahmen des § 70 Abs. 2 EStG nicht zu.

    Gegen die Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2022 hat der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 20. Juni 2022, der am darauffolgenden Tag elektronisch beim Finanzgericht eingegangen ist, Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage verweist der Kläger auf sein Einspruchsschreiben vom 8. März 2022 und trägt ergänzend Folgendes vor:

    Entgegen der Auffassung der Beklagten lägen die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Nr. 2b BKGG vor. Das Kind K. leiste seit dem 16. November 2021 bis zum 15. September 2022 freiwilligen Wehrdienst. Bis zum 11. Februar 2022 habe K. die Grundausbildung absolviert. Der freiwillige Wehrdienst entspreche dem freiwilligen sozialen Jahr nach § 2 Abs. 2d BKGG.

    Die Gründe dafür, dass K. seinen freiwilligen Wehrdienst trotz Bewerbung bei der Bundeswehr bereits im Juni 2021 erst im November 2021 und nicht schon früher begonnen habe, lägen nicht in seiner Sphäre. K. habe sein Abiturzeugnis, das ihm am 28. Juni 2021 ausgehändigt worden sei, unverzüglich an die Bundeswehr weitergeleitet. Am 2. September 2021 sei K. im Rahmen des Assessment Centers mitgeteilt worden, dass ein Führungszeugnis benötigt werde. Dieses habe K. am gleichen Tag beantragt. Das Zeugnis sei direkt an die Bundeswehr versandt worden. Auf die Bearbeitungsdauer habe K. keinen Einfluss gehabt. Dass ein Führungszeugnis benötigt werde, sei K. vor dem Assessment Center nicht mitgeteilt worden.

    Mit Schreiben vom 13. Mai 2022 habe K. die Beklagte darüber unterrichtet, dass er zum 1. Oktober 2022 ein Studium an der ... Universität in ... aufnehmen wolle. Er habe mitgeteilt, dass er einen Zwei-Fächer-Bachelor in Geschichte und Politik-Wirtschaft mit dem Berufsziel Lehramt anstrebe. Die Bewerbungsportale für das Wintersemester 2022 seien erst zum 15. Mai 2022 eröffnet worden. Daher habe er am 13. Mai 2022 noch keinen Nachweis über die Bewerbung beibringen können. Am 15. Mai 2022 sei die Bewerbung erfolgt. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass damit die Voraussetzungen für die weitere Gewährung von Kindergeld ab dem Monat März 2022 vorlägen. Das Kind K. befinde sich nach wie vor in Ausbildung.

    Zum Nachweis der Bewerbung für den gewählten Studiengang zum frühestmöglichen Zeitpunkt (15. Mai 2022) hat der Kläger dem Finanzgericht Ausdrucke aus dem Bewerbungsportal der ... Universität in ... und von E-Mails vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass sich K. am 15. Mai 2022 für den Studiengang Zwei-Fächer-Bachelor in Geschichte und Politik-Wirtschaft mit dem Berufsziel Lehramt an der ... Universität in ... beworben hat, und auf deren Inhalte wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

    Mit Schriftsatz vom 12. August 2022 hat der Kläger dem Finanzgericht außerdem ein vom 29. Juni 2022 datierendes Schreiben des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) in Kopie vorgelegt, mit dem seinem Sohn K. mitgeteilt wird, dass er "gemäß § 58 h Abs. 1 i. V. m. § 75 Abs. 1, Satz 2 Nr. 1 des Soldatengesetzes ... mit Ablauf des 15. September 2022 aus der Bundeswehr entlassen" werde.

    Aufgrund der Nachfrage der Beklagten nach einer Dienstpostenausbildung des Kindes K. hat der Kläger des Weiteren einen von einem Bediensteten der Mehrbesatzung Einsatzgruppenversorger ("Mehrbesatzung EGV ...", ...) am 11. August 2022 unterschriebenen und mit einem Dienstsiegel versehenen ausgefüllten Vordruck "Bescheinigung über die Ausbildung einer Soldatin/eines Soldaten bei der Bundeswehr" (Vordruck KG 15) vorgelegt, in dem als Zeitraum der Grundausbildung von K. die Zeit vom 16. November 2021 bis zum 13. Februar 2022 angegeben und als Laufbahngruppe, in der K. den freiwilligen Wehrdienst im Zeitraum vom 16. November 2021 bis zum 15. September 2022 absolviert, "Mannschaft (Freiwilliger Wehrdienst)" angegeben ist und in der es ergänzend unter der Überschrift "sonstige Angaben" wörtlich heißt: "Herr K. ... ist als FWDL 10 (10 Monate) bei der Bundeswehr. Erst ab einer Verpflichtungszeit von 12 Monaten bekommen Soldaten im Status eines FWDL eine Dienstpostenausbildung. Somit war für Herrn K. ... keine DPA vorgesehen."

    Mit Schreiben vom 8. August 2022 hat das Finanzgericht den Beteiligten mit der Bitte um Kenntnisnahme und Gelegenheit zur Stellungnahme einen Ausdruck aus dem "InfoPortal Studium" der ... Universität ... zum Studiengang "Politik-Wirtschaft - Zwei-Fächer-Bachelor" (Stand: 21. Juli 2022) übersandt, aus dem sich ergibt, dass eine Bewerbung für diesen Studiengang nur zum Wintersemester möglich ist, sowie einen Ausdruck der Presseinfo Nr. 5 der Bundesagentur für Arbeit vom 19. Januar 2021.

    Ebenfalls mit Schreiben vom 8. August 2022 hat das Finanzgericht den Kläger gebeten mitzuteilen, wann das Kind K. den Entschluss gefasst hat, sich ab Eröffnung des Bewerbungsportals am 15. Mai 2022 für den Studiengang Zwei-Fächer-Bachelor in Geschichte und Politik-Wirtschaft mit dem Berufsziel Lehramt zum Wintersemester 2022/23 zu bewerben.

    Hierauf hat der Kläger mit Schriftsatz vom 6. September 2022 eine nicht datierte Stellungnahme von K. vorgelegt, in der K. erläutert, dass für ihn schon kurz nach Erhalt des Abiturs im Juli 2021 und somit lange vor dem Dienstantritt des freiwilligen Wehrdienstes bei der Bundeswehr festgestanden habe, dass er generell studieren möchte. Jedoch sei er sich nicht sicher gewesen, welchen Studiengang er wählen würde. Anstatt ein Freiwilliges Soziales bzw. Ökologisches Jahr zu machen, das Zeit zur Interessenfindung zwischen abgeschlossenem Abitur und Studienbeginn gebe, habe er sich dazu entschlossen, einen zehnmonatigen Dienst bei der Bundeswehr zu leisten. Diese Zeit habe er genutzt und bereits im März 2022 den Entschluss gefasst, einen Doppelbachelor in Geschichte und Politik-Wirtschaft mit angestrebtem Berufsziel Lehramt zu studieren. Der Entschluss, an welcher Universität er dieses Studium beginnen möchte, sei kurz darauf erfolgt.

    Der Kläger hat außerdem ein vom 13. August 2022 datierendes Schreiben der ... Universität ... an das Kind K. mit Informationen zur Immatrikulation vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass das Kind K. einen Studienplatz in dem gewünschten Studiengang Zwei-Fächer-Bachelor in Geschichte und Politik-Wirtschaft mit dem Berufsziel Lehramt für das Wintersemester 2022/23 erhalten hat.

    Der Kläger beantragt,

    den Bescheid vom 14. Februar 2022 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für das Kind K. Kindergeld weiter in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend Folgendes vor:

    Gegenstand der Klage sei der Bescheid vom 14. Februar 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2022, der den Zeitraum von März 2022 bis Mai 2022, also bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, regele (vgl. Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 24. Juli 2013 XI R 24/12, BFH/NV 2013, 1920, juris Rz 19). Danach stelle der angekündigte, auf das laufende Kindergeld gerichtete Klageantrag einen Neuantrag auf Festsetzung des Kindergeldes ab Juni 2022 dar, über den zu gegebener Zeit im Verwaltungsverfahren entschieden werde (vgl. BFH, Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 41/07, BFHE 236, 144, BStBl II 2012, 681, juris Rz 48).

    Die Klage sei zulässig, aber unbegründet.

    - Im Streitfall bestimme sich der Anspruch auf Kindergeld nach den Vorschriften des EStG. Die Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) seien nicht einschlägig. Im Übrigen wäre die Klage dann vor dem unzuständigen Gericht erhoben.

    - Der mit Schriftsatz des Klägers vom 6. September 2022 vorgelegten nicht datierten Stellungnahme seines Sohnes K. sei zu entnehmen, dass K. sich nach Abschluss der Schulausbildung habe orientieren wollen, welcher Studiengang der richtige sein könnte. Zeiten der Orientierung könnten nur berücksichtigt werden, wenn einer der in § 32 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 oder 2 EStG aufgeführten Tatbestände erfüllt sei. Dabei sei Orientierung nicht mit der Suche nach einem Ausbildungsplatz gleichzusetzen. Eine Ausbildungssuche sei erst anzunehmen, wenn Berufsziel und dazugehöriger Ausbildungsweg feststünden.

    Weiter sei der mit Schriftsatz des Klägers vom 6. September 2022 vorgelegten nicht datierten Stellungnahme seines Sohnes K. zu entnehmen, dass ein Ausbildungsbeginn (Aufnahme eines Studiums) nicht zum Wintersemester 2021/2022 und damit zum nächstmöglichen Zeitpunkt, sondern zum Wintersemester 2022/2023 angestrebt worden sei. Nach Abschnitt A 17.1 Abs. 2 Satz 2 der in den Jahren 2021 und 2022 gültigen Dienstanweisungen zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG) werde eine Ausbildung "nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt angestrebt", "wenn das Kind aus von ihm zu vertretenden Gründen, z. B. wegen einer Erwerbstätigkeit oder der Ableistung eines freiwilligen Wehrdienstes, die Ausbildung erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen möchte".

    Im Streitfall sei nach ihrer, der Beklagten, Ansicht eine Berücksichtigung von K. als Kind, das einen Ausbildungsplatz suche, erst ab dem Zeitpunkt des Wegfalls des Hinderungsgrundes - hier: des freiwilligen Wehrdienstes -, also ab September 2022 möglich.

    Soweit dieser Ansicht nicht gefolgt werde und außerdem keine anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG angenommen werde, könnte das Kind K. aufgrund des eingereichten Nachweises der Bewerbung um einen Studienplatz am 15. Mai 2022 ab Mai 2022 als ausbildungssuchendes Kind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden.

    - Nach ihrer, der Beklagten Ansicht, begründe ein freiwilliger Wehrdienst keinen Anspruch auf Kindergeld gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG. Dies sei nur bei den dort abschließend aufgeführten Diensten der Fall.

    Im freiwilligen Wehrdienst könnten nur die Ausbildungszeiten der Grundausbildung und der Dienstpostenausbildung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG berücksichtigt werden. Die Grundausbildung sei vorliegend für den Zeitraum bis einschließlich Februar 2022 bescheinigt. Ein darüber hinaus andauernder freiwilliger Wehrdienst könne nicht als Ausbildungszeit berücksichtigt werden. Mit den vorgelegten Vordrucken "Bescheinigung über die Ausbildung einer Soldatin/eines Soldaten bei der Bundeswehr" (Vordruck KG 15) sei auch keine sich der Grundausbildung anschließende Dienstpostenausbildung bescheinigt worden. Die Vordrucke seien im Übrigen - entgegen der ausdrücklichen Anforderung im Vordruck (Unterschriftszeile) - nicht von dem/der zuständigen Bearbeiter/in "der Personalabteilung im Stab der jeweiligen Einheit (S1)" unterschrieben worden.

    Mit Abschluss der Grundausbildung und ggf. der Dienstpostenausbildung sei das Kind zur Ausübung des Berufes des Soldaten ausgebildet. Sich anschließende Weiter- oder Fortbildungslehrgänge könnten berücksichtigt werden, wenn diese den Wechsel oder Aufstieg in eine höhere Laufbahngruppe ermöglichten. Solche Lehrgänge seien vorliegend nicht bescheinigt worden.

    - Eine Berücksichtigung des Kindes K. aufgrund der Bewerbung für ein Studium zum Wintersemester 2022/2023 sei nach ihrer, der Beklagten, Ansicht nicht möglich. Der freiwillige Wehrdienst stehe einer Berücksichtigung als ausbildungssuchendes Kind entgegen, da es sich um eine anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG handele. Das Kind habe seine Ausbildung zum Soldaten im Februar 2022 abgeschlossen und sei ab März 2022 als Soldat einer Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Stunden in der Woche nachgegangen. Mit Beendigung der Grundausbildung liege eine abgeschlossene Berufsausbildung und damit Erstausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG vor, ohne dass es auf die Berücksichtigung als Teil einer angestrebten Offiziersausbildung oder darauf ankomme, ob im Streitfall noch eine Dienstpostenausbildung absolviert worden sei oder keine vorgesehen sei.

    Eine Berufsausbildung stelle eine erstmalige Berufsausbildung dar, wenn das Kind zuvor noch keinen berufsqualifizierenden Abschluss erworben habe. Nach dem BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13 (BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, juris Rz 24) müsse es sich bei der Erstausbildung um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln, der auf einen Abschluss in Form einer Prüfung ausgerichtet sei. Durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme müsse das Kind die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben, die - anders als der Besuch einer allgemeinbildenden Schule - zur Aufnahme eines Berufs befähigten.

    Im Streitfall habe das Kind mit Absolvierung der Grundausbildung die Ausbildung zum Wach- und Sicherungssoldaten für den Wachdienst in der Bundeswehr ("ATN Sicherungs- und Wachsoldat Streitkräfte") mit Streifenausbildung absolviert. Nach ihrem, der Beklagten, Kenntnisstand, ende die Grundausbildung zwar nicht mit einer Prüfung. Den Abschluss der Grundausbildung bilde vielmehr die "Rekrutenbesichtigung". Generell entscheide das Ergebnis der "Rekrutenbesichtigung" allerdings nicht allein darüber, ob die Grundausbildung bestanden worden sei oder nicht. Wesentlich sei die Gesamtleistung in der Grundausbildung. Die Grundausbildung schließe mit der Zuerkennung der ATN "Sicherungs- und Wachsoldat Streitkräfte (SK)" ab. ATN stehe für den in der Bundeswehr noch geläufigen und verwendeten Begriff Ausbildungs- und Tätigkeitsnummer (ATN) und werde inzwischen Tätigkeitsinformationsverfahren-Identifizierungsnummer (TIV-ID) genannt. Teilstreitkräfteübergreifend werde nach erfolgreicher Absolvierung der Grundausbildung die ATN 100 2988 zuerkannt, die der ATN "Sicherungs- und Wachsoldat Streitkräfte (SK)" entspreche. Diese sei in der Regel - nach der ATN "Einsatzersthelfer A" - die zweite ATN, die der Soldat erwerbe. Damit werde mit der Zuerkennung der ATN "Sicherungs- und Wachsoldat Streitkräfte (SK)" nach erfolgreicher Absolvierung der Grundausbildung ein berufsqualifizierender Abschluss zuerkannt, welcher den Dienst als Sicherungs- und Wachsoldat der Streitkräfte ermögliche. Folglich sei die weitere Dienstzeit als Soldat im freiwilligen Wehrdienst eine anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit nach Erstausbildung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.

    - Teile man ihre, der Beklagten, Auffassung, dass eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung des Kindes K. aus den vorgenannten Gründen nicht möglich sei, nicht, komme eine Berücksichtigung für die Monate März 2022 und April 2022 jedenfalls mangels Nachweises hinreichender Bewerbungsbemühungen und rechtzeitiger Äußerung einer konkreten Bewerbungsabsicht nicht in Betracht.

    Zwar sei eine Bewerbung an der Universität ... für das angestrebte Studium nur zum Wintersemester möglich gewesen. Jedoch habe das Kind K. mit seiner Entscheidung, einen freiwilligen Wehrdienst bis September 2022 abzuleisten, aus von ihm zu vertretenden Gründen einen Ausbildungsbeginn zu einem erst späteren Zeitpunkt begründet und könne aus diesem Grund im streitigen Zeitraum März 2022 bis Mai 2022 nicht als ausbildungssuchendes Kind berücksichtigt werden. Denn für einen Anspruch auf Kindergeld für ein ausbildungssuchendes Kind müsse die Bewerbung zum nächstmöglichen Zeitpunkt erfolgen. Hierzu verweist die Beklagte auf Ziffer 4.3 erster Pfeil des - von ihr vorgelegten - Merkblatts Kindergeld (Stand: Januar 2021 und Juli 2022) und auf Abschnitt A 17.1 Abs. 2 Satz 1 und 2 DA-KG, nach der der Berechtigte "der Familienkasse die ernsthaften Bemühungen des Kindes um einen Ausbildungsplatz zum nächstmöglichen Beginn durch geeignete Unterlagen nachweisen oder zumindest glaubhaft machen" müsse und eine Ausbildung "nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt angestrebt" werde, "wenn das Kind aus von ihm zu vertretenden Gründen, z. B. wegen einer Erwerbstätigkeit oder der Ableistung eines freiwilligen Wehrdienstes, die Ausbildung erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen möchte". Ergänzend führt die Beklagte das Urteil des FG Münster vom 1. April 2011 10 K 1574/10 Kg (juris) an, nach dem kein Anspruch auf Kindergeld bestehe, wenn das Kind sich bewusst gegen eine Bewerbung an einer anderen Universität mit früherem Ausbildungsbeginn - hier: Sommersemester 2022 - entscheide.

    Hinsichtlich der Frage der rechtzeitigen Äußerung einer konkreten Bewerbungsabsicht ist die Beklagte der Auffassung, dass die vom Finanzgericht übersandte Presseinfo Nr. 5 vom 19. Januar 2021 in verständlicher Sprache über die Anspruchsvoraussetzungen für volljährige Kinder, die vor kurzem eine Schulausbildung beendet hätten, informiere, nämlich zur Übergangszeit von vier Monaten nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG und zur Suche nach einem Ausbildungsplatz nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG. Hierüber informierten auch die - von der Beklagten vorgelegten - Merkblätter Kindergeld (Stand: Januar 2021 und Juli 2022) unter dem Abschnitt 4.2 ,Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungen' und 4.3 ,Ausbildungsplatzsuchende Kinder'. Auf das Merkblatt sei der Kläger beispielsweise auf Seite 3 des Festsetzungsbescheids vom 16. Dezember 2021 hingewiesen worden. Auf Seite 17 vierter Pfeil im Abschnitt 4.3 werde insbesondere darauf hingewiesen, dass Kinder, die sich aufgrund eines noch nicht eröffneten Bewerbungsverfahren noch nicht bewerben könnten, eine schriftliche Erklärung über die konkrete Bewerbungsabsicht abgeben müssten. Weiter werde darüber informiert, dass erst ab dem Zeitpunkt, an dem die Erklärung bei der Familienkasse eingehe, der Anspruch auf Kindergeld bestehe. Diese Information korrespondiere mit Abschnitt A 17.1 Abs. 1 Satz 10 DA-KG, in dem es wörtlich heiße: "Kann eine Bewerbung nicht abgegeben werden, z. B. für Studierwillige, weil das Verfahren bei der SfH noch nicht eröffnet ist, genügt zunächst eine schriftliche Erklärung des Kindes (vgl. V 6.1 Abs. 1 Satz 8), sich so bald wie möglich bewerben zu wollen." In Abschnitt V 6.1 Abs. 1 Satz 8 DA-KG heiße es wörtlich: "Erklärungen, die eine Absicht glaubhaft machen sollen, wirken nur ab dem Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Erklärung bei der Familienkasse."

    Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass das Kind K. nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ab Eingang einer oben beschriebenen Erklärung bei der Familienkasse oder ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Bewerbungsbemühungen berücksichtigt werden könne. Ob und inwieweit hier die Mitteilung des Kindes mit E-Mail vom 20. Juli 2021 berücksichtigt werden könne, sei fraglich, da zu diesem Zeitpunkt bereits festgestanden habe, dass eine Bewerbung für ein ziviles Studium erst zu einem Ausbildungsbeginn nach dem freiwilligen Wehrdienst angestrebt werde. Eine im März 2022 abgegebene Erklärung liege nicht vor. Rückwirkend könnte sie, die Beklagte, nach der für sie geltenden DA-KG (Abschnitt V 6.1 Abs. 1 Satz 8) eine solche Erklärung, die eine Absicht glaubhaft machen solle, nicht berücksichtigen. Somit könne auch die jetzt im Klageverfahren vorgelegte Stellungnahme des Kindes keine Berücksichtigung finden. Nach den im Klageverfahren eingereichten Nachweisen zur Studienbewerbung an der Universität ... habe sich das Kind K. erst am 15. Mai 2022 tatsächlich beworben.

    Dem Gericht haben die von der Beklagten zur Kindergeld-Nummer ... geführten elektronischen Kindergeldakten vorgelegen. Der Inhalt dieser Akten ist, ebenso wie der Inhalt der elektronischen Gerichtsakten zum vorliegenden Klageverfahren, Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Insoweit wird auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe
    Die Klage, über die der Senat aufgrund des vom Kläger mit Schriftsatz vom 30. Juni 2022 und von der Beklagten mit Schriftsatz vom 15. Juli 2022 erklärten Einverständnisses gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist als Anfechtungsklage zulässig und begründet.

    I. Der Antrag des Klägers ist nicht im Sinne einer objektiven Klagehäufung (§ 43 FGO), sondern als reiner Anfechtungsantrag zu verstehen, der sich gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung richtet.

    Der Kläger kann sein auf Weitergewährung des Kindergeldes gerichtetes Klageziel bis zum Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung mit einer Anfechtungsklage erreichen. Wenn die Aufhebung einer Steuerfestsetzung ihrerseits aufgehoben wird, lebt die ursprüngliche Steuerfestsetzung wieder auf. Entsprechendes gilt für das Kindergeld als Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG, § 155 Abs. 4 der Abgabenordnung -AO-). Die positive Kindergeldfestsetzung hat als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung Bindungswirkung für die Zukunft (BFH, Urteil vom 3. Juli 2014 III R 53/13, BFHE 246, 437, BStBl II 2015, 282, juris Rz 9 f.).

    Eine Bindung der Familienkasse über den Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung hinaus könnte auch durch eine Verpflichtungsklage nicht bewirkt werden. Das Finanzgericht kann den Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich nur in dem Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Inhaltskontrolle machen, in dem die Familienkasse den Kindergeldanspruch geregelt hat. Im Falle des Einspruchs gegen einen Aufhebungsbescheid reicht die Regelungswirkung in zeitlicher Hinsicht bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, sofern die Einspruchsentscheidung keine abweichende zeitliche Regelung enthält (BFH, Urteil vom 22. September 2022 III R 23/21, juris Rz 17 m. w. N.), im Streitfall also von März 2022 bis Mai 2022.

    II. Der angefochtene Aufhebungsbescheid vom 14. Februar 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2022 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    1. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der von K. absolvierte freiwillige Wehrdienst allerdings keiner der Freiwilligendienste, während derer Kinder nach Vollendung des 18. und vor Vollendung des 25. Lebensjahres nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG berücksichtigungsfähig sind. Eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG zugunsten freiwillig Wehrdienstleistender kommt mangels planwidriger Unvollständigkeit des geltenden Rechts nicht in Betracht, wie der BFH in seinem Urteil vom 3. Juli 2014 III R 53/13 (BFHE 246, 437, BStBl II 2015, 282 [BFH 03.07.2014 - III R 53/13], juris Rz 16) im Einzelnen ausgeführt hat. In der unterbliebenen Aufnahme des freiwilligen Wehrdienstes in den Katalog des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG liegt nach den Ausführungen des BFH in seinem Urteil in BFHE 246, 437, BStBl II 2015, 282 [BFH 03.07.2014 - III R 53/13] (juris Rz 17 ff.), der sich das erkennende Gericht anschließt, wegen der grundsätzlich weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auch keine mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbare Ungleichbehandlung.

    2. Der von K. nach der Beendigung der Grundausbildung ab März 2022 absolvierte freiwillige Wehrdienst war nicht als (militärische) Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu würdigen, da K. ab März 2022 tatsächlich keine Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier erhalten hat, sondern lediglich im Mannschaftsdienstgrad Dienst ohne Ausbildungscharakter geleistet hat (vgl. BFH, Urteil vom 3. Juli 2014 III R 53/13, BFHE 246, 437, BStBl II 2015, 282, juris Rz 22 ff. m. w. N.). K. hatte ausweislich seiner mit Schriftsatz vom 6. September 2022 vorgelegten nicht datierten Stellungnahme bereits im März 2022 den Entschluss gefasst, außerhalb der Bundeswehr ein ziviles Studium zu beginnen.

    3. Die Beklagte hat das Kind K. jedoch zu Unrecht nicht als Kind gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt.

    a) Für ein über 18 Jahre altes Kind, das - wie K. im Streitzeitraum - das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ein Anspruch auf Kindergeld unter anderem dann, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.

    aa) Die Berücksichtigung als Kind, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen kann, setzt voraus, dass der Beginn der Ausbildung nicht an anderen Umständen als dem Mangel eines Ausbildungsplatzes scheitert. Dabei ist zwar grundsätzlich jeder Ausbildungswunsch des Kindes zu berücksichtigen; seine Verwirklichung darf jedoch nicht an den persönlichen Verhältnissen des Kindes scheitern. Das Kind muss die Ausbildungsstelle im Falle des Erfolgs seiner Bemühungen antreten können (BFH, Urteil vom 31. August 2021 III R 41/19, BFHE 274, 149, BStBl II 2022, 465, juris Rz 20 m. w. N.).

    Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Dabei ist das Bemühen um einen Ausbildungsplatz glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegen zu wirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 10/14, BFHE 250, 145, BStBl II 2015, 940, juris Rz 24).

    bb) Ist es dem Kind im Streitzeitraum noch nicht möglich, sich zu bewerben, weil z. B. das Bewerbungsverfahren für einen Studienplatz in dem gewünschten Fach bei der Hochschule für das nächste Semester noch nicht eröffnet wurde, kommt eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG in Betracht, wenn die Ausbildungswilligkeit des Kindes für den Anspruchszeitraum nachgewiesen wird (vgl. auch z. B. BFH, Urteile vom 31. August 2021 III R 41/19, BFHE 274, 149, BStBl II 2022, 465, juris Rz 28; III R 52/20, BFH/NV 2022, 346 [BFH 31.08.2021 - III R 52/20], juris Rz 20; beide zur Berücksichtigung eines längerfristig erkrankten Kindes).

    Als Nachweis kommt etwa die von der Familienkasse geforderte schriftliche Erklärung in Betracht, sich unmittelbar nach Eröffnung des Bewerbungsverfahrens um einen Studienplatz zu bemühen (siehe z. B. Presseinfo Nr. 5 der Bundesagentur für Arbeit vom 19. Januar 2021; Merkblatt Kindergeld, Stand: Januar 2021 und Juli 2022, Seite 17, Abschnitt 4.3 ,Ausbildungsplatzsuchende Kinder'; Abschnitt A 17.1 Abs. 1 Satz 10 DA-KG). Wegen des Untersuchungsgrundsatzes (§ 88 Abs. 1 und 2 AO, § 76 Abs. 1 und 4 FGO) sind aber auch andere Nachweise denkbar (vgl. z. B. BFH, Urteil in BFHE 274, 149, BStBl II 2022, 465, juris Rz 29; in BFH/NV 2022, 346 [BFH 31.08.2021 - III R 52/20], juris Rz 24; beide zum Nachweis der Ausbildungswilligkeit eines längerfristig erkrankten Kindes).

    Der Dienstanweisung in Abschnitt V 6.1 Abs. 1 Satz 8 DA-KG, nach der Erklärungen, die eine Absicht glaubhaft machen sollen, nur ab dem Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Erklärung bei der Familienkasse wirken, ist der BFH (z. B. Urteil vom 21. März 2019 III R 17/18, BFHE 264, 205, BStBl II 2019, 772 [BFH 21.03.2019 - III R 17/18], juris Rz 25) entgegengetreten, soweit die Familienkasse unter Berufung hierauf, eine Verbindung von zwei Ausbildungsabschnitten zu einer einheitlichen Erstausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bereits dann ablehnt, wenn die Absichtserklärung zur Fortführung der Erstausbildung nicht spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts vorgelegt wird. Nach Auffassung des BFH genügt es, wenn die Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind, weil es sich nicht um eine rechtsgestaltende Erklärung handelt, sondern um eine im Wege der Glaubhaftmachung zu würdigende Tatsachenbekundung. Der Untersuchungsgrundsatz lässt keinen Raum dafür, erst nach Ablauf des Anspruchszeitraums entstandene oder bekannt gewordene Beweisanzeichen unberücksichtigt zu lassen (BFH, Urteil in BFHE 264, 205, BStBl II 2019, 772 [BFH 21.03.2019 - III R 17/18], juris Rz 25).

    b) Danach ist K. im Streitzeitraum gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG als Kind zu berücksichtigen, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht.

    aa) Einer Berücksichtigung als Kind, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann, steht nicht entgegen, dass das Kind K. sich nicht schon zum Wintersemester 2021/2022 für das Studium Zwei-Fächer-Bachelor in Geschichte und Politik-Wirtschaft mit dem Berufsziel Lehramt an der Universität in ... beworben hat.

    K. hat ab dem 16. November 2021 zunächst im Rahmen des freiwilligen Wehrdienstes eine militärische Grundausbildung absolviert, die auch nach Auffassung der Beklagten als Ausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG kindergeldrechtlich zu berücksichtigen war und tatsächlich berücksichtigt worden ist, um sich - wie er gegenüber der Beklagten bereits mit E-Mail vom 20. Juli 2021 zum Ausdruck gebracht hatte - zu entscheiden, ob er die Offizierslaufbahn mit einer damit verbundenen weiteren Ausbildung bei der Bundeswehr einschlagen oder ob er nach dem freiwilligen Wehrdienst aufhören und einen zivilen Studiengang beginnen wird.

    Von einem Kind kann zwar erwartet werden, dass es spätestens am Ende des Schulbesuchs - hier: mit dem Abitur im Sommer 2021 - Vorstellungen über seine anschließende Ausbildung entwickelt hat. Wenn es aber am Ende der Schulausbildung - hier: im Juli 2021 ausweislich der E-Mail von K. an die Beklagte - zwei Ausbildungswege ins Auge gefasst hat, deren parallele Verfolgung nicht möglich oder zumutbar ist, und wenige Monate nach Beschreiten des zeitnah begonnenen ersten Weges feststellt, dass ihm die Alternative mehr zusagt, so handelt es sich bei der Entscheidung für die Alternative um die angemessene Nutzung der ihm zuzubilligenden Orientierungsphase.

    bb) K. war auch nicht bereits deshalb am Beginn des Studiums im Studiengang Zwei-Fächer-Bachelor in Geschichte und Politik-Wirtschaft mit dem Berufsziel Lehramt an der ... Universität in ... gehindert, weil er nach Abschluss der Grundausbildung bei der Bundeswehr weiter freiwilligen Wehrdienst leistete. Denn K., der seinen freiwilligen Wehrdienst am 16. November 2021 begonnen hatte, befand sich bis zum 15. Mai 2022, also in den streitigen Monaten März 2022, April 2022 und Mai 2022, noch in der sechsmonatigen Probezeit gemäß § 58b Abs. 1 Satz 2 SG und hätte daher gemäß § 58h Abs. 2 Satz 3 SG seinen freiwilligen Wehrdienst jederzeit mit einem von ihm zu stellenden schriftlichen Antrag auf Entlassung beenden können, um das beabsichtigte Studium zu beginnen, wenn ein Beginn dieses Studiums zum Sommersemester 2022 möglich gewesen wären. Im Jahr 2022 war - was auch die Beklagte nicht bestreitet - eine Bewerbung für den Studiengang Zwei-Fächer-Bachelor in Geschichte und Politik-Wirtschaft mit dem Berufsziel Lehramt an der ... Universität in ... nur zum Wintersemester 2022/23 ab dem 15. Mai 2022 möglich.

    Die Entscheidung des Kindes K., ein Studium in dem genannten Studiengang an einer bestimmten Universität (... Universität in ...) aufzunehmen, ist im Rahmen der Prüfung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, ob sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht und der Beginn der Ausbildung nicht an anderen Umständen als dem Mangel eines Ausbildungsplatzes scheitert, sowohl hinsichtlich des gewählten Studiengangs als auch hinsichtlich des gewählten Studienorts hinzunehmen. Denn nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist der Ausbildungswunsch des Kindes in fachlicher und örtlicher Hinsicht zu berücksichtigen ist, soweit sich dadurch der Ausbildungsbeginn nicht um mehr als ein Semester verzögert. Dabei kann im Streitfall die sich aufdrängende Frage offenbleiben, ob es K. im März 2022 überhaupt noch möglich war, sich bei einer anderen Hochschule in Deutschland für den Studiengang Zwei-Fächer-Bachelor in Geschichte und Politik-Wirtschaft mit dem Berufsziel Lehramt für das Sommersemester 2022, das bereits am 1. April 2022 begann, einzuschreiben bzw. zumindest zu bewerben. Denn selbst wenn dies möglich gewesen sein sollte, hätte die tatsächlich erst für das nachfolgende Wintersemester 2022/23 erfolgte Bewerbung an der Wunschhochschule (... Universität in ...) nur zu einer - nach Auffassung des erkennenden Gerichts unschädlichen - Verzögerung des Ausbildungsbeginns um ein Semester geführt. Das erkennende Gericht folgt insoweit nicht der gegenteiligen Auffassung anderer Finanzgerichte (z. B. Finanzgericht Münster vom 1. April 2011 10 K 1574/10 Kg, juris Rz 30 m. w. N.), wonach es dem Kind zumutbar sei, sich zunächst fachlich oder örtlich anderweitig zu orientieren, wenn sich sein Ausbildungswunsch nicht zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn in örtlicher Hinsicht verwirklichen lasse, und das Kind - jedenfalls vorübergehend - nicht studien- bzw. ausbildungsplatzsuchend i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG sei, wenn es bewusst die Entscheidung treffe, sich weder fachlich an der Wunschhochschule anderweitig zu orientieren, noch sich um das gewünschte Studium an einer anderen Hochschule zu bewerben.

    cc) In Fällen der Eröffnung des Bewerbungsverfahrens um einen Studienplatz an einer bestimmten Hochschule erst zu einem späteren Zeitpunkt - hier: ab dem 15. Mai 2022 - genügt nach den oben genannten Grundsätzen als Nachweis für die Ausbildungswilligkeit des Kindes, wenn Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind, aus denen sich ergibt, dass das Kind im Streitzeitraum vorhatte, sich unmittelbar nach Eröffnung des Bewerbungsverfahrens um den Studienplatz zu bemühen.

    Im Streitfall hatte K. der Beklagten bereits mit E-Mail vom 20. Juli 2021 mitgeteilt, dass er innerhalb des freiwilligen Wehrdienstes entscheiden werde, ob er sich für die Offizierslaufbahn mit einem damit verbundenen Studium verpflichte oder ob er nach dem Wehrdienst aufhöre und einen zivilen Studiengang anstrebe. Er hat gegenüber der Dienststelle der Bundeswehr, bei der er bis Mitte Februar 2022 seine Grundausbildung absolviert hat ("Mehrbesatzung EGV ...", ...), seinen konkreten Entschluss verlautbart, nach Beendigung seines freiwilligen Wehrdienstes ein ziviles Studium zu beginnen und sich dafür zu bewerben. Dies hat die Dienststelle in den am 21. April 2022 von einem Bediensteten unterschriebenen Vordruck "Bescheinigung über die Ausbildung einer Soldatin/eines Soldaten bei der Bundeswehr" (Vordruck KG 15) so unter der Überschrift "sonstige Angaben" aufgenommen. Mit Einreichung dieses Vordrucks durch seine Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 27. April 2022 bei der Beklagten, das dort am 29. April 2022 einging, ist die Ausbildungswilligkeit nach Beendigung der Grundausbildung auch gegenüber der Beklagten noch im April 2022 kundgetan worden. In Zusammenschau mit der E-Mail des Kindes K. vom 20. Juli 2021 sowie der mit Schriftsatz vom 6. September 2022 vorgelegten nicht datierten Stellungnahme des Kindes K. ist davon auszugehen, dass es auch bereits im März 2022 den Entschluss gefasst hatte, den Studiengang Zwei-Fächer-Bachelor in Geschichte und Politik-Wirtschaft mit dem Berufsziel Lehramt zu absolvieren. Die Ausbildungswilligkeit des Kindes K. ist damit für das erkennende Gericht auch schon für den Monat März 2022 glaubhaft dargelegt.

    2. Die Berücksichtigung des Kindes K. gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG scheitert - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht daran, dass das Kind K. im Streitzeitraum mit der Fortsetzung seines freiwilligen Wehrdienstes nach der Grundausbildung einer Erwerbstätigkeit i. S. des § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG mit mehr als 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit nachging.

    Zwar kann nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Kind, das die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfüllt, nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt werden, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, wobei nach § 34 Abs. 4 Satz 3 EStG eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i. S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch unschädlich ist.

    Entgegen der Ansicht der Beklagten hatte das Kind K. jedoch im März 2022 weder eine erstmalige Berufsausbildung noch ein Erststudium i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG abgeschlossen. Seine Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden im Rahmen des freiwilligen Wehrdienstes bis September 2022 war daher nicht anspruchsschädlich.

    a) Hinsichtlich der Auslegung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale erstmalige Berufsausbildung und Erststudium hat der BFH entschieden, dass der Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enger auszulegen ist als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendete Tatbestandsmerkmal "Kind, das ... für einen Beruf ausgebildet wird" (BFH, Urteile in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 [BFH 03.07.2014 - III R 52/13], juris Rz 22 ff.; vom 14. April 2021 III R 50/20, BFHE 273, 385, BStBl II 2021, 866, juris Rz 12; vom 26. Mai 2021 III R 39/20, BFH/NV 2022, 102, juris Rz 9 m. w. N.).

    Nach der Gesetzesbegründung (BRDrucks 54/11, S. 55 f.) setzt das Tatbestandsmerkmal Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zum einen voraus, dass das Kind durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen, weshalb insbesondere der Besuch einer allgemeinbildendenden Schule keine erstmalige Berufsausbildung vermitteln soll. Zum anderen muss der Beruf nach der Gesetzesbegründung durch eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erlernt werden und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen werden, weshalb beispielsweise ein bloßer Computerkurs nicht für eine Erstausbildung ausreichen soll. Ziel dieser beiden Einschränkungen ist es, die berücksichtigungsschädliche Wirkung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu begrenzen (BFH, Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 [BFH 03.07.2014 - III R 52/13], juris Rz 24). Auch nach Abschnitt A 20.2.1 Abs. 1 Satz 1 und 2 DA-KG kommt dem Abschluss des Ausbildungsgangs durch eine Prüfung entscheidende Bedeutung für die Annahme einer Berufsausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu.

    Berufsausbildungen im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind mithin alle Berufsausbildungen, die zu einem formalen Berufsabschluss führen, wie Ausbildungen nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG), im öffentlichen Dienst oder aufgrund von bundes- oder landesrechtlichen Ausbildungsregelungen für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen sowie an Berufsfachschulen mit landesrechtlich geregelten Abschlüssen. Auch die Ausbildung zum Unteroffizier oder Offizier der Bundeswehr ist grundsätzlich Berufsausbildung und ist nach Bestehen der Unteroffiziers- oder Offiziersprüfung deshalb abgeschlossene Erstausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Der Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten in einem Anlernverhältnis, Praktikum oder in Kursen ohne formalen Abschluss reicht hingegen für eine Berufsausübung nicht aus, wenn sie von anderen Arbeitgebern nicht als Berufsausbildungsnachweis anerkannt werden und auch nicht anerkannt werden müssen (Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 EStG Rz 121.3 (Mai 2019) m. w. N.).

    b) Nach den vorstehenden Grundsätzen handelt es sich bei der Grundausbildung des K. in der Bundeswehr nicht um eine Erstausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, weil sie nicht durch eine Prüfung abgeschlossen wurde, die von anderen Arbeitgebern als der Bundeswehr als Berufsausbildungsnachweis anerkannt wird oder anerkannt werden müsste. Etwas anderes macht auch die Beklagte nicht geltend. Nach den Angaben in dem von einem Bediensteten der Dienststelle der Bundeswehr, bei der das Kind K. tätig war, am 11. August 2022 unterschriebenen und mit einem Dienstsiegel versehenen Vordruck "Bescheinigung über die Ausbildung einer Soldatin/eines Soldaten bei der Bundeswehr" (Vordruck KG 15) war für K. keine Dienstpostenausbildung vorgesehen, weil er sich nur für 10 Monate als freiwillig Wehrdienstleistender verpflichtet hatte und Soldaten im Status eines freiwillig Wehrdienstleistenden erst ab einer Verpflichtungszeit von 12 Monaten eine Dienstpostenausbildung bekommen. Die von K. absolvierte Grundausbildung hatte danach lediglich den Charakter eines Anlernverhältnisses, das erforderlich, aber auch ausreichend war, um eine befristete Tätigkeit von 10 Monaten bei der Bundeswehr auszuüben. Eine Grundausbildung ist zwar Voraussetzung für eine Dienstpostenausbildung bei der Bundeswehr und eventuell anschließende weitere Ausbildungen bis hin zur Offiziersausbildung und kann daher Teil einer Erstausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sein, ist aber für sich genommen keine solche. Die sich an die Grundausbildung anschließende Erwerbstätigkeit des K. mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden im Rahmen des freiwilligen Wehrdienstes führt daher nicht zum Ausschluss des Anspruchs auf Kindergeld gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.

    IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Tätigkeit eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

    Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen. Klärungsbedürftig sind die Anforderungen, die an das Vorliegen einer Erstausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu stellen sind, und - abhängig vom Ergebnis dieser Klärung - ggf. noch die Anforderungen, die an die ernsthaften Bemühungen des Kindes um einen Ausbildungsplatz zum nächstmöglichen Beginn sowie die Ausbildungswilligkeit und deren Glaubhaftmachung zu stellen sind.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG