Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 02.12.2020 · IWW-Abrufnummer 219272

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 21.07.2020 – 10 K 10154/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Berlin-Brandenburg

    Urteil vom 04.06.2020


    In dem Rechtsstreit
    A... und B...,
    Kläger,
    Bevollmächtigte:
    gegen
    Finanzamt,
    Beklagter,

    wegen Einkommensteuer 2011

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 10. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 4. Juni 2020 durch
    die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht ...,
    die Richterin am Finanzgericht ...,
    den Richter am Finanzgericht ...,
    den ehrenamtlichen Richter ... und
    den ehrenamtlichen Richter ...
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 27.01.2020 wird dahingehend geändert, dass bei den sonstigen Einkünften als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften der Klägerin statt 31.320 € nur 0 € zugrunde gelegt werden.

    Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

    Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

    Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 30 % und der Beklagte 70 %.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten wegen der Steuerbarkeit einer Grundstücksveräußerung gemäß § 23 Einkommensteuergesetz - EStG - um den Zeitpunkt der Anschaffung. Das Grundstück mit Reihenmittelhaus wurde am 25.02.2011 verkauft, die Anschaffung fand nach Ansicht der Kläger am 21.09.2000, nach Ansicht des beklagten Finanzamts - FA - am 20.08.2001 statt.

    I.

    Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

    1.a)

    Am 21.09.2000 wurde ein mehrseitiger notarieller Vertrag unter Beteiligung der Klägerin geschlossen. Gemäß dessen Eingang war das Land Berlin als "Veräußerer", die Klägerin als "Benenner", zwei weitere Personen als "weitere Beteiligte" und C... als "Erwerber" daran beteiligt. Der Vertrag ist mit "Grundstückskaufvertrag über zwei unvermessene Teilflächen" überschrieben. In ihm ist u. a. bestimmt, dass das Land Berlin eine beschriebene, noch zu vermessende Grundstücksteilfläche an sechs Erwerber, einer davon C..., die anderen fünf noch zu benennen, verkauft. Die Erwerber erwerben jeweils einen bestimmten Miteigentumsanteil am Grundstück, haben einen bestimmten Teil des Grundstückskaufpreises zu tragen, verpflichten sich zur Begründung von Wohnungseigentum nach dem WEG, wobei die jeweilige Größe und Lage ihres Sondereigentums und ihrer Sondernutzungsflächen bestimmt ist, und zur Errichtung von Einfamilienreihenhäusern. Zur Benennung ist in § 2 ausgeführt:

    "Die Benennung hat bis zum 31.06.2002 zu erfolgen.

    Nach Ablauf der vorgenannten Frist gilt der Benenner als Erwerber der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benannten Miteigentumsanteile."

    Der Kaufpreis wurde fällig vier Wochen nach notarieller Mitteilung über die Eintragung einer Auflassungsvormerkung und Vorliegen der Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung, die Übergabe erfolgte am Monatsersten nach Kaufpreiszahlung und Besitz, Nutzung und Lasten gingen bei Übergabe über. Weiter ist für die Erwerber eine Belastungsvollmacht zur Bestellung von Grundpfandrechten zugunsten deutscher Banken und eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung enthalten.

    Die beiden weiteren Beteiligten waren Erwerber einer anderen, schon verkauften, aber ebenfalls noch nicht vermessenen Teilfläche und mussten daher zustimmen.

    b)

    Mit notariellem Vertrag vom 17.04.2001 unter denselben Beteiligten wurden die Anteile der beiden Reihenendhäuser (im Plan Haus 1 und 6) geringfügig erhöht (Miteigentumsanteil, Fläche und Kaufpreis) und die der Reihenmittelhäuser (im Plan Haus 2 bis 5) geringfügig reduziert. Der Kaufpreis pro Miteigentumsanteil blieb dabei unverändert.

    2.a)

    C... hatte bereits im Vertrag vom 21.09.2000 das Reihenendhaus Nr. 6 übernommen. Durch die Klägerin wurden benannt: Am 17.04.2001 für das Reihenendhaus Nr. 1 die Eheleute D..., am 20.08.2001 für das Haus Nr. 5 E... und für das Haus Nr. 4 die beiden Kläger, d. h. die Klägerin benannte sich selbst und ihren Ehemann, und am 20.04.2002 für das Haus Nr. 2 die Eheleute F....

    b)

    Die Selbstbenennung der beiden Kläger vom 20.08.2001 erfolgte in notarieller Urkunde, die im Eingang die Klägerin als "Benenner und Erwerber" und den Kläger als "Erwerber" ausweist. Die Klägerin benennt darin zunächst sich und ihren Ehemann für die Einheit Nr. 4, sodann nehmen beide die Benennung als Erwerber an.

    Der Kaufpreis wurde am 26.02.2002 entrichtet.

    3.

    Für Haus Nr. 3 hat die Klägerin bis Fristablauf niemanden benannt. Erst am 29.10.2004 wurde ein Grundstückskaufvertrag mit den Eheleuten G... und H... als Erwerber geschlossen, bei dem das Land Berlin vollmachtlos vertreten war, dessen Genehmigung vom Land Berlin jedoch am 30.11.2004 abgelehnt wurde, so dass am 06.12.2004 ein Änderungsvertrag beurkundet wurde, der die Klägerin als Veräußerer aufführt und aus dem sich ergibt, dass der Kaufpreis für dieses Haus bereits vollständig bezahlt, die Eigentumsumschreibung zugunsten der Klägerin im Grundbuch aber noch nicht erfolgt war.

    4.

    Mit notariellem Vertrag vom 25.02.2011 veräußerten die Kläger - das Wohnungsgrundbuch war inzwischen angelegt - ihren Miteigentumsanteil mit Sondereigentum am Haus Nr. 4 an die Eheleute I....

    5.

    In der Zeit vom 21.09.2000 bis 25.02.2001 erbrachte die Klägerin bereits Projektsteuerungsleistungen und finanzierte Bauleistungen. Am 10.11.2000 wurde für die Reihenhäuser Nr. 4, 5 und 6 ein einheitlicher Bauantrag gestellt, der Antrag wurde am 09.01.2001 vervollständigt, am 01.02.2001 wurde die Baugenehmigung erteilt. Aus Gründen des Denkmalschutzes war nur ein Reihenhaus, keine Einzelgebäude, genehmigungsfähig, auch ein gemeinschaftlich nutzbarer Hof musste entstehen. Es bedurfte daher einer einheitlichen Planung für die Reihenhäuser. Die Statik erforderte eine einheitliche Errichtung. Das Holzdach überspannt das Gesamtgebäude. Die Heizung erfolgt für alle Reihenhäuser einheitlich durch eine Heizzentrale in einem Nebengebäude. Bis 25.02.2001 finanzierte die Klägerin Bauleistungen für das Gesamtprojekt in Höhe von rd. 70 TDM (Vermesser, Prüfstatiker, Architekt, Baugenehmigung u. a.).

    II.

    1.a)

    Die Kläger erklärten in ihrer ESt-Erklärung für 2011, beim FA eingegangen am 04.03.2013, keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften.

    b)

    Abweichend von der Erklärung setzte das FA insoweit im ESt-Bescheid 2011 vom 16.04.2013 aufgrund eigener Berechnungen für beide Kläger je 37.975 € an.

    2.a)

    Mit ihrem Einspruch vom 06.05.2013 machten die Kläger geltend, die Veräußerung sei außerhalb der Zehnjahresfrist erfolgt.

    b)

    Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 26.05.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Erst mit der Selbstbenennung am 20.08.2001 habe sich die Klägerin verbindlich verpflichtet. Der Vertrag vom 21.09.2000 habe die Klägerin nur bedingt verpflichtet und sie insbesondere nicht daran gehindert, andere Erwerber als sich und ihren Ehemann zu benennen. Der Kläger und Ehemann habe sich jedenfalls erstmals am 20.08.2001 verpflichtet, er sei vorher nie erwähnt worden.

    III.

    Die Kläger erhoben am 23.06.2015 Klage. Sie wenden sich gegen die Steuerbarkeit dem Grunde nach nur noch bei der Klägerin, bei beiden Klägern nunmehr auch gegen die Berechnung der Höhe nach und begehren insoweit eine Herabsetzung jeweils von 37.975 € auf 31.320 €. Die Steuerbarkeit dem Grunde nach beim Kläger wird nicht mehr in Abrede gestellt.

    Das FA hat mit Änderungsbescheid vom 27.01.2020 die ESt herabgesetzt und dabei die von den Klägern berechneten geringeren Beträge zugrunde gelegt.

    Die Kläger tragen zur Steuerbarkeit der Grundstücksveräußerung bei der Klägerin vor:

    Zeitpunkt der Anschaffung sei der Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts. Der Vertragsabschluss müsse für eine Steuerbarkeit - insoweit bestehe Übereinstimmung mit dem FA - innerhalb der Veräußerungsfrist von zehn Jahren für beide Parteien bindend sein.

    Entgegen der Auffassung des FA habe sich die Klägerin aber bereits im Vertrag vom 21.09.2000 verpflichtet. Dies zeige sich auch an dem anderen Haus Nr. 3, für das die Klägerin bis zum 30.06.2002 niemanden habe benennen können. Dort sei sie, und zwar durch den Vertrag vom 21.09.2000, verpflichtend Erwerberin geworden und habe ihn nach Fristablauf nur noch als Veräußerer weiterveräußern können. Sie habe bei Haus Nr. 3 auch Grunderwerbsteuer entrichten müssen, auch dabei sei auf das Verpflichtungsgeschäft abgestellt worden.

    Die Bestimmung im Vertrag vom 21.09.2000, wonach nach Ablauf der Benennungsfrist der Benenner als Erwerber der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benannten Miteigentumsanteile gilt, sei eine Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 1 BGB. Der Bundesfinanzhof - BFH - habe aber entschieden, dass, anders als schwebend unwirksame, etwa von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossene Geschäfte, ein Vertragsschluss unter einer Bedingung bereits für die Parteien bindend sei.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 27.01.2020 dahingehend zu ändern, dass bei den sonstigen Einkünften als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften der Klägerin statt 31.320 € nur 0 € zugrunde gelegt werden.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es wiederholt im Wesentlichen die Erwägungen aus seiner Einspruchsentscheidung.

    IV.

    Folgende Steuerakten lagen vor:

    Grundstücksakten, ESt-Akten Bd. 4 (für die Jahre 2010 bis 2013)

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -), denn bei der Veräußerung des Miteigentumsanteils für Haus Nr. 4 beträgt der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung bei der Klägerin mehr als zehn Jahre (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 22 Nr. 2 EStG), da sie bereits mit dem Vertrag vom 21.09.2000 erworben hat.

    I.

    1.a)

    Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) sind gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

    Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden (vgl. BFH-Urteile vom 15. Dezember 1993 X R 49/91, BFHE 173, 144, BStBl II 1994, 687; vom 8. April 2003 IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171; vom 8. April 2014 IX R 18/13, BFHE 245, 323, BStBl II 2014, 826).

    Entsprechend dem Normzweck, innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. August 1997 X R 26/95, BFHE 184, 385, BStBl II 1998, 135; vom 2. Mai 2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614), kann von einer Verwirklichung des Grundstückswerts nur gesprochen werden, wenn die Vertragserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist bindend abgegeben worden sind (BFH-Urteil vom 2. Oktober 2001 IX R 45/99, BFHE 196, 567, BStBl II 2002, 10; BFH-Beschluss vom 18. September 2006 IX B 154/05, BFH/NV 2007, 31). Der Vertragsabschluss muss innerhalb der Veräußerungsfrist für beide Parteien bindend sein. Dem entspricht der für das Steuerrecht im Vordergrund stehende Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit (Gesetzmäßigkeit) der Besteuerung: Nur ein verwirklichter Tatbestand darf nach bestimmten Zeitabschnitten zugrunde gelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 5. März 1981 IV R 150/76, BFHE 132, 563, BStBl II 1981, 435; BFH-Urteil in BFHE 196, 567, BStBl II 2002, 10).

    b)

    Speziell zu bedingten Rechtsgeschäften hat sich der BFH in seinem Urteil vom 10.02.2015 IX R 23/13, DStR 2015, 742, geäußert und bei Juris Rn. 22 ausgeführt:

    "Bei einem unbedingten und nicht genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäft ist eine solche Bindung regelmäßig mit dem Vertragsabschluss gegeben. Diese Voraussetzungen können aber auch bei einem Rechtsgeschäft vorliegen, dessen Rechtswirkungen von dem Eintritt einer Bedingung abhängen. Aus dem Wesen der Bedingung und dem Wortlaut des § 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) folgt, dass das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft tatbestandlich mit seiner Vornahme vollendet und voll gültig ist --die Parteien daher fortan bindet-- und seine Wirksamkeit mit dem Bedingungsfall ipso iure eintritt, ohne dass die Willenseinigung der Parteien noch bis dahin Bestand haben müsste; nur die Rechtswirkungen des bedingten Rechtsgeschäfts befinden sich bis zum Bedingungseintritt in der Schwebe (einhellige Auffassung; vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. September 1994 VIII ZR 257/93, BGHZ 127, 129; Palandt/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl., Einführung vor § 158 Rdnr. 8 und § 158 Rdnr. 2; Erman/C. Armbrüster, BGB, 14. Aufl., § 158 Rz 3; Armgardt in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, § 158 BGB Rz 45; Leenen, Festschrift Canaris, Band I, 699, 703). Die Parteien eines bedingten Rechtsgeschäfts können die Vertragsbeziehungen nicht mehr einseitig lösen, vielmehr sind sie im Hinblick auf den aufschiebend bedingten Rechtserwerb (Anwartschaftsrecht) zur gegenseitigen Treupflicht und zur Beachtung der Schutzvorschriften der §§ 160 f. BGB verpflichtet (vgl. BFH-Urteil vom 8. Februar 2000 II R 51/98, BFHE 191, 411, BStBl II 2000, 318)."

    2.a)

    Nach dem Vertrag vom 21.09.2000 wurde die Klägerin zwar automatisch zur Erwerberin, falls sie niemanden benennt, womit eine aufschiebende Bedingung vorlag. Es lag aber in ihrer Macht, einseitig (ohne Mitwirkung des Verkäufers und der anderen Vertragsbeteiligten des Vertrags vom 21.09.2000) jemanden zu benennen und so ihre Erwerbspflicht nicht zum Entstehen gelangen zu lassen. Diese Möglichkeit endete erst mit der Erklärung vom 25.02.2001. Erst ab dann konnte sie sich nicht mehr einseitig vom Vertrag lösen, sondern hätte die Zustimmung des Verkäufers und der übrigen Beteiligten gebraucht.

    Dies könnte so verstanden werden, dass sie sich bis 25.02.2001 noch einseitig hätte lösen können im Sinne des vorzitierten Urteils des BFH.

    b)

    Zu bedenken ist jedoch die aus der Zivilrechtslehre stammende Unterscheidung verschiedener Bedingungsarten: Hier wird unterschieden zwischen (bisweilen sog. Zufalls-) Bedingungen, die der Verpflichtete nicht beeinflussen kann, und sog. Potestativbedingungen, wenn das Geschehen vom Willen einer Vertragspartei abhängt, und schließlich noch sog. Wollensbedingungen, die ausschließlich auf die Willensäußerung einer der Vertragsparteien gerichtet ist, das abgemachte Geschäft zu wollen oder nicht zu wollen (vgl. aus der Rechtsprechung BGH, Beschluss vom 05.12.1996 V ZB 27/96, NJW 1997, 861, Juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 28.06.1996 V ZR 136/95, NJW-RR 1996, 1167, Juris Rn. 7; OLG Oldenburg, Urteil vom 07.11.1989 5 U 52/89, NJW-RR 1990, 273, Juris Rn. 39; aus der Rechtslehre ausführlich Westermann in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 158 BGB Rn. 18-23 und zusammenfassend Kohler in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2020, § 883 BGB Rn. 26).

    aa)

    Eine Potestativbedingung ist grundsätzlich eine mögliche Bedingung im Sinne von § 158 BGB. Bezüglich ihres künftigen Verhaltens ist die Vertragspartei hier zwar frei, die an ihr Verhalten geknüpfte Rechtsfolge tritt aber unabhängig davon ein, ob sie zu diesem Zeitpunkt noch gewollt ist oder nicht. Entscheidend ist, dass die Vertragspartei bei Abschluss des Rechtsgeschäfts ihre spätere Bindung für den Fall ihres künftigen Verhaltens gewollt hat (BGH, Urteil vom 28.06.1996, V ZR 136/95, WM 1996, 1734).

    Die Vertragsschließenden haben hier die Absicht, ungeachtet der Bedingung schon eine Bindung einzugehen; der Verkäufer bindet sich endgültig, und der Käufer legt sich bereits auf den Inhalt des möglichen Vertrages fest (vgl. BGH, Urteil vom 28.09.1962, V ZR 8/61, LM § 433 BGB Nr. 16 Bl. 3, 4; vgl. ferner Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., vor § 158 Rdn. 17).

    Bei einer Potestativbedingung ist zwar das Geschehen vom Willen einer Person, ggf. auch des Verpflichteten, abhängig, nicht aber die an das Geschehen geknüpfte Rechtswirkung, die zwingend und automatisch als Folge eines bestimmten Geschehens eintritt.

    bb)

    Lediglich dann, wenn die Wirksamkeit vom Belieben des Verpflichteten abhängig sein soll (sog. Wollensbedingung), wird keine Bedingung i. S. v. § 158 BGB angenommen, weil in Wahrheit noch keine Rechtsbindung eingetreten ist. Dies gilt dann, wenn der Verpflichtete nach seinem Belieben frei erklären kann, ob das Geschäft gelten soll oder nicht. Hier will ein Vertragspartner überhaupt noch nicht gebunden sein. Es fehlt noch an der Geltungserklärung, die ein Rechtsgeschäft zustande kommen lässt. Eine reine Wollensbedingung ähnelt einer (bloßen) Option bzw. ist als solche auszulegen.

    c)

    Nach diesen Grundsätzen liegt hier zwar eine Potestativbedingung, aber keine Wollensbedingung vor.

    Es stand zwar im Belieben der Klägerin, einen Interessenten zu suchen, hing von ihren Verhandlungskünsten ab, einen zum Vertragsschluss bereiten Käufer zu finden, auch hing es stets von ihr ab, diesen dann auch förmlich zu benennen. Die Rechtsfolge jedoch lag schon ab dem ersten Vertrag vom 21.09.2000 fest: Würde die Klägerin vor Fristablauf für eine Einheit jemand anderen benennen, würde sie insoweit nicht Käuferin, würde sie sich selbst benennen und insbesondere würde sie bis Fristablauf niemanden benennen, würde sie insoweit (zwingend und automatisch und ohne dass es dann noch auf ihren Willen ankäme) selbst Käuferin. Die Klägerin konnte zwar mit ihrem Verhalten auf das Geschehen Einfluss nehmen, die Rechtsfolgen (Käuferstellung, Kaufpreiszahlungspflicht) des Geschehens (Benennung bzw. Nichtbenennung bis Fristablauf) aber nicht mehr ändern. Insoweit hatte sie sich schon durch den ersten Vertrag wirksam gebunden.

    d)

    Es handelt sich bei der notariellen Urkunde vom 21.09.2000 eben nicht nur um ein (einseitiges) Angebot des Verkäufers auf Abschluss eines Grundstückskaufvertrages an noch unbestimmte Personen, bei dem die Klägerin lediglich hätte bestimmen können, an wen es sich richten sollte (zum Angebot an noch zu benennende Dritte mit und ohne Selbsteintrittsrecht des Bestimmungsberechtigten vgl. Ludwig in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 311b Rn. 74 ff.), sondern bereits um einen Grundstückskaufvertrag zwischen (je Parzelle) zwei Parteien, dabei bei fünf der sechs Parzellen aufschiebend bedingt die Klägerin als Käuferin, wobei bei zwei Parzellen die Bedingung dann auch eintrat, nämlich einmal durch Selbstbenennung (bei Haus Nr. 4, hier verfahrensgegenständlich) und einmal durch Fristablauf (bei Haus Nr. 3).

    Dass beim Zustandekommen des Kaufvertrages mit der Klägerin durch Fristablauf der Vertrag vom 21.09.2000 das Verpflichtungsgeschäft ist, versteht sich, schon in Ermangelung eines anderen Vertrages oder einer anderen Willenserklärung. Dies muss dann bei Zustandekommen durch Selbstbenennung (schon vor Fristablauf) aber erst recht gelten.

    e)

    Im Sinne der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 10.02.2015 IX R 23/13, DStR 2015, 742, Juris Rn. 21 f.) war die Vertragserklärung auch der Klägerin daher bereits mit dem Vertrag vom 21.09.2000 bindend abgegeben. Sie konnte sich nicht mehr einseitig lösen.

    II.

    1.

    Die Übertragung der Berechnung der Steuer auf das FA fußt auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

    2.

    Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts, § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO, zugelassen.

    Es erscheint klärungswürdig und klärungsbedürftig, ob auch Potestativbedingungen Bedingungen im Sinne der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 10.02.2015 IX R 23/13, DStR 2015, 742, Juris Rn. 22) sind und in diesem Zusammenhang, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Benennungsrechte zu vertraglichen Bindungen und damit Anschaffungsgeschäften i. S. v. § 23 EStG führen.

    3.a)

    Soweit das FA abgeholfen hat (30 % des Streitwerts), tragen die Kläger die Kosten gemäß § 137 Satz 1 (i. V. m. § 138 Abs. 2 Satz 2) FGO, denn die Abhilfe beruht auf erstmals im Klageverfahren vorgebrachten Angaben und übersandten Unterlagen, die auch schon im Einspruchsverfahren hätten vorgelegt werden können und sollen.

    Soweit streitig entschieden wurde (70 % des Streitwerts), trägt das FA die Kosten, weil es unterlegen ist, § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich daher insgesamt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    b)

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

    RechtsgebieteEStG 2009, BGBVorschriften§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG 2009; § 22 Nr. 2 EStG 2009; § 158 BGB

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents