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  • · Geschehenes ungeschehen machen

    Rückabwicklung einer Anteilsübertragung als rückwirkendes Ereignis

    Bild: © Kritdanai - stock.adobe.com

    Wird die Übertragung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft durch die Parteien des Kaufvertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage rückgängig gemacht, kann dieses Ereignis steuerlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirken. Die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, müssen sich weder aus dem Vertragswortlaut ergeben noch zeitnah mit Vertragsabschluss gegenüber der Finanzverwaltung offengelegt werden.

     

    Was war passiert?

    Die Steuerpflichtigen sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Ehemann war zu 50 % an einer GmbH beteiligt. Nach der erbschaftsteuerrechtlichen Beratung durch einen Notar entschieden die Eheleute im Streitjahr 2019, abweichend vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, die Gütertrennung zu vereinbaren.

     

    Es war angedacht, den dadurch entstehenden Ausgleichsanspruch durch Übertragung von Anteilen an der GmbH zu erfüllen. Da die Steuerpflichtigen sichergehen wollten, dass dies keine Steuer auslöst, ließen sie sich von ihrem Steuerberater diesbezüglich beraten. Dieser erteilte in einem Gespräch mit den Steuerpflichtigen die Auskunft, dass die Übertragung der GmbH-Anteile keine Einkommensteuer auslöse. Das Beratungsergebnis fasste der Steuerberater in einem an die Steuerpflichtigen gerichteten Schreiben zusammen.

     

    14 Tage nach dem Schreiben des Steuerberaters schlossen die Steuerpflichtigen einen notariellen Ehevertrag nebst Zugewinnausgleichsvereinbarung (nachfolgend „Ehevertrag“) ab. Hierin vereinbarten sie Gütertrennung und setzten einen Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau gegenüber dem Ehemann fest. Zur Erfüllung dieses Ausgleichsanspruchs übertrug der Ehemann u. a. Geschäftsanteile an der GmbH an die Ehefrau.

     

    Das Finanzamt unterwarf den Vorgang im Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer 2019 nach § 17 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 5 EStG der Besteuerung. Im Einspruchsverfahren vertraten die Steuerpflichtigen die Auffassung, die Übertragung von GmbH-Anteilen im Rahmen des Zugewinnausgleichs stelle keine Veräußerung dar. Nachdem das Finanzamt darauf hingewiesen hatte, dass ein nach § 17 EStG zu erfassender tauschähnlicher Vorgang vorliege, kündigten die Steuerpflichtigen an, die Anteilsübertragung rückgängig machen zu wollen. Diese Rückabwicklung solle wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage erfolgen und stelle ein rückwirkendes Ereignis dar, das steuerlich auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Anteilsübertragung zurückwirke.

     

    Zeitnah schlossen die Steuerpflichtigen eine notarielle Änderungsvereinbarung. Dort hielten sie eingangs fest, dass sie bei Abschluss des Ehevertrags übereinstimmend die Vorstellung gehabt hätten, „dass die Übertragung der GmbH-Anteile zum Ausgleich der Zugewinnausgleichsforderung keine einkommensteuerrechtlichen Konsequenzen haben würde“.

     

    In ihrer Einkommensteuererklärung für 2019 erklärten die Steuerpflichtigen keinen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG. Dem folgte das FA nicht und setzte im Einkommensteuerbescheid 2019 einen Veräußerungsgewinn in siebenstelliger Höhe an. Durch den vertraglich beschlossenen Zugewinnausgleich im Ehevertrag sei der Tatbestand des § 17 EStG erfüllt, es handele sich um einen tauschähnlichen Vorgang. Die Rückabwicklung durch die Änderungsvereinbarung stelle kein rückwirkendes Ereignis dar. Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt. Hiergegen richtete sich die Revision des FA.

     

    Die Entscheidung des BFH

    Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Der Veräußerungsgewinn ist aufgrund der Änderungsvereinbarung rückwirkend entfallen. Ein Ereignis wirkt auf den bereits entstandenen materiellen Steueranspruch des § 17 Abs. 1 EStG zurück, wenn es sich materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung bezieht. Das Fehlen oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage kann steuerrechtlich ein rückwirkendes Ereignis aus-lösen.

     

    In ständiger Rechtsprechung verlangt der BFH, dass der Grund für den Wegfall der Geschäftsgrundlage bereits im Rechtsgeschäft „angelegt“ sein muss. Der BFH musste jedoch bislang nicht entscheiden, ob sich im Wortlaut des ursprünglichen Vertrags Anhaltspunkte für die spätere Rückgängigmachung finden lassen müssen.

     

    Letzteres widerspräche den zivilrechtlichen Anforderungen des § 313 BGB. Denn Geschäftsgrundlage des Vertrags sind gerade die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut.

     

    Nicht entscheidend ist, wann die Finanzbehörde von den Umständen, welche zur Geschäftsgrundlage geworden sind, Kenntnis erlangt hat. Maßgeblich ist allein, ob der betreffende Steuerbescheid noch änderbar ist. Soweit der Bescheid bereits bestandskräftig geworden sein sollte, ergibt sich aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO jedenfalls nicht, dass das rückwirkende Ereignis dem Finanzamt zeitnah mitgeteilt werden müsste.

     

    Allerdings kann nicht jede Fehlvorstellung über die steuerlichen Folgen eines Vertrags zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage führen. Maßgeblich ist vor allem, ob die Veränderungen nach den vertraglichen Vereinbarungen oder nach den gesetzlichen Regelungen nicht ausschließlich in den Risikobereich einer Partei fallen. Regelmäßig hat die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG nur für den Veräußerer Bedeutung. Die Besteuerung des Veräußerungsgewinns hat für den Erwerber den Ansatz eigener (oftmals höherer) Anschaffungskosten zur Folge, was für ihn günstiger ist als die historischen Anschaffungskosten des Veräußerers bei einem unentgeltlichen Erwerb der Anteile (§ 17 Abs. 2 Satz 5 EStG).

     

    Das Risiko der ‒ vorliegend hohen ‒ Einkommensteuerbelastung trägt jedoch nicht allein der Ehemann, weil die beiden Steuerpflichtigen als nach §§ 26, 26b EStG zusammen veranlagte Eheleute gemäß § 44 AO Gesamtschuldner der Einkommensteuer sind. Schließlich war den Steuerpflichtigen nicht zumutbar, an dem Ehevertrag unverändert festzuhalten, weil die etwaigen erbschaftsteuerrechtlichen Vorteile durch die Einkommensteuerbelastung aufgezehrt worden wären.


    PRAXISTIPP | Die vom BFH aufgezeigten Grundsätze für den Wegfall einer Geschäftsgrundlage gebieten eine strenge Handhabung. Ein Steuerpflichtiger, der sich darauf beruft, muss darlegen und nachweisen, dass vor oder beim Abschluss des gestörten Rechtsgeschäfts ein Umstand erörtert worden ist, dessen Eintritt nach der gemeinsamen Vorstellung der Vertragspartner derart evident ist, dass mit ihm der Vollzug des Rechtsgeschäfts „steht und fällt“.


    Fundstelle

    Quelle: Ausgabe 10 / 2025 | Seite 701 | ID 50533050

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