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  • · Fachbeitrag · Abgabenordnung

    Beginn einer Außenprüfung/Richterablehnung

    von RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

    | Eine Außenprüfung kann mit einer an den Steuerpflichtigen ergangenen Aufforderung zur Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren und Ähnlichem begonnen werden und dadurch den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmen. |

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin mit gewerblichen Einkünften als Maklerin gab die ESt-, GewSt- und USt-Erklärung für 2007 im Jahr 2009 beim FA ab. Das FA vermerkte: „Verjährung per 31.12.2013“. Das FA folgte den Erklärungen durch entspr. Steuerbescheide. Am 22.1.2013 erging eine Prüfungsanordnung für ESt, GewSt und USt u. a. für das Streitjahr 2007. Die vom FA bereits vor Prüfungsbeginn geforderte Übersendung der Daten-Archiv-CD der Finanzbuchhaltung erfolgte am 26.3.2013. Der Prüfungsbeginn wurde letztlich für die dritte Dezemberwoche angekündigt. Die am 19.11.2013 vom FA angeforderten digitalen Daten für den Bereich „Grundstücksvermittlung“ wurden nach Aussage des Prüfers am 16.12.2013 in das FA gebracht und noch am gleichen Tag von ihm durchgesehen.

     

    Nach dem Tagebuch des Prüfers war dieser im Januar und im Mai 2014 jeweils an drei (22 Stunden) bzw. zwei Tagen (15 Stunden) und sodann intensiv im Juni und Juli 2014 mit der Betriebsprüfung der Klägerin befasst. Die ersten dokumentierten Prüfungshandlungen erfolgten im Juni 2014. Weitere Prüfungsvermerke stammen aus den Monaten Juli und August 2014. Im Prüfungsbericht wird als Beginn der Prüfung der 16.12.2013 angegeben.

     

    Die aufgrund eines Einspruchs geänderten ESt- und GewSt-Messbetrag-Bescheide wurden am 27.6.2017 und der geänderte USt-Bescheid 2007 am 31.7.2017 zur Post gegeben. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 28.8.2017 Einspruch ein und beantragte deren Aufhebung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist. Es sei zweifelhaft, ob ‒ wie im Prüfungsbericht angegeben ‒ bereits im Jahr 2013 mit der Prüfung begonnen worden sei und tatsächlich in diesem Jahr noch Prüfungshandlungen stattgefunden hätten. Wegen irreführender Angaben im Bp-Bericht sei hinsichtlich der ESt und des GewSt-Messbetrags Wiedereinsetzung zu gewähren. Das FA verwarf die Einsprüche hinsichtlich der ESt und des GewSt-Messbetrags wegen Verfristung als unzulässig und den Einspruch hinsichtlich der USt 2007 als unbegründet.

     

    Die beantragte Aussetzung der angefochtenen Bescheide wurde vom entscheidenden Senat des FG im Februar 2019 abgelehnt. Daraufhin hat die Klägerin im Mai 2019 gegen alle an diesem Beschluss beteiligten Berufsrichter einen Befangenheitsantrag gestellt, da über den Antrag erst nach 50 Tagen entschieden worden sei, sodass der Eindruck entstanden sei, der Senat habe ihr Schutzbedürfnis nicht hinreichend ernst genommen und ihr insgesamt nicht unvoreingenommen gegenübergestanden. Ihr Antrag hinsichtlich der USt sei ignoriert und nicht beschieden worden. Der Senat habe keine konkreten Erhebungen zum Beginn der Prüfungshandlung vorgenommen und sich nicht mit den tatsächlich (lückenhaft) festgestellten Terminen und Vorgängen auseinandergesetzt.

     

    Entscheidungsgründe

    Das FG weist die Klage als unbegründet zurück.

     

    Unzulässigkeit des Befangenheitsantrags

    Der Antrag, die beteiligten Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist unzulässig, da sich das Ablehnungsgesuch grundsätzlich auf bestimmte Richter beziehen muss und sich nicht pauschal den ganzen Spruchkörper ohne Angabe ernstlicher Gründe in der Person des einzelnen Richters richten darf. Allerdings gilt dies nicht, wenn alle Mitglieder eines Spruchkörpers wegen Besorgnis der Befangenheit im Hinblick auf konkrete Anhaltspunkte in einer Kollegialentscheidung abgelehnt werden. Denn in einem solchen Fall kann der Betroffene wegen des Beratungsgeheimnisses nicht wissen, welcher Richter die Entscheidung mitgetragen hat. Ein Missbrauch des Ablehnungsrechts durch Ablehnung des gesamten Spruchkörpers liegt allerdings dann vor, wenn das Gesuch gar nicht oder nur mit Umständen begründet wird, die die Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können. Letzteres ist hier gegeben, da die Dauer des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens von 50 Tagen der durchschnittlichen Verfahrensdauer entspricht, sodass hierin kein Indiz für eine Befangenheit der beteiligten Richter zu sehen ist. Der Antrag auf Aussetzung der USt ist vom FG ausweislich des Rubrums des Beschlusses und seiner Begründung ebenfalls beschieden worden. Entgegen der Behauptung der Klägerin hat das FG die Vorgänge im Vorfeld der Prüfung zutreffend dargestellt. Im summarischen Aussetzungsverfahren war es auch nicht erforderlich, konkrete Erhebungen zum Beginn der Prüfungshandlung vorzunehmen. Die für die Klägerin negativ gezogenen rechtlichen sind nicht geeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit der beteiligten Richter zu begründen, selbst wenn die rechtliche Beurteilung unzutreffend gewesen sein sollte bzw. die von Klägerseite vertretene Rechtsmeinung nicht in der gebotenen Weise oder überhaupt nicht berücksichtigt wird.

     

    Ablauf der Festsetzungsfrist

    Alle angefochtenen Bescheide des Jahres 2007 ‒ also auch der USt-Bescheid 2007 ‒ durften im Jahr 2018 noch geändert werden, weil für sie die Festsetzungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war. Die Bescheide über ESt und GewSt-Messbetrag für 2007 sind mangels rechtzeitigen Einspruchs bestandskräftig geworden.

     

    Die hier grundsätzlich am 31.12.2013 eingetretene vierjährige Festsetzungsverjährung wird in ihrem Ablauf nach § 171 Abs. 4 Satz 1 1. Alternative AO gehemmt, wenn u. a. zuvor mit einer Außenprüfung begonnen wird. Dann läuft die Festsetzungsfrist für die geprüften Steuern nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.

     

    Beginn einer Außenprüfung

    Der Beginn einer Außenprüfung erfordert neben einer förmlichen Prüfungsanordnung ‒ wenn auch nur stichprobenweise ‒ tatsächliche Prüfungshandlungen für die in der Anordnung genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume. Prüfungshandlungen sind alle Maßnahmen eines Prüfers zur Ermittlung eines Steuerfalles, und zwar auch dann, wenn sie „nur“ auf die Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren, etc. gerichtet sind. Hierzu können nach der Rechtsprechung des BFH auch Schreiben des Prüfers an den Steuerpflichtigen gehören (z. B. BFH 26.4.2017, I R 76/15, BStBl II 2017, 1159).

     

    Nach Ansicht des FG hat der Prüfer die Prüfung jedenfalls am 19.11.2013 begonnen. Zwar ist die Aufforderung zur Übersendung der Daten-Archiv-CD bereits vor Prüfungsbeginn lediglich eine Vorbereitungshandlung für die spätere Prüfung. Entscheidend ist jedoch, dass die angeforderte CD am 26.3.2013 an das FA übersandt wurde und dem Prüfer somit ‒ neben den vorhandenen Steuerakten ‒ bereits prüffähige Unterlagen der Klägerin vorlagen. Aus der Aufforderung vom 19.11.2013, die digitalen Daten für den Bereich „Grundstücksvermittlung“ zu übersenden, ergibt sich, dass der Prüfer die ihm vorliegenden Unterlagen, also u. a. die zuvor übersandte Daten-CD, zu diesem Zeitpunkt jedenfalls gesichtet und festgestellt hat, dass die sodann angeforderten Unterlagen für den Bereich „Grundstücksvermittlung“ nicht vorlagen. Mit der Sichtung der Daten-CD und der dadurch veranlassten Anforderung weiterer Unterlagen hat der Prüfer bereits Prüfungshandlungen vorgenommen und die Betriebsprüfung begonnen.

     

    Unerheblich ist daher, ob im Jahr 2013 noch weitergehende Maßnahmen ergriffen hat, zumal es hierfür in der Betriebsprüfungsarbeitsakte keine Hinweise gibt. Die Nennung des 16.12.2013 im Prüfbericht als Beginn der Außenprüfung ist für die Frage des tatsächlichen Prüfungsbeginns unerheblich, da es sich hierbei lediglich um einen nach § 127 AO unschädlichen Begründungsmangel handelt.

     

    Keine Unterbrechung de Außenprüfung

    Die Prüfung ist nach deren Beginn auch nicht für mehr als sechs Monaten unterbrochen worden, was nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO das Eingreifen der Ablaufhemmung hindern würde. Der Prüfer hat im Januar und Mai mehrere Tage an der Betriebsprüfung der Klägerin gearbeitet.

     

    Keine Wiedereinsetzung wegen fehlerhafter Angabe des Prüfungsbeginns

    Die fehlerhafte Angabe des genauen Datums des Prüfungsbeginns stellt keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist der Klägerin dar, denn durch sie war die Klägerin nicht gehindert, innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der geänderten ESt- und GewSt-Messbetragsbescheide Einspruch einzulegen.

     

    FAZIT | Die Rechtsprechung stellt für den Beginn einer Außenprüfung keine hohen Anforderungen. Deren Beginn liegt bereits vor, wenn der Prüfer die Akten daraufhin überprüft, ob bestimmte Unterlagen angefordert werden sollen. Auch wenn der Prüfer über eine solche Untersuchung keinen Vermerk anfertigt, so lässt sich nach Ansicht des FG aus einem Schreiben des Prüfers mit der Aufforderung, weitere Unterlagen einzureichen, die vorherige Prüfung des Steuerfalls schließen. Lediglich die Aufforderung, bestimmte Unterlagen für die Prüfung bereit zu halten, führt noch nicht zur Bejahung tatsächlicher Prüfungshandlungen. Es ist nicht zu erwarten, dass der BFH der Nichtzulassungsbeschwerde stattgeben wird, da die Frage, wann mit einer Außenprüfung begonnen wurde, eine Tatsachenfrage ist, die vom BFH grds. nicht zu beantworten ist.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 46678293

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