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  • · Fachbeitrag · Hausratversicherung

    Kürzung der Entschädigung bei grob fahrlässiger Herbeiführung eines Einbruchdiebstahls

    von RiOLG Dr. Dirk Halbach, Köln

    • 1.Lagert der VN eine wertvolle Taucherausrüstung in einem von außen sichtbaren Kellerverschlag, ist der VR wegen grob fahrlässiger Herbeiführung eines Einbruchdiebstahls zur Leistungskürzung um 50 Prozent berechtigt.
    • 2.Unterschreitet die Versicherungssumme den Versicherungswert um rund 20 Prozent, so ist die Unterversicherung erheblich im Sinne von § 75 VVG.
    • 3.Kein Abzug wegen verspäteter Einreichung der Stehlgutliste bei Nachweis fehlender Ursächlichkeit für Feststellung des Versicherungsfalls und Umfang der Leistungspflicht.

    (LG Berlin 5.12.12, 23 O 438/11, Abruf- Nr. 131960)

     

    Sachverhalt

    Der VN unterhält für seine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus eine Hausratversicherung mit einer Versicherungssumme von inklusive Vorsorge 34.100 EUR nach VHB 2008 und „Hausratmax. 4.0“. § 29 lautet unter der Überschrift „Mitversicherung der groben Fahrlässigkeit“ wie folgt:

    „1. Abweichend von § 34 Nr. 1 b VHB 2008 leistet der VR auch vollen Ersatz für Schäden bis 10.000 EUR, die der VN grob fahrlässig durch positives Tun oder Unterlassen herbeigeführt hat.

    2. Soweit bei einem Versicherungsfall der Schaden den in Nr. 1 aufgeführten Betrag übersteigt, findet § 34 Nr. 1b VHB 2008 Anwendung.“

     

    Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt brachen unbekannte Täter in den mit einem Vorhängeschloss gesicherten Kellerverschlag (Holzlattenverschlag) des VN ein. Sie stahlen dort Tauchausrüstungsgegenstände, deren Neuwert mit insgesamt 14.831 EUR behauptet wird. Am 28.11.10 entdeckte der VN den Einbruchdiebstahl und meldete ihn noch am selben Tag gegenüber der Polizei. Die detaillierte Stehlgutliste reichte er mit Schreiben vom 29.12.10, bei der Polizei am 3.1.11 eingegangen, nach. Der VR beruft sich auf Leistungskürzungsrechte wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls und wegen verspäteter Einreichung einer Stehlgutliste gegenüber der Polizei sowie auf den Einwand der Unterversicherung.

     

    Entscheidungsgründe

    Der VN hat einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 5.938,53 EUR (gem. § 1 S. 1 VVG i.V.m. § 1 Nr. 1b), § 3 Nr. 1a), 2a), § 9 Nr. 1a) VHB 2008). So führt der Unterversicherungseinwand des VR zur Kürzung des Entschädigungsbetrags von 14.831 EUR auf 11.877,06 EUR. Wegen des darüber hinaus geltend gemachten Einwands des grob fahrlässig herbeigeführten Schadens ist die geschuldete Entschädigung um weitere 938,53 EUR zu kürzen, sodass eine begründete Klageforderung von 5.938,53 EUR verbleibt.

     

    Ein Versicherungsfall im Sinne der § 1 Nr. 1b), § 3 Nr. 1a), 2a) VHB 2008 ist eingetreten. Denn der VR hat unstreitig gestellt, „dass es vor dem 28.11.10 zu einem Einbruch in den Kellerraum kam, wobei die Diebe vor allem Tauchutensilien entwendet haben.“ Es ist auch von einem insgesamt eingetretenen Neuwertschaden (§ 9 Nr. 1a) VHB 2008) in Höhe von 14.831 EUR auszugehen.

     

    Entgegen der Ansicht des VR muss sich der VN auch nicht gemäß § 26 Nr. 2a) ff., Nr. 3 VHB 2008 wegen einer Verletzung der Obliegenheit zur unverzüglichen Einreichung einer Stehlgutliste bei der Polizei einen Abzug gefallen lassen, und zwar selbst dann nicht, wenn man zugunsten des VR einen entsprechenden Obliegenheitsverstoß unterstellt. Denn gemäß § 26 Nr. 3b) VHB 2008 i.V.m. § 28 Abs. 3 S. 1 VVG bleibt der VR - außer im hier nicht vorliegenden Fall des arglistigen Obliegenheitsverstoßes - zur ungekürzten Leistung verpflichtet, wenn der VN nachweist, dass die Obliegenheitsverletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist. Hat aber die Polizei auf die gut einen Monat nach Entdeckung des Versicherungsfalls eingereichte Stehlgutliste keine Sachfahndung eingeleitet, so steht fest, dass dies auch im Falle kurzfristiger Einreichung der Liste nicht erfolgt wäre.

     

    Gemäß § 12 Nr. 5 VHB 2008 ist indes entsprechend dem vom VR erhobenen Einwand der Unterversicherung zu kürzen. Rechnerisch hat der VR den aufgrund der Unterversicherung gekürzten Entschädigungsbetrag mit 11.877,06 EUR gemäß § 12 Nr. 5 VHB 2008, § 75 VVG zutreffend ermittelt, zumal die Versicherungssumme (34.100 EUR) den Versicherungswert (42.581 EUR) im Sinne des § 75 VVG „erheblich“, nämlich um rund 20 Prozent unterschritt. Ein Verzicht auf den Unterversicherungseinwand war nicht vereinbart.

     

    Entgegen der Auffassung des VN ändert auch § 29 Ziff. 3 VHB 2008 (Haftung und Entschädigung bei Mehrfachversicherung) nichts an diesem Ergebnis. Denn diese Klausel (in Übereinstimmung mit § 78 VVG) bezweckt für den Fall des Vorliegens einer Mehrfachversicherung nur, den VR davor zu bewahren, dass der VN aufgrund eines Schadensereignisses eine über seinen tatsächlich erlittenen Schaden hinausgehende Entschädigungsleistung erhält. Die Regelung soll folglich eine Begünstigung des VN durch eine bestehende Überversicherung verhindern, nicht aber dem VR den Einwand der Unterversicherung abschneiden.

     

    Gemäß § 34 Nr. 1b) VHB 2008 i.V.m. § 29 Nr. 2 Hausratmax. 4.0 ist die vom VR zu erbringende Entschädigung auf 10.938,53 EUR zu kürzen. Denn der VN hat den eingetretenen Schaden grob fahrlässig dadurch herbeigeführt, dass er die wertvolle Taucherausrüstung im Neuwert von nahezu 15.000 EUR unter erheblicher Herabsetzung des versicherungsvertraglich vorauszusetzenden Sicherheitsstandards in einem Holzlatten-Kellerverschlag eines Mehrfamilienwohnhauses gelagert hat. Aus diesem Grund ist der Entschädigungsanspruch um 50 Prozent zu kürzen. Die Kürzung greift allerdings nur, soweit die Entschädigungsleistung den Betrag von 10.000 EUR übersteigt.

     

    Praxishinweis

    Gegen die Annahme einer grob fahrlässigen Herbeiführung bestehen hier keine Bedenken. Ein VN, der wertvolle Gegenstände in einem von außen einsehbaren Holzlatten-Kellerverschlag eines Mehrfamilienhauses lagert, setzt den versicherungsvertraglich zu fordernden Sicherheitsstandard in erheblichem Maße herab. Die Sicherung des Kellerverschlags (Vorhängeschloss) im Verhältnis zur Sicherung einer Wohnungstür fällt deutlich schlechter aus. Weiterhin kann in einem Mehrfamilienhaus nie sichergestellt werden, dass der Zugang zum Kellerbereich stets verschlossen ist. Schließlich können Diebe im Kellerbereich eines Mehrfamilienhauses in aller Regel unbeeinträchtigt und ohne die Gefahr des Entdecktwerdens vorgehen.

     

    Bei der Bemessung der Leistungskürzung ist danach zu fragen, wie nahe die grobe Fahrlässigkeit beim bedingten Vorsatz oder aber bei der einfachen Fahrlässigkeit lag. Danach ist hier von einem mittelgradigen grob fahrlässigen Verschulden auszugehen. Zutreffend berücksichtigt das Gericht, dass einerseits die Herabsetzung des Sicherheitsstandards ganz offenkundig nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft erfolgte. Andererseits hat der VN unwidersprochen vorgetragen, dass sämtliche Tauchutensilien in Plastiktaschen und Kisten verpackt gewesen und so von außen nicht sichtbar gewesen sind. Auf ein Kürzungsrecht nach § 34 Nr. 1b) VHB 2008 kann sich der VR jedoch wegen § 29 Nr. 1 und 2 Hausratmax. 4.0 nicht wegen eines Schadenbetrags von bis zu 10.000 EUR berufen, sondern nur, soweit der Schaden 10.000 EUR übersteigt. Ein verständiger durchschnittlicher VN muss zu dem Ergebnis gelangen, dass der Rückgriff auf die Kürzungsmöglichkeit des § 34 Nr. 1b) VHB 2008 nur für denjenigen Teil des Schadens eröffnet ist, der den Grenzwert von 10.000 EUR übersteigt, im Übrigen aber ausgeschlossen ist.

     

    Bei verspäteter Vorlage der Stehlgutliste bei der Polizei (zu trennen von der Vorlage beim VR) ist weiter zu beachten, dass die Meinung vertreten wird, der VR sei verpflichtet, den VN nach § 28 Abs. 4 S. 2 VVG auf diese Obliegenheit hinzuweisen (vgl. OLG Karlsruhe r+s 11, 517). Diese Ansicht ist umstritten. Der BGH hat zuvor zum alten Recht grundsätzlich geklärt, dass es dem HausratVR nach Treu und Glauben verwehrt sein kann, sich insoweit auf Leistungsfreiheit zu berufen, wenn einerseits sein Verhalten nach der Schadensmeldung geeignet ist, den VN hinsichtlich dieser Obliegenheit und ihrer Rechtsfolgen irrezuführen und der VR eine Belehrung unterlässt (BGH VK 08, 193). In einer weiteren Entscheidung hat der BGH ausgeführt, dass ungeachtet der in jenem Fall zugrunde liegenden Besonderheiten, der VN - solange der VR bei ihm keinen Irrtum über die Bedingungslage erweckt oder sich widersprüchlich verhält - sich grundsätzlich selbst anhand des Bedingungswerks darüber zu informieren hat, was zu unternehmen ist, um Versicherungsschutz zu erlangen (BGH r+s 10, 245). Wenn man die Obliegenheit zur Vorlage bei der Polizei als Schadenminderungsobliegenheit ansieht, kommt es auf eine fehlende Belehrung nicht an. Man wird die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abwarten müssen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Einbruchdiebstahl: Wann liegt eine Gefahrerhöhung vor? OLG Köln VK 06, 197
    • Zum Nachweis des äußeres Bildes des Einbruchdiebstahls: OLG Hamm VK 12, 35
    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 121 | ID 40131440