· Zwangsversteigerung
Zustellung im Zwangsversteigerungsverfahren: Darauf haben Gläubiger zu achten

von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Im Zwangsversteigerungsverfahren ist die wirksame Zustellung verfahrensleitender Entscheidungen an den Schuldner essenziell. Kommt es ‒ wie in der Praxis oft ‒ zu mehrfach fehlgeschlagenen Zustellungsversuchen, stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Zustellungsvertreter (§ 6 ZVG) bestellt werden darf und ob die Zustellung an diesen auch dann wirksam ist, wenn sich später herausstellt, dass sich der Schuldner tatsächlich am ursprünglichen Zustellort aufhielt. Der BGH hat hierzu nun klare Leitlinien aufgestellt. |
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(Abruf-Nr. 250034) |
Sachverhalt
Im Streitfall wehrte sich der Schuldner mittels Zuschlagsbeschwerde gegen die Zwangsversteigerung seines Grundstücks, nachdem mehrfache Zustellversuche der Terminsbestimmung durch die Post und Gerichtswachtmeister scheiterten. Eine Anfrage an das Einwohnermeldeamt bestätigte die alte Anschrift. Erneute Zustellungen an den Schuldner blieben dennoch erfolglos. Auch die Gläubigerin konnte keine neue Anschrift nennen. Das AG bestellte daraufhin einen Zustellungsvertreter (§ 6 ZVG). Die Versteigerung fand statt und der Zuschlag wurde erteilt. Der Schuldner rügte die Unwirksamkeit der Zustellung, da er tatsächlich an der Adresse gewohnt habe.
Entscheidungsgründe
Nach allgemeiner Ansicht ist ein Zustellungsvertreter nach § 6 Abs. 1 Alt. 1 ZVG zu bestellen, wenn das Vollstreckungsgericht subjektiv ‒ nicht objektiv ‒ keine Kenntnis von dem Aufenthalt des Zustelladressaten hat. Dies bedeutet:
- Zustellungen an die aus den Akten bekannten Adressen sind gescheitert: Das Vollstreckungsgericht muss die Vollstreckungsakten sowie die vom Grundbuchamt gemäß § 19 Abs. 2 ZVG übersandten Grundakten und vollständigen Mitteilungen daraufhin überprüfen, ob sich daraus eine zustellungsfähige Anschrift ergibt.
- Anfragen an das Einwohnermeldeamt und die Gläubiger sind ergebnislos verlaufen: Ergibt die Einwohnermeldeamtsanfrage, dass der Zustelladressat unbekannten Aufenthalts ist und kann der Gläubiger ebenfalls keinen neuen Aufenthaltsort zu benennen, darf das Vollstreckungsgericht i. d. R. davon ausgehen, dass ihm der Aufenthalt des Zustelladressaten unbekannt ist, sodass ein Zustellungsvertreter bestellt werden kann.
Beachten Sie | Konnten dagegen bis zu dem gescheiterten Zustellungsversuch Schriftstücke an die bekannte Anschrift erfolgreich zugestellt werden und ergeben Anfragen an das Einwohnermeldeamt und den Gläubiger keinen neuen Aufenthalt des Adressaten, muss das Vollstreckungsgericht einen weiteren Zustellversuch an dieselbe Anschrift vornehmen. Kann das zuzustellende Schriftstück dann erneut nicht zugestellt werden, weil der Adressat unter der angegebenen Adresse nicht zu ermitteln ist, darf das Vollstreckungsgericht von weiteren Zustellversuchen absehen und einen Zustellungsvertreter bestellen.
- Weitere Ermittlungen (z. B. Befragung von Nachbarn, ehemaligen Arbeitgebern, dem letzten Vermieter oder bei Hausgenossen, Verwandten des Schuldners) sind nicht erforderlich.
Ein wirksam bestellter Zustellungsvertreter kann dem Schuldner alle relevanten Schriftstücke zustellen (§ 7 ZVG). Die Zustellung ist damit auch dann wirksam, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Schuldner doch an der Adresse erreichbar gewesen ist. Wird ein Zustellungsvertreter jedoch zu Unrecht bestellt, ist die Zustellung unwirksam.
§ 185 ZPO verlangt deutlich weitergehende Nachforschungen und objektive Unkenntnis des Aufenthalts. § 6 ZVG ist vielmehr als Spezialregelung im Zwangsversteigerungsverfahren auf eine beschleunigte und praktikable Zustellung angelegt. Durch die Bestellung eines Zustellungsvertreters sollen nämlich Verzögerungen vermieden werden, die infolge einer sonst notwendig werdenden öffentlichen Zustellung von Beschlüssen des Vollstreckungsgerichts entstehen. Das Ziel der Verfahrensbeschleunigung wird verfehlt, wenn die Bestellung eines Zustellungsvertreters von den gleichen, erhöhten Anforderungen abhängt wie eine öffentliche Zustellung nach § 185 Nr. 1 ZPO.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung des BGH stärkt die Position der Gläubiger im Zwangsversteigerungsverfahren erheblich, indem sie den Ermittlungsaufwand und die Schwelle für die Bestellung eines Zustellungsvertreters moderat hält und die Wirksamkeit der Zustellung von fehlerfreiem gerichtlichem Ermessen abhängig macht.
Die gerichtliche Ermittlungspflicht bleibt klar definiert und ist daher praxistauglich. Die Schuldnerschutzrechte werden insoweit gewahrt, als bei nachweislichem Erreichen der Zustelladressen weiterhin die Bestellung eines Vertreters nicht ausreicht.
De facto sorgt die Klarstellung daher für schnellere, rechtssichere Verfahren und im Gläubigerinteresse damit für mehr Planbarkeit.
Besonders wichtige Beschlüsse zur Verfahrenseröffnung wie z. B. Anordnungs- bzw. Beitrittsbeschlüsse, die eine Beschlagnahmewirkung (§ 22 ZVG) entfalten können, dürfen nicht über das vereinfachte Zustellungsverfahren zugestellt werden (§§ 4 bis 7 i. V. m. § 8 ZVG). Diese können nur nach den strengen Regeln der öffentlichen Zustellung (§§ 185‒188 ZPO) wirksam zugestellt werden. Für weniger zentrale Beschlüsse ‒ wie vorliegend die Terminsbestimmung ‒ gilt dagegen: Hier hat das Interesse des Gläubigers an einer zügigen Durchführung des Verfahrens Vorrang.
Die folgende Übersicht zeigt die Unterschiede in die Anforderungen, den Ermittlungsaufwand und die Schutzmechanismen zwischen beiden Zustellungsarten im Zwangsvollstreckungsrecht.
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Aspekt | Zustellungsvertreter (§ 6 ZVG) | Öffentliche Zustellung (§ 185 ZPO) |
Voraussetzungen für Bestellung | Aufenthalt des Zustelladressaten dem Vollstreckungsgericht nicht bekannt; keine weiteren umfangreichen Nachforschungen nötig, wenn Zustellung an bekannte Adresse und Auskünfte erfolglos sind | Aufenthalt der Person allgemein unbekannt d. h. nicht nur dem Gericht); umfassende Nachforschungen sind geboten, z. B. bei ehemaligen Arbeitgebern, Vermietern, Nachbarn |
Ermittlungsaufwand | Eingeschränkt auf Akteneinsicht, Postversuche, Anfragen an Einwohnermeldeamt und Gläubiger; keine weiteren Nachforschungen verpflichtend | Umfangreiche Nachforschungspflichten zur Ermittlung des Aufenthalts, auch durch persönliche Nachfragen bei Dritten |
Rechtswirkung der Zustellung | Zustellung an bestellten Zustellungsvertreter wirkt wie Zustellung an Schuldner selbst; wirksam auch wenn Schuldner tatsächlich an bekannter Adresse wohnt | Zustellung gilt erst nach öffentlicher Bekanntmachung als erfolgt; rechtssicher auch bei unbekanntem Aufenthalt; im Zweifel erforderlich bei Anordnungs-, Beitrittsbeschlüssen ( § 8 ZVG) |
Verfahrenszweck | Erleichterung, Beschleunigung und Sicherung der Zustellung im Zwangsversteigerungsverfahren | Ultima Ratio für Fälle, in denen tatsächliche Ermittlung völlig unmöglich ist. Gewährleistung der Zustellung bei gänzlich unbekanntem Aufenthalt |
Schutz des Schuldners | Zustellungsvertreter ist verpflichtet den Schuldner zu benachrichtigen (§ 7 Abs. 2 ZVG) | Schutz durch öffentliche Bekanntmachung, aber keine spezielle Pflicht zur Benachrichtigung wie beim Zustellungsvertreter |
Ergebnis bei Fehleinschätzung | Zustellung unwirksam bei zu Unrecht bestelltem Zustellungsvertreter | Zustellung gilt erst nach ordnungsgemäßer öffentlicher Bekanntmachung als wirksam |