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  • · Fachbeitrag · Versäumnisurteil

    Räumungsauftrag vor Ablauf der Einspruchsfrist möglich

    | Immer wieder stehen Gläubiger vor folgendem Problem: Das Gericht hat den Schuldner durch Versäumnisurteil zur Räumung und Herausgabe verurteilt. Das Urteil wurde bereits zugestellt und die vollstreckbare Ausfertigung liegt vor. Die 2-wöchige Einspruchsfrist gemäß § 339 Abs. 1 ZPO ist noch nicht abgelaufen, sodass der Schuldner noch ein Rechtsmittel einlegen kann. Kann der Gläubiger trotzdem aus dem Urteil vollstrecken oder muss er die 2-Wochenfrist abwarten? |

    1. Sofortige Vollstreckung möglich

    Gemäß § 708 Nr. 1 ZPO sind Versäumnisurteile ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Folge: Der Gläubiger kann den Gerichtsvollzieher vorliegend sofort mit der Zwangsvollstreckung beauftragen. Selbst wenn der Schuldner rechtzeitig Einspruch einlegt, wird oft nicht bedacht, dass ein solcher nicht automatisch die Zwangsvollstreckung des Gläubigers hindert. Vielmehr muss der Schuldner mit seinem Einspruch zugleich beantragen, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird. Dann muss hierüber das Prozessgericht entscheiden. Möglich ist auch, dass das Vollstreckungsgericht im Rahmen eines Vollstreckungsschutzantrags gemäß § 765a ZPO entscheidet.

     

    PRAXISTIPP | Sollte der Schuldner rechtzeitig Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt haben, empfiehlt es sich, aus Sicherheitsgründen zunächst dem Gerichtsvollzieher gegenüber die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erklären. Denn sollte der Einspruch tatsächlich Erfolg haben und Sie haben zwischenzeitlich vollstreckt (es wurde also geräumt), kann es für Sie teuer werden, weil Sie dann dem Schuldner ggf. zum Schadenersatz verpflichtet sind.

     

    2. Achtung bei vergleichsweiser Einigung

    Besondere Vorsicht ist für den Gläubiger geboten, wenn es im Einspruchsverfahren vor dem Prozessgericht zu einer Einigung (z. B. bezüglich der Räumungsfrist oder der Zahlung rückständiger Mieten) kommt und der Gläubiger zwischenzeitlich durch Vollstreckungsmaßnahmen Kosten verursacht (z. B. Gerichtsvollzieher- oder Rechtsanwaltskosten, Kosten für die Bereitstellung eines Transportunternehmens für die Räumung).

     

    PRAXISTIPP | Die oft in Vergleichen zu findende Regelung „Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben“ umfasst gerade nicht die bereits angefallenen Vollstreckungskosten, da diese keine Kosten des zugrunde liegenden Rechtsstreits sind (OLG Düsseldorf NJW-RR 99, 943; OLG Karlsruhe MDR 94, 733). Insofern müssen Sie, wenn Sie eine Erstattung dieser bereits aufgewendeten Kosten wollen, auf eine entsprechende Formulierung im Vergleich achten.

     

    In diesem Zusammenhang hat der BGH (VE 10, 102) entschieden: Bei einem Versäumnisurteil, aus dem die Vollstreckung betrieben worden ist, und das durch einen Prozessvergleich ersetzt wird, kann der Gläubiger die Erstattung der Vollstreckungskosten in der Höhe verlangen, in der sie angefallen wären, hätte er von vornherein die Vollstreckung auf den Vergleichsbetrag beschränkt.

     

    MERKE | Das trifft bei einem Räumungstitel meist nur zu, wenn der Schuldner in diesem auch zur Zahlung (in der Regel der Mietrückstände) verurteilt wurde.

     
    • Beispiel

    Gläubiger G. hat wegen 10.000 EUR gegen Schuldner S. ein Versäumnisurteil (VU) mit folgendem Tenor erwirkt (vereinfacht dargestellt):

     

    • 1. Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung … zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
    • 2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Miete in Höhe von 10.000 EUR zu zahlen.

     

    Nach Zustellung des VU, aber vor Ablauf der Einspruchsfrist, erwirkt G., vertreten durch Rechtsanwalt R., für den Zahlungsanspruch einen PfÜB in das Arbeitseinkommen des S. Hierfür berechnet R.:

    0,3-Verfahrensgebühr aus 10.000 EUR, Nr. 3309 VV RVG

    167,40 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    35,60 EUR

    223,00 EUR

    S. legt rechtzeitig Einspruch gegen das VU ein. Im anschließenden Verfahren einigen sich die Parteien darauf, dass zur Abgeltung der Zahlungsansprüche S. an G. insgesamt 6.000 EUR zahlt. Hinsichtlich des Räumungsanspruchs einigen sich die Parteien auf eine Räumungsfrist. Weiterhin wird folgende Regelung getroffen: „Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.“

     

    Lösung

    Durch den Vergleichsabschluss kann G. als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung nun folgende Kosten gemäß § 788 ZPO von S. erstattet verlangen:

    0,3-Verfahrensgebühr aus 6.000 EUR, Nr. 3309 VV RVG

    106,20 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    23,97 EUR

    150,17 EUR

    Dies kann durch eine entsprechende Regelung im Vergleich vermieden werden.

     

    Musterformulierung /  Vergleich

    Die Kosten des Rechtsstreits ‒ mit Ausnahme der aus dem zugrunde liegenden Titel (genaue Bezeichnung) angefallenen Vollstreckungskosten ‒ werden gegeneinander aufgehoben.

     

    Die angefallenen Kosten der Vollstreckung aus dem vorgenannten Titel muss der Schuldner tragen.

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2019 | Seite 15 | ID 45528725