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  • · Fachbeitrag · Pfändungsschutz

    § 850i ZPO im Zwangsverwaltungsverfahren nicht entsprechend anzuwenden

    | Gläubiger haben bei vermietetem Eigentum des Schuldners regelmäßig das Nachsehen, wenn der Schuldner seinen Lebensunterhalt aus erwirtschafteten Mieteinkünften bestreitet. Denn dann kann er Pfändungsschutz nach § 850i ZPO für sonstige Einkünfte beantragen. Dies gilt auch, wenn die Mieteinkünfte im Zuge einer vereinbarten stillen Zwangsverwaltung an einen Gläubiger abgeführt werden, dem der Schuldner die Mietforderungen als Sicherheit abgetreten und dem er Grundschulden an den Mietobjekten bestellt hat (BGH VE 18, 112 ). Der BGH hat jetzt in diesem Zusammenhang zugunsten der Gläubiger geklärt: § 850i ZPO ist im Zwangsverwaltungsverfahren nicht entsprechend anwendbar. Dem Schuldner sind dort Mittel für seinen Unterhalt nur nach Maßgabe von § 149 Abs. 3 ZVG und unter den dort genannten Voraussetzungen zur Verfügung zu stellen. |

     

    Sachverhalt

    Das AG hatte auf Antrag der Gläubigerin die Zwangsverwaltung des Wohneigentums angeordnet und einen Teilungsplan aufgestellt. Auf Antrag des Schuldners wies das AG den Zwangsverwalter an, an diesen aus den Erträgen der Immobilie vorrangig zu den Zahlungen laut Teilungsplan bis auf Weiteres monatlich 511,05 EUR zu zahlen.

     

    Dieser Betrag entspricht dem Existenzminimum (Grundsicherung von 416 EUR zzgl. 95,03 EUR für Versicherungsbeiträge). Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Gläubigerin wies das LG ‒ Beschwerdegericht ‒ zurück. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will sie die Aufhebung der Beschlüsse des AG und des LG und die Zurückweisung des Antrags des Schuldners erreichen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung stärkt vor allem die Rechte der dinglich abgesicherten Gläubiger, die vor der Frage stehen, ob sie ein Zwangsverwaltungsverfahren in die Wege leiten sollen (BGH 10.10.19, V ZB 154/18, Abruf-Nr. 212749). Im Einzelnen müssen Gläubiger folgende Überlegungen anstellen:

     

    Greift ein Gläubiger im Wege der Forderungspfändung829 ZPO) auf die Miet- bzw. Pachteinnahmen des Schuldners zu, kann auf Antrag des Schuldners nach § 850i ZPO das Pfandrecht beschränkt werden (BGH VE 14, 169; 15, 134; VE 16, 102; VE 18, 112). Hiernach muss das Gericht dem Schuldner bei der Pfändung seiner sonstigen Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, während eines angemessenen Zeitraums so viel belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde.

     

    Letztlich hat dies zur Folge, dass die Einnahmen aus Miete bzw. Pacht bis zur Pfändungsfreigrenze für Gläubiger unantastbar sind.

     

    Regelmäßig treten Schuldner bei vermieteten bzw. verpachteten Immobilien ihre Miet- bzw. Pachteinnahmen an Gläubiger (i. d. R. Banken) ab und lassen sich zudem noch im Grundbuch Sicherungsgrundschulden eintragen. Auch hier gilt auf Antrag des Schuldners der Pfändungsschutz nach § 850i ZPO ‒ selbst im Fall einer Insolvenz (BGH VE 18, 112).

     

    Grund: Die Abtretung einer Forderung ist gemäß §§ 134, 400 BGB nichtig, soweit die abgetretene Forderung nicht der Pfändung unterworfen ist, also bis zum Pfändungsfreibetrag nach der Lohnpfändungstabelle. Vielmehr können solche dem Arbeitseinkommen gleichgestellte Einkünfte nur insoweit wirksam abgetreten werden, als sie nach den §§ 850a ff. ZPO pfändbar sind.

     

    Schutz gewährt den Gläubigern nur die Eröffnung eines gerichtlichen Zwangsverwaltungsverfahrens. Hierdurch wird nämlich die Schutzfunktion des § 850i ZPO ausgehebelt. Diese Vorschrift ist nach Ansicht des BGH weder unmittelbar noch analog anwendbar. Sie verlangt nämlich nach ihrem Wortlaut eine Pfändung („… gepfändet…“). Dies ist aber bei einem Zwangsverwaltungsverfahren gerade nicht der Fall. Auch die Gesetzessystematik verbietet eine direkte Anwendbarkeit der Norm.

     

    PRAXISTIPP | Vielmehr gilt der Anordnungsbeschluss nach § 146 Abs. 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 ZVG als Beschlagnahme des Grundstücks; diese erfasst auch die Miet- und Pachtforderungen (§ 1123 Abs. 1 BGB, § 148 i.V.m. § 21 Abs. 2 ZVG). Die beschlagnahmten Mietforderungen werden im Unterschied zur Pfändung nach § 829 ZPO dem die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger nicht zur Einziehung oder an Zahlungs statt überwiesen (§ 835 Abs. 1 ZPO), sondern vom Zwangsverwalter eingezogen (§ 152 Abs. 1 ZVG). Dieser muss hieraus vorweg die Ausgaben der Verwaltung sowie die zu berücksichtigenden Kosten des Verfahrens bestreiten und die Überschüsse nach dem Teilungsplan entsprechend verteilen (§ 155 Abs. 1 ZVG, § 155 Abs. 2 S. 1 ZVG, § 156 Abs. 2 S. 2 ZVG, § 157 Abs. 1 ZVG).

     

    Beachten Sie | Bei der Zwangsverwaltung eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Grundstücks muss der Zwangsverwalter aus den Erträgnissen des Grundstücks oder aus deren Erlös dem Schuldner die Mittel zur Verfügung stellen, die zur Befriedigung seiner und seiner Familie notwendigen Bedürfnisse erforderlich sind. Hieraus folgt, dass der Gläubiger bei der Zwangsverwaltung anderer Grundstücke (z. B. Wohnungseigentum) die Erträgnisse der beschlagnahmten Immobilie dem Schuldner nicht zu Unterhaltszwecken zur Verfügung stellen muss.

     

    Weiterführende Hinweise

    • BGH entwertet Sicherungsrechte: Pfändungsschutz für als Vermieter wirtschaftenden Schuldner, VE 18, 112
    • BGH zum Pfändungsschutz Selbstständiger, VE 14, 169
    • Einkünfte aus Untervermietung unpfändbar, VE 15, 134
    • „Sonstige Einkünfte“ sind nur in Höhe des Grundfreibetrags unpfändbar, VE 16, 102
    Quelle: Ausgabe 02 / 2020 | Seite 23 | ID 46291495