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  • · Fachbeitrag · Forderungsvollstreckung

    Freistellungsanspruch nach VVG im Insolvenzverfahren

    Während des Insolvenzverfahrens ist die Einzelzwangsvollstreckung wegen einer Insolvenzforderung in den Freistellungsanspruch des Schuldners gegen dessen Haftpflichtversicherer unzulässig, sofern der Gläubiger seine persönliche Forderung und nicht das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Schuldners verfolgt (BGH 25.9.14, IX ZB 117/12, Abruf-Nr. 143071).

     

    Praxishinweis

    Regelmäßig werden in Insolvenzverfahren Vermögensbestandteile des Schuldners durch den Insolvenzverwalter aus der Masse freigegeben. In der Praxis betrifft dies zumeist Immobilien oder die gewerbliche Tätigkeit des Schuldners. Im zu beurteilenden Fall hat der Insolvenzverwalter allerdings einen Freistellungsanspruch freigegeben, den der Schuldner gegen seine Haftpflichtversicherung hat.

     

    In der Praxis kommt es aufgrund der Freigabeerklärung durch den Verwalter bei den (Insolvenz)Gläubigern immer wieder zu der irrigen Annahme, dass dann in den freigegebenen Gegenstand die Einzelvollstreckung zulässig ist. Der daher oft betriebenen (Einzel)Zwangsvollstreckung steht jedoch das als Vollstreckungshindernis von Amts wegen zu beachtende Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO entgegen. Hiernach sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger wegen der persönlichen Forderung während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. Durch die Freigabe einzelner Vermögensbestandteile aus der Masse werden diese nämlich zum „sonstigen Vermögen“ (BGH VE 06, 73).

     

    Die Besonderheit bei einem aus der Insolvenzmasse freigegebenen Freistellungsanspruch besteht darin, dass im eröffneten Insolvenzverfahren ein Gläubiger als Haftungsgläubiger wegen des ihm gegen den Schuldner zustehenden Haftungsanspruchs nach § 110 VVG abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Schuldners gegen dessen Haftpflichtversicherer verlangen kann. Insofern gilt dann das Vollstreckungsverbot nach § 89 Abs. 1 InsO gerade nicht.

     

    MERKE | § 110 VVG regelt, dass der geschädigte Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen kann, wenn über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist.

     

    Materiell-rechtlich erlangt der Dritte in der Insolvenz des Schädigers (Schuldner) somit ein gesetzliches Pfandrecht am Freistellungsanspruch.

     

     

    Aufgrund des bestehenden Pfandrechts am Freistellungsanspruch des Schuldners ist somit § 50 Abs. 1 InsO anzuwenden. Diese Regelung besagt, dass Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein Pfandrecht haben, nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 InsO für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung an dem Pfandgegenstand berechtigt sind.

     

    Da der Insolvenzverwalter den Gegenstand freigegeben hat, besteht somit seinerseits keine Verwertungsberechtigung mehr nach § 166 Abs. 2 InsO (BGH WM 13, 935). Folge: Der Gläubiger kann sein Absonderungsrecht außerhalb des Insolvenzverfahrens durchsetzen (§ 173 Abs. 1 InsO). Dies kann er wie folgt bewerkstelligen:

     

    • Er zieht die Forderung des Schuldners gegen seinen Haftpflichtversicherer unmittelbar ein (§§ 1282 Abs. 1, 1228 Abs. 2 BGB) und verlangt nach Feststellung des Haftungsanspruchs somit unmittelbar vom Versicherer Zahlung. Einer vorherigen Pfändung bedarf es in diesem Fall daher nicht.

     

    • Er sucht nach §§ 1282 Abs. 2, 1277 BGB Befriedigung aus dem mit dem Pfandrecht belasteten Recht. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein dinglicher Titel auf Duldung der Zwangsvollstreckung oder auf Gestattung der Befriedigung aus dem verpfändeten Recht (BGH BGHR 04, 1323).

     

    Musterformulierung / Geltendmachung des Absonderungsrechts

    An den Haftpflichtversicherer ...

     

    Einschreiben/Rückschein

     

    Geltendmachung der Absonderung an … (genaue Bezeichnung der Forderung/des Gegenstands)

     

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    In vorbezeichneter Angelegenheit zeige ich an, dass ich die Interessen des … als Gläubiger vertrete. Auf anliegende Vollmacht nehme ich Bezug.

     

    Mein Mandant kann gemäß § 110 VVG als geschädigter Dritter wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen, wenn über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist.

     

    Durch Beschluss vom … wurde über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet.

     

    Beweis: Insolvenzeröffnungsbeschluss vom … in Kopie

     

    Der Insolvenzverwalter hat mittels Schriftsatz vom … den Freistellungsanspruch aus der Insolvenzmasse freigegeben.

     

    Beweis: Schriftsatz des Insolvenzverwalters vom … in Kopie

    Aus diesem Grund ergibt sich für meinen Mandanten ein Absonderungsrecht gemäß §§ 50, 173 Abs. 1 InsO. Insofern beantrage ich (alternativ):

     

    • dass die Forderung nach Feststellung des Haftungsanspruchs unmittelbar an den ... als Gläubiger ausgezahlt wird
    • für meinen Mandanten Befriedigung aus dem mit dem Pfandrecht belasteten Recht. Zur Berechtigung übersende ich Ihnen in Kopie den
      • auf Duldung der Zwangsvollstreckung lautenden Titel des …gerichts vom …, Az. … (BGH BGHR 04, 1323).
      • auf Gestattung der Befriedigung aus dem verpfändeten Recht lautenden Titel des …gerichts vom …, Az. … (BGH BGHR 04, 1323).

     

    Für etwaige Rückfrage stehe ich gerne zur Verfügung.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Rechtsanwalt

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 206 | ID 43041394