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  • · Fachbeitrag · Gläubigertaktik

    Einzelvollstreckung versus Insolvenz: Zwischen Eröffnungsantrag und Eröffnung vollstrecken

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Der folgende Beitrag stellt die Vollstreckungsmöglichkeiten von Einzelgläubigern in der Phase zwischen Insolvenzantragstellung und Insolvenz-eröffnung dar. |

    1. Grundsatz: Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen zulässig

    Im Zeitraum zwischen Beantragung der Insolvenzeröffnung und der Eröffnung des Verfahrens sind einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahmen grundsätzlich zulässig. Der bloße Insolvenzantrag hindert somit die Vornahme einzelner Vollstreckungsmaßnahmen nicht.

     

    Achtung |Erlangt allerdings der (Insolvenz)Einzelgläubiger in diesem Zeitraum eine Sicherung an einem zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand, somit ein Pfändungspfandrecht (z.B. durch Eintragung einer Sicherungshypothek in das Grundbuch oder Erlass eines PfÜB), wird diese Sicherung automatisch mit der Verfahrenseröffnung rückwirkend absolut unwirksam. Denn dann greift die Rückschlagsperre des § 88 InsO und es wird kein Absonderungsrecht nach §§ 49, 50 Abs. 1 InsO begründet (vgl. ausführlich Mock, VE 14, 66). Zusätzlich ist für Einzelgläubiger zu beachten: Wurde die Vollstreckungsmaßnahme innerhalb des dritten oder zweiten Monats vor dem Insolvenzeröffnungsantrag vorgenommen, kann der Insolvenzverwalter sowohl ein bei Eröffnung noch bestehendes Pfändungspfandrecht als auch eine auf dieser Grundlage erlangte Befriedigung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2, 3 InsO anfechten. Wurde der einzel vollstreckende spätere Insolvenzgläubiger aus dem Gegenstand befriedigt, unterliegt dies ebenfalls der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO (sog. inkongruente Deckung).

     

    Diese Situation wird sich ab dem 1.7.14 für dann eröffnete Insolvenzverfahren erheblich verschärfen. Denn die zu diesem Stichtag in Kraft tretende Novellierung des Verbraucherinsolvenzrechts regelt, dass §§ 312 bis 314 InsO aufgehoben werden. Dies hat zur Folge, dass es künftig nur noch im eröffneten Insolvenzverfahren einen Insolvenzverwalter und keinen Treuhänder mehr geben wird. Insofern steigert sich für den einzel vollstreckenden Gläubiger die Gefahr der Anfechtung erheblich!

    2. Vollstreckungsverbot von Mobiliarvollstreckungsmaßnahmen

    Um ein Auseinanderreißen der Insolvenzmasse bereits in der Eröffnungsphase zu verhindern, ordnet das Insolvenzgericht regelmäßig nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO an, dass Maßnahmen der Mobiliarvollstreckung untersagt bzw. einstweilen eingestellt werden. Folge: Je nach Inhalt der gerichtlichen Anordnung ist für Einzelgläubiger nach Insolvenzantragstellung die Mobiliarvollstreckung nicht mehr zulässig bzw. nicht mehr fortzuführen.

     

    Wichtig | Die Untersagung der Einzelvollstreckung in der Eröffnungsphase soll die Wirkungen des erst nach der Verfahrenseröffnung eintretenden Vollstreckungsverbots nach § 89 InsO bereits in diesen Zeitraum vorziehen.

    3. Weitere betroffene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen

    Eine Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO betrifft nur Vollstreckungsmaßnahmen in bewegliches Vermögen, somit die Sach- und Forderungsvollstreckung. Hierunter fällt auch das Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO. Denn mit dem eingeleiteten Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft droht die effektive Vollstreckung in das Schuldnervermögen (LG Heilbronn Rpfleger 08, 88; LG Darmstadt NJW-RR 03, 1493; AG Wilhelmshaven NZI 01, 436; a.A. AG Güstrow JurBüro 04, 213; AG Rostock JurBüro 04, 213; AG Hainichen JurBüro 02, 605).

     

    PRAXISHINWEIS | Eine Ausnahme, vom Schuldner die Vermögensauskunft auch im Insolvenzeröffnungsverfahren zu verlangen, besteht, wenn ersichtlich ist, dass ein Gläubiger im Sinne der § 89 Abs. 2 S. 2 InsO, § 850d, § 850f Abs. 2 ZPO privilegiert ist, und daher während des späteren Insolvenzverfahrens vollstrecken dürfte (LG Heilbronn Rpfleger 08, 88).

     

     

    • Beispiel

    G. hat eine titulierte Forderung wegen Kindesunterhalt von monatlich 600 EUR gegen S. Dieser stellt am 13.4. einen Insolvenzantrag. Das Insolvenzgericht beschließt ein Vollstreckungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO und untersagt Vollstreckungsmaßnahmen ins bewegliche Vermögen. G. beantragt beim Gerichtsvollzieher dem S. die Vermögensauskunft abzunehmen. S. gibt an, monatlich 2.000 EUR netto zu verdienen. G. beantragt daraufhin beim Vollstreckungsgericht den Erlass eines PfÜB, der auch antragsgemäß ergeht. Der dem S. pfandfrei zu belassende Betrag wird durch das Vollstreckungsgericht auf monatlich 800 EUR festgesetzt. Das Verfahren wird am 20.6.14 eröffnet.

     

    Lösung: Der Gerichtsvollzieher ist verpflichtet, dem S. die Vermögensauskunft abzunehmen, da G. im eröffneten Insolvenzverfahren bevorrechtigt in Lohnansprüche nach § 89 Abs. 2 S. 2 InsO vollstrecken darf und zwar wegen der Ansprüche, die nach Insolvenzeröffnung anfallen. Diesbezüglich ist G. nämlich kein Insolvenz- sondern Neugläubiger (BGH VE 08, 8).

     

    Nach der Lohnpfändungstabelle beträgt der

    pfändbare Betrag monatlich

    668,47 EUR

    Dieser muss ab dem 1.8.14 an den Treuhänder abgeführt werden (§ 114 Abs. 3 InsO).

    Unpfändbar sind somit

    1.331,51 EUR

    G als Neugläubiger steht die Differenz zu zwischen dem nach der Lohnpfändungstabelle unpfändbaren Betrag und dem festgesetzten notwendigen Selbstbehalt (800 EUR)

    somit 1.331,53 EUR ./. 800 EUR

    531,53 EUR

     

     

    Das Vollstreckungsverbot erfasst nur Vollstreckungsmaßnahmen (späterer) Insolvenz- und Absonderungsgläubiger. Ist der spätere absonderungsberechtigte Pfändungspfandrechtsgläubiger (§ 50 Abs. 1 InsO) an der Verwertung des beweglichen Gegenstands aufgrund der einstweiligen Einstellung gehindert, sind ihm die geschuldeten Zinsen spätestens von dem Zeitpunkt an zu zahlen, der drei Monate nach einer derartigen Anordnung liegt (§§ 21, 169 S. 2 InsO).

    4. Wirkungen des Vollstreckungsverbots

    Das Vollstreckungsverbot bzw. die einstweilige Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO stellt ein durch das jeweilige Vollstreckungsorgan (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht) von Amts wegen zu beachtendes Vollstreckungshindernis nach §§ 775 Nr. 2, 776 ZPO dar. Folgen: Bereits ausgebrachte Vollstreckungsmaßnahmen bleiben bestehen, dürfen allerdings nicht fortgesetzt werden.

     

    • Beispiel

    Gläubiger G. pfändet das Arbeitseinkommen des Schuldners S. im Januar 2014. Der PfÜB wird dem Drittschuldner am 2.2.14 zugestellt. S. stellt am 7.7.14 einen Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren wird am 17.9.14 eröffnet.

     

    Lösung: Das erworbene Pfandrecht ist wirksam, da es außerhalb der Frist der Rückschlagsperre entstanden ist. Das Vollstreckungsgericht hat im Eröffnungsverfahren (7.7. bis 17.9.) die Pfändung mit der Maßgabe einzustellen, dass der Drittschuldner nur noch an den Gläubiger und Schuldner bzw. gegebenenfalls den vorläufigen Insolvenzverwalter gemeinsam leisten darf oder aber die geschuldete Leistung zugunsten beider hinterlegt (BGH NJW 99, 953).

     

    Achtung | Wird hingegen eine neue Vollstreckungsmaßnahme eingeleitet, ist diese mit der Erinnerung nach § 766 ZPO zu rügen. Hierzu berechtigt ist, je nachdem was das Insolvenzgericht bestimmt hat, der vorläufige Insolvenzverwalter bzw. der Schuldner.

    5. Auswirkungen auf die Immobiliarvollstreckung

    Die Anordnungen gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO haben keine Auswirkungen auf eine Maßnahme der Immobiliarvollstreckung.

     

    a) Zwangsversteigerung

    Ein durch das Gericht eingesetzter vorläufiger Insolvenzverwalter hat aber die Möglichkeit, zu beantragen, dass ein bereits eingeleitetes Zwangsversteigerungsverfahren eingestellt wird (§ 30d ZVG). Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn

     

    • im Insolvenzverfahren der Berichtstermin nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO noch bevorsteht,
    • das Grundstück nach dem Ergebnis des Berichtstermins nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Insolvenzverfahren für eine Fortführung des Unternehmens oder für die Vorbereitung der Veräußerung eines Betriebs oder einer anderen Gesamtheit von Gegenständen benötigt wird,
    • durch die Versteigerung die Durchführung eines vorgelegten Insolvenzplans gefährdet würde oder
    • in sonstiger Weise durch die Versteigerung die angemessene Verwertung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert würde.

     

    Der Antrag ist abzulehnen, wenn die einstweilige Einstellung dem Gläubiger unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zuzumuten ist.

     

    Die einstweilige Einstellung ist mit der Auflage anzuordnen, dass dem betreibenden Gläubiger für die Zeit nach dem Berichtstermin nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO laufend die geschuldeten (schuldrechtlichen; str. LG Göttingen Rpfleger 00, 228) Zinsen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Fälligkeit aus der Insolvenzmasse gezahlt werden. Ist das Versteigerungsverfahren schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 30d Abs. 4 ZVG einstweilen eingestellt worden, ist die Zahlung von Zinsen spätestens von dem Zeitpunkt an anzuordnen, der drei Monate nach der ersten einstweiligen Einstellung liegt (§ 30e Abs. 1 ZVG).

     

    Wird das Grundstück für die Insolvenzmasse genutzt, ordnet das Gericht auf Antrag des betreibenden Gläubigers weiter die Auflage an, dass der entstehende Wertverlust von der Einstellung des Versteigerungsverfahrens an durch laufende Zahlungen aus der Insolvenzmasse an den Gläubiger auszugleichen ist (§ 30e Abs. 2 ZVG).

     

    b) Zwangsverwaltung

    Das Vorstehende gilt nicht für ein laufendes Zwangsverwaltungsverfahren. Eine Einstellung nach § 30d ZVG kann daher nicht erfolgen.

     

    c) Sicherungshypothek

    Die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek in das Grundbuch ist im Eröffnungsverfahren uneingeschränkt möglich. Allerdings wird mit Verfahrenseröffnung die Sicherung durch die Rückschlagsperre (§ 88 InsO) absolut unwirksam. Der BGH hat hierzu entschieden, dass durch eine infolge der insolvenzrechtlichen Rückschlagsperre unwirksam gewordene Zwangshypothek keine Eigentümergrundschuld entsteht (VE 06, 65, 73).

     

    Sicherungen eines Gläubigers, die infolge der Rückschlagsperre unwirksam geworden sind, können ohne Neueintragung mit entsprechend verändertem Rang wirksam werden, wenn sie als Buchposition erhalten sind und die Voraussetzungen für eine Neubegründung der Sicherung im Wege der Zwangsvollstreckung bestehen. Gibt der Insolvenzverwalter ein Grundstück aus der Masse frei, welches buchmäßig mit einer durch die Rückschlagsperre unwirksam gewordenen Zwangshypothek belastet ist, kann die Zwangshypothek trotz des Verbots, während des Insolvenzverfahrens in massefreies Vermögen des Schuldners zu vollstrecken, schon im Zeitpunkt der Freigabe wieder wirksam werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Zwangshypothek entsteht mit Eintragung im Grundbuch (§ 867 Abs. 1 S. 2 ZPO). Wird die hoheitliche Vollstreckungsanordnung des Grundbuchamts nach § 88 InsO unwirksam, kann die im Grundbuch verbliebene Eintragung der Zwangshypothek nach erfolgreicher Klage gemäß § 894 BGB oder auf- grund Unrichtigkeitsnachweises (§ 22 GBO) beseitigt werden. Einstweiliger Rechtsschutz ist möglich (Widerspruch, § 899 BGB). Es sind zwei Fälle zu unterscheiden:

     

    • Wird die Eintragung der Zwangssicherungshypothek gelöscht, ist damit auch die Vollstreckungsanordnung des Grundbuchamts aufgehoben. Diese Anordnung kann, wenn der Schuldner seine Verfügungsfreiheit wieder gewonnen hat und die Vollstreckungsvoraussetzungen noch bestehen, auf Antrag des Gläubigers nur neu ergehen. Der Gläubiger muss also erneut eine Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eintragen lassen. Zu diesem Zweck benötigt der Gläubiger den Vollstreckungstitel. Dieser befindet sich zumeist beim Insolvenzgericht. Er sollte also unverzüglich nach Freigabe des Grundstücks aus der Masse den Titel herausverlangen, um diesen zwecks Eintragung einer neuen Zwangssicherungshypothek dem Grundbuchamt vorzulegen.

     

    • Ist jedoch zum Zeitpunkt der Freigabe des Grundstücks durch den Verwalter die Zwangssicherungshypothek noch als Buchposition eingetragen, bedarf es keiner Löschung der Zwangshypothek mit anschließender Neueintragung. Die zunächst gemäß § 88 InsO unwirksam gewordene Zwangshypothek entsteht vielmehr entsprechend § 185 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB neu. Insofern bleibt die Nutzbarkeit der alten Buchposition dem Gläubiger im ursprünglichen Rang erhalten. Dies setzt aber voraus, dass mit der Eintragung des Schuldners im Grundbuch und dem Fortbestand des Titels eine Neuanordnung möglich wäre. Insofern müssen auch hier sämtliche Vollstreckungsvoraussetzungen noch vorliegen.
     

    Achtung |Befinden sich im Grundbuch noch mittels einstweiliger Verfügung eingetragene Vormerkungen, hat die neu entstehende Zwangssicherungshypothek gleichen Rang mit der Vormerkung (§ 879 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB). Dies ist durch Rangvermerke im Grundbuch von Amts wegen klarzustellen (BGHZ 143, 175).

     

    Die Freigabe des Grundstücks durch den Insolvenzverwalter bewirkt, dass der Insolvenzbeschlag erlischt und der Schuldner die Verfügungsbefugnis zurückerhält (BGH WM 05, 1084). Auch nach § 89 Abs. 1 InsO sind Vollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während des Verfahrens weder in die Masse noch in sonstiges Vermögen des Schuldners zulässig. Zum sonstigen Vermögen des Schuldners in diesem Sinne gehören auch die vom Insolvenzverwalter aus der Masse freigegebenen Gegenstände. Die Wirkungen der Rückschlagsperre springen daher nicht auf das eröffnete Verfahren über. Ansonsten wäre der Gläubiger quasi an einer Vollstreckung gehindert (BGHZ 142, 208). § 89 Abs. 1 InsO betont, dass die Rückschlagsperre nicht nur zeitlich (solange), sondern auch gegenständlich (insofern) nicht weiter reichen darf, als dies im Interesse der Gesamtvollstreckungsgläubiger erforderlich ist.

     

    Folge: Dem Schuldner gegenüber gilt der Gläubiger noch als Zwangshypothekar, der durch § 89 Abs. 1 InsO an einer Fortsetzung der Vollstreckung aus der Hypothek gemäß § 867 Abs. 3 ZPO nicht gehindert werden kann. Daher wird die Zwangshypothek des Gläubigers bereits im Augenblick der Freigabe des belasteten Grundstücks aus der Masse wieder wirksam. Hieran ändert auch das Vollstreckungsverbot nach § 89 Abs. 1 InsO nichts. Das Grundbuch ist daher im Hinblick auf die eingetragene Zwangshypothek des Gläubigers richtig.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 82 | ID 42617847