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  • · Fachbeitrag · Einkommenspfändung

    Berücksichtigung privater Krankenversicherungsbeiträge

    Der gemäß § 850e Nr. 1 S. 2 Buchst. b) ZPO zu berücksichtigende Betrag für die Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung ist nach der Einführung des sog. Basistarifs in der privaten Krankenversicherung auf den Höchstbeitragssatz der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung begrenzt. Die Berücksichtigung höherer als dieser Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge würde den Rahmen des Üblichen im Sinne von § 850e Nr. 1 S. 2 Buchst. b) ZPO übersteigen (LG Stuttgart 10.5.12, 19 T 353/11).

    Sachverhalt/Entscheidungsgründe

    Gläubigerin G. betreibt die Zwangsvollstreckung wegen einer Hauptforderung von 60.000 EUR gegen Schuldner S. Die G. beantragte beim AG den Erlass eines PfüB hinsichtlich bestehender und künftiger Renten- und Versorgungsleistungen der Drittschuldnerin D. wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit. Das AG bestimmte gemäß § 850c Abs. 4 ZPO, dass die Ehefrau E. des S. bei der Berechnung des unpfändbaren Teils seines Einkommens als Unterhaltsberechtigte unberücksichtigt zu lassen ist, da sie über eigenes Einkommen verfügt. Der S. bezieht von D. monatliche Renteneinkünfte von 1.973,72 EUR. Er ist Mitglied einer privaten Kranken- und Pflegepflichtversicherung und wendet hierfür monatlich 741,37 EUR auf. Hieraus folgt ein pfändbares monatliches Einkommen von 140,78 EUR. Die G. beantragte die Feststellung, dass der seitens D. zu berücksichtigende Betrag für die Beiträge des S. zur Kranken- und Pflegeversicherung auf den gesetzlichen Beitragssatz - zurzeit 16,85 Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (3.825 EUR monatlich) - begrenzt wird. Das Vollstreckungsgericht hat den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen legte G. sofortige Beschwerde ein, der das LG stattgab.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung führt vorliegend zu einem monatlich pfändbaren Mehrbetrag von 49 EUR. Gemäß § 850e Nr. 1 S. 1 ZPO sind bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens neben den nach § 850a ZPO der Pfändung entzogenen Bezügen Beträge, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des jeweiligen Schuldners abzuführen sind, nicht mitzurechnen. Hierunter fallen Beiträge zur gesetzlichen Krankenpflichtversicherung im Sinne von § 5 SGB V. Für den Fall der Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 6 SGB V - Gleiches gilt jeweils für die gesetzliche Pflegeversicherung - stellt § 850e Nr. 1 S. 2 Buchst. b) ZPO die an eine Ersatzkasse oder an ein Unternehmen der privaten Krankenversicherung geleisteten Beträge den in § 850e Nr. 1 S. 1 ZPO aufgeführten, vorstehend genannten Beträgen insoweit gleich, als sie den „Rahmen des Üblichen“ nicht übersteigen.

     

    Den Begriff des „Rahmens des Üblichen“ hat die Rechtsprechung - unterschiedlich - konkretisiert (LG Hannover 25.04.83, 11 T 76/83; KG 21.12.84, 1 W 5496/83; LG Hannover 7.10.86, 11 T 168/86; LG Berlin 30.3.94, 81 T 483/93). Einigkeit besteht jedoch darüber, dass die unter gleichen Verhältnissen erwachsenden Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anhalt dafür bieten, wann Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung - bzw. der jeweilige individuelle Tarif - den „Rahmen des Üblichen“ übersteigen. Mit der Einführung des branchenweit einheitlichen Basistarifs für die private Krankenversicherung durch § 12 Abs. 1a und 1b VAG zum 1.1.09 steht allen Krankenversicherten, die nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 5 SGB V unterfallen, ein Tarif zur Verfügung, dessen Leistungsumfang aufgrund gesetzlicher Vorgabe (§ 12 Abs. 1a S. 1 VAG) dem Schutzniveau der gesetzlichen Krankenversicherung nicht nachsteht. Insofern entspricht der Leistungsumfang dieses Tarifs dem aller gesetzlich Versicherter - ca. 85 Prozent der deutschen Bevölkerung (Zahlenquelle: Bundesministerium für Gesundheit) - und mithin genau dem Kranken- und Pflegeversicherungsschutz, den der Sozialgesetzgeber als notwendig und angemessen erachtet. Jeder bei einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung im Sinne von § 850e Nr. 1 S. 2 Buchst. b) ZPO Versicherte besitzt die Möglichkeit, den versicherungsseitig seit dem 1.1.09 von Gesetzes wegen anzubietenden Basistarif in Anspruch zu nehmen und seinen Krankenversicherungsschutz hierdurch dem aller gesetzlich Versicherten gleichzustellen.

     

    Wenn demnach jeder privat Krankenversicherte die Dispositionsfreiheit über einen Wechsel in den Basistarif besitzt und hiermit kein sozial inadäquater Leistungsverlust verbunden sein kann, ist nicht zu erkennen, weshalb Versicherungsbeiträge oberhalb der für den vorstehend erläuterten Tarif anfallenden - der Beitragssatz des Basistarifs ist gemäß § 12 Abs. 1c VAG auf den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt - „üblich“ und im Rahmen der Zwangsvollstreckung - zum Nachteil der Gläubiger - zu berücksichtigen sein sollten. Folge: Dem Schuldner ist die Nichtberücksichtigung von Versicherungsbeiträgen oberhalb der gesetzlichen Beitragsbemessungsgrenze im Sinne von § 850e Nr. 1 S. 2 Buchst. b) ZPO und gegebenenfalls auch - mittelbar - ein Tarifwechsel zuzumuten.Will ein Schuldner aber in seinem bisherigen Versicherungstarif verbleiben, ist es ihm freigestellt, den damit verbundenen finanziellen Mehraufwand selbst zu erbringen, ohne dass dies für einen Gläubiger im Rahmen der Zwangsvollstreckung nachteilig sein darf.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2012 | Seite 130 | ID 34216330