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  • · Fachbeitrag · Drittauskünfte

    BGH regelt die Darlegungspflicht des Gläubigers zu den Voraussetzungen des § 802l ZPO

    | Regelmäßig beantragen sog. Folgegläubiger, Drittauskünfte über den Schuldner nach § 802l ZPO einzuholen. Sie berufen sich dabei oft auf bereits im Schuldnerverzeichnis vorhandene Eintragungen von anderen Gläubigern, die dem Schuldner die Vermögensauskunft schon haben abnehmen lassen. Zu Unrecht, meint der BGH. Er entschied: Gläubiger, die im Zwangsvollstreckungsverfahren isoliert beantragen, Drittauskünfte einzuholen, müssen vortragen, nach welcher der Alternativen des § 802l Abs. 1 S. 1 ZPO hierzu eine Berechtigung besteht. Der allgemeine Vortrag, dass Eintragungen im Schuldnerverzeichnis vorhanden seien, genügt nicht. |

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung des BGH ist richtig (16.5.19, I ZB 79/18, Abruf-Nr. 210266). Sie führt zu folgenden Überlegungen:

     

    Grundsatz

    Gemäß § 802l Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher,

    • wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt oder
    • bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist,

     

    bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung den Namen, die Vornamen oder die Firma sowie die Anschriften der derzeitigen Arbeitgeber eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Schuldners erheben. Außerdem darf der Gerichtsvollzieher gemäß § 802l Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO das Bundeszentralamt für Steuern ersuchen, gemäß § 93 Abs. 8 AO bei den Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1 AO bezeichneten Daten abzurufen. Die Erhebung und das Ersuchen sind nach § 802l Abs. 1 S. 2 ZPO nur zulässig, soweit dies zur Vollstreckung erforderlich ist.

     

    MERKE | Dieser Grundsatz gilt auch für Folgegläubiger. Dies bedeutet: Der Gläubiger, der nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO isoliert den Vollstreckungsauftrag erteilt, gemäß § 802l ZPO Auskünfte Dritter über das Vermögen des Schuldners einzuholen, muss nicht selbst gemäß § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO einen eigenen Antrag gestellt haben, eine Vermögensauskunft des Schuldners gemäß § 802c ZPO einzuholen (BGH VE 19, 26).

     

    Anspruchsbegründende Tatsachen sind zu beweisen

    Im Zwangsvollstreckungsverfahren ist der Tatsachenstoff nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast von den Parteien beizubringen und gegebenenfalls zu beweisen. Er ist nicht bloß glaubhaft zu machen. Folge: Der Gläubiger muss deshalb konkret vortragen, nach welcher der Alternativen des § 802l Abs. 1 S. 1 ZPO die Berechtigung besteht, Drittauskünfte einzuholen.

     

    MERKE | Der Gläubiger muss allerdings keine Anhaltspunkte dafür vortragen, dass die Vermögensauskunft lückenhafte oder falsche Angaben enthält und durch die Drittauskünfte neue verwertbare Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten sind. Zweck des § 802l ZPO ist es vielmehr, die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung für den Gläubiger durch die ergänzende Einholung von Fremdauskünften wirkungsvoll zu stärken. Dadurch kann er nämlich Fehler der vom Schuldner in der Vermögensauskunft abgegebenen Selbstauskunft aufdecken. Dabei sollen die Belange des Schuldners, vor allem sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und die Notwendigkeit, dem Gläubiger eine effektive Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen, zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Dieser Zweck könnte nicht erreicht werden, wenn Drittauskünfte nach einer für die Vollstreckung unergiebigen Vermögensauskunft nur beim Vorliegen von Anhaltspunkten für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Vermögensauskunft eingeholt werden könnten (BGH VE 15, 151).

     

    Keine Ermittlungspflicht des Gerichtsvollziehers

    Der BGH betont: Nach § 802l Abs. 4 S. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher die gemäß § 802l Abs. 1 S. 1 ZPO erhobenen Daten, die innerhalb der letzten drei Monate bei ihm eingegangen sind, auch einem weiteren Gläubiger übermitteln. Allerdings müssen die Voraussetzungen für die Datenerhebung auch bei diesem Gläubiger vorliegen. Folge: Ein Gläubiger, der nicht selbst durch seinen Antrag veranlasst hat, die Vermögensauskunft einzuholen, nach deren Inhalt er keine vollständige Befriedigung erlangen kann, muss nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln die Voraussetzungen für das Einholen von Drittauskünften in seiner Person darlegen, also in seinem konkreten Vollstreckungsfall.

     

    Auch wenn der Gerichtsvollzieher nach § 141 Abs. 1 S. 5 GVGA das beim zentralen Vollstreckungsgericht hinterlegte Vermögensverzeichnis einsieht, um zu prüfen, ob es zulässig ist, die Drittauskunft einzuholen, ist es nicht seine Aufgabe, die für die Zulässigkeit des Antrags erforderlichen Angaben des Gläubigers selbst zu ermitteln.

     

    Kein Gläubigerantrag „ins Blaue“ hinein

    Hat der Schuldner die Vermögensauskunft erteilt, ist es einem Drittgläubiger zuzumuten, den Inhalt dieses Vermögensverzeichnisses zur Kenntnis zu nehmen und zu ermitteln, ob er durch eine Zwangsvollstreckung in die dort angegebenen Vermögensgegenstände befriedigt werden kann. Er soll daher nicht „ins Blaue“ beantragen, eine Drittauskunft einzuholen.

     

    MERKE | Der oft vorgebrachte Einwand, die hierfür aufzuwendenden Kosten von 33 EUR nach Nr. 261 KV GVKostG seien unnötig, lässt der BGH nicht gelten. Denn sollte sich aus dem Vermögensverzeichnis verwertbares Vermögen des Schuldners ergeben, das den Folgegläubiger befriedigen kann, wird sein Antrag auf Drittauskunft entbehrlich, der seinerseits Kosten von 13 EUR für jede Drittauskunft nach Nr. 440 KV GvKostG verursacht, und den Gerichtsvollzieher berechtigt, dem Gläubiger Auslagen in Form der von den auskunftspflichtigen Stellen erhobenen Gebühren gemäß Nr. 708 Kostenverzeichnis zum GvKostG in Rechnung zu stellen.

     

    Praktische Vorgehensweise

    Hier sind die folgenden zwei Fälle zu unterscheiden:

     

    • Fall 1: Gläubiger beauftragt Gerichtsvollzieher, Vermögensauskunft und gleichzeitig Drittauskünfte einzuholen

    In einem solchen Fall muss der Gläubiger nichts Besonderes zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 802l Abs. 1 ZPO vortragen, wenn der Schuldner aufgrund seines Antrags die Vermögensauskunft abgibt und eine Vollstreckung nach dessen Inhalt offensichtlich nicht geeignet ist, diesen Gläubiger vollständig zu befriedigen. In diesem Fall zeigt nämlich der Gang des vom selben Gläubiger eingeleiteten mehrstufigen Zwangsvollstreckungsverfahrens, dass die Voraussetzungen des § 802l Abs. 1 ZPO vorliegen.

     

    Beachten Sie | Der Folgegläubiger muss darlegen, dass der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen ist. Diese Darlegungslast wird dadurch erfüllt, dass im Schuldnerverzeichnis eine Eintragung nach § 882c Abs. 1 S.1 Nr. 1 ZPO unter Angabe dieses Grundes vorhanden ist (§ 882b Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Dies kann der Folgegläubiger durch einen Auszug aus dem Schuldnerverzeichnis belegen. Ein entsprechender Nachweis ist ihm ohne Weiteres möglich, auch wenn er nicht selbst die Abnahme der Vermögensauskunft beantragt hat, weil er nach § 882f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO in das Schuldnerverzeichnis Einsicht nehmen kann. Weiterer Vortrag ist somit nicht erforderlich.

     

    • Fall 2: Im Laufe der Vollstreckung zeigt sich, dass Schuldner auf Veranlassung eines anderen Gläubigers schon Vermögensauskunft abgegeben hat

    In diesem Fall ist die Situation mit derjenigen vergleichbar, in der der Gläubiger isoliert die Drittauskunft beantragt. Dann muss der Gläubiger, der von dem Vorhandensein einer Vermögensauskunft erfährt, ebenfalls vortragen, warum er ausweislich der vom Schuldner eingeholten Vermögensauskunft nicht mit einer Befriedigung rechnen kann und daher begehrt, Drittauskünfte einzuholen.

     

    Der das isolierte Einholen von Auskünften Dritter beantragende Folgegläubiger muss jetzt darlegen, dass bei einer Vollstreckung in die in einem Vermögensverzeichnis aufgeführten Vermögensgegenstände seine vollständige Befriedigung voraussichtlich nicht zu erwarten ist. Hierzu muss er ein vorhandenes Vermögensverzeichnis vorlegen. Hierfür kann er nach § 802d Abs. 1 ZPO einen Ausdruck der auf den Antrag eines Drittgläubigers erstellten Vermögensauskunft beantragen.

     

    MERKE | Es reicht nicht aus, wenn der Gläubiger einen Ausdruck eines Suchergebnisses aus dem Vollstreckungsportal vorlegt, der nur den Namen, den Vornamen, das Geburtsdatum und die Anschrift des Schuldners sowie den Umstand erkennen lässt, dass angeordnet worden ist, ihn in das Schuldnerverzeichnis einzutragen. Ein solcher Ausdruck lässt nämlich nicht erkennen, welcher der Anordnungsgründe des § 882c Abs. 1 S. 1 ZPO jeweils vorgelegen hat.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2019 | Seite 168 | ID 46099484