Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 14.04.2022 · IWW-Abrufnummer 228689

    Landesarbeitsgericht Thüringen: Urteil vom 22.03.2022 – 1 Sa 241/20


    Tenor:
    1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 28.05.2020 - 5 Ca 171/17 - dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.000 € brutto seit dem 01.01.2017 zu zahlen.


    2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.


    3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.


    4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch um weitere Zinsansprüche des Klägers bezogen auf eine Abfindungszahlung für den Zeitraum ab 01.12.2016.



    Der Kläger war vom 24.10.2002 bis 30.11.2016 aufgrund Arbeitsvertrages vom 22.10.2002 (Bl. 5 - 6 d. A.) als Lagerarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Nach Ziffer 9 des Arbeitsvertrags gelten "im übrigen [...] die Bestimmungen des jeweils für das Unternehmen gültigen Tarifvertrages".



    § 15 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrags für die thüringischen Betriebe des Groß- und Außenhandels vom 23.06.1997 (Bl. 74 ff d. A.) lautet auszugsweise:



    § 15



    Fälligkeit und Erlöschen von Ansprüchen



    1. ...



    2. Der Anspruch nach Ziff. 1 sowie alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag sind binnen 3 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. ... Weitere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind spätestens 3 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich anzuzeigen.



    3. Die Ansprüche nach Ziff. 1 und 2 erlöschen, wenn sie nicht innerhalb der darin festgesetzten Fristen schriftlich dem anderen Vertragspartner gegenüber erhoben wurden. ...



    Am 27.10.2016 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag (Bl. 3 - 4), der auszugsweise folgendes bestimmt:



    1. Beendigung des Arbeitsverhältnisses



    Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endet einvernehmlich zum 30.11.2016.



    2. ...



    3. Abfindung



    Der Arbeitnehmer erhält für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 18.000 EUR brutto. Diese wird zum Ende des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt. Nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes anfallende Steuern trägt der Arbeitnehmer.



    Die Abfindungszahlung ist zum Beendigungszeitpunkt fällig. ...



    Mit Pfändungsbeschluss vom 10.11.2016 (Bl. 28 - 29 d. A.) pfändete die Staatsanwaltschaft Gera gegenüber der Beklagten sämtliche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines Abfindungsanspruchs bis zur Höhe von 78.000,00 €. Der Beklagten wurde verboten, an den Kläger zu leisten. Mit Beschluss vom 12.05.2020 (Bl. 97 d. A.) wurde dieser Pfändungsbeschluss wieder aufgehoben.



    Mit seiner am 30.06.2017 beim Arbeitsgericht Gera eingegangenen und der Beklagten am 21.07.2017 zugestellten Klage hat der Kläger unter anderem Zahlung der vereinbarten Abfindung in Höhe von 18.000,00 € verlangt. Erstmalig mit Schriftsatz vom 11.05.2020 (Bl. 106 d. A.), der Beklagten am 28.05.2020 zugestellt, hat der Kläger diesen Antrag um ein Zinsbegehren in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 ergänzt und in der erstinstanzlichen Kammerverhandlung am 28.05.2020 klargestellt, dass sich sein Zinsbegehren auf den Nettobetrag bezieht.



    Der Kläger hat - soweit für die Berufung von Interesse - erstinstanzlich zuletzt beantragt,



    die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Abfindung in Höhe von 18.000,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.12.2016 zu zahlen.



    Die Beklagte hat beantragt,



    die Klage abzuweisen.



    Die Beklagte hat erstinstanzlich gegen den Abfindungsanspruch im Wesentlichen das Eingreifen der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussfristen angeführt.



    Mit Urteil vom 28.05.2020 (Bl. 160 ff. d. A.) hat das Arbeitsgericht Gera die Beklagte unter anderem zur Zahlung der Abfindung in Höhe von 18.000,- € brutto verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, arbeitsvertraglich in Bezug genommene tarifliche Ausschlussfristen stünden dem Anspruch auf die im Aufhebungsvertrag zugesagte Abfindungszahlung nicht entgegen. Eine Geltendmachung sei entbehrlich gewesen. Den Zinsausspruch hat das Arbeitsgericht auf den Zeitraum ab 13.05.2020 beschränkt und die Klage mit Blick auf weitergehende Zinsansprüche abgewiesen. Da die Beklagte aufgrund des Pfändungsbeschlusses vom 10.11.2016 die Abfindung zunächst nicht an den Kläger habe zahlen dürfen, sei die Leistung infolge eines nicht von der Beklagten zu vertretenen Umstands unterblieben. Die Beklagte habe daher nach § 286 Abs. 4 BGB bis zur Aufhebung des Pfändungsbeschlusses nicht in Verzug geraten können. Auf den weiteren Inhalt des Urteils wird Bezug genommen.



    Gegen das ihm am 17.06.2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit beim Landesarbeitsgericht am 17.07.2020 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 28.09.2020 mit am 11.09.2020 eingegangenem Schriftsatz begründet.



    Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger ausschließlich einen Zinsanspruch bereits ab 01.12.2016 weiter und bezieht diesen nunmehr auf den Bruttobetrag der Abfindung.



    Der Kläger führt an, dass die Pfändung einer Geldforderung gemäß § 829 ZPO dem Drittschuldner zwar eine Zahlung an den Schuldner verbiete. Das Arbeitsgericht habe jedoch verkannt, dass dies nicht zu einem unvertretbaren Leistungshindernis im Sinne des § 286 Abs. 4 BGB führe. Da der Drittschuldner berechtigt sei, mit befreiender Wirkung verzugsbeendigend zu hinterlegen, hindere die Pfändung einer Forderung den Verzug des Drittschuldners nicht.



    Zinsen seien aus dem Bruttobetrag der Abfindung geschuldet. Die diesbezügliche Umstellung des Klageantrags im Berufungsrechtszug stelle wegen § 264 Ziffer 2 ZPO keine Klageänderung dar.



    Der Kläger beantragt sinngemäß,



    in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Gera vom 28.05.2020, Az. 5 Ca 171/17, die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.000 € brutto seit dem 01.12.2016 zu zahlen.



    Die Beklagte beantragt,



    die Berufung zurückzuweisen.



    Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil zum späteren Zinsbeginn jedenfalls im Ergebnis.



    Zwar sei es zutreffend, dass die Beklagte zu einer verzugsbeendenden Hinterlegung gemäß §§ 372 ff. BGB berechtigt gewesen sei. Da jedoch auch die Staatskasse im Falle einer Hinterlegung keine Verzinsung vorgenommen hätte, könne der Kläger im Rahmen seiner Schadensersatzforderung unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens von der Beklagten keine Zinszahlungen für die Zeit vor Aufhebung des Pfändungsbeschlusses verlangen.



    Vorsorglich erhebt sie gegenüber einem Zinszahlungsanspruch für Dezember 2016 die Einrede der Verjährung. Ebenso vorsorglich beruft sie sich auf die Ausschlussfrist in § 15 MTV. Anders als die Abfindungszahlung, für die das Arbeitsgericht keine weitere Geltendmachung im Sinne der Ausschlussfrist für erforderlich hielt, sei die Zahlung von Zinsen im Aufhebungsvertrag nicht vereinbart worden. Zinsen habe der Kläger - insoweit unbestritten - erst im Mai 2020 erstmalig geltend gemacht.



    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe



    I. Die Berufung des Klägers ist zulässig.



    1. Insbesondere ist sie nach § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft, da der Beschwerdegegenstand den Betrag von 600,00 € überschreitet. Wie der Kläger auf Seite 2 seiner Berufungsbegründung ausführt (Bl. 196 d. A.), beläuft sich die mit der Berufung begehrte weitere Zinsforderung für den Zeitraum vom 01.12.2016 bis 12.05.2020 auf über 2.000,00 €.



    2. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm § 520 Abs. 3 ZPO.



    II. Der Berufungsantrag war dahingehend auszulegen, dass er sich - wie in der Berufungsbegründung ausgeführt - ausschließlich auf ein weiteres Zinsbegehren des Klägers aus dem Bruttobetrag ab 01.12.2016 bezog. Zwar erweckt der Wortlaut des Berufungsantrags im Schriftsatz vom 11.09.2020 (Bl. 195 d. A.) den Eindruck, der Kläger begehre mit seiner Berufung auch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 18.000,- € brutto. Mit Blick darauf, dass die erste Instanz den Abfindungsanspruch bereits ausgeurteilt hatte, der Kläger in seiner Berufungsbegründung klargestellt hat, dass er sich ausschließlich gegen den beschränkten Zinsausspruch wendet, und ferner im Berufungsantrag das Abänderungsbegehren durch eine Unterstreichung verdeutlich wurde, war für die Kammer das vom Kläger Gemeinte unschwer zu erkennen. Der Antrag war daher entsprechend diesem Auslegungsergebnis anzupassen.



    III. Der Kläger konnte seinen Antrag noch im Berufungsrechtszug auf eine Zinsforderung bezogen auf den Bruttobetrag umstellen.



    Die Umstellung des Antrags von der erstinstanzlichen Zinsforderung aus dem Nettobetrag hin zu einer Zinsforderung bezogen auf den Bruttobetrag war nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 533 Nr. 1 ZPO auch im Berufungsrechtszug zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob wegen § 264 Nr. 2 ZPO bereits keine Klageänderung vorliegt oder ob es sich bei § 264 Nr. 2 ZPO um einen gesetzlich vertypten Fall der sachdienlichen Klageänderung handelt (vgl. dazu Rimmelspacher in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 533 Rn. 8, 13).



    IV. Die Berufung des Klägers ist auch weit überwiegend begründet. Der Kläger kann Zinsen aus dem Bruttobetrag jedenfalls seit dem 01.01.2017 verlangen.



    1. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht Zinsansprüche des Klägers für den Zeitraum vor dem 13.05.2020 wegen § 286 Abs. 4 BGB verneint.



    a) Zu Recht verweist der Kläger mit seiner Berufung darauf, dass der Pfändungsbeschluss der Staatsanwaltschaft vom 10.11.2016 kein Leistungshindernis für die Beklagte darstellte. Hierzu ist anerkannt, dass die Pfändung auf einen Verzug des Drittschuldners keine Auswirkung hat (Smid in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 829 ZPO Rn. 65; Zöller-Herget, ZPO, 34. Auflage 2022, § 829 Rn. 19). Wegen der Möglichkeit der Hinterlegung nach § 372 BGB hatte die Beklagte als Drittschuldnerin stets die Möglichkeit, nach Fälligkeit den Zahlungsanspruch mit verzugsbeendigender Wirkung zu erfüllen. Die Leistung unterblieb daher nicht infolge eines Umstands, den die Beklagte nicht zu vertreten hatte. Der Ausnahmefall des § 286 Abs. 4 BGB lag nicht vor. Dies stellt auch die Beklagte nicht in Abrede.



    b) Mit ihrem Einwand, der Kläger könne wegen des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens eine Zinszahlung für den fraglichen Zeitraum vor Aufhebung des Pfändungsbeschlusses nicht verlangen, dringt die Beklagte nicht durch.



    Sie führt an, der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens sei ein anerkanntes, die Schadensersatzpflicht begrenzendes Rechtsinstitut. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger auch bei einer rechtzeitigen Hinterlegung der geschuldeten Abfindung keine Zinsen erhalten hätte. Die Beklagte wäre bei einer Hinterlegung gemäß § 378 BGB von ihrer Zahlungspflicht und gemäß § 379 Abs. 2 BGB von etwaigen Zinspflichten befreit gewesen. Die Hinterlegungsstelle hätte jedoch keine Verzinsung vorgenommen, so dass der Kläger bei einer Hinterlegung keine Zinsen hätte beanspruchen können.



    Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Berufung des Schädigers auf rechtmäßiges Alternativverhalten für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein kann. Rechtmäßiges Alternativverhalten setzt voraus, dass der Schaden auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden wäre. Die Erheblichkeit des Einwandes richtet sich dabei nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm oder Vertragspflicht (vgl. BAG 26.07.2016 - 1 AZR 160/14, Rn. 68; BGH 14.07.2016 - III ZR 446/15, Rn. 29; BGH 25.11.1992 - VIII ZR 170/01, zu II 1 c aa der Gründe).



    Die Beklagte übersieht jedoch, dass der Einwand gegen einen Zinsanspruch aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht angeführt werden kann. Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens kann nur dort erfolgreich eingewandt werden, wo es auf die Entstehung eines Schadens und auf die Zurechenbarkeit dieses Schadens ankommt. Der Verzugszins des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB ist zwar als Mindestschaden Teil des zu ersetzenden Verzögerungsschadens. Der Verzugszins steht dem Gläubiger jedoch als objektiver Mindestschaden zu. Ob dem Gläubiger tatsächlich ein Schaden entstanden ist oder nicht, ist gleichgültig (BAG Großer Senat 07.03.2001 - GS 1/00, Rn. 30, 31; Palandt-Grüneberg, 78. Auflage 2019, § 288 BGB Rn. 4). Bei der Zinsverpflichtung aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB geht es um den Ersatz des auf Seiten des Gläubigers typischerweise entstehenden Schadens und um das Abschöpfen der auf Seiten des Schuldners typischerweise entstehenden Vorteile. § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB enthält eine gesetzliche Schadensfiktion. Dem Schuldner wird es daher nicht ermöglicht, den Nachweis zu führen, dass dem Gläubiger nur ein geringerer Schaden entstanden sei (BAG Großer Senat 07.03.2001 - GS 1/00, Rn. 31). Wegen dieser bloßen Fiktion eines Schadens kann der Schuldner daher im Zusammenhang mit Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB auch nicht mit dem Argument gehört werden, ein entsprechender (Zins)Schaden sei bei rechtmäßigem Verhalten ebenso entstanden.



    2. Den Zinsansprüchen des Klägers ab 01.12.2016 steht nicht die Ausschlussfrist des kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren § 15 MTV entgegen.



    Entgegen der Auffassung der Beklagten war es nicht erforderlich, dass der Kläger die Zahlung von Zinsen ab 01.12.2016 fristgerecht geltend macht. Die zutreffende Argumentation des Erstgerichts zur Entbehrlichkeit der Geltendmachung der im Aufhebungsvertrag zugesagten Abfindung greift nach Auffassung der Kammer auch bei der von dieser Hauptforderung abhängigen Zinsforderung.



    Das Arbeitsgericht hat unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung zutreffend ausgeführt, dass es dem Zweck der tariflichen Ausschlussfristen, schnell Klarheit über Bestand und Umfang von Ansprüchen zu schaffen, widerspräche, eine Geltendmachung auch in solchen Fällen zu verlangen, in denen der Anspruch von der Gegenseite bereits "anerkannt" wurde. Mit Blick auf die Vereinbarung der Parteien im Aufhebungsvertrag, wonach sich die Beklagte zur Zahlung von 18.000,- € verpflichtet hatte, sei in diesem Sinne eine weitere Geltendmachung der Abfindung nach Sinn und Zweck der Ausschlussfristen entbehrlich.



    Das Bundesarbeitsgericht hat in 2021 zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen durch die Erhebung einer Bestandsschutzklage ausgeführt, dass die Ausschlussfristen durch die Erhebung einer solchen Klage nicht nur in Hinblick auf die Annahmeverzugsansprüche selbst, sondern auch in Hinblick auf die Zinsansprüche nach §§ 288 Abs.1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB gewahrt werden (BAG 24.06.2021 - 5 AZR 385/20, Rn. 33). Das Bundesarbeitsgericht weist in dieser Entscheidung darauf hin, dass die Zinsforderung von der Hauptforderung auf Annahmeverzug abhängig ist. Ebenso wie es im Verjährungsrecht nicht nachvollziehbar wäre, sich gegen eine Nebenforderung wehren zu müssen, wenn bereits die Hauptforderung verjährt ist, wäre es - so das BAG - in Bezug auf die Ausschlussfristen nicht deren Zweck entsprechend, wenn der Gläubiger durch eine Bestandsschutzklage die Hauptforderung, nicht aber davon abhängige Nebenforderungen geltend machen kann und letztere gesondert verlangen müsste (BAG 24.06.2021 - 5 AZR 385/20, Rn. 33).



    Diese überzeugende Argumentation lässt sich nach Auffassung der Kammer auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen. Auch vorliegend wäre es nicht dem Zweck der Ausschlussfristen entsprechend, wenn - wie oben ausgeführt - mit Blick auf die "Anerkennung" des Abfindungsanspruchs im vereinbarten Aufhebungsvertrag die Geltendmachung des Hauptanspruchs für entbehrlich gehalten wird, die rechtzeitige Geltendmachung der von der Hauptforderung abhängigen Verzugszinsen aber gesondert verlangt würde. Der Arbeitgeber, der sich zu einem bestimmten Fälligkeitstermin zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet, weiß schließlich zugleich, dass er nach Verstreichenlassen des Termins in aller Regel nach §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB Verzugszinsen schuldet.



    3. Zu Recht begehrt der Kläger Zinsen aus dem Bruttobetrag der Abfindung.



    Hierzu ist anerkannt, dass der Arbeitnehmer Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB aus dem geschuldeten Bruttobetrag verlangen kann (BAG Großer Senat 07.03.2001 - GS 1/00; ErfK-Preis, 22. Auflage 2022, § 611a BGB Rn. 477).



    4. Allerdings kann der Kläger nicht bereits ab 01.12.2016, sondern erst am 01.01.2017 die begehrten Zinsen verlangen. In Bezug auf die Zinsforderung für Dezember 2016 beruft sich die Beklagte zu Recht auf die Einrede der Verjährung.



    Die Abfindung war laut Aufhebungsvertrag am 30.11.2016 zur Zahlung fällig. Der Zinszahlungsanspruch nach § 288 Abs. 1 BGB für Dezember 2016 verjährte damit nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 31.12.2019. Zinsen hat der Kläger erst im Mai 2020 gerichtlich geltend gemacht.



    Mit seiner Klage auf Zahlung der Abfindung in 2017 hat der Kläger die Verjährung in Bezug auf die darauf bezogene Zinsforderung nicht gehemmt. Denn Ansprüche auf Verzugszinsen unterliegen ihrer eigenen Verjährung. Von der Hauptforderung abhängige Nebenleistungen sind selbstständig in Hinblick auf Beginn, Hemmung, Neubeginn und Vollendung der Verjährung (Palandt-Ellenberger, 78. Auflage 2019, § 217 BGB Rn. 1). Die Abhängigkeit des Nebenanspruchs vom Hauptanspruch wirkt sich nach § 217 BGB nur dahin aus, dass der Nebenanspruch nicht später verjähren kann als der Hauptanspruch. Ansonsten sind Haupt- und Nebenanspruch verjährungsrechtlich vollkommen selbständig zu behandeln (Grothe in MünchKomm zum BGB, 9. Auflage 2021, § 217 BGB Rn. 2).



    V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Dass der Zinsforderung des Klägers bezogen auf Dezember 2016 die Einrede der Verjährung entgegensteht, fiel nicht entscheidend ins Gewicht. Eine Beteiligung des Klägers an den Kosten unterblieb daher nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.



    VI. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der sich stellenden Rechtsfragen sah die Kammer Anlass für die Zulassung der Revision für die Beklagte, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

    Vorschriften