Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Räumungsvollstreckung

    Wer zahlt für aufbewahrungspflichtige Geschäftsunterlagen?

    | Führt der Gerichtsvollzieher (GV) in den Geschäftsräumen des Schuldners die Räumungsvollstreckung durch und lagern nach Ablauf der Abholungsfrist des § 885 Abs. 4 ZPO bei der Spedition noch Geschäftsunterlagen, die der Schuldner trotz Aufforderung nicht abgeholt hat, stellt sich für den GV oft die Frage: Unterliegen die Unterlagen der mehrjährigen Aufbewahrungspflicht nach § 257 HGB, § 147 AO oder dürfen sie vernichtet werden? Darf der GV in diesem Dilemma beantragen, dass das Vollstreckungsgericht darüber entscheidet, was mit den Unterlagen geschehen soll? |

     

    Antwort: Ja. Der BGH (VE 08, 157) hat nämlich entschieden: Es handelt sich bei den Kosten, die nach Ablauf der o. g. Aufbewahrungsfrist für die weitere Einlagerung der dem Vollstreckungsschuldner gehörenden Geschäftsunterlagen entstehen, nicht um notwendige Vollstreckungskosten, für die der Gläubiger nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GVKostG als Kostenschuldner einstehen muss.

     

    MERKE | Nach § 885 Abs. 4 S. 1 ZPO ist der Schuldner berechtigt, seine vom GV in Verwahrung gebrachten Sachen binnen zwei Monaten nach der Räumung gegen Zahlung der dafür entstandenen Kosten abzufordern. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist muss der GV die eingelagerten Sachen verkaufen oder vernichten. Eine Einlagerung ist daher nur für die Dauer der Abholungsfrist zuzüglich einer angemessenen Frist notwendig, die der GV gegebenenfalls benötigt, um nach Ablauf der zwei Monate den Verkauf oder die Vernichtung zu veranlassen.

     

    Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn es sich bei den eingelagerten Sachen um Geschäftsunterlagen handelt, für die der Schuldner aufbewahrungspflichtig ist. In diesem Fall scheidet eine Verwertung durch Veräußerung von vornherein aus. Und eine Vernichtung kommt nicht in Betracht, sofern dadurch einem gesetzlichen Verbot zuwidergehandelt würde. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Aufbewahrungspflicht nach § 257 HGB, § 147 AO nicht den Gläubiger, sondern nur den Schuldner trifft.

     

    Beachten Sie | Der Wortlaut des § 885 Abs. 4 S. 2 ZPO („sollen“) beruht nach der Gesetzesbegründung darauf, dass dem Gerichtsvollzieher ermöglicht werden soll, in Ausnahmefällen von einer Vernichtung abzusehen. Dabei hat der Gesetzgeber den Fall im Blick gehabt, dass zum Räumungsgut gehörende Geschäftsunterlagen für die Dauer einer gesetzlichen Aufbewahrungsfrist auf Kosten der Staatskasse aufbewahrt werden müssen, wenn der Schuldner sie nicht abfordert (vgl. BT-Drucksache 13/341, S. 40).

     

    FAZIT | Das Vollstreckungsgericht (Rechtspfleger, § 20 Abs. 1 Nr. 17 RpflegerG) muss also nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist auf Antrag des GV beschließen, dass aufbewahrungspflichtige Unterlagen auf Kosten der Staatskasse aufbewahrt bzw. eingelagert werden. Auf keinen Fall haftet daher der Gläubiger für diese Kosten. Geschäftsunterlagen sind u. a. für das Finanzamt aber längstens 10 Jahre aufzubewahren. Insofern muss sich das Vollstreckungsgericht bei seiner Entscheidung daran orientieren und die Aufbewahrung bis zum Ablauf der Zehn-Jahres-Frist anordnen. Ob allerdings alles aufbewahrungswürdig ist, was der GV vorgefunden hat, kann man nur erkennen, wenn das Gericht die Unterlagen selbst sichtet.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2019 | Seite 188 | ID 46145545