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  • · Fachbeitrag · Deliktsforderung

    So beantragen Sie rechtssicher die Pfändung in Arbeitseinkommen

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Seit Einführung des Formulars „Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses insbesondere wegen gewöhnlicher Geldforderungen“ zum 1.3.13 tun sich viele Gläubiger schwer, wegen Ansprüchen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung eine privilegierte Pfändung in Arbeitseinkommen des Schuldners zu beantragen. Der folgende Beitrag klärt über die richtige Vorgehensweise auf. |

    1. Ausdrücklich Privilegierung beantragen

    Das verbindliche Formular beinhaltet im grün umrandeten Feld auf Seite 1 oben die Möglichkeiten folgende Anträge zu stellen:

     

    • Zusammenrechnung mehrerer Arbeitseinkommen (§ 850e Nr. 2 ZPO),
    • Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen und Sozialleistungen (§ 850e Nr. 2a ZPO) und
    • Nichtberücksichtigung von Unterhaltsberechtigten (§ 850c Abs. 4 ZPO).

     

    Danach besteht die Möglichkeit ein zusätzliches Freifeld anzukreuzen. Hier muss der Gläubiger eintragen:

     

    • Antrag gemäß § 850f Abs. 2 ZPO wegen Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung

    2. „Sonstige Anordnungen“

    Auf Seite 8 des Formulars muss der Gläubiger dann nachweisen, dass die zugrunde liegende Forderung tatsächlich aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung resultiert.

     

    PRAXISHINWEIS | Um den Nachweis für die Vollstreckungsprivilegierung zu 
erbringen, muss der Gläubiger daher dem Vollstreckungsgericht einen Titel vorlegen, aus dem sich - gegebenenfalls im Wege der Auslegung - der deliktische Schuldgrund und der von § 850f Abs. 2 ZPO vorausgesetzte Grad des Verschuldens ergeben.

     

    Wenn der vorgelegte Titel im Tenor die Feststellung enthält (in der Regel ein Urteil), dass der Beklagte die Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung schuldet, bindet diese Feststellung das Vollstreckungsgericht (BGH 
VE 11, 101). Dies kann sich z.B. aber auch aus einer zur Insolvenztabelle angemeldeten und festgestellten Forderung ergeben (§ 178 Abs. 3 InsO; AG Rostock JurBüro 07, 666; LG Düsseldorf JurBüro 08, 661). Eine davon abweichende Beurteilung ist dem Vollstreckungsgericht versagt (BGH VE 05, 97).

     

    Durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheids kann der Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nicht geführt werden (BGH VE 05, 97), ebenso, wenn es sich um ein Anerkenntnis- Versäumnisurteil ohne Tatbestand und Gründe handelt (LG Frankenthal Rpfleger 06, 29; Musielak/Becker, ZPO, 10. Aufl., § 850f Rn. 10). Bei einem Versäumnisurteil hingegen ergibt sich aus dem Erkenntnisverfahren, das dem Urteil zugrunde liegt und dem vom Schuldner gemäß § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO als zugestanden geltenden Sachvortrag des Gläubigers, dass dem Titel ein Deliktsanspruch zugrunde liegt (OLG Sachsen-Anhalt Rpfleger 12, 37; offengelassen BGH VE 11, 101).

     

    Da das Versäumnisurteil regelmäßig weder einen Tatbestand noch Entscheidungsgründe enthält, ist hierbei neben der Urteilsformel ergänzend auf den Klageinhalt, also auf das Vorbringen des Klägers abzustellen (BGH NJW-RR 87, 831), weil dieses Vorbringen nach § 331 Abs. 1 ZPO als zugestanden gilt. Insofern kann im Rahmen von § 850f Abs. 2 ZPO auch der Rechtspfleger den Klagevortrag heranziehen, um die Frage zu beantworten, ob eine vorsätzliche unerlaubte (nicht fahrlässige) Handlung vorliegt.

     

    Da somit anders als im Mahnverfahren dem Erlass des Versäumnisurteils durchaus eine materiell-rechtliche Befassung des Prozessgerichts einschließlich Schlüssigkeitsprüfung des geltend gemachten Anspruchs 
zugrunde liegt, mit der Folge, dass bereits durch das Prozessgerichts eine Berechtigung zu einem weiteren Vollstreckungszugriff für das Vollstreckungsgericht bejaht wurde, ist eine bevorrechtigte Lohnpfändung zuzulassen (LG Itzehoe VE 09, 29; AG Bielefeld JurBüro 06, 329: aber nur, wenn dies ausdrücklich festgestellt wurde; eine Auslegung oder gar eigene Ermittlungen durch das Vollstreckungsgericht sind abzulehnen).

     

    Darüber hinaus sollte der Gläubiger Ausführungen dazu machen, wie viel dem Schuldner zu belassen ist, was er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten benötigt 
(§ 850f Abs. 2 HS 2 ZPO). Hierzu hat der BGH (VE 13, 95, in dieser Ausgabe) entschieden, dass dem Schuldner das belassen werden soll, das er zur 
Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums im Sinne des SGB XII benötigt. Insofern sind die dort für die Anrechnung von Einkommen und geldwerten Vorteilen maßgebenden Grundsätze auch bei der Ermittlung des ihm pfandfrei zu belassenden Betrages zu berücksichtigen.

     

    Das Vollstreckungsgericht muss prüfen, ob der notwendige Bedarf des Schuldners ganz oder teilweise durch weitere Einnahmen oder geldwerte Naturalleistungen tatsächlich gedeckt ist. Im Umfang der anderweitigen 
Deckung ist der Freibetrag, der dem Schuldner aus seinem gepfändeten 
Arbeitseinkommen zu belassen ist, herabzusetzen.

     

    Bei nicht getrennt lebenden Ehegatten muss das Vollstreckungsgericht ohne Rücksicht auf gesetzliche Unterhaltsansprüche wegen der aus § 19 Abs. 1, 
§ 27 Abs. 1, Abs. 2 SGB XII folgenden Wertentscheidung auch die Einkünfte des Ehegatten in die Prüfung der Bedarfsdeckung mit einbeziehen.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 103 | ID 39477160