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  • 04.06.2009 | Vollstreckungspraxis

    Gerichtsvollziehervollstreckung: Vollstreckungsfehler zielgerichtet vermeiden

    von Christian Noe, Rechtsanwaltsfachangestellter, Gelsenkirchen

    Über Fehler in der Zwangsvollstreckung haben wir in „Vollstreckung effektiv“ mehrfach berichtet (zuletzt: VE 09, 22). Der folgende Beitrag schließt hieran an und geht auf die Gerichtsvollziehervollstreckung ein.  

     

    Checkliste: Gerichtsvollziehervollstreckung - wiederkehrende Praxisfehler

    Forderungsaufstellung/Antragstellung  

    Gerade bei älteren Titeln mit vielen Positionen schleichen sich Fehler schnell ein. Tipp: Lieber - sofern dies möglich ist - eine Teilforderung direkt von der Hauptforderung vollstrecken, als ein ganzes Paket an Kostennachweisen beizufügen. Denn bei solch einer Teilforderung reicht in der Regel nur der Titel (Musielak/Lackmann, ZPO, 6. Aufl., § 753, Rn. 11).  

     

    RA-Gebühren bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung  

    Da sich das Verfahren beim Gerichtsvollzieher (GV) in der Regel in drei Phasen unterteilt (Pfändung, eidesstattliche Versicherung (e.V.), Verhaftung), entstehen zu unterschiedlichen Zeitpunkten Kosten. Gerne wird die Gebühr des Rechtsanwalts für die Abgabe der e.V. schon bei Antragstellung (im Pfändungsverfahren) in die Forderungsaufstellung mit aufgenommen.  

     

    Dies ist jedoch falsch. Denn die Gebühr entsteht erst, nachdem das Pfändungsverfahren durchgeführt wurde.  

     

    Diese e.V.-Antragsgebühr darf zwar im Zwangsvollstreckungs-Auftrag aufgeführt, nicht aber in die Forderungsaufstellung mit aufgenommen werden. Tipp: Vermerken Sie in der Forderungsaufstellung „e.V.-Gebühr evtl. nachbuchen“.  

     

    Erhöhungs„gebühr“ (Nr. 1008 RVG VV)  

    Die Erhöhung der Verfahrensgebühr (Nr. 3309 RVG VV) wird oft bei mehreren Gläubigern nicht berücksichtigt. Wegen des Antragsprinzips wird die Gebühr in der Regel dann auch nicht beigetrieben. Die Erhöhung beträgt pro weiteren Auftraggeber (Gläubiger) 0,3, maximal 2,0. Tipp: Wird gegen mehrere Schuldner vollstreckt, scheidet die Anwendbarkeit nach Nr. 1008 RVG VV aus. Es handelt sich vielmehr um besondere Angelegenheiten. Insofern entsteht pro weiteren Schuldner jeweils eine 0,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 RVG VV (BGH 10.8.06, I ZB 99/05, Abruf-Nr. 063050).  

     

    Inkassovollmacht  

    Legen Sie eine Inkassovollmacht im Original bei. Diese zu vergessen, bringt das ganze Verfahren ins Stocken, erfordert ein Nachreichen und lässt den Gläubiger länger auf sein Geld warten.  

     

    Antragsformulare  

    Verwenden Sie nach Möglichkeit kurze Antragsformulare. Viele GV schätzen durchaus noch die alten Ankreuzformulare, da hier alles auf einer DIN A4 Seite kompakt und übersichtlich zu überschauen ist. Ein zehnseitiger Vollstreckungsauftrag ist zumeist völlig überflüssig. Wenn es denn aber sein muss (meist bedingt durch Anwaltssoftware), sollte jedoch das Rubrum auf die erste Seite kommen, bzw. zumindest der Schuldnername mit Anschrift. Es ist für die Verteilerstelle beim AG lästiger Aufwand, zunächst zehn Seiten durchblättern zu müssen, damit der Auftrag dem zuständigen GV zugeordnet werden kann. Die Zuständigkeit richtet sich bekanntlich nach dem Schuldner bzw. Drittschuldner. Tipp: Sollten Sie ganz spezielle Anträge oder Hinweise haben (Pfändungswünsche, etc.), machen sie diese mittels Textmarker kenntlich. Ansonsten kann das untergehen. Beantragen Sie, falls gewünscht, immer auch eine Protokollabschrift. Dies muss (zumindest in Baden-Württemberg) seit Neuestem stets explizit beantragt werden.  

     

    Kostenvorschüsse/GV-Liquidationen  

    Schecks sind definitiv passé. Nutzen Sie vielmehr das Lastschriftverfahren. Jede GV-Software ist heutzutage in der Lage, das beleglose Lastschriftverfahren zu nutzen. Die Einzugshöhe lässt sich im Auftrag begrenzen (!), sodass keine riesigen Beträge abgebucht werden können (z.B. Schlosserkosten bei Wohnungsöffnung). Falls das Lastschriftverfahren nicht möglich ist, sorgen Sie bitte für einen zügigen Kostenausgleich. Eine Nachnahme wird nach der Kostenreform 2001 wohl kaum ein GV mehr an eine Anwaltskanzlei senden. Tipp: Bei Aufträgen, die hohe Kosten verursachen (z.B. Speditionskosten bei Zwangsräumungen), wird der GV Kostenvorschüsse anfordern. Diese sind zügig auszugleichen. Falls es länger dauern sollte (z.B. weil RS-Versicherung zahlt), einfach kurz telefonisch dem GV Bescheid geben, damit dieser im Bilde ist.  

     

    Besonderheit Zwangsräumung  

    „Verstecken“ Sie keinen Zwangsräumungsantrag in einem regulären ZV-Antragsformular (vor allem nicht in einem Kombiauftrag!). Das geht meistens nicht gut. Lieber einen selbstgeschriebenen kurzen Antrag auf Zwangsräumung verfassen. Problemlos ist auch ein Pfändungs- und Räumungsauftrag. Ein e.V.-Verfahren wird der GV in der Regel nicht mehr durchführen, da der Schuldner nach der Räumung ja weg ist. Eine Zustellung der Ladung zum e.V.-Termin ist dann schon gar nicht mehr möglich. Sofortabnahme der e.V. bei der Räumung ist daher auch unwahrscheinlich. Verlangen Sie lieber nach Möglichkeit die neue Adresse des Schuldners im Räumungsprotokoll! Das ist viel zielgerichteter, auch im Hinblick auf künftige Vollstreckungsaktivitäten für die Mandantschaft.  

     

    Kontaktieren Sie den GV  

    Viele GV sind „Freunde“ des kleinen Dienstwegs. Ein Telefonat ist bei kleinen Angelegenheiten oft effektiver als Schriftverkehr (z.B. bei vergessenen Titeln o.Ä.). Die meisten GV kann man daher anrufen, um nach dem Sachstand zu fragen. Wenn Sie Standard-Sachstandsanfragen versenden, erhalten Sie häufig ein ebenso wenig aussagekräftiges Standard-Antwortschreiben. Das mag vielleicht gut sein, um einen ungeduldigen Mandanten zunächst zu beruhigen. Wenn Sie aber tatsächlich möglichst schnell den konkreten Sachstand wissen wollen, rufen Sie in der Sprechstunde an (wenn möglich nicht direkt zu Beginn dieser, denn da rufen bekanntlich alle an ...).  

     

    Rechnen Sie pro Auftrag ca. vier Wochen, also z.B. bei reinem Pfändungsauftrag vier Wochen Bearbeitungszeit, bei einem Pfändungs- und e.V.-Antrag (Kombiauftrag) mindestens acht Wochen, bei Pfändungs-, e.V.- und Verhaftungsaufträgen also ca. zwölf Wochen. Regionale Unterschiede mag es hier durchaus geben, was die Bearbeitungszeit angeht, aber die zunehmende Überschuldung vieler Haushalte ist bekannt und damit steigt auch die Gläubigerzahl.  

     

    Gerichtsvollzieherverteilerstelle wählen  

    Sehr eilige Anträge (e.V., etc.) und Schriftstücke sollten Sie stets über die Verteilerstelle beim AG per Post versenden. Auch wenn Sie glauben den zuständigen GV zu kennen, schicken Sie eilige Sachen immer über das Gericht und nicht direkt an den GV. Ggf. ist nämlich der zuständige GV im Urlaub und die e.V. liegt drei Wochen im Briefkasten und bleibt unbearbeitet! Bei Versand über das AG läuft in solchen Fällen direkt die Bearbeitung durch die Vertretung.  

     

    Falsche Rubren  

    Bei alten Titeln, bei denen sich der Gläubigername geändert hat, werden oft falsche Rubren übernommen. Sollte sich der Gläubiger- oder Schuldnername geändert haben, sollten Sie stets entsprechende Nachweise beifügen (z.B. HR-Auszug bei Namensänderung). Sollte eine Rechtsnachfolge erfolgt sein, ist ggf. eine gesonderte Rechtsnachfolgeklausel nötig (§§ 727 ff. ZPO). Achtung: Die Rechtsnachfolgeklausel muss dem Schuldner zugestellt werden (§ 750 Abs. 2 ZPO). Die Klausel nebst ihrer Zustellungsurkunde ist künftigen Zwangsvollstreckungsaufträgen beizufügen.  

     

    Titel, Anlagen, Registerauskünfte - Wann Originale und Kopien?  

    Zu denken ist stets an eine Originalvollmacht (vor allem, wenn der Gläubigervertreter den Titel nicht selbst erwirkt hat). Lassen Sie sich bei „Großkunden“ als Mandanten notfalls mehrere Exemplare unterzeichnen und fügen Sie dann immer bei jedem Vollstreckungsauftrag ein Exemplar bei (das ist bei großen Inkassobüros Standard).  

     

    E.V.-Aufträge sollten stets doppelt mitgeschickt werden! Falls es zum e.V.-Verfahren kommt, wird dem Schuldner ein Doppel zusammen mit der Ladung zugestellt. Wenn nicht genügend Abschriften vorhanden sind, wird mancher GV gegen Kostenersatz eine Kopie fertigen (0,50 EUR/kopierte Seite).  

     

    Generelle Fehler von Vollstreckungssachbearbeitern  

    Bei selbstständigen Unternehmern ist, um die e.V.-Voraussetzungen zu schaffen, eine versuchte Pfändung im Geschäftslokal und unter der Privatanschrift nötig. Wenn also schon bekannt ist, dass der Schuldner selbstständig ist, unter der Geschäftsanschrift nur einen Pfändungsauftrag erteilen. Wenn dieser erledigt ist, unter der Privatanschrift am besten einen Kombiauftrag stellen.  

     

    Bei anderen Vollstreckungsbesonderheiten (z.B. „Zug um Zug-Vollstreckung“) wird sich bei einem fehlerhaften Antrag (z.B. kein Verzug eingetreten) der GV meist von allein melden, bzw. selbstständig versuchen das Vollstreckungshindernis zu beseitigen.  

     

    Oft werden bei Herausgabetiteln bereits vor Klageerhebung Fehler gemacht, die sich erst in der Zwangsvollstreckung auswirken. Bezeichnen Sie daher jeden Gegenstand so gut wie möglich. Versetzten Sie sich in den GV, der die Herausgabevollstreckung (ggf. alleine) durchführen muss (Beispiel: Ein Gläubiger bezeichnet den herauszugebenden Gegenstand nur als „Geschirrset“. Das ist so nicht vollstreckbar. Machen Sie sich daher die Mühe und bezeichnen Sie sämtliche zu pfändenden Gegenstände so gut wie möglich, z.B. Geschirrset, 12-teilig mit Blumenmuster (schwarz), Marke: Villeroy und Boch).  

     

    GVGA kann helfen  

    Es ist anzuraten einen Blick in die bundeseinheitlich gültige GVGA (Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher) zu werfen. Die GVGA ist sozusagen eine Handlungsanleitung für den GV. Dort findet man zumeist eine Lösung für ein praktisches Problem. Sie kann über das Internet abgerufen werden:  

     

    www.datenbanken.justiz.nrw.de/pls/jmi/jvv_proc_bestand?v_bes_id=1238  

     

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2009 | Seite 101 | ID 127474