Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.09.2007 | Immobiliarvollstreckung

    ABC der Immobiliarvollstreckung

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    Die in VE 07, 85, begonnene Checkliste setzen wir mit den Stichworten „Bietstunde“ bis „Einstellungsantrag des Schuldners“ fort.  

     

    Checkliste: ABC der Immobiliarvollstreckung

    Begriff  

    Bedeutung  

    Bemerkung  

    Bietstunde  

     

    Die Bietstunde umfasst das eigentliche Versteigerungsgeschäft. Das Gericht fordert zur Abgabe von Geboten auf (§ 73 Abs. 1 ZVG). Ab diesem Zeitpunkt müssen mindestens 30 Minuten vergehen, bis die Versteigerung geschlossen wird.  

    Die Bietstunde ist unter zwei Gesichtspunkten für Gläubiger bedeutungsvoll:  

     

    • Vor Eröffnung der Bietstunde müssen Rechte, die zum Zeitpunkt der Eintragung des Versteigerungsvermerks nicht aus dem Grundbuch
    ersichtlich sind, angemeldet werden, andernfalls solche Rechte bei einer Erlösverteilung entweder die letzte Rangstelle erhalten bzw. ganz ausfallen (§§ 37 Nr. 4, 110 ZVG; Achtung: Regress droht!).
    • Das Nichteinhalten der Bietstunde stellt einen unheilbaren Zuschlagsversagungsgrund dar (§§ 83 Nr. 6, 7, 84 Abs. 1 ZVG).

    Bietvollmacht  

     

    Soll für einen Dritten geboten werden, ist die Vorlage einer Bietvollmacht notwendig.  

     

    • Die Bietvollmacht muss in öffentlich beglaubigter Form vorgelegt werden (§ 71 Abs. 2 ZVG). Insbesondere ist hierbei zu beachten, ob Beschränkungen, wie z.B. Ausbieten bis zu einem Höchstbetrag, bestehen. Ist dies der Fall, können über diese Höchstbeträge hinaus keine wirksamen Gebote abgegeben werden. Dies muss das Vollstreckungsgericht beachten.
    • Darüber hinaus muss aus der Vollmacht ausdrücklich die Erlaubnis zum „Bieten” hervorgehen. Insofern muss also der Bevollmächtigte (Rechtsanwalt) berechtigt sein, Gebote anstelle eines anderen abzugeben bzw. das Grundstück zu erwerben. Folge: Eine einfache Prozessvollmacht ist nicht ausreichend!
    • Zulässig ist die Vorlage einer öffentlich beglaubigten Generalvollmacht.
    • Bei juristischen Personen muss die Vertretungsmacht nachgewiesen werden. Im Termin ist daher ein beglaubigter Handelsregisterauszug neueren Datums vorzulegen.
    • Der Zuschlag aufgrund einer fehlenden Vertretungsmacht erfolgt auf ein unwirksames Gebot, was zu einem unheilbaren Zuschlagsversagungsgrund führt (§§ 83 Nr. 6, 7, 84 Abs. 1 ZVG).

    Deckungs-grundsatz  

     

    Im Versteigerungstermin abgegebene Gebote sind nach unten hin begrenzt. Das heißt, dass alle dem bestrangig betreibenden Gläubiger vorgehenden Ansprüche gedeckt, also ausgeboten, sein müssen. Dies geschieht durch Barzahlung und Übernahme der bestehen bleibenden Rechte. Maßgeblich ist hierbei die Rangfolge nach § 10 ZVG.  

    • Rangordnung und Deckungsgrundsatz bewirken, dass kein das Verfahren Betreibender die vorgehenden Ansprüche beeinträchtigen kann. Folge: Im Unterschied zur Mobiliarversteigerung kann ein Grundstück auch mit Lasten erworben werden!
    • Ein Verstoß gegen den Deckungsgrundsatz führt zu einem unheilbaren Zuschlagsversagungsgrund (§§ 83 Nr. 6, 7, 84 Abs. 1 ZVG).

    Eigentums-umschreibung  

     

    Eine Eigentumsumschreibung im Grundbuch nach Versteigerung erfolgt, nachdem das sog. Bargebot bezahlt wurde, der Erlösverteilungstermin stattgefunden hat und die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts vorliegt.  

     

    Einstellungs-bewilligung des Gläubigers  

    Das Verfahren ist einstweilen einzustellen, wenn der Gläubiger die Einstellung bewilligt. Die Einstellung kann – einmal wiederholt bewilligt werden. Ist das Verfahren aufgrund einer Bewilligung des Gläubigers bereits zweimal eingestellt, gilt eine erneute Einstellungsbewilligung als Rücknahme des Versteigerungsantrags (§ 30 Abs. 1 ZVG).  

    Die Einstellungsbewilligung ist ab dem Zeitpunkt des Verfahrensbeginns möglich und kann auch noch nach dem Schluss der Versteigerung bis zur vollständigen Verkündung des Zuschlags bewilligt werden. Sie hat dann allerdings zur Folge, dass der Zuschlag zu versagen ist (BGH NSW ZVG § 30).  

    • Der Gläubiger kann von dem Recht der Einstellung Gebrauch machen, und zwar
    • ohne jede Begründungspflicht,
    • ohne Einhaltung von Form oder Fristerfordernissen und
    • ohne Mitsprachemöglichkeit von Dritten.
    • Der Einstellungsantrag bezieht sich nur auf das vom Gläubiger selbstbetriebene Verfahren. Auf das von einem anderen ggf. (mit)betriebene Verfahren hat dies keine Auswirkungen.
    • Mit der Einstellung beginnt die 6-Monatsfrist (Fristenvorlage!). Folge des Versäumnisses: Verfahrens-aufhebung (§ 31 Abs. 1 S. 2 ZVG).

     

    Wichtig: Der Fortsetzungsbeschluss muss dem Schuldner vier Wochen vor dem Termin zugestellt sein, andernfalls ein Versteigerungstermin für den betreffenden Gläubiger nicht stattfindet (es droht Regressgefahr!). 

    Einstellungs-antrag des Schuldners  

     

    Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht die Einstellung der Zwangsversteigerung anordnen (§ 30a ZVG).  

    Zwei Bedingungen müssen vorliegen:  

    • Sanierungsfähigkeit: Durch die Verfahrenseinstellung muss die Versteigerung verhindert werden können, der Schuldner muss ein Sanierungskonzept vorweisen. Ein Nachweis über Umschuldungsverhandlungen ist nicht ausreichend (LG Dessau 19.1.06, 7 T 24/06, n.v.).
    • Billigkeit: Die Einstellung muss der Billigkeit entsprechen; hier spielen persönliche Verhältnisse des Schuldners sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse eine Rolle.

     

    Die einstw. Einstellung setzt überdies voraus, dass der Schuldner vorträgt und glaubhaft macht, dass die Gläubigerbefriedigung innerhalb von sechs Monaten in Aussicht steht (LG Rostock InVo 03, 379). Der Antrag kann einmal wiederholt werden (§ 30c ZVG).  

    Ersteher  

    So wird derjenige genannt, dem das Grundstück zu dem höchsten zulässigen abgegebenen Gebot zugeschlagen wird.  

     

    Zuschlagswirkungen: 

    • Der Ersteher erwirbt unabhängig von einer Zahlung das Eigentum (originär) am Grundstück (§ 90 Abs. 1 ZVG).

     

    Praxishinweis: Vor allem auf Zubehörstücke, die sich im Besitz des Schuldners befinden, erstreckt sich die Versteigerung auch, wenn diese einem Dritten gehören. Ausnahme: wenn Dritte ihre Rechte rechtzeitig nach § 37 Nr. 5 ZVG geltend gemacht haben (§ 55 Abs. 2 ZVG).
    • Nicht rechtzeitig angemeldete Rechte erleiden nach § 37 Nr. 4 ZVG Rangverlust (§ 110 ZVG) und sind an letzter Stelle zu befriedigen.
    • Nicht durch die Versteigerungsbedingungen bestehen bleibende Rechte, die nicht im geringsten Gebot enthalten sind, erlöschen (§ 91 Abs. 1 ZVG).
    • Mit dem Zuschlag geht die Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Ersteher über (§ 56 ZVG). Im Gegenzug hat der Ersteher allerdings auch die Nutzungen, trägt aber auch die Lasten. Zudem besteht kein Anspruch auf Gewährleistung.
    • Der Ersteher übernimmt bei einer Hypothek und ggf. einer Grundschuld bzw. Rentenschuld die persönliche Schuld (§ 53 ZVG).
    • Der Ersteher tritt in bestehende Miet-/Pachtverhältnisse ein (§§ 57 ff. ZVG).
    • Dem Ersteher fallen die Kosten des Zuschlagsbeschlusses zur Last (§ 58 ZVG; 0,5-Gebühr aus Steigpreis und Wert bestehen bleibender Rechte; Nr. 2214 GKG KV, § 54 Abs. 2 GKG).
    • Der Ersteher haftet für Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 5 GrEStG).
     

     

     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2007 | Seite 155 | ID 112336