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  • Auslandsvollstreckung

    Internationales Mahnverfahren: Das müssen Sie beachten

    von Bürovorsteherin Carolin Kaiser, München

    Die Bedeutung des Mahnens im Ausland nimmt angesichts des Zusammenwachsens der europäischen Staaten an Bedeutung zu. Der folgende Beitrag erläutert, worauf Sie bei Einleitung eines internationalen Mahnverfahrens achten müssen.

    1. Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen

    Beim internationalen Mahnverfahren handelt es sich um ein gerichtliches Verfahren. Neben den allgemeinen Prozessvoraussetzungen müssen daher die üblichen Voraussetzungen des § 688 Abs. 2 ZPO erfüllt sein. Im Einzelnen gilt Folgendes:

    • Der Anspruch muss auf Zahlung einer bestimmten Summe in EUR gerichtet sein.
    • Er darf nicht von einer Gegenleistung abhängig bzw. diese muss bereits erbracht sein.
    • Der Mahnbescheid darf nicht öffentlich zugestellt werden müssen.
    • Das Mahnverfahren ist für Ansprüche des Unternehmers oder Zessionars aus Verbraucherdarlehensverträgen nicht zulässig.

    2. Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen

    Nach § 688 Abs. 3 ZPO ist das inländische Mahnverfahren wegen einer Geldforderung auf eine bestimmte Geldsumme gegen ausländische Schuldner unter zwei Voraussetzungen möglich:

    • Das Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG) vom 19.2.01 (BGBl. I, 288) muss dies vorsehen und der Antragsgegner muss in einem Anerkennungsstaat seinen Wohnsitz haben.
    • Das streitige Verfahren müsste vor einem deutschen Gericht durchzuführen sein.
    • Gemäß § 32 AVAG muss der Mahnbescheid in einem Anerkennungsstaat zugestellt werden können.

    Praxishinweis: Wo die Zustellung des Vollstreckungsbescheids erfolgen kann bzw. muss, ist nicht maßgeblich. Es würde z.B. genügen, wenn er öffentlich zugestellt wird.

    Folgende Vertragsstaaten fallen unter die Regelung des § 32 AVAG:

    • Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien nach der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO I; ABl. EG Nr. L 12 S. 1);
    • Dänemark als Mitglied des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ; BGBl. 72 II, 773);
    • Island, Norwegen , Schweiz und Polen, als Mitglieder des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugVÜ; BGBl. 93 II, 2658);
    • Israel, als Folge eines bilateralen Abkommens über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 80 II, 925).

    Achtung: Das Mahnverfahren ist nur in diesen ausdrücklich aufgeführten Staaten zulässig. Es handelt sich um eine abschließende Aufzählung.

    2.1 Sachliche Zuständigkeit

    Sachlich zuständig für die Durchführung des Mahnverfahrens ist gemäß § 688 Abs. 3, § 703d Abs. 2 ZPO das AG, das für die Durchführung eines fiktiven streitigen Verfahrens zuständig sein würde. Es handelt sich hierbei um eine ausschließliche Zuständigkeit. Zu beachten ist, dass die Zuordnung von Verfahren zu einem zentralen Mahngericht über § 689 Abs. 3 ZPO auch für internationale Mahnverfahren gilt (BGH NJW 93, 2752).

    2.2 Örtliche Zuständigkeit

    Gedanklich ist bereits vor der Beantragung des Mahnbescheids das Szenario nach Einlegung des Widerspruches durchzuspielen: Das Streitgericht – zwingend im Inland – ist das zuständige Mahngericht. Auch hier sind die AG ausschließlich zuständig.

    Die internationale Zuständigkeit für das Mahnverfahren ist mit der des anschließenden Streitverfahrens identisch. In diesem Zusammenhang ist der Wohnsitz bzw. Sitz des Antragstellers unerheblich. Er kann sich sowohl im In-als auch im Ausland befinden.

    Hinweis: Sollen mehrere gesamtschuldnerisch haftende Antragsgegner in Anspruch genommen werden, von denen auch nur einer seinen allgemeinen Wohnsitz im Ausland hat, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit für das Verfahren gegen diesen – und nur gegen diesen – nach § 703d ZPO. Für die übrigen Antragsgegner – mit Wohnsitz im Inland – greift dagegen § 689 Abs. 2 ZPO, der die Zuständigkeit des Wohnsitzgerichts des Antragstellers begründet. Ein gemeinsames Mahnverfahren ist nicht möglich (BGH NJW 95, 3317).

    Bei der Bestimmung des zuständigen Streitgerichts ist wie folgt zu unterscheiden:

    • Der Wohnsitz des Antragsgegners im Ausland befindet sich innerhalb eines Vertragsstaates des EuGVÜ/EuGVVO und innerhalb des Anwendungsbereiches des AVAG:
    • Die Bestimmungen der jeweiligen Vertragsstaaten gehen hier vor, so dass die ZPO, insbesondere die §§ 20, 23, 25, 31 ZPO entfallen. Zudem bedeutet dies, dass nach Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ/EuGVVO I der Antragsgegner außerhalb seines Wohnsitzstaates nur in einem durch das Übereinkommen zugelassenen Gerichtsstand in Anspruch genommen werden kann.
    • Eine Verfahrensdurchführung ist nur möglich, wenn sich für das streitige Verfahren ein inländischer Gerichtsstand ergibt.
    • Der Gerichtsstand für Mess- und Marktsachen nach § 30 ZPO wird nicht ausgeschlossen.
    • Wichtig sind ausschließliche internationale Zuständigkeiten, wie sie durch Art. 16 EuGVÜ/LugÜ und Art. 22 EuGVVO I bestimmt werden. Die ZPO ist hier nachrangig.
    • Die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen bestimmt sich nur nach Art. 17 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 23 EuGVVO I. Die §§ 38, 40 ZPO werden somit verdrängt. Daher sind solche Gerichtsstandsvereinbarungen ungültig, die sich und auf ein konkretes Rechtsgeschäft beziehen. Die Vereinbarung muss im weitesten Sinn schriftlich, gegebenenfalls durch ausgedruckte E-Mail geschlossen werden.
    • EuGVÜ/LugÜ bzw. EuGVVO I erweitern die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte durch verschiedene in der ZPO unbekannte Gerichtsstände, wie z.B. dem der Streitgenossenschaft nach Art. 6 EuGVÜ/LugÜ/EuGVVO I. Mehrere Personen mit Wohnsitz in verschiedenen Staaten können somit z.B. am Wohnsitz eines von ihnen verklagt werden.
    • Grundsätzlich sind die verschiedenen Gerichtsstände in Art. 5 bis 18 EuGVÜ/ LugÜ/EuGVVO I geregelt.

    Die für die Praxis wichtigsten sind die Gerichtsstände des Erfüllungsorts (Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ/EuGVVO I), in Unterhaltssachen (Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ/ EuGVVO I; zuständig ist das Gericht bei dem der Unterhaltsberechtigte seinen allgemeinen Wohnsitz hat), der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ/ EuGVVO I) und für Ansprüche aus Vermietung und Verpachtung (Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 22 Nr. 1. EuGVVO I).

    • Der Wohnsitz des Antragsgegners befindet sich im Ausland außerhalb eines Vertragsstaates des EuGVÜ/EuGVVO, aber innerhalb des Anwendungsbereiches des AVAG. Hier gilt:
    • Die für das Mahnverfahren in Betracht kommenden besonderen Gerichtsstände bestimmen sich nach der ZPO.
    • § 23 ZPO (Gerichtsstand des Vermögens- und Streitgegenstands) ist anwendbar.
    • Vorbehaltlich Art. 22 und 23 EuGGVO I gilt das Recht des „Wohnsitzstaats“: Zum einen sollte der Antragsgegner daher einen Zustellungsbevollmächtigten bestellen. Zum anderen können wirksame Gerichtsstandsvereinbarungen mit jedem Vertragspartner abgeschlossen werden.
    • Der Wohnsitz des Antragsgegners befindet sich in Israel. Hier gilt Folgendes:

      Der deutsch-israelische Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag (a.a.O.) regelt keine Entscheidungszuständigkeit. Art. 7 dieses Übereinkommens enthält lediglich Anerkennungszuständigkeiten. Daher kann auf der Grundlage eines Vollstreckungsbescheids ein Zwangsvollstreckungsverfahren in Israel durchgeführt werden.     

    Tipp: Vermeiden Sie, ein später nicht anerkanntes Mahnverfahren zu führen. Prüfen Sie daher bereits bei Antragstellung, ob der Gerichtsstand, aus dem die internationale Zuständigkeit des deutschen Mahngerichts hergeleitet wird, auch mit dem Katalog der Anerkennungszuständigkeiten des deutsch-israelischen Übereinkommens übereinstimmt: So greift z.B. § 29 ZPO gemäß Art. 7 des deutsch-israelischen Übereinkommens nicht, wohl aber muss eine Gerichtsstandsvereinbarung anerkannt werden.

    Gemeinsam für alle Antragsgegner gilt unabhängig von deren Wohnort: Beruft sich der Antragsteller zur Begründung der Zuständigkeit eines inländischen Gerichts auf eine abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung, muss er die entsprechenden Schriftstücke dem Mahnbescheidsantrag beifügen (§ 32 Abs. 2 AVAG).

    3. Weitere Besonderheiten

    3.1 Antrag

    Üblicherweise unterliegt das Mahnverfahren dem Formblattzwang (Hommers, VE 02, 26). Dies gilt nicht für internationale Mahnverfahren (§ 1 Abs. 1 S. 2 Verordnung zur Einführung von Vordrucken für das Mahnverfahren; BGBl. 91 I, 1547).

    Praxishinweis: Es empfiehlt sich, den Antrag unter Verwendung der üblichen Mahnbescheidsformulare mit entsprechenden Anlagen und erläuternden Anschreiben zu stellen.

    Leserservice: Das folgende Formulierungsbeispiel können Sie unter www.iww.de mit der Abruf-Nr. 031592 herunterladen.

    3.2 Währung

    Die geltend gemachte Währung kann, abweichend von § 688 Abs. 1 ZPO, auch in ausländischer Währung angegeben werden (§ 32 Abs. 1 S. 2 AVAG). Zur Berechnung der Gerichtskosten ist der Betrag jedoch in EUR umzurechnen.

    3.3 Bezeichnung des Gerichtsstands

    Sobald der Antragsgegner keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, müssen die Vorschriften, aus denen die Zuständigkeit des angegangenen Gerichts abgeleitet werden, dem Mahngericht dargelegt werden (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 703d Rn. 4).

    3.4 Abgabegericht

    Beim Abgabegericht darf niemals ein ausländisches Gericht angegeben werden. Schließlich soll ja gegebenenfalls ein streitiges Verfahren vor dem Gericht stattfinden, das den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids bearbeitet. Es muss also stets ein inländisches Gericht angegeben werden.

    3.5 Übersetzungskosten

    Die Kosten der Übersetzung fallen zwar dem Antragsgegner zur Last, sind jedoch vom Antragsteller zunächst als Vorschuss zu leisten. Da die genaue Höhe zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht bekannt ist, sollte bereits bei Antragstellung „um Aufnahme der Übersetzungskosten in den Mahnbescheid“ gebeten werden. Die Kosten der Übersetzung durch staatlich vereidigte Übersetzer berechnen sich gemäß § 17 ZSEG.

    3.6 Verlängerte Widerspruchsfrist

    Gemäß § 32 Abs. 3 AVAG beträgt die Widerspruchsfrist einen Monat. Im Mahnbescheid ist der Antragsgegner vom Gericht darauf hinzuweisen, dass er einen Zustellungsbevollmächtigten – innerhalb der Widerspruchsfrist – zu benennen hat (§ 32 AVAG, § 184 ZPO). Ist dies nicht der Fall, können die Zustellungen vereinfacht durch Aufgabe zur Post erfolgen. Das Schriftstück gilt dann zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt, wobei jedoch durch das Gericht eine längere Frist angeordnet werden kann.

    3.7 Zustellung des Mahnbescheids

    Nach § 183 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 S.1 ZPO können Auslandszustellungen in vereinfachter Form nur in die Nichtvertragsstaaten der EU und nach Dänemark vorgenommen werden. In den Vertragsstaaten der EU erfolgen Auslandszustellungen seit dem 31.5.01 nach der Verordnung (EG) Nr. 1348/00.

    Wenn auch grundsätzlich durch das Zustellreformgesetz vom 1.7.02 (Goebel, VE 02, 101) eine ordnungsgemäß ausgefüllte Postzustellungsurkunde nicht mehr Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zustellung ist, muss doch bei Auslands-Zustellung ein Zustellungsnachweis vorliegen (183 Abs. 2 ZPO). Dies ist vor allem im Hinblick auf ein eventuell später sich anschließendes Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren zur Durchsetzung des Titels im Ausland maßgeblich (Hök, VE 1/03, 7), wenn hierin eine ordnungsgemäße und rechtzeitige Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes nachgewiesen werden muss.

    Gemäß Art. 14 EG-Zustellungsverordnung Nr. 1348/2000 vom 29.5.00 können die EU-Mitgliedsstaaten der Direktzustellung durch die Post, ohne Inanspruchnahme der Rechtshilfe des Aufenthaltsstaates des Zustellungsadressaten nicht widersprechen, sondern nur Bedingungen für die Übermittlung festlegen. Auch nach dem Haager-Übereinkommen ist die Zustellung durch die Post grundsätzlich zulässig. Die Postzustellung wird von den meisten Vertragsstaaten geduldet (allerdings nicht von der Schweiz, dort müssen die Rechtshilfestellen in Anspruch genommen werden).

    Wichtig: Die verfahrenseinleitenden Schriftstücke (der Mahnbescheidsantrag) sind jedoch nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und im Hinblick auf § 184 ZPO im Wege der Rechtshilfe zuzustellen. Über diese Zustellungen muss anschließend eine Bescheinigung durch das Mahngericht erteilt werden.

    § 183 ZPO kann allerdings im Zusammenhang mit einer Gerichtsstandsvereinbarung abbedungen werden. Daran ist auch das Gericht – auch für die von Amts wegen vorzunehmenden Zustellungen – gebunden (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 183 Rn 27). Diese sollte dann dem Antrag beigefügt werden.

    Leserservice: In einer der nächsten Ausgaben von „Vollstreckung effektiv“ werden wir auf die Besonderheiten bei Erhalt und Vollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid eingehen.

    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 08/2003, Seite 118

    Quelle: Ausgabe 08 / 2003 | Seite 118 | ID 107655