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  • · Fachbeitrag · Immobiliarvollstreckung

    Zwangsverwaltung bei bestehendem Nießbrauch - titelerweiternde Klausel

    Hat sich der Grundstückseigentümer in einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterworfen, dass die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein soll, kann gegen den Berechtigten eines im Rang nach der Grundschuld in das Grundbuch eingetragenen Nießbrauchs eine die eingeschränkte Rechtsnachfolge ausweisende Vollstreckungsklausel erteilt werden (titelerweiternde Klausel). Die mit ihr versehene Urkunde ist ein für die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung ausreichender Vollstreckungstitel (BGH 26.3.14, V ZB 140/13, Abruf-Nr. 141626).

     

    Sachverhalt

    Die Schuldnerin S. ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke. Diese sind mit einer am 26.10.90 in die Grundbücher jeweils in Abteilung III Nr. 2 eingetragenen Gesamtgrundschuld über 100.000 DM und mit einer im Jahr 95 jeweils in Abteilung III Nr. 15 eingetragenen Gesamtgrundschuld über 1.000.000 DM belastet. In den Eintragungsvermerken heißt es: „Vollstreckbar nach § 800 ZPO.“

     

    Inhaberin der Grundschulden ist nun Gläubigerin G. Im Jahr 02 wurde zugunsten der Nießbrauchsberechtigten N. ein Nießbrauch in die Grundbücher eingetragen. G erwirkte die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen der Grundschuldbestellungsurkunden mit Rechtsnachfolgeklauseln auch gegen die N.

     

    Mit Beschluss vom 5.8.10 hat das AG den Beitritt der G. aus dem jeweils in Abteilung III Nr. 15 der Grundbücher eingetragenen Gesamtrecht zu einem später aufgehobenen Zwangsverwaltungsverfahren zugelassen. Den Antrag der S. und der N., diesen Beschluss aufzuheben, hat das AG zurückgewiesen.

     

    Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolgreich gewesen. Das LG hat die Beschlüsse aufgehoben und den Antrag der G. auf Zulassung des Beitritts zurückgewiesen. Am 15.4.11 hat das AG den Beitritt der G. aus dem jeweils in Abteilung III Nr. 2 der Grundbücher eingetragenen Gesamtrecht zum Zwangsverwaltungsverfahren zugelassen. Auch die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolgreich gewesen.

     

    Das LG hat den Beitrittsbeschluss aufgehoben und den Antrag der G. auf Zulassung des Beitritts zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die G. die Aufhebung des Beschlusses des LG und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde erreichen. Der BGH gab der G. Recht.

     

    Duldungstitel erforderlich auch bei nachrangigem Nießbrauch

    Um die Zwangsverwaltung unbeschränkt anordnen zu lassen, muss ein vorrangiger Grundschuldgläubiger auch bei einem nachrangig eingetragenen Nießbrauch einen auf den Nießbrauchsberechtigten lautenden Duldungstitel vorlegen. Grund: Der vom Vollstreckungsgericht bestellte Zwangsverwalter muss sich den Besitz am Grundstück verschaffen, damit er den betreibenden Gläubiger aus den Erträgen des Grundstücks befriedigen kann (§ 146, § 150 Abs. 2, § 152 Abs. 1 ZVG). Problem: Dem Nießbrauchsberechtigten steht jedoch ebenfalls das Besitz- und Nutzungsziehungsrecht am Grundstück zu (§§ 1030 Abs. 1, 1036 Abs. 1 BGB).

     

    Wichtig |Die Zwangsvollstreckung darf nur gegen denjenigen betrieben werden, der in dem Vollstreckungstitel oder in der Vollstreckungsklausel (§ 727 ZPO) als Vollstreckungsschuldner namentlich benannt ist. Bei der Zwangsverwaltung wird allein diesem die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 ZVG). Die in den Grundschuldbestellungsurkunden enthaltene Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 800 Abs. 1 ZPO) betrifft lediglich den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks, nicht jedoch zugleich auch den Nießbrauchsberechtigten. Diesen kann der Zwangsverwalter daher nur aus seinem Besitz setzen und an dessen Stelle die Nutzungen ziehen, wenn die Zwangsverwaltung aufgrund eines auf die Duldung der Zwangsvollstreckung auch gegen den Nießbrauchsberechtigten gerichteten Titels angeordnet worden ist. Insofern muss ein beantragter Beitritt mit der Maßgabe erfolgen, dass die Rechte der Nießbrauchsberechtigten durch die Zwangsverwaltung nicht beeinträchtigt werden dürfen.

     

    Was sind ausreichende Duldungstitel?

    Auf die Duldung der Zwangsvollstreckung gerichtete Titel sind solche

    • die in einem Klageverfahren ergangen sind und
    • notarielle Urkunden, in denen sich der Grundstückseigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, indem die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein soll (§§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 800 ZPO). Zur Vollstreckung aus diesen Urkunden ist es notwendig, dass sie mit einer Vollstreckungsklausel (§ 725 ZPO) versehen sind und beides vor oder spätestens bei Beginn der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zugestellt wird (§ 750 Abs. 1, 2, § 795 S. 1 ZPO).

     

    Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor: Die notariellen Grundschuldbestellungsurkunden enthalten Vollstreckungsunterwerfungen nach § 800 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Unterwerfung ist auch in den Grundbüchern eingetragen. Von den Urkunden wurden vollstreckbare Ausfertigungen erteilt. Die Gläubigerin als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Grundschuldgläubigerin erhielt Vollstreckungsklauseln. Auch gegen die Nießbrauchsberechtigte wurden Vollstreckungsklauseln erteilt, mit der zutreffenden Einschränkung, dass die Zwangsvollstreckung auf Duldung der Zwangsverwaltung der mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücke gerichtet ist.

    Praxishinweis

    In der Praxis immer wieder ein Problem: Ein vorrangiger Grundschuldgläubiger will uneingeschränkt die Zwangsverwaltung anordnen lassen. Hierbei wird allerdings oft nicht beachtet, dass ein nachrangiger Nießbrauchsberechtigter existiert. Es stellt sich dann die Frage, ob die Zwangsverwaltung ohne einen Titel gegen den Nießbrauchsberechtigten angeordnet werden kann. Der BGH hat dies verneint, indem er der Auffassung ist, dass eine Zwangsverwaltung nur gegen den im Titel bzw. Vollstreckungsklausel namentlich bezeichneten Schuldner betrieben werden kann.

     

    Zu Recht geht der BGH davon aus, dass sowohl dem Zwangsverwalter als Partei Kraft Amtes für den Schuldner die Miet- und Pachteinnahmen zustehen, um diese dann an den betreibenden Grundpfandrechtsgläubiger zu verteilen. Dasselbe Nutzungsrecht steht allerdings auch dem Nießbrauchsberechtigten zu, da dieser sogar das Recht hat, die Sache zu vermieten (§§ 1030, 1036 BGB). Das Besitz- und Nutzungsrecht des Nießbrauchers und des Zwangsverwalters schließen daher einander aus.

     

    Da also sowohl der Nießbraucher als auch der Grundpfandgläubiger Inhaber auf demselben Grundstück lastender dinglicher Rechte sind, richtet sich ihr Rangverhältnis nach § 879 BGB. Danach ist grundsätzlich die Reihenfolge der Eintragungen maßgeblich (§ 879 Abs. 1 BGB), wenn nicht eine davon abweichende Bestimmung in das Grundbuch eingetragen ist (§ 879 Abs. 3 BGB). Ist dies der Fall, muss der Nießbraucher daher die Zwangsvollstreckung in das Grundstück dulden, da das vorrangig eingetragene Grundpfandrecht das nachrangige Nießbrauchrecht verdrängt.

     

    Der materiell-rechtliche Anspruch des vorgehenden Grundschuldgläubigers gegen den Nießbraucher (vgl. § 1192 Abs. 1, § 1147, § 880 Abs. 1, § 879 Abs. 3 BGB), die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden, macht diesen für sich allein noch nicht zum Vollstreckungsschuldner. Folge: Ohne einen entsprechenden Titel ist der Anspruch vollstreckungsrechtlich nicht durchsetzbar. Der Nießbraucher muss Besitz und Nutzung des Grundstücks durch den Zwangsverwalter nicht hinnehmen.

     

    Für einen Gläubiger hat die Entscheidung letztlich die Konsequenz, dass er zunächst prüfen muss, ob gegebenenfalls ein nachrangiger Nießbrauchsberechtigter im Grundbuch eingetragen ist. Ist dies der Fall, muss er entweder eine ausdrücklich schriftliche Zustimmungserklärung des nachrangigen Nießbrauchsberechtigten zur unbeschränkten Zwangsverwaltung beibringen oder aber einen gegen diesen gerichteten Titel vorlegen. Letzterenfalls kann er sich aufgrund der vorhandenen Grundschuldbestellungsurkunde, in der sich regelmäßig eine Vollstreckungsunterwerfung nach § 800 ZPO befindet, eine Rechtsnachfolgeklausel gemäß § 727 ZPO gegen den Nießbrauchsberechtigten erteilen lassen.

     

    Für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung bei notariellen Urkunden ist der Notar zuständig, der die Urkunde verwahrt (§ 797 Abs. 2 S. 1 ZPO). Dabei ist der zu stellende Antrag darauf zu richten, dass die Vollstreckungsklausel mit der Einschränkung zu erteilen ist, dass die Zwangsvollstreckung auf die Duldung der Zwangsverwaltung des mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücks gerichtet ist.

     

    Musterformulierung / Antrag auf Erteilung einer titelerweiternden Klausel

    Antrag auf Erteilung einer titelerweiternden Vollstreckungsklausel bei nachrangigem Nießbrauch

     

    An den Notar …

     

     

    Az: Urkundennummer …

     

     

    In der Zwangsvollstreckungsangelegenheit

     

    Gläubiger

     

    gegen

     

    Schuldner

     

    wird beantragt, gemäß § 727 ZPO die vorhandene Vollstreckungsklausel gegen den im Grundbuch von … Blatt … Abteilung II lfd. Nr. … eingetragenen Nießbrauchsberechtigten mit der Maßgabe umzuschreiben, dass die Zwangsvollstreckung auf die Duldung der Zwangsvollstreckung des mit dem Nießbrauchs belasteten Grundstücks zulässig ist.

     

    Gründe

    Im oben bezeichneten Grundbuch ist der Grundpfandrechtsgläubiger in Abteilung III lfd. Nr. … als Grundbuchberechtigter mit einem Betrag von … EUR eingetragen. Der Titel ist gemäß § 800 ZPO vollstreckbar. Diese Tatsache ist ebenfalls im bezeichneten Grundbuch eingetragen.

     

    Der Gläubiger beabsichtigt die Zwangsverwaltung zu beantragen.

     

    Der BGH hat durch Beschluss vom 26.3.14 (V ZB 140/13; VE 14, 121) entschieden: Hat sich der Grundstückseigentümer in einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterworfen, dass die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein soll, kann gegen den Berechtigten eines im Rang nach der Grundschuld in das Grundbuch eingetragenen Nießbrauchs eine die eingeschränkte Rechtsnachfolge ausweisende Vollstreckungsklausel erteilt werden (titelerweiternde Klausel).

     

    Diese Voraussetzungen liegen vor. Der im oben bezeichneten Grundbuch in Abteilung II lfd. Nr. … eingetragene Nießbrauchsberechtigte ist zeitlich nach dem Gläubiger Abteilung III lfd. Nr. … in das Grundbuch eingetragen.

     

    (alternativ): Der im oben bezeichnete Grundbuch in Abteilung II lfd. Nr. … eingetragene Nießbrauchsberechtigte hat gegenüber dem Gläubiger Abteilung III lfd. Nr. … den Rangrücktritt erklärt. Dieser Rangrücktritt ist im Grundbuch eingetragen.

     

    Rechtsanwalt

     

     

    Achtung | Zur Vollstreckung ist es notwendig, dass die Vollstreckungsklausel und, sofern die Vollstreckungsklausel aufgrund öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden erteilt ist, auch eine Abschrift dieser Urkunden vor Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt sind oder gleichzeitig mitihrem Beginn dem Schuldner und Nießbrauchsberechtigten zugestellt werden (§ 750 Abs. 1, 2, § 795 S. 1 ZPO).

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 113 | ID 42724403