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  • · Fachbeitrag · Honorarrecht

    Nicht alle Grundleistungen erbracht: OLG Celle sieht keinen Grund für Honorarkürzung

    | Allein mit der Rüge, es seien nicht alle in § 34 HOAI aufgeführten Grundleistungen erbracht worden, kann der Auftraggeber Ihr Honorar nicht wirksam mindern. Die Bezeichnung „im Allgemeinen erforderlich“ in § 3 Abs. 3 HOAI soll nämlich klarstellen, dass nicht alle in den Leistungsbildern aufgeführten Leistungen bei jedem Objekt notwendig sind, um die Vertragsziele zu erreichen. Mit diesen Aussagen und entsprechender Entscheidung hat sich das OLG Celle gegen die bisherige Teilleistungs- und Kürzungsrechtsprechung gestellt. |

    Um diesen Honorarkürzungsfall ging es beim OLG Celle

    Im konkreten Fall hatte ein Bauherr einen Architekten beauftragt, für den Umbau und die Modernisierung seines Wohnhauses Grundleistungen der Lph 1 bis 3 und 5 bis 8 nach HOAI 2013 zu erbringen. Der Architekt rechnete nach Mindestsätzen ab. Weil der Auftraggeber nur einen Teil zahlte, erhob der Architekt Klage.

     

    Der Auftraggeber wehrte sich mit dem Argument, die Kürzung sei deshalb berechtigt, weil er Architekt nicht alle Grundleistungen (= Teilleistungen) aus der jeweiligen Lph erbracht habe.

    Darum hat das OLG die Honorarkürzung abgelehnt

    Das OLG gab dem Architekten Recht und begründet das wie folgt (OLG Celle, Urteil vom 02.08.2023, Az. 14 U 200/19, Abruf-Nr. 237396):

     

    „Gem. § 3 Abs. 2 HOAI sind Grundleistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags im Allgemeinen erforderlich sind, in Leistungsbildern erfasst. Die Bezeichnung als „im Allgemeinen erforderlich sind“ soll klarstellen, dass nicht alle in den Leistungsbildern aufgeführten Leistungen bei jedem Objekt zur Erreichung des Vertragsziels notwendig sind (Wirth/Galda, in: Korbion/Mantscheff/ Vygen, HOAI, 9. Aufl. 2016, § 3, Rn. 2). ... Der Senat folgt der klar nachvollziehbaren Bewertung des Sachverständigen. Insbesondere sind nicht alle in § 34 Abs. 3 HOAI (Anhang 10.1) aufgeführten Grundleistungen vollständig zu erbringen, wenn die Beauftragung und die notwendig damit verbundenen Leistungen zum vertraglichen Leistungsumfang dies nicht erforderlich machen. Dies ergibt sich aus der Erfolgsbezogenheit des Architektenvertrages, der die Entstehung einer umfassenden gebrauchsfähigen Architektentätigkeit voraussetzt. Es handelt sich insoweit bei § 34 Abs. 3 HOAI und dessen Anhang 10.1. nicht um eine abschließende Darstellung, sondern um eine Auslegungshilfe zur Bestimmung der vertraglich geschuldeten Leistung dar (BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - VII ZR 42/05; Korbion, in: Korbion/Mantscheff/ Vygen, HOAI, 9. Aufl. 2016, § 34, Rn. 48) ...

     

    Der Beklagte hat bereits nicht behauptet, dass der Kläger bestimmte Grundleistungen nicht erbracht hat, welche aber erforderlich gewesen wären, um die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Allein die beklagtenseits erhobene Rüge, es seien nicht alle in § 34 HOAI, Anhang 10.1, aufgeführten Grundleistungen erbracht worden, führt - ohne einen Mangel in der Bauwerksleistung - nicht zu einer Vergütungsminderung bzw. einem Schadensersatzanspruch gegen den Architekten. Ein Mangel in dem Architektenwerk wurde vorliegend nicht geltend gemacht.“

    Wie ist das Urteil einzuordnen?

    Das Urteil ist ‒ wie oben erwähnt ‒ auf Kritik gestoßen. Sie lautet (sinngemäß): Entweder die Leistungen waren nicht beauftragt. Dann dürfen sie nach § 8 Abs. 2 HOAI 2013 auch nicht vergütet werden. Oder sie waren beauftragt, wurden aber nicht erbracht. Dann ist das Architektenwerk mangelhaft, da es nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist.

     

    Kritiker beziehen sich hier auf die BGH-Rechtsprechung, wonach dem Auftraggeber unter den Voraussetzungen des Mängelhaftungsrechts ein Anspruch auf Minderung des Honorars zustehen kann, wenn vereinbarte Grundleistungen nicht erbracht wurden; unabhängig davon, ob und inwieweit das Bauwerk mangelfrei fertig gestellt wurde (BGH, Urteil vom 24.06.2004, Az. VII ZR 259/02, Abruf-Nr. 042070PBP 8/2007, Seite 3)

    Die Konsequenz für die Praxis

    Ist ein „HOAI-Grundleistungsauftrag“ vereinbart, sei Ihnen trotz der Entscheidung des OLG Celle empfohlen, die einzelnen Grundleistungen abzuarbeiten. Erbringen Sie Teilleistungen nicht, sind Sie wohl nur im Bezirk des OLG Celle vor einer Honorarkürzung sicher. Auch die jüngste Rechtsprechung anderer Gerichte spricht nämlich einer Honorarkürzung das Wort (z. B. KG Berlin, Urteil vom 03.03.2023, Az. 7 U 158/21, Abruf-Nr. 235860).

     

    FAZIT | Lassen Sie es erst gar nicht zum Streit um Teilleistungen und deren Kürzung kommen. Erbringen Sie sie. Wenn Sie dabei systematisch vorgehen und die Leistungserbringung dem Auftraggeber passgerecht kommunizieren, halten Sie den Aufwand in Grenzen und erreichen Synergieeffekte. Sie erfüllen Ihre Beratungspflichten und steuern das Projekt (in Bezug auf Kosten und Termine) proaktiv. Da die HOAI-Berechnungshonorare unberührt von Terminen oder Terminverzögerungen ermittelt werden, leisten Sie so einen Beitrag zur Auskömmlichkeit Ihres eigenen Honorars. Und es fällt Ihnen leichter, Zusatzhonorare für Planungsänderungen abzurechnen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Mehr zu den Aussagen im Fazit lesen Sie im Beitrag „KG legt Finger in die Wunde: So gehen Sie mit je Lph vereinbarten Teilleistungen optimal um“ in PBP 7/2023, Seite 6 → Abruf-Nr. 49551676.
    Quelle: Ausgabe 11 / 2023 | Seite 8 | ID 49727109