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  • · Fachbeitrag · Corona

    Ist der Pflegebonus nach § 26a KHG pfändbar?

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Beschäftigte von Krankenhäusern, die vom 1.1.20 bis zum 31.5.20 durch die Behandlung infizierter Corona-Patienten besonders belastet waren, haben im o. g. Zeitraum, soweit sie durch die Versorgung von Patienten mit dem Coronavirus einer erhöhten Arbeitsbelastung ausgesetzt waren, Anspruch auf eine Prämie als einmalige Sonderleistung nach § 26a KHG. Die Auswahl der Prämienempfänger sowie die Bemessung der individuellen Prämienhöhe (bis 1.000 EUR) obliegt dem Krankenhausträger (§ 26a Abs. 2 KHG). Die Sonderleistungen mussten bis zum 31.12.20 ausgezahlt worden sein (§ 26a Abs. 5 S. 1 KHG). Hier stellt sich die Frage, ob solche Zahlungen unpfändbar sind. Denn anders als beim Pflegebonus nach § 150a SGB XI, der vorsieht, dass Pflegeeinrichtungen gestaffelte Sonderleistungen (Pflegebonus) von bis zu 1.000 EUR an ihre Beschäftigten zahlen müssen und der nach § 150a Abs. 8 SGB XI unpfändbar ist, hat der Gesetzgeber nicht erklärt, dass die Bonuszahlung nach § 26a KHG ebenfalls unpfändbar ist. |

    1. Zweck der Leistung

    Abhängig von der Betroffenheit eines Krankenhauses ist es durch die Coronapandemie für Pflegekräfte in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen besonders im Hinblick auf die körperbezogene Pflege zu erschwerten Arbeitsbedingungen gekommen. Hierzu zählen neben einer erheblichen Mehrarbeit die Einhaltung besonderer Vorschriften und Hygienemaßnahmen, das Tragen von Schutzkleidung sowie die potenzielle Gefährdung der eigenen Gesundheit. Zu berücksichtigen ist hierbei insbesondere die Tatsache, dass es sich bei dem SARS-CoV-2-Virus um ein völlig neuartiges und wissenschaftlich nicht erforschtes Virus handelt (BT-Drucksache 19/22609, 55). Pflegekräfte im Krankenhaus sind bei ihrer täglichen Arbeit insbesondere zu Beginn der Pandemie somit einem überwiegend nur schwer zu kalkulierenden eigenen gesundheitlichen ‒ physischem wie psychischem ‒ situativen Risiko ausgesetzt.

     

    Geht es nun um die Pfändung von Sonderzahlungen, muss Folgendes unterschieden werden:

    2. Sonderzahlungen als Zahlbeträge in Lohnabrechnungen

    Grundlage der Berechnung des Pfändungsbetrags bildet das monatliche Nettoeinkommen (§ 850e Nr. 1 ZPO ‒ sog. Nettomethode; vgl. BAG VE 13, 153). Um dieses zu überprüfen, kann der Gläubiger vom Schuldner die Lohnabrechnung nach § 836 Abs. 3 ZPO herausverlangen. Möglich ist aber auch, dass der Gläubiger den Anspruch auf Erteilung der Lohnabrechnung als unselbstständigen Nebenanspruch im amtlichen Formular unter „Anspruch A“ mitpfändet. Dies gilt vor allem, wenn es der Lohnabrechnung bedarf, um den Anspruch auf Lohnzahlung geltend machen zu können (BGH VE 13, 59).

     

    Beachten Sie | Es ist nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts, den pfändbaren Betrag selbst zu bestimmen. Diese Aufgabe wird gemäß § 850c Abs. 3 S. 2 ZPO durch Bezugnahme auf die Tabelle im Anhang zu § 850c ZPO und die ergänzende Anwendung des § 850e ZPO dem Drittschuldner übertragen. In den amtlichen Pfändungsformularen wird auf Seite 7 ausdrücklich darauf hingewiesen.

     

    a) Unpfändbare Einkommensteile schmälern pfändbaren Betrag

    In § 850a ZPO werden besondere Einkommensteile aus sozialen Gründen oder mit Rücksicht auf eine Zweckgebundenheit für unpfändbar erklärt. Diese Bezüge bleiben also bei Ermittlung des pfändbaren Arbeitseinkommens (§§ 850c bis 850g ZPO) unberücksichtigt (§ 850e Nr. 1 ZPO). Sie kommen auch bei Berechnung des Pfändungsfreibetrags nicht zum Ansatz. Der Arbeitgeber (Drittschuldner) muss die nach dieser Vorschrift unpfändbaren Bezüge vom Arbeitseinkommen absetzen und voll an den Schuldner auszahlen.

     

    Für die Annahme einer Unpfändbarkeit der gezahlten Sonderzulagen kommt allein § 850a Nr. 3 ZPO in Betracht. Hiernach müssten die Gelder jedoch als „...Gefahrenzulagen … und Erschwerniszulagen“ zu qualifizieren sein. Aber ist dies tatsächlich so?

     

    b) Sonderzahlung als Gefahrenzulagen

    Unter „Gefahrenzulage“ fallen u. a. Vergütungen für einen besonderen Aufwand oder ein besonderes Risiko des Schuldners, etwa für Arbeiten, die der Einwirkung von Erschütterungen, Hitze, Lärm, Wasser, Säuren und Staub besonders ausgesetzt sind, Schacht- und Tunnelarbeiten, Taucher- und andere Arbeiten unter Druckluft (Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 17. Aufl., § 850a Rn. 5aa).

     

    MERKE | Nach der o. g. Gesetzesbegründung ist bei der betroffenen Berufsgruppe eine besondere Gefährdung anzunehmen, was durch die Einhaltung besonderer Vorschriften und Hygienemaßnahmen und das Tragen von Schutzkleidung deutlich wird. Somit birgt der ausgeübte Beruf als solches berufsspezifische Gefahren in sich. Folge: Bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens ist der Pflegebonus gemäß § 26a KHG durch den Arbeitgeber nicht zu berücksichtigen und daher unpfändbar.

     

    c) Sonderzahlung als Erschwerniszulage

    Erschwerniszulagen sind u. a. Zuschläge, die für besondere Erschwernisse der Arbeitsleistung als solche gezahlt werden (BAG NJW 17, 3675).

     

    MERKE | Auch hier geht die Gesetzesbegründung eindeutig von erschwerten Arbeitsbedingungen für die betroffene Berufsgruppe aus, insbesondere im Hinblick auf die körperbezogene Pflege. Folge: Bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens ist der Pflegebonus gemäß § 26a KHG durch den Arbeitgeber nicht zu berücksichtigen und daher unpfändbar.

     

    3. Sonderzahlungen gehen auf P-Konto ein

    Unterhält der Schuldner ein P-Konto und schreibt der Arbeitgeber als Drittschuldner das unpfändbare Arbeitseinkommen ‒ unter Berücksichtigung des gezahlten Pflegebonus ‒ als pfändbaren Betrag dem Konto gut, gilt für den Schuldner ein automatischer, nicht von einem Antrag abhängiger Pfändungsschutz bei der Pfändung des Kontoguthabens (Anspruch D). Ihm wird der monatliche Pfändungsfreibetrag nach § 850k Abs. 1 S. 1, § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO für einen Kalendermonat als Sockelfreibetrag gewährleistet (derzeit: 1.178,59 EUR).

     

    MERKE | Liegt das durch den Arbeitgeber auf das P-Konto überwiesene unpfändbare Einkommen unterhalb des Sockelbetrags, muss das Kreditinstitut diesen Betrag an den Schuldner auszahlen.

     

    Nach § 850k Abs. 4 ZPO i. V. m. § 850a ZPO ist ein Schuldnerantrag und eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts erforderlich, wenn der Sockelbetrag erweitert werden soll. Dies ist der Fall, wenn der Schuldner verlangt, dass die Sonderzahlung an ihn auszuzahlen ist.

     

    Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass das Vollstreckungsgericht in den für den allgemeinen Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen und gleichgestellter Einkünfte vorgesehenen Fällen auch bei der Kontopfändung einen anderen pfändungsfreien Betrag festlegen kann.

     

    Beachten Sie | Im Rahmen eines solchen Schutzantrags muss jedoch der Schuldner dem Vollstreckungsgericht seine antragsbegründenden Tatsachen nachweisen. Insbesondere muss er darlegen, dass es sich bei dem gepfändeten Konto um ein P-Konto handelt. Hierzu muss er eine entsprechende Bescheinigung seiner Bank vorlegen, aus der auch der für ihn geltende Freibetrag hervorgehen muss. Des Weiteren muss er den Eingang der Gelder, die er zur Freigabe beantragt, nachweisen. Hierzu muss er Kontoauszüge vorlegen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Corona: Neues StaRUG greift in Vollstreckung ein, VE 21, 41
    • Ist die Pfändung von Corona-Hilfen unzulässig?, VE 21, 34
    • Wertermittlung des Verkehrswerts in Versteigerungsverfahren unter Corona-Gesichtspunkten, VE 20, 173
    • Zwangsräumung: Wenn der Schuldner unter Quarantäne steht ..., VE 20, 166
    • So pfänden Sie Corona-Überbrückungshilfen für Solo-Selbstständige und Einzelunternehmer, VE 20, 142
    • Corona-Krise ‒ Trauriger Anlass, aber: Pfänden Sie jetzt, VE 20, 73
    • Corona-Krise ‒ Wenn der Gerichtsvollzieher sich weigert, zu vollstrecken, VE 20, 73
    • So pfänden Sie Hilfen für Solo-Selbstständige und Einzelunternehmer, VE 20, 81
    • Räumungsschutz in Corona-Zeiten verlängert, VE 20, 93
    • Welche Zahlungen als Anerkennung für Beschäftigte in der Corona-Krise sind pfändbar?, VE 20, 98
    • Zweites Pandemie-Gesetz beschlossen: Das sind die Folgen für Gläubiger, VE 20, 112
    • Zwangsräumung trotz Infektionsgefahr? Ja!, VE 20, 132
    Quelle: Ausgabe 05 / 2021 | Seite 87 | ID 47284848