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  • · Fachbeitrag · Das Mehrwertsteuerchaos in der Gastronomie

    Welcher Steuersatz gilt für die Abgabe von Speisen und Getränke in einem Food-Court?

    von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dortmund

    Möglicherweise wissen Sie nicht auf Anhieb, was ein Food-Court ist? Dann sind Sie nicht allein. Bevor wir uns der umsatzsteuerlichen Behandlung von Leistungen in einem Food-Court widmen, klären wir zuallererst den Begriff. Als Food-Court bezeichnet man besonders im anglofonen Raum einen Bereich innerhalb eines Gebäudes, in dem es Verkaufsstellen verschiedener eigenständiger Restaurants und Imbisse gibt. Die Sitzplätze sind in gemeinsam genutzten Sitzgruppen zentral angeordnet. Umsatzsteuerlich ergibt sich damit die Frage, ob Lebensmittel bzw. Speisen zur Mitnahme abgegeben werden, was dann zur Anwendung des verminderten Steuersatzes führt oder ob es sich um Restaurantleistungen handelt, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Hierzu hatte der BFH aktuell zu urteilen.

     

    Sachverhalt

    Die Steuerpflichtige unterhält eine Kette sog. Fast-Food-Restaurants im Bereich der Systemgastronomie. Sie mietete gewerbliche Flächen in einem Einkaufszentrum an. Bei der Mietsache handelte es sich um eine Ladenfläche mit ca. 114 qm sowie einer Nebenfläche mit ca. 20 qm. Ein von der Vermieterin möblierter Sitz- und Verzehrbereich gehörte nicht zum Mietgegenstand.

     

    Die Fast-Food-Filiale verfügte über keinen eigenen Sitz- und Verzehrbereich und auch nicht über Sanitäreinrichtungen. Die Ladenfläche enthielt eine sog. Fast-Food-Ausgabestelle, in der die Steuerpflichtige Speisen zubereitete und über eine Verkaufstheke an Kunden gegen Entgelt abgab. Eine Kundenstehfläche, die zur mietvertraglichen Ladenfläche gehörte und die eine Freifläche vor der Verkaufstheke mit einer Tiefe von einem Meter umfasste, war für die Entgegennahme der Speisen durch die Kunden bestimmt. Die Kundenstehfläche verfügte weder über Verzehrvorrichtungen noch über ähnliches Mobiliar.

     

    Nach den Vereinbarungen zum Mietvertrag verfügte das Einkaufszentrum über Anlagen und Einrichtungen, die von den Kunden des Zentrums und Mietern gemeinschaftlich genutzt werden konnten. Hierzu gehörten neben technischen Anlagen insbesondere ein möblierter Sitz- und Verzehrbereich als sog. Food-Court und dazugehörige Toiletten.

     

    Der gemeinsame Sitz- und Verzehrbereich stand vertragsgemäß allen Kunden des Zentrums zur Mitbenutzung zur Verfügung. Ein Recht auf eine eigene besondere Nutzung einzelner Flächen des Food-Courts hatte die Fast-Food-Inhaberin nicht. Die Vermieterin übernahm keine Gewähr dafür, dass Sitzplätze für Besucher stets in ausreichender Anzahl zur Verfügung standen. Der eigentliche Sitzbereich war räumlich durch eine Erhebung, ein Geländer und Stufen vom Ausgabebereich der Fast-Food-Fläche abgetrennt.

     

    Die Kosten für den gemeinsamen Sitz- und Verzehrbereich wurden nach einer zusätzlichen Vereinbarung zum Mietvertrag „von den beteiligten Mietern gleichmäßig im Verhältnis ihrer Ladenflächen zur Gesamtladenfläche der an diese Anlagen und Einrichtungen angeschlossenen Mieter bzw. deren Nutzer getragen“.

     

    Die Steuerpflichtige bot in ihrer Filiale Speisen an, die sie in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle nicht auf Einzelbestellung eines Kunden, sondern kontinuierlich und entsprechend der allgemeinen Nachfrage zubereitete. Die Speisen wurden über eine Verkaufstheke ausschließlich mittels Einwegverpackungen an die Kunden abgegeben. Ein Kellner-Service oder eine gastronomische Bedienung waren nicht vorhanden.

     

    Finanzamt und Finanzgericht sahen im Food-Court eine der Steuerpflichtigen zuzurechnende Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur. Hiergegen wandte sich die Steuerpflichtige mit der Revision. Bei ihren Umsätzen habe es sich um steuersatzermäßigte Lieferungen von Speisen gehandelt.

     

    Entscheidung

    Der BFH entschied folgendermaßen: Die Abgabe zubereiteter Speisen im Food-Court eines Einkaufszentrums unterliegt dem regulären Steuersatz. Nur in dem Fall, dass der Kunde die Absicht äußert, die Speisen mitzunehmen und außerhalb des Food-Courts zu verzehren, kann von einem ermäßigten Steuersatz ausgegangen werden.

     

    Die Nutzung eines Food-Courts in einem Einkaufszentrum kann beim Verzehr von Speisen als überwiegendes Dienstleistungselement zum Vorliegen einer sonstigen Leistung führen. Voraussetzung ist, dass dem Durchschnittsverbraucher deutlich wird, dass der Speisenanbieter die Einräumung dieser Nutzungsmöglichkeit erkennt und diese dem Gastronomen auch zuordnet.

     

    Der BFH geht davon aus, dass für die Annahme einer sonstigen Leistung die Ausgabe von Speisen auf einem Tablett genügt. Diese Darreichung dient typischerweise dazu, es dem Kunden zu ermöglichen, die von ihm erworbenen Speisen zu einem Verzehrort in der Nähe ‒ in Streitfall dem Food-Court ‒ zu bringen und diese dort an einem Tisch mit Sitzmöglichkeit zu verzehren.

     

    Obwohl der BFH die Rechtsauffassung des Finanzgerichts teilte, hatte das Urteil des Finanzgerichts keinen Bestand. Die Rechtssache war nicht spruchreif, weil das Finanzgericht die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers noch nicht hinreichend gewürdigt hatte.

     

    Konkrete Tatsachenfeststellungen zum Durchschnittsverbraucher müssen nachgeholt werden

    Zu den für eine Zurechnung aus Verbrauchersicht maßgeblichen Umständen, wie etwa der erwähnten Tablettnutzung, hat das Finanzgericht bislang keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Es hat insoweit nur den die Speisenausgabe mit Tablett bejahenden Vortrag der Steuerpflichtigen wiedergegeben. Die Erörterung dieser für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachenfrage kann nicht im Revisionsverfahren nachgeholt werden.

     

    Das Finanzgericht wird daher bei seiner Entscheidung im zweiten Rechtsgang Folgendes zu berücksichtigen haben. Aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers deutet die Möglichkeit, die erworbenen Speisen auf einem Tablett zum Food-Court mitzunehmen, dieses dort nach dem Speisenverzehr abzugeben oder zurückzulassen, darauf hin, dass der Gastronom auch daran mitwirkt, den Kunden die Möglichkeit zur Nutzung des Food-Courts einzuräumen.

     

    Warten wir gespannt auf das Urteil des FG Düsseldorf und seine Ermittlungen zur Sicht des Durchschnittsverbrauchers.

     

    Anmerkung

    In einem weiteren aktuellen Urteil hatte sich der BFH mit der Frage auseinanderzusetzen, wie der Verkauf von Backwaren in „Vorkassenzonen“ ohne Bedienung, aber mit der Gestellung von Tischen mit Sitzgelegenheiten sowie Geschirr und Besteck umsatzsteuerlich zu beurteilen ist. Bei nur oberflächlicher Betrachtung scheint es auf immer wieder neue und schier unzählige Details anzukommen. Dies allerdings nicht bei fundierter Betrachtung. Denn die Tendenz ist eindeutig: Es handelt sich hierbei um Restaurationsleistung und damit 19 % Umsatzsteuer!

     

    Fundstelle

    Quelle: Ausgabe 03 / 2022 | Seite 165 | ID 47975112

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