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  • · Fachbeitrag · § 4 UStG

    Stromlieferung als selbstständige Hauptleistung neben steuerfreier Vermietung

    | Auch wenn Strom über eine Fotovoltaikanlage vom Vermieter erzeugt und an die Mieter geliefert wird, handelt es sich dabei im Regelfall nicht um eine unselbstständige Nebenleistung der (steuerfreien) Vermietung. Entscheidend ist, dass der Mieter die Möglichkeit hat, den Stromanbieter frei zu wählen. |

     

    Sachverhalt

    Der Steuerpflichtige vermietet mehrere Wohnungen umsatzsteuerfrei und hatte im Streitjahr auf dem Dach der Häuser Fotovoltaikanlagen installiert. Den erzeugten Strom speicherte er und lieferte ihn an die Mieter zu einem handelsüblichen Preis. Die jährliche Abrechnung erfolgte über einzelne Zähler mit einer individuellen Abrechnung für jeden Mieter. Hierzu schloss der Vermieter mit den Mietern eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag, in der u. a. geregelt war, dass der Stromlieferungsvertrag mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden kann. Für einen anderweitigen Bezug des Stroms hatte der Mieter die dafür erforderlich werden Umbaukosten (ca. 500 EUR) zu tragen.

     

    Die Vorsteuer aus den Eingangsrechnungen des Installationsbetriebs machte der Vermieter steuermindernd geltend. Das beklage Finanzamt versagte den Abzug mit der Begründung, dass die Stromlieferung eine unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Vermietung sei.

     

    Entscheidung

    Das Finanzgericht sah dies anders und gab der Klage statt.

     

    Lange Zeit hat die Rechtsprechung die Lieferung von Energie und Wasser als sog. Mietnebenkosten den Nebenleistungen zur Hauptleistung „Vermietung“ zugerechnet. Diese Auffassung wird aktuell auch weiterhin von der Finanzverwaltung im Umsatzsteuer-Anwendungserlass geteilt.

     

    In jüngerer Zeit hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rahmen seiner Entscheidung in der polnischen Rechtssache „Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie“ seine Rechtsprechung zur Abgrenzung von Hauptleistungen und Nebenleistungen einerseits und selbstständig nebeneinander stehenden (Haupt-)Leistungen andererseits fortentwickelt und konkretisiert. Er hat dabei vor allem herausgestellt, dass dann, wenn der Mieter die Möglichkeit hat, Lieferanten und/oder Nutzungsmodalitäten der in Rede stehenden Gegenstände oder Dienstleistungen auszuwählen, die Leistungen, die sich auf diese Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt anzusehen sind.

     

    Das Vorhandensein von individuellen Zählern zur Ermittlung der jeweiligen Verbrauchsmenge durch den Mieter sieht der EuGH mithin als wichtiges Indiz dafür an, dass die Lieferung von Versorgungsleistungen wie z. B. Strom als eine von der Vermietung getrennte Leistung anzusehen ist.

     

    Auch der BFH hat in seiner neueren Rechtsprechung die Rechtsauffassung des EuGH aufgegriffen und in einer Entscheidung aus dem Jahr 2015 darauf verwiesen, dass insbesondere den Mietnebenkosten zugrunde liegende Leistungen ‒ wie das Zurverfügungstellen von Wasser, Elektrizität oder Wärme ‒ über deren Verbrauch der Mieter entscheiden kann und die durch die Anbringung von individuellen Zählern kontrolliert und in Abhängigkeit des Verbrauchs abgerechnet werden, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt anzusehen sind.

     

    Im Streitfall hat der Vermieter unstreitig die Verbrauchsmenge des Stroms mit seinen Mietern über individuelle (Unter-)Zähler abgerechnet. Vor dem Hintergrund der neueren BFH- und EuGH-Rechtsprechung ist dies schon ein gewichtiges Indiz dafür hier getrennte Leistungen ‒ Vermietungsleistungen und Stromlieferung ‒ anzunehmen. Dafür spricht auch, dass der Steuerpflichtige mit seinen Mietern individuelle (Zusatz-)Vereinbarungen über die Stromlieferung abgeschlossen hat, in denen auch vom Mietvertrag abweichende Kündigungsmöglichkeiten des Stromlieferungsvertrags vorgesehen sind.

     

    Das vom Finanzamt angeführte Argument, dass die Mieter faktisch keine freie Wahl des Stromanbieters hätten, weil diese dann die ‒ entsprechend der mit dem Vermieter geschlossenen Zusatzvereinbarung ‒ erforderlichen Umbaukosten tragen müssten, ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht geeignet eine Einheitlichkeit der Leistung anzunehmen.

     

    Richtig ist zwar, dass der EuGH in seiner Entscheidung „Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie“ die Möglichkeit einer individuellen Abrechnung durch den jeweiligen Mieter deshalb angeführt hat, weil der Mieter dann anhand seines persönlichen Verbrauchs einen Stromanbieter frei wählen kann.

     

    Dies wird aber auch im Streitfall durch die zwischen Vermieter und den Mietern getroffenen Vereinbarungen nicht ausgeschlossen. Dass der Steuerpflichtige ein Interesse daran hat, dass die Mieter den Strom von ihm beziehen, hat er selbst nicht in Abrede gestellt.

     

    Wichtig ist nur, dass die Mieter die generelle Möglichkeit haben, den Stromlieferungsvertrag mit dem Steuerpflichtigen zu kündigen und zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Dass dann Umbaukosten von etwa 400 ‒ 500 EUR anfallen, erschwert einen solchen Wechsel zwar, macht ihn aber nicht unmöglich. Im Übrigen entsprach der mit dem Vermietr vereinbarte Arbeitspreis ungefähr dem von anderen Anbietern verlangten Arbeitspreis.

     

    PRAXISTIPP | Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen. Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Vermietungsleistungen und Leistungen über Nebenkosten eine einheitliche Leistung oder zwei getrennte Leistungen darstellen, hat der BFH bislang zwar angesprochen aber nicht zu entscheiden gehabt. Er hat dies lediglich unter Hinweis auf die EuGH-Sache „Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie“ angeführt. Die Finanzverwaltung wendet die Entscheidung des EuGH nicht an, sondern vertritt weiterhin die Auffassung, dass es sich bei Stromlieferungen an Mieter um eine Nebenleistung zur Hauptleistung „Vermietung“ handelt (Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE).

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 47328116