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  • · Fachbeitrag · § 3a UStG

    Umsätze einer ausländischen Zweitlotterie bei inländischer Teilnahme über das Internet

    Eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung, die im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt, liegt nicht vor, wenn bei Wettumsätzen auf eine Zweitlotterie insbesondere Spielergebnisse nicht eigenständig über Computersysteme, sondern manuell durch menschliche Arbeitskraft in das System eingepflegt werden.

     

    Hintergrund

    Unter Zweitlotterie i. S. d. § 26 Abs. 2 des Rennwett- und Lotteriegesetzes sind Veranstaltungen zu verstehen, bei denen der Veranstalter keine eigene Verlosung von Gewinnen vornimmt, sondern der Eintritt eines Gewinns oder Verlusts des Teilnehmers vom Ausgang einer anderen Lotterie (Erstlotterie) abhängt (§ 22 Abs. 3 Rennwett- und Lotteriegesetz-Durchführungsverordnung ‒ RennwLottDV).

     

    Zweitlotterien sind nach deutschem Glücksspielrecht nicht erlaubnisfähig und stellen damit unerlaubtes Glücksspiel dar. Mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 ist nochmals deutlich gemacht worden, dass solche Angebote nicht zulässig sind und verboten bleiben.

     

    Zweitlotterien dürfen nach deutschem Recht auch nicht im Internet vermittelt werden (OLG Karlsruhe 28.8.19, 9 U 1359/18). So sollen die Spielsucht bekämpft und die Teilnahme von Jugendlichen an Glücksspielen verhindert werden. Als Internetangebot sei allenfalls die Vermittlung von Sportwetten und Primärlotterien zulässig.

     

    Gegen EU-Recht verstößt Deutschland damit nicht. Jeder Mitgliedstaat darf das Schutzniveau selbst festlegen.

     

    Sachverhalt

    Die Steuerpflichtige ist eine Gesellschaft britischen Rechts in der Rechtsform einer Limited (Ltd.) mit Sitz in Großbritannien. Sie ist Inhaberin einer britischen Glücksspiellizenz und veranstaltete eine sog. Zweitlotterie. Bei dieser Lotteriewette bot die Steuerpflichtige Wetten auf die Ziehungen verschiedener terrestrischer Lotterien (sog. Erstlotterien) an. Der Spieler, der eine Chance auf einen Gewinn wie bei einer Teilnahme an einer Erstlotterie erhielt, hatte gewonnen, wenn er auf die Zahlen gewettet hatte, die die Ziehung der entsprechenden Erstlotterie ergeben hatte.

     

    Die Spieler mussten zunächst bei der Steuerpflichtigen unter Angabe persönlicher Daten, die diese prüfte, ein Kundenkonto beantragen. Ihr Spielangebot wurde durch die ausdrücklich als Vermittlerin auftretende T-Ltd. (A), die eine Internetseite betrieb, an Kunden im Inland vertrieben. Der Spieler konnte seinen Tipp entweder über die Internetseite der A oder telefonisch über den Kundendienst, der über eine deutschsprachige Telefonhotline zu erreichen war, platzieren. Der Vertrag zwischen der Steuerpflichtigen und dem Spieler kam in beiden Fällen jedoch erst zustande, wenn die Spielquittung dem Spieler per E-Mail zuging.

     

    Der elektronischen Bereitstellung der Spielquittung ging die Absicherung der Gewinnzusage durch Versicherungen oder Erwerb entsprechender Tippscheine der jeweiligen Erstlotterie voraus (sog. Hedging).

     

    Wurden die Zahlen der betreffenden Erstlotterie gezogen, ermittelte ein ca. 20 Mitarbeiter umfassendes Team das Ergebnis unter Rückgriff auf drei offizielle Veröffentlichungen. Die gezogenen Zahlen der Erstlotterie wurden manuell erfasst. Mehrere Computersysteme ermittelten anschließend unabhängig voneinander die Gewinner der Zweitlotterie. Die Ergebnisse der Berechnungen wurden manuell überprüft. Wichen die Ergebnisse voneinander ab, wurden die Abweichungen manuell untersucht. Stimmten die Ergebnisse überein, erfasste das Team die Summe der Spieleinsätze der Erstlotterien und die Anzahl der Gewinner.

     

    Anschließend berechneten die Teammitglieder die Gewinne pro Klasse und Kategorie. Neben der manuellen Berechnung wurden die Beträge parallel automatisch berechnet und vom Team geprüft, ob die Berechnungen übereinstimmten. Abweichungen wurden manuell aufgeklärt und sämtliche Gewinner, die einen Gewinnbetrag über 100.000 EUR (sog. Big-Win) erhielten, manuell identifiziert. Anschließend wurden die Gewinner mittels E-Mail benachrichtigt und die Gewinnsumme dem jeweiligen Kundenkonto gutgeschrieben. Überschritt die Gewinnsumme den Betrag von 2.500 EUR, wurde der Gewinn jedoch erst ausgezahlt, wenn die Identität des Spielers, der kontaktiert und ggf. zur Vorlage von Ausweis und Adressnachweis aufgefordert wurde, manuell geprüft worden war. Ein sog. Big-Win, bei dem zusätzlich geprüft wurde, ob Auffälligkeiten einer Auszahlung entgegenstanden, wurde manuell direkt auf das Bankkonto des Spielers überwiesen. Der Spieler wurde bei einem Big-Win durch den Kundendienst angerufen und anschließend von einem deutschen Rechtsanwalt kontaktiert.

     

    Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Steuerpflichtige mit ihrer Zweitlotterie sonstige Leistungen auf elektronischem Weg erbracht habe. Diese Umsätze seien nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG von der Steuer befreit. Bemessungsgrundlage sei der Spieleinsatz.

     

    Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die Steuerpflichtige erbringe auch durch menschliche Arbeitskraft geprägte sonstige Leistungen, sodass steuerbare, auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen i. S. d. § 3a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 Nr. 3 UStG nicht gegeben seien. Hiergegen richtet sich die Revision des Finanzamts.

     

    Entscheidung

    Die Revision des Finanzamts hielt der BFH für unbegründet. Die Umsätze der Steuerpflichtigen sind danach keine auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, sodass die Steuerpflichtige diese als sonstige Leistungen eigener Art an ihrem Unternehmensort im Ausland (§ 3a Abs. 1 Satz 1 UStG) erbracht hat.

     

    Menschliche Beteiligung bei der „eigentlichen Leistung“ erforderlich

    Für das Vorliegen einer elektronischen Dienstleistung ist darauf abzustellen, ob die menschliche Beteiligung den eigentlichen Leistungsvorgang betrifft, sodass es nicht auf

    • die (ursprüngliche) Inbetriebnahme des elektronischen Systems oder
    • dessen Wartung ankommt.

     

    Dies gilt ebenso für Leistungselemente, die nur der Vorbereitung und Sicherung der Hauptleistung dienen. Einer elektronisch erbrachten Dienstleistung steht daher nicht entgegen, dass ‒ wie vom BFH im Fall einer automatisierten Partnervermittlung bereits entschieden ‒ der Leistungserbringer über eine Beschwerde-Hotline verfügt und Personal dafür eingesetzt wird, die Interneteinträge auf Rechtsverletzungen hin zu kontrollieren und gegebenenfalls missbräuchliche Profile zu deaktivieren.

     

    „Bezahlte Leistung“ maßgeblich

    Maßgeblich für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ist, wofür der Kunde das Entgelt für die Teilnahme an der Lotteriewette bezahlt. Bei einer Wette auf eine Lotterie, bei der der Spieler an der Ziehung der Lottozahlen nicht physisch teilnimmt, kommt es dem Spieler nicht nur auf den Vorgang des Spielens, sondern maßgeblich darauf an, möglichst zu gewinnen. Der Kunde leistet seinen Spieleinsatz insbesondere dafür, dass sein

    • Gewinn zuverlässig ermittelt und
    • an ihn ausgezahlt wird, falls er gewonnen hat.

     

    Gewinnermittlung und -auszahlung durch Menschen

    Das Finanzgericht hat bei seiner Würdigung zutreffend weiter darauf abgestellt, dass die von der Steuerpflichtigen angebotene Zweitlotterie nicht autonom über die von der Steuerpflichtigen eingerichteten Computersysteme durchgeführt wurde, weil die Spielergebnisse nicht eigenständig über Computersysteme, sondern manuell in das von der Steuerpflichtigen betriebene System eingepflegt werden mussten, was über eine minimale menschliche Beteiligung hinausgehe.

     

    Zwar betrifft die menschliche Beteiligung beim Hedging und bei der Absicherung gegen betrügerische Aktivitäten bzw. dem Ausschluss nicht berechtigter Teilnehmer nicht den eigentlichen Leistungsvorgang, sondern nur die Vorbereitung und Sicherung der Hauptleistung, sodass diese menschliche Beteiligung nicht entscheidungserheblich dafür ist, ob die Leistungserbringung nur mit minimaler menschlicher Beteiligung i. S. d. Art. 7 Abs. 1 Mehrwertsteuer-Durchführungsverordnung erfolgte. Denn solche Risikosicherungsmaßnahmen stellen nicht die originäre und für den Spieler identifizierbare/wahrnehmbare sonstige Leistung dar, sondern flankieren und bereiten diese lediglich als untergeordnetes Leistungselement vor.

     

    Anders als die automatisierte Erteilung der Spielquittung über das Internet erfolgte jedoch die Feststellung der Gewinnzahlen und der Gewinner durch Mitarbeiter der Steuerpflichtigen. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ermittelten diese die Gewinnzahlen der Erstlotterie aus drei verschiedenen Publikationsquellen und gaben diese händisch in das Computersystem ein. Diese Tätigkeit im Rahmen des Spielvorgangs wurde ausschließlich persönlich und nicht auf elektronischem Weg erbracht und betraf alle Spieler, nicht nur die Gewinner.

     

    Steuerbarkeit am Unternehmensort

    Die Steuerpflichtige hat die sonstigen Leistungen als solche eigener Art an ihrem Unternehmensort im Ausland (§ 3a Abs. 1 Satz 1 UStG) erbracht.


    PRAXISTIPP | Die Steuerbarkeit der von der Steuerpflichtigen im Rahmen ihrer Zweitlotterie ausgeführten Umsätze in einem ‒ bezogen auf den Streitfall und auf das Streitjahr 2017 ‒ anderen EU-Mitgliedstaat führt auch dann nicht zu einer systemwidrigen Nichtbesteuerung dieser Leistungen, wenn diese dort in dem betreffenden Besteuerungszeitraum weder der Umsatzsteuer noch einer der Rennwett- und Lotteriesteuer vergleichbaren Steuer unterfallen sein sollten. Soweit eine Nichtbesteuerung dort gegen Unionsrecht verstoßen haben sollte, wäre hiergegen im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vorzugehen gewesen. Die Verlagerung des Leistungsorts kommt allein deshalb jedenfalls nicht in Betracht.


    Anmerkung

    Für die Besteuerung ohne Bedeutung ist die Rechtswidrigkeit von Zweitwetten in Deutschland (§ 40 AO); denn wer gesetzes- oder sittenwidrig handelt, soll nicht besser gestellt sein als der Rechtstreue.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 49060238

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