· Nachricht · Grunderwerbsteuergesetz
Verlängerung der Nachbehaltensfrist ‒ Aussetzung der Vollziehung
§ 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a. F. sah eine fünfjährige Nachbehaltensfrist bei Grundstücksübergängen innerhalb von Gesamthandverhältnissen vor. Mit dem Grunderwerbsteueränderungsgesetz 2021 wurde diese auf zehn Jahre verlängert, und § 23 GrEStG enthält zwei widersprüchliche Übergangsregelungen (§ 23 Abs. 18 vs. Abs. 24 GrEStG). § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a. F. wurde durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.2021 (BGBl I 21, 986, BStBl I 21, 838) dahingehend geändert, dass in der ab dem 1.7.2021 (Art. 2 dieses Gesetzes) geltenden Fassung die fünfjährige Nachbehaltensfrist bei dem Übergang eines Grundstücks von einer auf eine andere Gesamthand auf zehn Jahre verlängert wurde. Danach ist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG in der ab dem 1.7.2021 geltenden Fassung § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG insoweit nicht entsprechend anzuwenden, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthand vermindert, mit der Folge, dass die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer rückwirkend i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AO entfallen (BFH 12.1.22, II R 4/20). |
§ 23 Abs. 18 GrEStG sieht als Übergangsregelung vor, dass § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung ‒ d. h. mit einer Nachbehaltensfrist von zehn Jahren ‒ erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden ist, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. Danach findet die Verlängerung der Nachbehaltensfrist auf zehn Jahre im vorliegenden Fall keine Anwendung. Nach der Übergangsregelung des § 23 Abs. 24 GrEStG ist § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung nicht anzuwenden, wenn die in § 6 Abs. 3 Satz 2 in der am 30.6.2021 geltenden Fassung (a. F.) geregelte Frist vor dem 1.7.2021 abgelaufen war.
Der BFH musste nunmehr über die Aussetzung der Vollziehung eines Grunderwerbsteuerbescheids entscheiden (10.4.25, II B 54/24 AdV), ob ernstliche Zweifel an der Anwendung der auf zehn Jahre verlängerten Nachbehaltensfrist bei Vorfällen vor dem 1.7.2021 bestehen.
Sachverhalt
Eine GmbH entstand 2023 durch Formwechsel aus einer OHG, der ursprüngliche Einbringungsvorgang (2018) war noch unter der fünfjährigen Frist frei. Das FA setzte rückwirkend Steuer fest, weil die Frist nach Auffassung der Finanzverwaltung noch nicht abgelaufen war.
Nach § 23 Abs. 24 GrEStG könnte die Verlängerung der Nachbehaltensfrist auf zehn Jahre im vorliegenden Fall in Betracht kommen. Bei Geltung der fünfjährigen Nachbehaltensfrist wäre die Steuerbegünstigung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG nicht wegen des Formwechsels aus dem Jahr 2023 rückgängig zu machen gewesen. Die fünfjährige Nachbehaltensfrist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a. F., die mit dem Einbringungsvorgang in 2018 zu laufen begann, war zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen.
Das erstinstanzlich zuständige FG hob die Vollziehung auf, da unklar sei, ob die „neue“ Zehn-Jahres-Frist überhaupt auf 2018-Vorgänge anzuwenden sei.
Der BFH bestätigte ernstliche Zweifel: § 23 Abs. 18 GrEStG schließe Vorfälle vor dem 1.7.2021 aus, § 23 Abs. 24 lasse sie zu. Die Gesetzessystematik biete keine klare Lösung, sodass die Vollziehung des Steuerbescheids auszusetzen sei.
Erläuterungen
Die Übergangsregeln (§ 23 Abs. 18 vs. Abs. 24 GrEStG) sind nach Aufffassung des BFH widersprüchlich.
Im Wege einer summarischen Prüfung nach § 69 FGO genügen ernstliche Zweifel für eine Aussetzung. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Die Übergangsregelung des § 23 Abs. 24 GrEStG stehe, so der BFH, im Widerspruch zur Anwendungsregelung des § 23 Abs. 18 GrEStG, die die Verlängerung der Nachbehaltensfrist von fünf auf zehn Jahre bei Erwerbsvorgängen, die ‒ wie vorliegend ‒ vor dem 1.7.2021 stattgefunden haben, ausschließt. Wie sich § 23 Abs. 24 GrEStG zu § 23 Abs. 18 GrEStG verhält, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Aus diesem Grund bejahte der BFH ernstliche Zweifel, ob die Verlängerung der Nachbehaltensfrist auf zehn Jahre auf vor dem 1.7.2021 verwirklichten Einbringungsvorgang anwendbar ist und der Grunderwerbsteuerbescheid rechtmäßig war.
Finanzverwaltung und Steuerpflichtige müssen bei Altfällen daher sorgfältig prüfen und ggf. Bescheide vorläufig aussetzen.
Fundstelle
- BFH 10.4.25, II B 54/24, iww.de/astw, Abruf-Nr. XXXXXX