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  • · Fachbeitrag · Grunderwerbsteuer

    Steuerbefreiung bei Übergang von einer Gesamthand

    | Geht ein Grundstück von einer Gesamthand in das Alleineigentum einer an der Gesamthand beteiligten Person über, so wird die Steuer nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 GrEStG gilt dies entsprechend, wenn ein Grundstück bei der Auflösung der Gesamthand in das Alleineigentum eines Gesamthänders übergeht. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG gilt § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG insoweit nicht, als ein Gesamthänder innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat. Streitig war, ob § 6 Abs. 4 GrEStG auch dann anzuwenden ist, wenn eine Steuervermeidung nicht in Betracht kommt. |

     

    Sachverhalt

    Eine GmbH & Co. KG (KG) war seit 2006 Eigentümerin von Grundvermögen. Persönlich haftende Gesellschafterin der KG war eine GmbH, die nicht am Vermögen der KG beteiligt war. Die Klägerin wurde im Februar 2010 zunächst als Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) gegründet und firmiert seit November 2013 als GmbH. Einzeln vertretungsberechtigter Geschäftsführer war und ist der Insolvenzverwalter R. Durch notarielle Verträge vom 22.2.2010 erwarb die Klägerin sämtliche Kommanditanteile an der KG sowie sämtliche Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH. Sie bestellte R zum einzeln vertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH. Beim Finanzamt gingen am 5.5.2010 die diesbezügliche Veräußerungsanzeige der Klägerin nach dem Grunderwerbsteuergesetz, am 17.6.2010 die notariellen Verträge ein.

     

    Auf Eigenantrag eröffnete das Amtsgericht am 2.8.2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG und ordnete Eigenverwaltung nach § 270 InsO an. Am 30.9.2010 eröffnete es das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH. Im Rahmen eines Insolvenzplans wurde die Kapitaldienstfähigkeit der KG wiederhergestellt. Mit Beschluss vom 26.4.2012 hob das Amtsgericht das Insolvenzverfahren auf.

     

    Nachdem für den Kaufvertrag vom 22.2.2010 gesonderte Feststellungen nach § 17 GrEStG und des Grundbesitzwerts ergangen waren, setzte das FA zunächst gegen die KG wegen des Anteilserwerbs der Klägerin an der KG (Erwerb vom 22.2.10) Grunderwerbsteuer fest. Diese Steuer wurde nicht (mehr) entrichtet. Am 1.2.2013 wurde das Erlöschen der KG im Handelsregister eingetragen.

     

    Nach Eingang eines notariellen Grundbuchberichtigungsantrags wegen des Übergangs des Gesellschaftsvermögens der KG am 30.9.2010 auf die Klägerin nach § 738 BGB setzte das FA für diesen Vorgang unter Berufung auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG im Wege der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer für eine auf den 30.9.2010 datierte Anwachsung fest.

     

    Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab.

     

    Entscheidung

    Die Revision war erfolgreich. § 6 Abs. 2 Satz 2 GrEStG, der eine Steuerbefreiung anordnet, wenn ein Grundstück bei der Auflösung der Gesamthand in das Alleineigentum eines Gesamthänders übergeht, war im Streitfall anwendbar. Die Anwachsung begründet einen solchen Übergang. Der Anteil für die Nichterhebung der Steuer beträgt 100 %, weil die Klägerin als Kommanditistin zu 100 % und die ausgeschiedene Komplementär-GmbH zu 0 % am Vermögen der KG beteiligt war.

     

    Die Klägerin hatte ihre Kommanditbeteiligung an der KG zwar innerhalb der Fünfjahresfrist erworben. Es entspreche jedoch, so der BFH, ständiger Rechtsprechung, dass § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG gegen den Wortlaut teleologisch zu reduzieren sei.

     

    § 6 Abs. 4 GrEStG sei eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift. Dabei sei nicht maßgebend, ob (subjektiv) im Einzelfall eine Steuerumgehung beabsichtigt gewesen sei. Allein das abstrakte Missbrauchspotenzial sei Maßstab für die Auslegung des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG einschließlich der teleologischen Reduktion.

     

    Die Klägerin hatte am 22.2.2010 sämtliche Geschäftsanteile der KG erworben. Dieser Vorgang war nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar. Das bedeutet, dass die Überführung der Grundstücke in den grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich der Klägerin bereits der Grunderwerbsteuer unterlag. Dementsprechend war es unzulässig, die spätere Anwachsung erneut der Besteuerung zu unterwerfen, auch wenn dieser Steueranspruch durchsetzbar gewesen wäre. Schwierigkeiten bei Festsetzung und Erhebung dieser Grunderwerbsteuer seien für die Reichweite des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG nicht von Bedeutung.

     

    Erläuterungen

    Nicht maßgebend ist, ob (subjektiv) im Einzelfall eine Steuerumgehung beabsichtigt war. § 6 Abs. 4 GrEStG soll Steuerumgehungen durch die Kombination eines außerhalb von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht steuerbaren Wechsels im Gesellschafterbestand einer Gesamthand und der nachfolgenden nach § 6 GrEStG begünstigten Übernahme von Grundstücken aus dem Gesamthandsvermögen durch den „neuen“ Gesellschafter verhindern. Eine teleologische Reduktion knüpft an das abstrakte Missbrauchspotenzial der Gestaltung an, auf die § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG zielt. Das ist die Kombination eines nicht steuerbaren Erwerbs einer Beteiligung an einer Gesamthand mit einer steuerbefreiten Grundstücksübernahme aus dem Vermögen der Gesamthand.

     

    In Fallgestaltungen ohne Missbrauchserkennung wird § 6 Abs. 4 GrEStG nicht anzuwenden sein. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ist deshalb ‒ wie der BFH nunmehr klarstellte ‒ nur anzuwenden, wenn und soweit der das Grundstück von der Gesamthand erwerbende Gesamthänder seit dem Erwerb des Grundstücks durch die Gesamthand einen Anteil erlangt hat, der über seinen Anteil im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch die Gesamthand hinaus geht. Dies traf im Besprechungsfall nicht zu.

     

    § 6 Abs. 4 GrEStG dürfte auch in Fällen gelten, in denen der Gesellschafter vorhanden war, nicht aber das Grundstück, das erst zu einem späteren Zeitpunkt erworben wurde (Weilbach, GrEStG, § 6 Rz. 22). Gleichermaßen könnten auch Fälle, in denen eine zuerst erfolgte unentgeltliche Übertragung nicht zur Grunderwerbsteuer führte, im zweiten Schritt nicht zur Anwendung des § 6 Abs. 4 GrEStG führen (FG Hamburg 3.7.2018, 3 K 198/17, EFG 18, 1736). Das Revisionsverfahren hierzu ist allerdings noch anhängig (II R 30/18).

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 47054176

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