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Abgrenzung von Leistungen der Kapitalgesellschaft und Rückzahlung von Nennkapital
| § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG bestimmt, dass Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von Nennkapital i.S. des § 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 KStG n.F. 2002 das steuerliche Einlagekonto unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung nur mindern, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (Einlagenrückgewähr). Die Rangfolge des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG steht damit nicht zur Disposition der Gesellschafter. Liegt dagegen eine Herabsetzung von Nennkapital nach § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG vor, ist diese grundsätzlich mit dem Einlagenkonto zu verrechnen. Die Rückzahlung des Nennkapitals gilt, soweit nicht der Sonderausweis zu mindern ist, nicht als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt. Ein den Sonderausweis übersteigender Betrag ist vom positiven Bestand des steuerlichen Einlagekontos abzuziehen (§ 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 n.F.). Streitig war, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit eine Rückzahlung von Nennkapital in Betracht kommt. |
Sachverhalt
Die Gesellschafterversammlung einer GmbH (Klägerin) beschloss im Oktober 2006 die Herabsetzung des Stammkapitals der Klägerin um 16 Mio. EUR auf 1 Mio. EUR. Wörtlich heißt es: „1... Die Herabsetzung des Stammkapitals dient der Anpassung der Kapitalstruktur und der Einstellung in die Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 HGB. 2. Zur Durchführung der Herabsetzung des Stammkapitals wird die Stammeinlage in Höhe von 16.000.000,00 EUR in die Kapitalrücklagen eingestellt.” Nach einer für den Vorstand der B im November 2007 gefertigten Vorlage sollte durch die Herabsetzung des Stammkapitals eine Reduzierung des in der Klägerin vorhandenen Eigenkapitals ermöglicht und zugleich die Einhaltung der „Unwesentlichkeitsgrenzen” sichergestellt werden. Die Reduzierung sei inzwischen vollzogen worden (Eintragung im Handelsregister am ... November 2007), sodass die Voraussetzungen für eine Rückzahlung aus der Kapitalrücklage erfüllt seien. Eine Reduzierung des Eigenkapitals um 4 Mio. EUR sei ausreichend, um die Wesentlichkeitsgrenze einzuhalten. Eine entsprechende Zahlung aus der Kapitalrücklage an die Gesellschafterin B erfolgte noch in 2007 (Gesellschafterbeschluss vom ... November 2007). Die Erklärung der Klägerin zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2007 wies einen Bestand von 12 Mio. EUR aus (Kapitalherabsetzung: 16 Mio. EUR, ausgezahlter Betrag 4 Mio. EUR; zum 31.12.2006 betrug der Bestand 0 EUR).
Das FA vertrat die Auffassung, die Zahlung i.H.v. 4 Mio. stelle keine begünstigte Leistung i.S. des § 28 Abs. 2 KStG 2002 n.F. dar, da im Beschluss über die Kapitalherabsetzung vom Oktober 2006 die Auskehrung an die Anteilseignerin nicht vorgesehen und insoweit kein Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto möglich sei. Die Klage beim FG blieb erfolglos.
Entscheidung
Die Revision beim BFH war erfolgreich. Das FG hat die Rückzahlung von 4 Mio. EUR zu Unrecht nicht nach § 28 Abs. 2 KStG 2002 n.F. vom steuerlichen Einlagekonto abgezogen. Eine Rückzahlung des Nennkapitals nach Vornahme einer Nennkapitalherabsetzung ermöglicht einen Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto. Bei der Herabsetzung von Nennkapital i.S.v. § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG ist - nach Minderung eines etwaigen Sonderausweises zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs - der (übersteigende) Betrag dem steuerlichen Einlagekonto gutzuschreiben, soweit die Einlage in das Nennkapital geleistet ist. Damit eine Rückzahlung von Nennkapital angenommen werden kann, muss nach der Entscheidung des BFH lediglich feststehen, dass die entsprechende Leistung der Kapitalgesellschaft darauf gerichtet ist, den Herabsetzungsbetrag auszuzahlen. Dies ist anhand des Herabsetzungsbeschlusses und unter Würdigung der weiteren tatsächlichen Umstände festzustellen. Die beschlossene Kapitalherabsetzung habe die Rückzahlung aus der Kapitalrücklage vorbereiten und ermöglichen sollen. Auch, wenn die Rückzahlung nicht bereits mit der Herabsetzung beschlossen wurde, da im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch keine Klarheit über die Höhe des auszukehrenden Betrags bestanden hat, hindert dies nicht die Annahme eines mit dem Herabsetzungsbeschluss verbundenen Rückzahlungsbeschlusses. § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. sei nicht zu entnehmen, dass die Rückzahlung oder der Rückzahlungsbetrag Inhalt des Herabsetzungsbeschlusses sein müsse. Die Anwendungsbereiche des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. und des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002 n.F. seien voneinander abzugrenzen, wobei dem Tatbestand des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. nach der gesetzlichen Systematik Vorrang eingeräumt werde: Eine Leistung i.S. des § 27 Abs. 1 KStG liege nur vor, wenn keine Rückzahlung von Nennkapital i.S. von § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG anzunehmen ist. Die „Rückzahlung von Nennkapital“, die im Wesentlichen einen einschränkungslosen Zugriff auf den Bestand des Einlagekontos ermögliche („Direktzugriff“), löse die Rechtsfolgen einer Dividendenausschüttung grundsätzlich nicht aus.
Soweit der Zahlungsbetrag daher wie im Falle einer ordentlichen Kapitalherabsetzung als Rückzahlung an die Anteilseigner identifizierbar und eine (freie) Bestimmung über die Rechtsfolgen einer Leistung der Kapitalgesellschaft ausgeschlossen ist, lässt das Gesetz eine (unmittelbare) Minderung des um den Betrag der Herabsetzung des Nennkapitals zunächst erhöhten Einlagekontos zu.
Diese Minderung muss sich nicht auf das Jahr der Gutschrift auf dem Einlagekonto kraft Wirksamwerden des Herabsetzungsbeschlusses beziehen.
PRAXISHINWEISE | Ausreichend ist somit, dass die entsprechende Leistung der Kapitalgesellschaft darauf gerichtet ist, den Herabsetzungsbetrag auszuzahlen, damit eine Verwendung des Einlagenkontos nach § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG in Betracht kommt. Dies ist nach Auffassung des BFH anhand des Herabsetzungsbeschlusses und unter Würdigung der weiteren objektiven tatsächlichen Umstände festzustellen. Die Rückzahlung muss nicht bereits mit der Herabsetzung beschlossen worden sein.
Praktisch bedeutsam ist zudem, dass einer (nachträglichen) Auslegung in diesem Sinne nicht entgegensteht, dass die Kapitalgesellschaft zunächst keine Bescheinigung über die Verwendung des steuerlichen Einlagenkontos (oder eine mit 0 EUR) erstellt hat. § 27 Abs. 5 KStG verhindert zwar im Falle einer zu niedrigen Bescheinigung im Falle von Leistungen der Kapitalgesellschaft eine nachträgliche Korrektur zugunsten der Anteilseigner. § 27 Abs. 5 KStG verhindert indes keine nachträglich andere Beurteilung in den Fällen des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG. Denn Adressat der Regelung in § 27 Abs. 5 KStG ist der Anteilseigner. Die Herabsetzung des Nennkapitals und die Ableitung der in § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG genannten Rechtsfolgen sind hiervon zu trennen. |
Fundstelle
- BFH 21.10.14, I R 31/13, astw.iww.de, Abruf-Nr. 174995