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  • · Nachricht · § 32d EStG

    Abgeltungsteuersatz bei Darlehen zwischen nahen Angehörigen

    | Der gesonderte Abgeltungssteuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 % findet u.a. keine Anwendung auf Kapitalerträge, die aus Darlehensverhältnissen herrühren, in denen Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen sind, soweit beim Schuldner der Kapitalerträge ein Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug bei der Ermittlung inländischer Einkünfte stattfindet (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a EStG). |

     

    Was unter dem Begriff der „nahestehenden Person“ zu verstehen ist, wird im Einkommensteuergesetz selbst nicht geregelt. Nach dem Wortsinn fallen unter den Begriff der „nahestehenden Person“ alle natürlichen und juristischen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Hierzu gehören nach Auffassung der Finanzverwaltung auch Angehörige i.S. des § 15 AO, da bei diesem Personenkreis bereits das auf der Verwandtschaft, dem Verlöbnis oder der Eheschließung beruhende Näheverhältnis auf eine enge Bindung schließen lässt (BMF-Schreiben v. 9.10.2012, IV C 1 ‒ S 2252/10/10013, BStBl. I 2012, 953 Rz. 136).

     

    Diese weite Auslegung des gesetzlichen Tatbestands widerspricht nach Auffassung des BFH jedoch dem Willen des Gesetzgebers, den er in der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zum Ausdruck gebracht hat (BTDrucks 16/4841, 61). Danach soll ein Näheverhältnis nur dann vorliegen, wenn

     

    • die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder
    • umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder
    • eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder
    • die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder
    • die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder
    • wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat.

    Dagegen reicht ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse nicht aus, um ein Näheverhältnis i.S. der vorgenannten Vorschrift zu begründen.

     

    Der BFH machte zudem deutlich, dass eine mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbare Diskriminierung der Familie vorläge, wenn der Ausschluss des gesonderten Steuertarifs für Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausschließlich an bestimmte enge familienrechtliche Beziehungen i.S. des § 15 AO geknüpft und ‒ anders als bei fremden Dritten ‒ auch dann eintreten würde, wenn der Darlehensvertrag einem Fremdvergleich standhält. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Sachverhaltsmerkmale der Darlehensgewährung vom Üblichen abweichen, sodass nicht bereits aufgrund der fehlenden Besicherung und Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes geschlossen werden kann.

     

    Eine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes für Angehörige i.S. des §15 AO ergibt sich ferner auch nicht aus einem Gesamtbelastungsvorteil, der entstehen kann, wenn die Entlastung des Darlehensnehmers durch den Schuldzinsenabzug höher ist als die steuerliche Belastung des Darlehensgebers. Denn Ehe und Familie als solche begründen bei der Einkünfteermittlung keine Vermögensgemeinschaft. Das „nahe persönliche Verhältnis“ führt nicht notwendig oder typischerweise zu einer Wirtschaftsgemeinschaft oder einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, durch die Familienangehörige in die Rolle unselbständiger „Strohmänner“ gedrängt würden.

     

    Entsprechend hat der VIII Senat des BFH in drei Entscheidungen v. 29.4.2014 den Ausschluss der Anwendung des Abgeltungssteuersatzes verneint. Konkret ging es um Darlehensgewährungen von Eltern an ihren Sohn und an ihre Enkel (Az. VIII R 9/13) sowie um eine Darlehensgewährung des Ehemannes an seine Ehefrau und seine Kinder (Az. VIII R 44/13) jeweils zur Anschaffung von fremd vermieteten Immobilien durch die Darlehensnehmer. Im Streitfall VIII R 35/13 stundete die Steuerpflichtige ihrem Bruder den zu verzinsenden Kaufpreis für die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen.

     

    Hinweis | Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf diese den Anwendungsbereich der Vorschrift wesentlich einengende Sicht des BFH reagieren wird, die in der Besteuerungspraxis nun in jedem Einzelfall zusätzliche Feststellungen zu ggf. bestehenden Abhängigkeiten erfordert. Vor dem Hintergrund ist es nicht auszuschließen, dass die Entscheidungen ggf. mit einem Nichtanwendungserlass belegt werden und eine entsprechende Gesetzesänderung an die bisherige Verwaltungssicht initiiert wird.

    Fundstelle

     

    Abgeltungssteuersatz bei Darlehensgewährung an eine GmbH

    Bei Darlehensgewährung an eine GmbH, an der der Darlehensgeber zu mindestens 10 % beteiligt ist, ist die Anwendung des gesonderten Steuersatzes (§ 32d Abs. 1 EStG) ausgeschlossen, d.h. die Darlehenszinsen unterliegen der tariflichen Besteuerung (§ 32d Abs. 2.Nr. 1 Buchstabe b Satz 1 EStG).

     

    Diese gesetzliche Regelung bei Gesellschafter ‒ Fremdfinanzierung verstößt nach Auffassung des BFH nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn die mit der Regelung manifestierte Ungleichbehandlung von Darlehensgebern, die an der darlehensnehmenden Kapitalgesellschaft zu mindestens 10 % beteiligt sind, im Vergleich zu den durch den Abgeltungsteuersatz begünstigten Steuerpflichtigen findet ihre Rechtfertigung darin, dass bei der Finanzierung einer im Inland ansässigen GmbH keine Gefahr besteht, dass Kapital in das niedrig besteuerte Ausland verlagert wird. Da durch die Einführung des Abgeltungsteuersatzes aber gerade solche Verlagerungen verhindert werden sollten, würde durch eine Privilegierung der (inländischen) Gesellschafterfremdfinanzierung das gesetzgeberische Ziel verfehlt.

     

    Die Anwendung des allgemeinen (höheren) Steuertarifs führt auch nicht zu einer Ungleichheit, sondern stellt im Hinblick auf die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eine größere Gleichheit her. Letztlich hat der BFH auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Beteiligungsgrenze von 10 %.

     

    Fundstelle

     

    Völlig anders sieht der BFH dies jedoch für den Anwendungsbereich von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b Satz 2 EStG. Nach dieser Regelung ist die tarifliche Besteuerung auch dann anzuwenden, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahe stehende Person ist.

     

    Hier darf nicht - wie von der Finanzverwaltung und Teilen der Finanzgerichtsbarkeit bislang praktiziert ‒ für die Anwendung der tariflichen Besteuerung auf das bloße Angehörigenverhältnis abgestellt werden. Vielmehr liegt das vom Gesetz geforderte Näheverhältnis nur vor, wenn eine der Vertragsparteien einen beherrschenden oder außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausüben kann oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat.

     

    Insoweit greift der BFH auf die Grundsätze zurück, die er zu Darlehen zwischen Angehörigen in den vorstehend erläuterten Entscheidungen v. 29.4.2014, VIII R 9/13; VIII R 44/13 u. VIII R 35/13 aufgestellt hat.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 42925419