· Nachricht · § 2 EG-Richtlinie
Organschaft und Vorsteuerabzug einer Führungsholding
| Der EuGH hat zum Umfang des Vorsteuerabzugs einer sog. Führungsholding sowie zu der Frage, ob eine Personengesellschaft Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein kann, Stellung genommen. |
Bei der Holding ist zu unterscheiden:
- Eine Holding, deren Zweck sich auf das Halten und Verwalten einer oder mehrerer gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen beschränkt und die keine Leistungen gegen Entgelt erbringt (sog. Finanzholding), gilt umsatzsteuerrechtlich nicht als Unternehmer.
- Eine Holding, die über das Halten von Beteiligungen an einer oder mehrerer Tochtergesellschaften hinaus auch aktiv in das laufende Tagesgeschäft dieser Tochtergesellschaft(en) eingreift und die an ihre Tochtergesellschaft(en) entgeltliche Leistungen erbringt (sog. Führungsholding), gilt dagegen als Unternehmer.
Auch eine nicht unternehmerisch tätige sog. Finanzholding hätte allerdings ein Recht zum Vorsteuerabzug, wenn ihr als Organträgerin die steuerpflichtigen Umsätze der Organgesellschaft (Tochtergesellschaft) im Wege der Organschaft zugerechnet werden könnten. Nach deutschem Recht ist das nicht möglich, weil nur juristische Personen als Organgesellschaft in Betracht kommen. Das EU-Recht enthält diese Einschränkung allerdings nicht.
Sachverhalt
Im Verfahren C-108/14 hält die Klägerin als Kommanditistin 98 % der Anteile an zwei Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, die jeweils ein Handelsschiff betreiben. Für die Gesellschaften erbringt die Klägerin als sog. Führungsholding entgeltlich administrative und betriebswirtschaftliche Dienstleistungen. Zur Finanzierung des Erwerbs der beiden Beteiligungen und zur Ausführung der entgeltlichen Dienstleistungen warb die Klägerin Kapital mithilfe einer fremden GmbH ein. Hierbei und für die Erstellung eines Prospektgutachtens durch eine weitere GmbH entstanden Vorsteuerbeträge, die die Klägerin vollständig abziehen wollte und die das Finanzamt nur zu 22 % zum Abzug zuließ. Das von der Klägerin insgesamt eingeworbene Kapital diene in Höhe von ca. 78 % ihrem nicht wirtschaftlichen Bereich des Haltens von Anteilen an den Tochtergesellschaften, für den ein Vorsteuerabzug ausscheide.
Vorsteuerabzug der Holding
- Soweit die Führungsholding in die Verwaltung der Tochtergesellschaften eingreift und damit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, kann sie die bezahlte Umsatzsteuer vollständig abziehen.
- Soweit die Führungsholding nur bei einigen Tochtergesellschaften in die Verwaltung eingreift, hinsichtlich der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind die Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligungen nur zum Teil als allgemeine Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen. Die bezahlte Mehrwertsteuer kann nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit anhaftenden Kosten abgezogen werden. Die Vorsteueraufteilung richtet sich nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien.
Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Organschaftsregelung
- Grundsätzlich verstößt eine nationale Regelung, nach der nur juristische Personen Organgesellschaften sein können, gegen Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie.
- Schließlich hat der EuGH noch entschieden, dass Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie kein unmittelbares Berufungsrecht eröffnet. Die in der Bestimmung aufgestellte Voraussetzung, nach der die Bildung einer Organschaft davon abhängt, dass zwischen den betreffenden Personen enge Verbindungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht bestehen, bedarf nach dem Urteil einer Präzisierung auf nationaler Ebene. Die Vorschrift hat insoweit einen bedingten Charakter. Eine unmittelbare Berufung auf die günstigere EU-Richtlinie ist daher nicht möglich.
PRAXISHINWEIS | 1. Vorsteuerabzug der Holding Der EuGH hat klargestellt, dass für die Fälle der entgeltlichen Verwaltungs-tätigkeit bei der Holding nur eine Sphäre (wirtschaftlicher Bereich) vorliegt. Ein nur anteiliger Vorsteuerabzug nach einem Investitionsschlüssel, Umsatzschlüssel oder einem anderen geeigneten Aufteilungsschlüssel kommt nur für den Fall in Betracht, dass die Beteiligungskosten auch Tochtergesellschaften betreffen, denen gegenüber die Holding keine Managementleistungen erbringt.
2. Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Organschaftsregelung Der EuGH hat die bisherige im deutschen Recht geregelte Beschränkung auf juristische Personen sowie das geforderte Über-/Unterordnungsverhältnis unter die Bedingung gestellt, dass eine solche Ausprägung erforderlich ist, um Steuerhinterziehungen bzw. -umgehungen zu vermeiden.
Diese Voraussetzung mag sich beim Über-/Unterordnungsverhältnis noch begründen lassen. Denn dem Institut der Organschaft ist auch immanent, dass die Verwaltung sich an eine (einzige) steuerlich für andere mitverantwortliche Einrichtung, den Organträger, richten kann.
Der bisherige Ausschluss von Personengesellschaften aus der Organschaft (und ggf. auch Einzelunternehmern) dürfte nach dem EuGH-Urteil mit Gründen der Vermeidung von Steuerhinterziehung/Steuerumgehung wohl nicht so leicht zu rechtfertigen sein. Für die betroffenen Steuerpflichtigen besteht daher folgende unbefriedigende Situation:
Es bleibt daher nur zu hoffen, dass der Gesetzgeber die deutsche Organschaftsregelung möglichst zeitnah anpasst. |
FundstelleN
- EuGH 16.7.15, Rs. C-108/14, Larentia + Minerva, EU-UStB 2015, 47, astw.iww.de, Abruf-Nr. 179903
- EuGH 16.7.15, Rs. C-109/14, Larentia + Minerva, EU-UStB 2015, 47, astw.iww.de, Abruf-Nr. 145529