25.09.2013
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 07.06.2013 – 5 K 190/10
1. Ein für Statistikzwecke
vorgesehenes Zolldokument eines im Drittland ansässigen
Zollamtes/Ministeriums kann nicht als Ausfuhrbestätigung
gem. § 9 Abs. 1 Ziff. 4 UStDV anerkannt werden.
2. Eine Urkunde, die die Anschrift des unterzeichnenden
Spediteurs nicht benennt, kann nicht als ausreichendes Beförderungs-
oder Versendungsdokument gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 oder 2
UStDV anerkannt werden.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Lieferung eines Pkw als
umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferung zu behandeln ist.
Gegenstand des von der Klägerin im Januar 2009 unter
der Firma A GmbH gegründeten und seinerzeit in B betriebenen
Unternehmens ist der Gerüstbau, Hochbau und Transport.
Die Klägerin erwarb im Februar 2009 von der C AG einen
Mercedes-Benz mit Erstzulassung ... 2008. Mit Rechnung vom 25.02.2009
wurde der Klägerin ein Betrag von 61.260,51 € zzgl.
19 % USt für einen Mercedes Benz S 350 CDI... mit
der Fahrgestellnummer ... in Rechnung gestellt. In dem zusätzlich
ausgestellten sog. Torpass ebenso wie in den Zahlungsbelegen wurde
das Fahrzeug als ”...S 320...” bezeichnet.
Bis zum Juli 2009 befand sich das Fahrzeug in dem Unternehmen
der Klägerin. Der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb wurde im
Februar 2009 (auf S. 2 der Einspruchsentscheidung wohl versehentlich
genannt: Februar 2010) geltend gemacht.
Unter dem
08.07.2009 erstellte die Klägerin über den
besagten Mercedes - wieder unter Bezeichnung als „S 350” -
unter Angabe des Kennzeichens X-1 eine Rechnung an D in E über
eine Gesamtsumme von 64.000 € ohne berechnete oder ausgewiesene
Umsatzsteuer mit dem Hinweis auf eine umsatzsteuerfreie Lieferung
nach Mazedonien (Umsatzsteuerakte - UStA - Bl. 23, Quittungsbeleg
vom 08.07.2009 - unter Angabe „von D” Anlage zum
Schriftsatz der Klägerin vom 30.10.2012).
Im Rahmen einer im September 2009 bei dem Finanzamt F begonnenen Umsatzsteuersonderprüfung
(Bericht vom 04.12.2009 UStA Bl. 37) legte die Klägerin
in Kopie ein in kyrillischer Schrift ausgestelltes Zolldokument
(UStA Bl. 24) sowie ein später von dem Finanzamt F wieder
zurückgegebenes Original (s. Schreiben der Klägerin
und Aktenvermerk UStA Bl. 25) vor. Nach der im finanzgerichtlichen
Verfahren vorgelegten Übersetzung (nebst Vorlage des Originals
des Dokuments, Anlage zum Schriftsatz vom 30.11.2012) handelt es sich
um eine Erklärung betreffend den Ausführer ”...
B Deutschland” unter Angabe von D in E als Empfänger
und - neben der Spedition G - als Erklärungspflichtiger/Vertreter
sowie Bezeichnung des Zollamts H als Bestimmungszollamt. Das Formular
trägt (auf der Vorderseite) unter dem aufgedruckten Datum
10.07.2009 und der Ortsangabe „H” die Unterschrift
des namentlich benannten Vertreters der Spedition G nebst Stempelabdruck
sowie in der nebenliegenden Spalte „S” neben dem
Hinweis „Kontrolle des zuständigen Zollamts” einen
Stempelaufdruck bezeichnend das Ministerium der Finanzen der Republik
Mazedonien. An der linken Seite des Formulars ist dieses mit der
Nummer 7 gekennzeichnet und - insoweit nicht übersetzt
- mit weiteren kyrillischen Erläuterungen versehen.
Die Prüferin und ihr folgend das Finanzamt erkannten
die Umsatzsteuerfreiheit mit der Begründung nicht an, dass
seit dem 01.07.2009 die Pflicht zur Teilnahme an dem elektronischen
Atlasverfahren für die Ausfuhr bestehe und mithin der elektronische
Ausfuhrbeleg vorzulegen sei. Demzufolge berücksichtigte das
Finanzamt entgegen der Umsatzsteuervoranmeldung - der das Finanzamt zugestimmt
hatte (Gerichtsakte - GA - Bl. 36) - in dem gem. § 164
Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid über
die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den
Monat Juli 2009 (GA Bl. 37) vom 29.12.2009 die aus dem Rechnungsbetrag
herausgerechnete Umsatzsteuer in Höhe von 10.218,39 € zzgl.
einer von der Klägerin bislang ebenfalls nicht berücksichtigten
Umsatzsteuer von 940,50 € für die unentgeltliche
Wertabgabe infolge unentgeltlicher Verwendung des Fahrzeugs für
nichtunternehmerische Zwecke in der Zeit von Februar bis Juli in
Höhe von 4.950 €.
Gegen den Änderungsbescheid legte die Klägerin mit am 20.01.2010
eingegangenen Schreiben Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung
vom 11.08.2010 als unbegründet zurückwies. Der
Beklagte wies nochmals auf den fehlenden elektronischen Ausgangsvermerk
und zudem auf die - seinerzeit - fehlende Übersetzung des
Belegs in kyrillischer Schrift hin.
Nach Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes vom Januar 2011 war bzw.
ist das in Rede stehende Fahrzeug vom 13.02.2009 bis zum „31.12.9999” im
Inland mit dem Kennzeichen X-1 zugelassen (Anlage zum Schriftsatz
des Beklagten vom 09.02.2011). Nach der Erläuterung ist
mangels anderweitiger Belege für das Enddatum der Zulassung,
das bei aktuell zugelassenen oder außer Betrieb gesetzten
Fahrzeugen normalerweise nicht belegt sei, und aus programmtechnischen
Gründen ein fiktives Enddatum eingesetzt worden.
Die Klägerin hat am 10.09.2010 Klage erhoben.
Am 13.02.2013 hat die Klägerin bei dem - zwischenzeitlich
zuständig gewordenen - Finanzamt Hamburg-1 eine Umsatzsteuerjahreserklärung
für 2009 eingereicht, aus der sich ein Erstattungsanspruch
in Höhe von 125,90 € ergibt. Eine Jahresfestsetzung
ist noch nicht erfolgt.
Die Klägerin trägt vor:
Der Beklagte dürfe objektiv eindeutige Nachweise anderer
Art als des genannten elektronischen Ausfuhrbelegs nicht außer
Acht lassen. Das Fahrzeug sei bei der Klägerin abgeholt
worden, nach der Erinnerung des Geschäftsführers
von einem Mazedonier. Es obliege nicht der Pflicht des Geschäftsführers
zu prüfen, ob der Abholer das Fahrzeug allein oder in Begleitung
ausführe. Die Klägerin habe einen Antrag auf Bewilligung
als zugelassener Ausführer für das in Rede stehende
Fahrzeug gestellt (Anlage zum Schriftsatz vom 12.01.2011); dieser Antrag
sei indes wegen Fehlens bestimmter Angaben zwischenzeitlich verfallen.
Die Rechnung in Verbindung mit der Barzahlungsquittung sei auch
ohne schriftliche Kontierung auf der Belegkopie ausreichender Buchungsbeleg,
da sich aufgrund der Sortierung der Buchhaltung die Verbuchung leicht
und eindeutig nachvollziehen lasse; dies habe auch der seinerzeitige
Betriebsprüfer festgestellt. Die Klägerin hat
zudem ein Schreiben vom 07.10.2009 an die Kraftfahrzeugzulassung
F betr. die Abmeldung des Fahrzeugs X-1 zum ... 2009 (Anlage zum
Schriftsatz vom 05.05.2011, Gerichtsakte Bl. 24), einen Kraftfahrzeugsteuerbescheid
des Finanzamts F
vom 02.11.2009 betreffend das auf das Kennzeichen X-1 zugelassene
Fahrzeug für die Zeit vom 19.02.2009 bis zum 12.07.2009
nebst Kontoauszug vom 06.11.2009 (Gutschrift) sowie eine Beitragsrechnung
der Versicherung-1 für 2010 vom Oktober 2009 (Anlagen zum
Schriftsatz vom 30.10.2012) vorgelegt. Sie hat darüber
hinaus die (nicht beglaubigte) Kopie eines Fahrzeugscheins über
einen Mercedes 320 CDI mit der Fahrgestellnummer ... nebst Übersetzung
eingereicht (Anlage zum Schriftsatz vom 05.11.2012). Danach ist
als Eigentümer des Fahrzeugs D in E, als Tag der ersten
Zulassung der ... 2009 und als Tag der Zulassung und Ausstellung
des Fahrzeugscheins in E der ... 2012 genannt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung
für den Monat Juli 2009 vom 29.12.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 11.08.2010 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer
unter Außerachtlassung eines Nettoumsatzes von 53.781 € und
unter Herabsetzung des Nettobetrags für unentgeltliche
Wertabgaben um 4.290 € neu festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Die Barzahlungsquittung vom 08.07.2009 sei kein - grundsätzlich
bis zur Voranmeldung zu erstellender - buchmäßiger
Nachweis, da sie den üblichen Buchungsvermerk nicht enthalte;
zudem weiche die hier angegebene Schreibweise des angeblichen Käufers
von derjenigen in der Rechnung ab. Die vorgelegte Zollbescheinigung
werfe zahlreiche Fragen auf. Zum einen werde hier ”... B” genannt,
während nach Angaben der Klägerin ein ihr bekannter
Mazedonier das Fahrzeug abgeholt habe. Eine Grenzzollstelle stelle
zudem eine Bestätigung nur aus, wenn für den Pkw
ein Ausfuhrkennzeichen und der internationale Zulassungsschein vorgelegt
werde. Darüber hinaus sei die Bescheinigung nicht von einem
Zollamt eines Mitgliedstaates ausgestellt worden, sondern von dem Zollamt
H. Vor diesem Hintergrund könne es eine Ausfuhrbescheinigung
im Streitfall gar nicht geben bzw. könne die Bescheinigung
nicht echt sein. Zudem sei der Stempel auf der falschen Seite angebracht.
Die Belege der Zulassungsstelle bzw. des Finanzamts F und der Versicherung
führten nicht weiter, da sie nicht erklärten,
wie und durch wen das Fahrzeug nach Mazedonien gelangt sei.
Dem Senat haben Band I der Rechtsbehelfsakten, ein Band Umsatzsteuerakten/Prüfungshandakten
sowie 1 Band Betriebsprüfungsakten vorgelegen.
Auf die Niederschriften über den Erörterungstermin
vom 14.09.2012 und die mündliche Verhandlung vom 07.06.2013
wird verwiesen.
Gründe
I.
Die zulässige Klage hat nur teilweise Erfolg.
1. Der Beklagte hat zu Recht die
Steuerfreiheit für die streitgegenständliche Ausfuhrlieferung
versagt.
Eine steuerfreie Ausfuhrlieferung
liegt gem. § 4 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 6 a
Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) u. a. vor, wenn bei einer Lieferung der
Unternehmer oder Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet,
ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3, befördert
oder versendet hat. Diese Vorschriften setzen Art. 15 Nr. 1 und
Nr. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG)
um. Diese Regelung entspricht für die Zeit ab 01.01.2007
Art. 146 Abs. 1 a und b i. V. m. Art. 131 der Richtlinie 2006/112/EG
des Rates
vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(Abl. EG 2006 L 347, 1 - Systemrichtlinie). Danach befreien die Mitgliedstaaten
unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen und unter den Bedingungen,
die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen
Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung
von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen
festsetzen (s. Art. 131), von der Steuer diejenigen Lieferungen von
Gegenständen, die durch den Verkäufer oder für
dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt
oder befördert werden (Art. 146 Abs. 1 Buchst. a) bzw.
die Lieferung von Gegenständen, die durch den nicht in
ihrem jeweiligen Gebiet ansässigen Erwerber oder für dessen
Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt
oder befördert werden (Art. 146 Abs. 1 Buchst. b). Die
Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung beruht auf dem mit dem Umsatzsteuergesetz
wie auch dem europäischen Mehrwertsteuersystem verfolgten
Bestimmungslandprinzip. Dies besagt zum einen, dass dem Staat der
Bestimmung des Liefergegenstandes das Steueraufkommen gebührt.
Zum anderen besagt es, dass für den Endverbraucher der
Bezug des Liefergegenstandes mit der Umsatzsteuer des Bestimmungslandes
belegt wird.
In Ausfüllung der den Mitgliedstaaten eingeräumten
Regelungsbefugnis verlangt § 6 Abs. 4 Satz 1 UStG, dass
u. a. die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 UStG vom Unternehmer
nachgewiesen sein müssen. Das BMF kann gemäß § 6
Abs. 4 Satz 2 UStG mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung
bestimmen, wie der Unternehmer die Nachweise zu führen
hat. Von dieser Befugnis hat das BMF in §§ 8 ff.
UStDV Gebrauch gemacht. Gemäß § 8 Abs.
1 UStDV muss der Unternehmer bei Ausfuhrlieferungen durch Belege
nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung
in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat. Diese
Voraussetzungen müssen sich aus den Belegen eindeutig und
leicht nachprüfbar ergeben. Gemäß § 9
Abs. 1 UStDV soll der Unternehmer in den Fällen, in denen
er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet
befördert hat (Beförderungsfälle, in
denen der Lieferer Gewahrsam behält, s. Bunjes/Geist
UStG 11. Aufl. § 3 Rn.197 f.), den Ausfuhrnachweis regelmäßig
durch einen Beleg führen, der u. a. eine Ausfuhrbestätigung
der den Ausgang des Gegenstandes aus dem Gemeinschaftsgebiet überwachenden
Grenzzollstelle eines Mitgliedstaates enthält. Der Ausfuhrnachweis
in Versendungsfällen (in denen der Lieferer keinen Gewahrsam
behält, s. § 3 Abs. 6 S. 3 UStG: bei Einschaltung
eines selbständigen Beauftragten) soll gem. § 10
Abs. 1 Nr. 1 UStDV durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch
Konnossement, oder gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV durch einen
sonstigen handelsüblichen Beleg, z. B. durch eine Bescheinigung
des beauftragten Spediteurs geführt werden. Gem. § 10
Abs. 2 UStDV kann der Unternehmer die Ausfuhr wie bei Beförderungsfällen
(§ 9) nachweisen, wenn es ihm nicht möglich oder
nicht zumutbar ist, einen Ausfuhrnachweis gem. § 10 Abs.
1 zu erbringen. Neben dem Belegnachweis muss der Unternehmer gem. § 13
UStDV die Voraussetzungen der Steuerbefreiung buchmäßig
nachweisen, indem er u. a. Namen und Anschrift des Abnehmers bzw. Auftraggebers,
Tag der Lieferung und der Ausfuhr in einer Weise aufzeichnet, dass
die Voraussetzungen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der
Buchführung zu ersehen sind.
Während der Belegnachweis bis zum Schluss der letzten
mündlichen Verhandlung vor dem FG geführt werden
kann, muss der Buchnachweis grundsätzlich bis zu dem Zeitpunkt
vorliegen, zu dem der Unternehmer die Voranmeldung für
den Voranmeldungszeitraum der Ausfuhrlieferung abzugeben hat; nach
dem Abgabezeitpunkt kommen nur noch Ergänzungen oder Korrekturen
in Betracht (BFH Urteil vom 28.05.2009 V R 23/08, BStBl II 2010,
517 Tz. 23 ff.). Dabei ist zu beachten, dass die Regelungen
in § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 UStG Sollvorschriften
sind. Das Fehlen einzelner Voraussetzungen führt nicht
zwangsläufig dazu, dass der Belegnachweis als nicht geführt
anzusehen ist; vielmehr kann der bezeichnete Nachweis auch durch
andere gleichwertige Belege geführt werden (BFH Urteil
vom 01.02.2007 V
R 41/04, BFH/NV 2007, 1059; Tehler
in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist
UStG § 6 Rn. 671.2 m. w. N. Lfg. Okt. 2008). Die in der
UStDV geregelten Anforderungen an den Beleg- und Buchnachweis sind
allerdings abschließend und dürfen nicht um weitergehende
Anforderungen erweitert werden (BFH Urteil vom 23.04.2009 V R 84/07, BStBl II 2010,
509 Tz. 20). Jedoch unterliegen die aufgrund des Buch-
und Belegnachweises vorliegenden Angaben der Nachprüfung durch
die Finanzverwaltung. Die durch die Beleg- und Buchnachweise bekundeten
Tatsachen können mit allen dafür geeigneten Beweismitteln widerlegt
oder in Zweifel gezogen werden. Ergibt sich dabei die Unrichtigkeit
der Angaben, ist die Ausfuhrlieferung steuerpflichtig (BFH Urteil vom
23.04.2009 V R 84/07
a. a. O, Tz. 21). Maßgeblich ist, dass sich die ernsthafte
Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt, der
für die Steuerpflicht spricht (s. Wäger in: Birkenfeld,
Das Große USt-Handbuch § 108 Lfg. Mai 2010 Rn.
76 und s. Argumentation des BFH im Urteil vom 23.04.2009 a. a. O.
Tz. 23). Liegen konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit
der Ausfuhrbelege vor, so muss der Ausfuhrnachweis ggf. durch weitere
Nachweise erbracht werden (BFH Urteil vom 31.07.2008 V R 21/06, BFH/NV
2009, 95 Tz. 32).
In der Folge der Rechtsprechung des EuGH zu den innergemeinschaftlichen
Lieferungen (EuGH Urteil Collée vom 27.09.2007 C-146/05,
Slg 2007 I, 07861; EuGH Urteil Teleos C-409/04, BStBl II 2009,
70) entspricht es ständiger Rechtsprechung des
BFH auch zu den Ausfuhrlieferungen, dass den gem. § 6 Abs.
4 UStG i. V. m. §§ 8 - 17 UStDV beizubringenden
Nachweisen kein materiell-rechtlicher Charakter zukommt und die
Ausfuhrlieferungen trotz Nichterfüllung der Nachweispflichten
steuerfrei sind, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht,
dass die Voraussetzungen der Ausfuhrlieferung vorliegen (zur innergemeinschaftlichen
Lieferung BFH Urteil vom 06.12.2007 V R 59/03, BStBl II 2009,
57; BFH Urteil vom 12.05.2009 V R 65/06, BStBl II 2010,
511; BFH Urteil vom 17.02.2011 V R 30/10, BFH/NV
2011, 1451 Tz. 19; zur Ausfuhrlieferung BFH Urteil vom
28.05.2009 V R 23/08
a. a. O.). Entsprechend der Entscheidung des EuGH gilt nur
dann anderes, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den
sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt
sind (EuGH Urteil Collée a. a. O. Tz. 31). Im Rahmen der
erforderlichen Gesamtwürdigung kann das Gericht auch die
Nichterfüllung der Nachweispflichten gem. der UStDV berücksichtigen
(FG Köln Urteil vom 03.11.2010 4 K 4262/08, EFG 2011, 667).
Auf der Grundlage der vorstehenden Rechtsgrundsätze
sind im Streitfall die Voraussetzungen für eine steuerfreie
Ausfuhrlieferung nicht erfüllt.
(1) Der Belegnachweis für die Ausfuhrlieferung ist nicht
erbracht.
Zwar steht im Streitfall der Umsatzsteuerfreiheit allein das
Fehlen des elektronischen Dokuments zu dem per 01.08.2006 eingeführten
und ab 01.07.2009 grundsätzlich zwingend vorgesehenen Ausfuhrverfahren ATLAS-Ausfuhr
schon deshalb nicht entgegen, weil § 9 UStDV (in Abs.1 Ziff.
1) erst in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung an diese neuen Ausfuhrregelungen
angepasst wurde. Darüber hinaus sieht auch die Zollkodex-Durchführungsverordnung
(ZK-DVO) in § 787 Abs. 2 Ausnahmen von dem elektronischen
Verfahren vor (z. B. für den Fall, dass das EDV-System
des Anmelders nicht funktioniert).
Nach Ansicht des Senats kann im Streitfall auch nicht allein
aus der Nichtvorlage des elektronischen Dokuments auf Zweifel an
der Ausfuhr geschlossen werden. Dies gilt insbesondere deshalb,
weil die im Grundsatz obligatorische Anwendung des ATLAS-Verfahrens
erst wenige Tage vor der hier in Rede stehenden Ausfuhr galt.
Es liegt jedoch auch kein anderer Beförderungs- oder
Versendungsbeleg i. S. der §§ 8 ff. UStDV vor.
Deshalb kann unentschieden bleiben, ob im Streitfall von einem Beförderungs-
oder von einem Versendungsfall auszugehen ist.
Das vorgelegte Zolldokument stellt keine Ausfuhrbestätigung
der Grenzzollstelle gem. § 9 Abs. 1 Ziff. 4 UStDV dar.
Bei letztgenanntem Dokument handelt es sich regelmäßig
um das Exemplar Nr. 3 des Einheitspapiers, das gem. Art. 792 ff.
ZK-DVO dem Beteiligten von der Ausfuhrzollstelle ausgehändigt
wird und der Ausgangszollstelle (letzte Zollstelle vor dem Ausgang
der Waren aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft) bei der Gestellung
zu übergeben ist. Die Ausgangszollstelle überwacht
den körperlichen Ausgang der Waren und bescheinigt den körperlichen
Ausgang der Waren durch einen Vermerk auf der Rückseite des
Exemplars Nr. 3. Nach den Vorschriften des ZK-DVO erfolgt der Vermerk
durch einen Dienststempelabdruck, der den Namen der Zollstelle und
das Datum enthält.
Das von der Klägerin eingereichte Dokument kann nicht
als Belegnachweis i. S. von § 9 Abs. 1 Ziff. 4 UStDV anerkannt
werden. Dies gilt unabhängig von der (wohl allein die inhaltliche
Richtigkeit des Dokuments betreffenden) Tatsache, dass mit dem genannten
Ausführer wohl nicht ”... B”, sondern
die Firma A in B gemeint sein dürfte.
Es handelt sich bei der Urkunde allenfalls um ein dem Zollamt
(H) eines Drittlandes (Mazedonien), also gerade nicht der Ausgangszollstelle (Grenzzollstelle),
vorgelegtes und von diesem abgestempeltes Dokument. Nach dem seitlichen
Aufdruck dürfte das Dokument - bei laienmäßiger Übersetzung
(die Klägerin hat trotz entsprechenden Hinweises keine ergänzende Übersetzung
eingereicht) - zudem allenfalls statistischen Zwecken dienen. Ein
nur als Statistikmaterial vorgesehenes Dokument kann nach Auffassung
des Senats nicht als gleichwertiger Ersatz für ein die
Gestellung zur Ausfuhr selbst bzw. die Beförderung bestätigendes Dokument
angesehen werden. Gem. Art. 792 ff. ZK-DVO wird das für statistische
Zwecke vorgesehene Exemplar (dort als Exemplar Nr. 2 benannt) an
das statistische Amt des Mitgliedsstaates übersandt, in
dem die Ausfuhrzollstelle liegt. Die Gestellung der Waren mit dem
Exemplar Nr. 3 und die Ausgangsbestätigung erfolgen unabhängig
davon. Der Anerkennung als gleichwertiger Belegnachweis steht auch
entgegen, dass an der für den Kontrollvermerk des zuständigen
Zollamts vorgesehenen Stelle nur ein Stempel des Ministeriums der
Finanzen enthalten ist, bei dem es sich - mag es auch die Zollverwaltung
sein - nicht um ein Zollamt handelt; schließlich wird gerade
im Eingang des Dokuments ebenso wie in Zeile 53, 54 das (Bestimmungs-)Zollamt
als Zollamt H bezeichnet. Das Zollpapier kann auch nicht als Beförderungs-
oder Versendungsbeleg im engeren Sinne eines Begleitdokuments oder
einer Bescheinigung des Beförderers oder Versenders gewertet
werden. Wenn auch das vorliegende Originaldokument die Unterschrift
einer als Vertreter der Spedition G in H bezeichneten Person trägt,
so genügt es den Anforderungen an einen Versendungsbeleg
gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 UStDV dennoch nicht.
Um einen Frachtbrief oder ein Konnossement i. S. v. Nr. 1 handelt
es sich erkennbar nicht. Es kann auch nicht als ein sonstiger handelsüblicher Beleg
gem. Nr. 2 anerkannt werden. So fehlt die genaue Anschrift des Ausstellers
bzw. der Spedition in H (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStDV) ebenso
wie die Anschrift der Klägerin als Unternehmer/Auftraggeber gem. § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStDV. Dass die Anschrift der Klägerin ggf.
aus dem in dem Dokument als anliegend erwähnten Fahrzeugbrief erkennbar
war, ist nicht ersichtlich. Mag auch die Unterschrift des Versenders,
d. h. Auftraggebers des Frachtführers, nicht erforderlich
sein (BFH Urteil vom 17.02.2011 V R 28/10, BFH/NV
2011, 1448 Tz. 25), so ist dessen Anschrift nach Ansicht
des Senats schon zur Dokumentation des Ortes der Übernahme
des Frachtgutes erforderlich (s. a. § 408 Abs. 1 Nr. 4
HGB). Auf die genaue Anschrift des Spediteurs kann schon deshalb nicht
verzichtet werden, da er, der das Dokument allein auch unterschrieben
hat, im Falle der Wertung des Belegs als solchen gem. § 10
Abs. 1 Nr. 2 UStDV allein als Aussteller in Betracht kommt. Bei
einer Stadt der Größe von H (mit mehr als 500.000
Einwohnern) genügt die bloße Ortsangabe ohne näheren
Straßennamen keinesfalls. Einem Beleg, der die Anschrift
des Ausstellers nicht erkennen lässt, kommt generell ein
hinreichender Beweiswert nicht zu (vgl. BFH Urteile vom 12.05.2009 V R 65/06, BStBl II 2010,
511, 514 l. Sp.; BFH Urteil vom 17.02.2011 V R 28/10, BFH/NV
2011, 1448 Tz. 37)
Da damit schon der Belegnachweis nicht geführt ist,
kann unentschieden bleiben, ob der Buchnachweis anhand der Rechnung
geführt wurde. Denn ohne den Belegnachweis kann die Umsatzsteuerfreiheit
nur über den Weg des Nachweises der Ausfuhr anhand der
objektiven Beweislage erreicht werden.
(2) Auch die objektive Beweislage rechtfertigt indes nicht die
Anerkennung einer steuerfreien Ausfuhrlieferung.
Die vorgelegten Unterlagen ermöglichen nicht die Feststellung,
dass der Kläger das in Rede stehende Fahrzeug in das Drittland
befördert oder versendet hat. Schon die Befindlichkeit
des Fahrzeugs in einem Drittland, hier insbesondere in Mazedonien,
ist nicht nachgewiesen. Durch die vorgelegte nicht beglaubigte Kopie
der Zulassung ist der objektive Nachweis der Zulassung in Mazedonien
schon deshalb nicht erbracht, weil die Echtheit des Dokuments anhand
der Kopie nicht seriös beurteilt werden kann. Zweifel erscheinen
auch deshalb angebracht, weil sich aus dem Papier zwei unterschiedliche
Zulassungsdaten, zum einen Erstzulassung ... 2009, zum anderen Zulassung
vom ... 2012, ergeben, ohne dass hinsichtlich der ersten Zulassung
ein Abmeldedatum ersichtlich ist. Eine weitere Zulassung in der
Bundesrepublik Deutschland ist nach der Bescheinigung des Kraftfahrtbundesamtes
aus dem Jahr 2011 zumindest nicht ausgeschlossen. Schließlich
hat der Kläger auch die Abmeldebestätigung der
Kfz-Zulassungsstelle F nicht vorgelegt, obgleich er diese von dem
Amt mit dem eingereichten Schreiben vom 07.10.2009 erbeten hatte.
Einen im Rahmen einer objektiven Beweisführung maßgeblichen
hinreichenden Beweiswert des vorgelegten Zolldokuments für
eine tatsächlich erfolgte Ausfuhr kann der Senat nicht
erkennen. Die unter I 1. B (1) angeführten Gründe
für die fehlende Anerkennung der Urkunde als Beleg im Rahmen
des Belegnachweises gelten hier entsprechend. Darüber hinaus gibt
die Tatsache, dass zu einem Zeitpunkt, zu dem nach der Rechtslage im
Grundsatz ein elektronisches Ausfuhrdokument vorzulegen war und nur
ausnahmsweise hiervon abgesehen werden konnte, nicht einmal das im
papierenen Verfahren zuvor übliche und vorgeschriebene
Dokument, eben das Einheitspapier Nr. 3, vorgelegt wurde, zu Zweifeln
Anlass. Die genannten Dokumente vermögen auch in der Gesamtschau
mit den übrigen eingereichten Unterlagen nicht den Nachweis
der Ausfuhr zu erbringen, zumal nicht ersichtlich ist, dass die
betreffende Versicherung bzw. die Zulassungs- bzw. Steuerbehörden
eine sachliche Prüfung des der Abmeldung zugrunde liegenden
Sachverhalts vorgenommen haben.
Da hinsichtlich der tatsächlichen
Ausführung der Vorlieferung an den Kläger keine
Zweifel ersichtlich sind, die Weiterbeförderung oder -versendung
danach bei dem Kläger begonnen hat, mithin der Leistungsort gem. § 3
Abs. 6 S. 1 UStG im Inland liegt, der Kläger nach seinen
eigenen Angaben und nach dem Quittungsbeleg vom 08.07.2009 für
den Weiterverkauf dieses Fahrzeugs im Juli 2009 den Gegenwert von
64.000 € erhalten und das Fahrzeug auf der Grundlage des
Vortrags des Klägers von einem Beauftragten des Käufers
im Inland abgeholt wurde, ist mangels mit ausreichender Sicherheit
festzustellender, dem Kläger zuzurechnender Ausfuhr von
einer nach allgemeinen Grundsätzen umsatzsteuerpflichtigen
Lieferung im Inland auszugehen.
2. Hinsichtlich der von dem Bescheid erfassten
sog. unentgeltlichen Wertabgaben hat die Klage teilweise Erfolg.
Die Höhe der Wertabgaben ist zu korrigieren.
Die Klägerin ist dem Ansatz sog. unentgeltlicher Wertabgaben
dem Grunde nach nicht entgegen getreten und hat in der mündlichen
Verhandlung allein die Einbeziehung der auf die Zeit von Februar
bis Juni entfallenden Beträge in dem Bescheid für
Juli 2009 beanstandet.
Auch der Senat sieht keinen Anlass für Bedenken gegen
die Berücksichtigung eines Wertes für die nichtunternehmerische
Nutzung gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 i. V. m. § 10 Abs.
4 S. 1 Nr. 2 UStG dem Grunde nach. Desgleichen ist seiner Ansicht
nach auch der Ansatz der 1%-Regelung für die Bemessung der
Wertabgabe grundsätzlich nicht zu beanstanden. Zwar ist
nach der Rechtsprechung des BFH der ertragsteuerliche Wert der Nutzungsentnahme gem. § 6
Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG für das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich kein
geeigneter Maßstab für die Aufteilung der zum
Vorsteuerabzug berechtigenden Kosten auf Privatfahrten und unternehmerische
Fahrten. Indes beanstandet auch der BFH eine der Vereinfachungsregelung
der Finanzverwaltung gem. BMF-Schreiben vom 27.08.2004 (BStBl I 2004,
864) entsprechende Wahl des Unternehmers nicht (BFH Urteil
vom 19.05.2010 XI
R 32/08, BStBl II 2010, 1079). Entsprechendes
muss nach Auffassung des Senats gelten, wenn der Steuerpflichtige
die Handhabung der Verwaltung zu keiner Zeit gerügt, seinerseits
keine anderen tragfähigen Grundlagen für eine
Schätzung vorgetragen hat und nicht ersichtlich ist, dass
die Anwendung der Vereinfachungsregelung zu einem offenkundig unzutreffenden
Ergebnis führt (vgl. a. FG Köln Urteil vom 28.08.2012 7 K 1780/11, EFG 2013, 176).
Nach diesen Grundsätzen ist die Berechnung des Beklagten
in zweierlei Hinsicht zu korrigieren.
Zum einen hat der Beklagte zu Unrecht in dem Bescheid über
die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den
Monat Juli 2009 ebenfalls Umsatzsteuer für die unentgeltliche
Verwendung des Fahrzeugs für nichtunternehmerische Zwecke
nicht nur für Juli 2009, sondern auch für die
Zeit von Februar bis Juni berücksichtigt. Der erfasste
Betrag ist demzufolge um die auf diese Monate entfallenden Anteile
zu reduzieren.
Zum anderen hat der Beklagte es versäumt, den in der
Vereinfachungsregelung der Verwaltung vorgesehenen pauschalen Abschlag
von 20% für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende
Ausgaben zu berücksichtigen. Auch nach der Rechtsprechung
des BFH ist die Vereinfachungsregelung nur einheitlich und nicht
trennbar anzuwenden. Der Abschlag von 20 % ist mithin nachzuholen.
Danach ergibt sich ein für den Monat Juli zu berücksichtigender
Betrag von 660 € (Bruttolistenpreis 82.500 x 1% ((= 825 €))
- 20%) und eine Neufestsetzung von 10.327, 81 € (11.142,91
abzgl. ((4950 € - 660 €)) x 19%).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
folgt aus §§ 155, 151 Abs. 3 FGO, 708 Nr. 10,
711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür
gem. § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.