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  • 25.01.2013

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 24.04.2012 – 8 K 258/09

    - Ein ArbN kann grds. nur eine regelmäßige Arbeitsstätte haben.


    - Ein Hafenlotse, der Schiffe in das Hafengebiet hinein und auch wieder hinaus lotst, verrichtet seine Tätigkeit auf ständig wechselnden Einsatzstellen. D. h. indes nicht, dass er seine Fahrtkosten nach den Grundsätzen der Einsatzwechseltätigkeit in voller Höhe als BA abziehen kann.


    - Das gilt jedenfalls dann, wenn der Hafenlotse vorwiegend drei Stationen anfährt, die in einem Umkreis von weniger als 3 km und damit in unmittelbarer Nähe zueinander liegen.


    - Bilden diese drei Stationen im Hafengebiet mit insgesamt jeweils mehr als 85 % den wesentlichen Schwerpunkt als Ausgangspunkt der Tätigkeit des Hafenlotsen, unterscheiden sich diese Fahrten wirtschaftlich nicht von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Fahrtkosten bei den Einkünften des Klägers aus selbstständiger Arbeit.

    Die Kläger sind Eheleute und wurden in den Streitjahren gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus selbstständiger Arbeit als Hafenlotse. Einsatzgebiet des Klägers war ein gesamtes Hafengebiet. In den Streitjahren standen den Eheleuten zwei Kraftfahrzeuge zur Verfügung, die sie – ohne feste Zuordnung – für ihre beruflichen Fahrten nutzten. Für beide Fahrzeuge führten die Kläger Fahrtenbücher. Die Fahrten zu seinen jeweiligen Einsatzorten im Hafengebiet berücksichtigte der Kläger in seinen Gewinn- und Verlustrechnungen mit einem Kilometersatz von 0,30 € je gefahrenen Kilometer. Für das Jahr 2005 setzte der Kläger als Betriebsausgaben einen Betrag in Höhe von xxx € (xxx km x 0,30 €), für das Jahr 2006 einen Betrag in Höhe von xxx € (xxx km x 0,30 €) und für das Jahr 2007 einen Betrag in Höhe von xxx € (xxx km x 0,30 €) an. Die Veranlagungen für die Jahre 2005 und 2006 erfolgten im Wesentlichen antragsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

    Im Jahr 2008 fand bei dem Kläger eine Außenprüfung statt. Der Außenprüfer sah die Fahrten zwischen dem Wohnort des Klägers und dessen Einsatzorten im Hafengebiet als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an und berücksichtigte diese mit einer Kilometerpauschale von 0,15 € je gefahrenen Kilometer bzw. 0,30 € je Entfernungskilometer. Auf der Grundlage des Ergebnisses der Außenprüfung erließ der Beklagte geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 und 2006 mit Datum vom …. Am … reichten die Kläger ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 ein. Im Rahmen der Veranlagung berücksichtigte der Beklagte die bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit des Klägers geltend gemachten Fahrtkosten ebenfalls in Höhe der Entfernungspauschale von 0,30 € je Entfernungskilometer.

    Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 sowie gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 vom … legten die Kläger Einspruch ein und führten zur Begründung aus, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei das Hafengebiet nicht als einheitliche großräumige Arbeitsstätte anzusehen. Als Lotse werde der Kläger an unterschiedlichen Orten innerhalb des Hafengebiets eingesetzt, so dass diese Einsatzorte als ständig wechselnde Beschäftigungsstellen anzusehen seien. Die Tätigkeit des Klägers sei durch mehrfache tägliche Ortswechsel geprägt und nicht mit der Tätigkeit eines Arbeitnehmers zu vergleichen, der täglich seine Arbeitsstätte anfahre und von dort aus Fahrten zu unterschiedlichen Einsatzorten unternehme. Mit Einspruchsentscheidung vom … folgte der Beklagte dem Einspruchsbegehren der Kläger insoweit, dass die Fahrten innerhalb des Hafengebiets, die nicht zur Lotsenstation erfolgten, wie Reisekosten mit einer Kilometerpauschale von 0,30 € je gefahrenem Kilometer berücksichtigt wurden. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und behandelte die Fahrten zur Lotsenstation weiter als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Dabei handelte es sich um 119 Fahrten im Jahr 2005, 89 Fahrten im Jahr 2006 und 67 Fahrten im Jahr 2007. Die Fahrtstrecke betrug jeweils xx km. Diese Fahrten berücksichtigte der Beklagte mit einer Kilometerpauschale von 0,30 € je Entfernungskilometer. Die Fahrten zur Lotsenstation seien nur beschränkt abzugsfähig, da es sich insoweit um eine regelmäßige Arbeitsstätte handele, die der Kläger mit einer gewissen Nachhaltigkeit aufgesucht habe.

    Mit ihrer gegen die Einspruchsentscheidung erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter, auch die Fahrten des Klägers zur Lotsenstation nach den Grundsätzen über Reisekosten und Einsatzwechseltätigkeit mit einer Kilometerpauschale von 0,30 € je gefahrenen Kilometer zu berücksichtigen. Der Kläger sei für die Verrichtung seiner Tätigkeit nicht auf die Lotsenstation angewiesen. Er erhalte seine Aufträge per Handy und verfüge über eigenes Kartenmaterial. Aufträge und Berichte könnten per Fax oder E-Mail eingereicht werden. Das Tätigkeitsfeld des Klägers umfasse eine Fläche von xx km². Aufgrund der Größe handele es sich nicht um eine einheitliche großräumige Arbeitsstätte. Für den Kläger gebe es verschiedene Stationen, an denen er sich mit dem Lotsenboot abholen und wieder absetzen lassen könne. Seine Tätigkeit sei durch einen täglich mehrfachen Ortswechsel geprägt, so dass die Fahrten nicht vom Regelungsbereich der Entfernungspauschale erfasst würden. Es ergäben sich auch laufend kurzfristige Änderungen, so dass sich kurzfristig Einsatzorte änderten oder neue hinzukämen. Die Abfolge der einzelnen Fahrten sei nicht planbar. Die vom Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen Fahrten zur Lotsenstation und den übrigen Anlegern sei willkürlich und rechtlich nicht haltbar. Der Fall des Klägers sei auch nicht mit dem vom Beklagten angeführten Fall eines Seelotsen, der fast ausschließlich zu einer Lotsenstation gefahren und von dort abgeholt worden sei, vergleichbar. Der Kläger fahre auch nicht mindestens einmal wöchentlich die Lotsenstation an sondern lediglich den in der Nähe gelegenen Parkplatz. Vom Tätigkeitsbild des Klägers ausgehend sei es unerheblich, ob er seinen Pkw in der Nähe der Lotsenstation oder an einem anderen Parkplatz im Hafengebiet abstelle.

    Die Kläger beantragen,

    weitere Betriebsausgaben für 2005 in Höhe von xxx €, für 2006 in Höhe von xxx € und für 2007 in Höhe von xxx € zu berücksichtigen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung seines Antrages beruft sich der Beklagte auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung vom … Ergänzend verweist der Beklagte darauf, dass die Aufwendungen für die Fahrten zur Lotsenstation zutreffend nur beschränkt zum Abzug zugelassen worden seien, da die Lotsenstation durchschnittlich einmal je Arbeitswoche aufgesucht worden sei.

    Aus den von den Klägern im Klageverfahren vorgelegten Fahrtenbüchern ergeben sich für das Jahr 2005 108 Fahrten zum Parkplatz an der Lotsenstation, 37 Fahrten zum Terminal Y und 19 Fahrten zum Anleger Z, für das Jahr 2005 98 Fahrten zum Parkplatz an der Lotsenstation, 26 Fahrten zum Terminal Y und 15 Fahrten zum Anleger Z sowie für das Jahr 2007 109 Fahrten zum Parkplatz an der Lotsenstation, 54 Fahrten zum Terminal Y und 15 Fahrten zum Anleger Z. Zu den übrigen Anlegestellen erfolgten 27 Fahrten im Jahr 2005, 31 Fahrten im Jahr 2006 und 19 Fahrten im Jahr 2007. Der Kläger erläuterte die Lage der Parkplätze in der mündlichen Verhandlung anhand einer von ihm vorgelegten Übersichtskarte des Hafengebietes.

    Gründe

    I. Die Klage ist unbegründet.

    Der Beklagte hat zutreffend zumindest in der von ihm ermittelten Anzahl von 119 Fahrten für das Jahre 2005, 89 Fahrten für das Jahr 2006 und 67 Fahrten für das Jahr 2007 nur den Pauschbetrag in Höhe von 0,30 € je Entfernungskilometer gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG als Betriebsausgaben berücksichtigt.

    Zu den Betriebsausgaben, die den Gewinn nicht mindern dürfen, gehören nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.6 EStG auch Aufwendungen für Fahrten des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte, soweit sie die bei entsprechender Anwendung des § 9 Abs.1 Satz 3 Nr. 4 EStG maßgeblichen Beträge übersteigen. Jedenfalls für die vom Beklagten nur beschränkt berücksichtigten Fahrten konnte der Kläger keine höheren Aufwendungen als die Entfernungspauschale geltend machen.

    Zwar ist es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung von Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug geboten, die von der Rechtsprechung für den Fahrtkostenabzug von Arbeitnehmern mit ständig wechselnden Einsatzstellen entwickelten Grundsätze auch auf den Regelungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG zu übertragen und Fahrtkosten ausnahmsweise zum uneingeschränkten Betriebsausgabenabzug zuzulassen, soweit sie zwischen Wohnung und ständig wechselnden Beschäftigungsstätten angefallen sind (BFH-Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 5/95, BFH/NV 1997, 279). Hinsichtlich der vom Beklagten nur mit der Entfernungspauschale berücksichtigten Fahrten liegen jedoch keine Fahrten zu ständig wechselnden Beschäftigungsstellen vor.

    Zur Frage der Besteuerung von Fahrten zwischen Wohnung und „regelmäßiger” Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG hat der BFH in neuester Zeit seine Rechtsprechung dahingehend geändert, dass ein Arbeitnehmer anstatt mehrerer nur eine regelmäßige Arbeitsstätte haben könne. Sei der Arbeitnehmer in mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers tätig, seien die Umstände des Einzelfalls zu würdigen und der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit zu bestimmen. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, welcher Tätigkeitsstätte der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugeordnet worden ist, welche Tätigkeit er an den verschiedenen Arbeitsstätten im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat und welches konkrete Gewicht dieser Tätigkeit zukommt. Der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers könne nur an einem Ort liegen. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG stelle sich nur insoweit als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip dar. Übe der Arbeitnehmer hingegen an mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers seinen Beruf aus, sei es ihm regelmäßig nicht möglich, die anfallenden Wegekosten gering zu halten. Denn die unter Umständen nicht verlässlich vorhersehbare Notwendigkeit, verschiedene Tätigkeitsstätten aufsuchen zu müssen, erlaube es dem Arbeitnehmer nicht, sich immer auf die gleichen Wege einzustellen. In einem solchen Fall lasse sich die Einschränkung der Steuererheblichkeit von Wegekosten durch die Entfernungspauschale nicht rechtfertigen (z.B. BFH-Urteil vom 9. Juni 2011 VI R 55/10, BStBl II 2012, 38).

    Nach dem Gebot der Gleichbehandlung von Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug ist unter Berücksichtigung der neueren BFH-Rechtsprechung nach Auffassung des erkennenden Senats im konkreten Einzelfall zu prüfen, von wo aus der Steuerpflichtige seine Tätigkeit ausübt. Denn der Begriff der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG ist nicht deckungsgleich mit dem Betriebsstättenbegriff des § 12 AO 1977. Anders als dort ist unter Betriebsstätte die (von der Wohnung getrennte) Beschäftigungsstätte zu verstehen. Gemeint ist der Ort, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen. Eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit und eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ist im Unterschied zur Geschäftseinrichtung oder zur Anlage i.S. des § 12 S. 1 AO nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 5/95, BFH/NV 1997, 279). Maßgebend für die Unterscheidung von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und den Fahrten zu wechselnden Einsatzstellen ist vornehmlich der Umstand, dass der Steuerpflichtige bei Dienstreisen nicht laufend zur gleichen Arbeitsstätte fährt und deshalb nicht die Möglichkeit hat, durch eine entsprechende Wohnsitznahme vorzusorgen und dadurch selbst die Höhe seiner Fahrtaufwendungen zu bestimmen (BFH-Urteil vom 31. Juli 1996 a.a.O.).

    Unstreitig verrichtet der Kläger seine Tätigkeit als Lotse auf ständig wechselnden Einsatzstellen, nämlich den Schiffen, die der Kläger in das Hafengebiet hinein und auch wieder hinaus lotst. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Kläger seine Fahrtkosten nach den Grundsätzen der Einsatzwechseltätigkeit in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehen kann, denn der Kläger hat mit seinem Pkw im Hafengebiet regelmäßig keine wechselnden Einsatzstellen aufgesucht. Nach Auswertung der Fahrtenbücher hat der Kläger Parkmöglichkeiten in der Nähe der Lotsenstation im Jahr 2005 zu 56,92 %, im Jahr 2006 zu 56,98 % und im Jahr 2007 zu 55,22 % aller Fahrten ins Hafengebiet aufgesucht. Daneben hat der Kläger in den Streitjahren in 18,46 %, 15,12 % bzw. 26,37 % der Fälle den Terminal Y und in weiteren 9,74 %, 8,72 bzw. 7,46% den Anleger Z angefahren. Diese drei Stationen liegen in einem Umkreis von weniger als 3 km und damit in unmittelbarer Nähe zueinander. Nach dem Sinn- und Zweck der Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG liegt hier kein Fall vor, in dem der Kläger nicht durch eine entsprechende Wohnsitznahme vorzusorgen und dadurch selbst auf die Höhe seiner Fahrtaufwendungen Einfluss nehmen könnte. Diese drei aufgeführten Anlaufstellen im Hafengebiet bildeten in den Streitjahren mit insgesamt 85,13 %, 80,81 % bzw. 89,05 % den wesentlichen Schwerpunkt als jeweiligem Ausgangspunkt der eigentlichen selbständigen Tätigkeit des Klägers. Insoweit unterscheiden sich diese Fahrten wirtschaftlich nicht von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

    Der Beklagte hat in den Streitjahren jeweils bei einer deutlich geringeren Anzahl von Fahrten in das Hafengebiet (nur zu Lotsenstation) eine Beschränkung auf die Pauschsätze nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG vorgenommen, wovon im Rahmen dieser Entscheidung nicht zu Lasten der Kläger abzuweichen war.

    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1

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