28.06.2013
Finanzgericht Münster: Beschluss vom 29.04.2013 – 9 V 2400/12 K
1) An der Verfassungsmäßigkeit des § 4h EStG i.V.m. § 8a Abs. 1 KStG bestehen ernstliche Zweifel.
2) Eine AdV wegen verfassungsrechtlicher Zweifel setzt voraus, dass ein (besonderes) berechtigtes Interesse an der Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes besteht.
BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Senat in der Besetzung: Vorsitzende Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht
… am 29.04.2013 beschlossen:
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 4h des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1, § 8a des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in den für das Streitjahr geltenden Fassungen – sog. Zinsschranke – eine Aussetzung der
Vollziehung (AdV) des gegenüber der Antragstellerin ergangenen Körperschaftsteuerbescheides 2008 rechtfertigen.
Die Antragstellerin ist eine GmbH, deren Stammkapital Mitte des Jahres 2007 aus Gesellschaftsmitteln (Kapital- und Gewinnrücklagen)
um 20 Mio. EUR auf 50 Mio. EUR erhöht wurde. Gesellschafter der Antragstellerin waren zu diesem Zeitpunkt und im Streitjahr
2008 die X. Finanzbeteiligungs-GmbH & Co KG zu 50 %, A. X. zu 20 % (bzw. unter Berücksichtigung von Nießbrauchsrechten zu
30 %) und dessen Kinder B. X. und C. X. zu jeweils 15 % (bzw. unter Berücksichtigung von Nießbrauchsrechten zu jeweils 10
%). A. X. war außerdem Ende des Streitjahres 2008 unmittelbar zu 94 % und mittelbar (über die X. Beteiligungs GmbH) zu 6 %
an der X. Finanzierungsbeteiligungs-GmbH & CO KG beteiligt.
Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin ist der … Dabei ist die Antragstellerin besonders stark von der Entwicklung
in der Y. branche abhängig. Die Betriebsgrundstücke und weitgehend auch die Betriebsgebäude wurden von einer weiteren zum
Konzern gehörenden Gesellschaft, der X. GmbH & Co KG, angepachtet. Am 31.12.2008 hielt die Antragstellerin 99%-ige bzw. 100%-ige
Beteiligungen an dreizehn Tochtergesellschaften im Ausland.
In ihren Jahresabschlüssen zum 31.12.2007 und 31.12.2008 wies die Antragstellerin u.a. die nachfolgenden Positionen aus (hier
alle Beträge auf TEUR gerundet):
31.12.2007 – TEUR – | 31.12.2008 – TEUR – | |
Bilanzsumme | ||
Eigenkapital– Gezeichnetes Kapital | ||
– Genussrechtskapital– Bilanzgewinn | ||
Verbindlichkeiten ggü. Kreditinstituten | ||
Verbindlichkeiten ggü. verbundenen Unternehmen | ||
Verbindlichkeiten ggü. Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht | ||
Umsätze | ||
Jahresüberschuss | ||
Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge(davon aus verbundenen Unternehmen) | ||
Zinsen und ähnliche Aufwendungen(davon an verbundene Unternehmen) | ||
Vergütung für Genussrechtskapital |
der Antragstellerin und der X. GmbH & Co KG (vgl. Prüfungsbericht zum Jahresabschluss 31.12.2008, S. 45 und Anlage 3/4).
Die Bankverbindlichkeiten zum 31.12.2008 beruhten u.a. auf einem Schuldscheindarlehen der Landesbank Baden-Württemberg über
20 Mio. EUR und einem Konsortialkreditvertrag über einen Rahmenkredit i.H.v. 50 Mio. EUR, der zum 31.12.2008 i.H.v. rd. 47,4
Mio. EUR in Anspruch genommen worden war. Bei Nichteinhaltung bestimmter Finanzkennzahlen sollte eine Absicherung in nomineller
Höhe von 26 Mio. EUR auf dem Grundvermögen der X. GmbH & Co KG erfolgen (Prüfungsbericht zum Jahresabschluss 31.12.2008, S.
20).
Die Antragstellerin erklärte in ihrer Körperschaftsteuererklärung 2008 einen Gesamtbetrag der Einkünfte und ein zu versteuerndes
Einkommen i.H.v. ./. 1.792.360 EUR. Darin enthalten waren nach ihren Angaben Zinsaufwendungen i.S. des § 4h Abs. 3 Satz 2
EStG i.H.v. 9.324.378 EUR, von denen sie 2.264.561 EUR als abziehbar und 7.059.817 EUR als nicht abzugsfähig ansah. Unter
dem Vorbehalt der Nachprüfung setzte der Antragsgegner (das Finanzamt – FA –) dementsprechend die Körperschaftsteuer 2008
mit 0 EUR fest und stellteeinen verbleibenden Zinsvortrag nach § 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h EStG i.H.v. 7.059.817 EUR fest
(Bescheid vom 08.03.2010).
Nachfolgend führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Herne bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung für
die Jahre 2006 bis 2009 durch. Unter Tz. 2.11.2 i.V.m. Anlage 8 des Betriebsprüfungsberichts vom 08.12.2011 (Bp-Bericht),
auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, ermittelten die Prüfer das zu versteuernde Einkommen der Antragstellerin
für das Streitjahr 2008 – hier verkürzt dargestellt – wie folgt:
Einkünfte der Antragstellerin zzgl. Einkommen der Organgesellschaft vor Einschränkung des Zinsabzugs | EUR |
+ nicht abziehbarer Zinsaufwand gem. § 4h EStG | |
(6.307.311 EUR von insgesamt 9.599.378 EUR Zinsaufwand) | EUR |
./. abziehbare Zuwendungen | EUR |
./. Verlustrücktrag aus 2009 | |
54.416.486 EUR, max. gem. § 10d EStG | EUR |
zu versteuerndes Einkommen 2008 | EUR |
Einkünfte der Antragstellerin zzgl. Einkommen von Organgesellschaften vor Einschränkung des Zinsabzugs | EUR |
+ nicht abziehbarer Zinsaufwand gem. § 4h EStG(6.486.923 EUR von insgesamt 8.865.302 EUR Zinsaufwand) | EUR |
./. abziehbare Zuwendungen | EUR |
zu versteuerndes Einkommen 2008 | EUR |
3.252.999 EUR, hinzugerechnet – nach Abzug des u.a. hierauf entfallenden Freibetrags – gem. § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes
– GewStG – mit 1/4), den Gewerbesteuermessbetrag 2009 mit 0 EUR.
Das FA folgte bezüglich der hier streitigen Körperschaftsteuer 2008 den Feststellungen der Prüfer und erließ gestützt auf
§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) am 10.04.2012 u.a. einen geänderten Bescheid, in dem es die Körperschaftsteuer 2008 mit
11.631 EUR festsetzte, wodurch sich eine Zahllast in derselben Höhe ergab. Außerdem stellte es gleichzeitig den verbleibenden
Zinsvortrag nach § 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h EStG mit 6.307.311 EUR fest. In dem ebenfalls geänderten Körperschaftsteuerbescheid
2007 vom 10.04.2012 setzte das FA die Körperschaftsteuer 2007 nunmehr u.a. ohne Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus
dem Jahr 2008 auf 404.960 EUR fest.
Die Antragstellerin legte gegen die Körperschaftsteuerbescheid 2008 und 2009, die Gewerbesteuermessbescheide 2008 und 2009
und (sinngemäß) gegen die Bescheide über gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. §§ 27 ff. KStG Einspruch
ein und machte geltend, die Zinsschranke i.S. des § 4h EStG sei verfassungswidrig. Gleichzeitig beantragte sie u.a. die AdV
des
Körperschaftsteuerbescheides 2008, des Gewerbesteuermessbescheides 2008 und – wegen des weggefallenen Verlustrücktrags – auch
des Körperschaftsteuerbescheides 2007. Auf den Wortlaut des Einspruchsschreibens vom 07.05.2012, eingegangen beim FA am 09.05.2012,
wird Bezug genommen. Mit Bescheiden vom 01.06.2012 lehnte das FA die AdV der angefochtenen Bescheide ab. Den nachfolgenden
Einspruch sah das FA als unzulässig an und lehnte den nach seiner Auffassung erneuten Aussetzungsantrag mit Bescheid vom 09.07.2012
wiederum ab. Den Antrag auf AdV des Körperschaftsteuerbescheides 2007 lehnte das FA mit gesondertem Bescheid vom 28.06.2012
und mit dem Hinweis ab, es fehle an einem angefochtenen Bescheid, weil die Einsprüche sich lediglich gegen die Körperschaftsteuerbescheide
2008 und 2009 richteten.
Die Antragstellerin hat daraufhin bei Gericht einen Antrag auf AdV des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides 2008 i.H.v.
11.631 EUR gestellt. Zur Begründung trägt sie vor, der Bundesfinanzhof (BFH) äußere in seinem Beschluss vom 13.03.2012 I B
111/11 (BStBl II 2012, 611) ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG und lasse dort
offen, ob die Zinsschranke insgesamt verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. Das FG Berlin-Brandenburg habe in seiner Entscheidung
vom 13.10.2011 ebenfalls erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel dargelegt, ohne diese auf die in § 8a KStG enthaltenen Rückausnahmen
zu beschränken. Die entscheidenden Aussagen des BFH-Beschlusses beträfen nicht nur die Rückausnahmen, sondern generell die
Anwendung der Zinsschranke. Diese durchbreche das Nettoprinzip, d.h. die Abziehbarkeit von Betriebsausgaben, beinhalte einen
überschießenden Anwendungsbereich und führe gerade im Bereich üblicher Fremdfinanzierungen zu unverhältnismäßigen Belastungswirkungen,
durch die sich insbesondere die Situation insolvenzbedrohter Unternehmen weiter verschlechtere. Dem FA sei die (sinngemäß)
schwierige Lage der Antragstellerin in den Folgejahren bekannt; auf die hohen persönlichen Bürgschaften des Hauptgesellschafters
und auf ergänzende Landesbürgschaften werde hingewiesen. Der Unterschied zwischen dem vorliegenden Streitfall zu dem Fall,
der Gegenstand des BFH-Beschlusses gewesen sei, bestehe allein darin, dass die Antragstellerin Mutterunternehmen eines Konzerns
sei. Es sei nicht erkennbar, dass dieser Sachverhalt zu der Annahme führen könne, dass inländisches Steuersubstrat gefährdet
würde und missbräuchliche Steuergestaltungen gewählt würden, welche die Anwendung der Zinsschranke rechtfertigen könnten.
Auf das gerichtliche Hinweisschreiben der Berichterstatterin vom 10.10.2012, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen
wird, hat die Antragstellerin ihr Vorbringen ergänzt. Sie geht davon aus, dass der Wortlaut der gesetzlichen Regelung zur
Anwendung der Zinsschranke nach § 4h Abs. 1 EStG führen würde und dass ein Ausnahmetatbestand nicht vorliege. Die Verfassungswidrigkeit
der Zinsschranke folge aus dem krassen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich gebotene Nettoprinzip bei der Besteuerung. Die
Zinsschranke möge eingeführt worden sein, um missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern, die auf eine Minimierung der Besteuerung
für Eigenkapital bzw. eigenkapitalähnliche Mittel abstelle. Ein solcher Missbrauch liege im Streitfall jedoch nicht vor. Vielmehr
handele es sich bei der Antragstellerin um ein inhabergeführtes international bedeutendes Familienunternehmen mit globalen
Produktions- und Vertriebsaktivitäten. Aufgrund des starken Wachstums und einer mäßigen Ertragssituation habe lediglich eine
Eigenkapitalquote im Konzern von 20 % dargestellt werden können und zur Finanzierung in erheblichem Umfang auf Bankkredite
zurückgegriffen werden müssen. Alternative Finanzierungen wären nur durch die Aufnahme fremder Gesellschafter möglich gewesen,
was jedoch nicht der Unternehmensphilosophie entsprochen habe. Erst im Jahr 2012 sei ein chinesischer Gesellschafter einbezogen
worden. Die Zinsschranke benachteilige deshalb insbesondere leistungsfähige und große mittelständische Familienunternehmen,
die eben auch Muttergesellschaft eines Konzerns sein könnten und einen Zinssaldo von mehr als 3 Mio. EUR auswiesen. Die finanzielle
Bedeutung des Aussetzungsantrags für die Antragstellerin ergebe sich nicht allein aus der Zahllast aufgrund des geänderten
Körperschaftsteuerbescheides 2008. Zu berücksichtigen seien auch die Auswirkungen im Rahmen des Verlustrücktrags und auf die
Gewerbesteuer 2008 (393.299,47 EUR einschließlich Nachforderungszinsen), die zur Zeit gestundet sei. Insgesamt handele es
sich damit um einen Betrag von nahezu 600.000 EUR.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 2008 vom 10.04.2012 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung
i.H.v. 11.631 EUR auszusetzen,
hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.
Das FA beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die BFH-Entscheidung I B 111/11 betreffe die Anwendung der Zinsschranke aufgrund des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchstabe b EStG i.V.m.
§ 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG. Im Streitfall beruhe die Anwendung der Zinsschranke jedoch nicht auf den vorgenannten Normen,
sondern auf § 4h Abs. 1 EStG, weil die Antragstellerin Muttergesellschaft eines Konzerns sei. Im Übrigen sei die Gefährdung
inländischen Steuersubstrats nach dem Gesetzeswortlaut keine Voraussetzung für die Anwendung der Zinsschranke. Eine AdV könne
deshalb im Streitfall nicht gewährt werden.
Gründe
II.
Der Antrag ist unbegründet. Eine AdV des Körperschaftsteuerbescheides 2008 ist trotz ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
des § 4h EStG i.V.m. § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 KStG und damit an der Rechtmäßigkeit des vorgenannten Bescheides aus Gründen
des öffentlichen Interesses abzulehnen.
1. Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes
ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen
eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel liegen
vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage
treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von
Tatfragen bewirken (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 11.12.2012 III B 89/12, BFH/NV 2013, 582). Eine AdV
setzt nicht voraus, dass die gegen die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründe überwiegen. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so
ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH-Beschluss
vom 13.03.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611). Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes wirtschaftliche
Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer
gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH-Beschluss
vom 02.04.2009 II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146). Bei Steuerbescheiden ist die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung
jedoch gem. § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 FGO auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen
beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Der Begriff der wesentlichen Nachteile i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO ist nach der BFH-Rechtsprechung im Sinne
der Rechtsprechung zu § 114 FGO zu verstehen (BFH-Beschlüsse vom 23.04.2012 III B 183/11, BFH/NV 2012, 1173; vom 13.03.2012
I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611). Wesentliche Nachteile sind danach dann gegeben, wenn durch die Vollziehung
der angefochtenen Steuerbescheide die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen unmittelbar und ausschließlich
bedroht ist oder wenn ein unabweisbares Interesse die AdV gebietet, um eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung
von Grundrechten zu vermeiden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann; allein ein
Überwiegen der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache genügt nicht (BFH-Beschlüsse vom 11.12.2003 IX B 177/02,
BFHE 204, 367, BStBl II 2004, 367; vom 13.03.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611 m.w.N.).
2. An der Verfassungsmäßigkeit des § 4h EStG i.V.m. § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 KStG bestehen ernstliche Zweifel und damit auch
an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides 2008.
a) An die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides sind, wenn – wie hier – die Verfassungswidrigkeit
von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen als im Fall der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung
(BFH-Beschluss vom 13.03.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611).
b) Hiervon ausgehend erscheint ernstlich zweifelhaft, ob das FA die von der Antragstellerin geltend gemachten Schuldzinsen
gemäß § 8 Abs. 1, § 8a KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 EStG (sog. Zinsschranke) zu Recht nur teilweise als Betriebsausgaben zum Abzug
zugelassen hat.
aa) Nach der in den vorgenannten Normen geregelten sog. Zinsschranke sind Zinsaufwendungen eines Betriebes nur in Höhe des
verrechenbaren EBITDA, d.h. in Höhe von 30 % des um Zinsaufwendungen und bestimmte Abschreibungen erhöhten Einkommens abziehbar.
Danach verbleibende nicht abziehbare Zinsaufwendungen sind in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen. Die vorgenannte
Abzugsbeschränkung greift allerdings gem. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) bis c) EStG nicht, falls der Betrag der Zinsaufwendungen,
soweit er den Betrag der Zinserträge übersteigt, weniger als 3 Mio. EUR beträgt, der Betrieb nicht oder nur anteilmäßig zu
einem Konzern gehört oder der Betrieb zu einem Konzern gehört und seine Eigenkapitalquote (annähernd) gleich hoch oder höher
ist als die des Konzerns (Eigenkapitalvergleich).
Die Vorgaben des § 4h Abs. 1 EStG hat das FA in dem angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 2008 zutreffend umgesetzt. Die
Voraussetzungen einer der Ausnahmen des § 4h Abs. 2 Buchst. a)-c) EStG liegen nicht vor, weil die Zinsaufwendungen die Zinserträge
um mehr als 3 Mio. EUR übersteigen, die Antragstellerin Muttergesellschaft eines Konzerns ist und ihre Eigenkapitalquote nicht
(annähernd) gleich hoch oder höher als die des Konzerns ist. § 8a KStG führt zu keinem anderen Ergebnis; in seinem Abs. 1
finden sich lediglich abweichende Definitionen und in seinen Abs. 2 und 3 Einschränkungen zu den Ausnahmen des § 4h Abs. 2
EStG. Die Anwendung der Zinsschranke ausgehend vom Wortlaut der vorgenannten Normen ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig;
im vorliegenden summarischen Verfahren bedarf es deshalb dazu weder weiterer Ausführungen noch über den Akteninhalt hinausgehender
Überprüfungen (etwa zum Eigenkapitalvergleich).
bb) Der Senat hat im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtliche
Bedenken gegen die Zinsschranke.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches
ungleich zu behandeln. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der
Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen
Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert,
wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am
Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich
gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich
hoch zu besteuern. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung
zudem folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürften
eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. zu den vorstehenden Grundsätzen BVerfG-Beschluss vom 12.10.2010 1 BvL 12/07, BVerfGE
127, 224, DStR 2010, 2393 m.w.N). Liegen gewichtige Gründe vor, kann der Gesetzgeber auch das objektive Nettoprinzip durchbrechen
und sich dabei generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen (BVerfG-Beschluss vom 12.05.2009
2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111). Die Missbrauchsbekämpfung ist als Rechtfertigungsgrund grundsätzlich anerkannt (Schenke in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4h Rdnr. A 166).
Mit den Regelungen zur sog. Zinsschranke (§ 8a KStG i.V.m. § 4h EStG) ist der Gesetzgeber von seiner Grundentscheidung abgewichen,
dass Betriebsausgaben in dem Jahr abziehbar sein sollen, in dem sie angefallen sind und den Steuerpflichtigen belasten. Hierdurch
will er die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen in Abhängigkeit vom Gewinn zur Sicherung inländischen Steuersubstrats sowie
zur Vermeidung von missbräuchlichen Steuergestaltungen beschränken. Aufgrund der weiten Auslegung der unionsrechtlichen Marktfreiheiten
durch den Europäischen Gerichtshof (bzw. jetzt den Gerichtshof der Europäischen Union – EuGH –) werden speziell grenzüberschreitend
verbundene Unternehmen in die Lage versetzt, mittels Gesellschafterfremdfinanzierungen inländische Gewinne in das abkommensbegünstigte
Ausland zu verlagern und andererseits ohnehin entstehenden Aufwand wie Zinsen gezielt im Inland anfallen zu lassen. Der Zweck
der Zinsschranke, die steuerlichen Auswirkungen speziell konzerninterner Gestaltungen zur Gewinnverlagerung zu beschränken,
kommt insbesondere durch die sog. Standalone-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG zum Ausdruck, nach der Betriebe,
die nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehören, insoweit folgerichtig nicht von der Zinsschranke erfasst werden (vgl.
zum Vorstehenden BFH-Beschluss vom 13.03.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611 m.w.N.). Konzerninterne Gestaltungen
zur Gewinnverlagerung sind allerdings nicht von vornherein auf Gesellschafterfremdfinanzierungen beschränkt. Auch über die
Entscheidung, welche Konzerngesellschaft stärker mittels Eigenkapital und welche in erster Linie durch Fremdkapital finanziert
wird, lässt sich beeinflussen, in welcher Gesellschaft vorrangig Gewinne anfallen sollen. An einer derartigen Gestaltung zu
Lasten eines konzernangehörigen Betriebs fehlt es allerdings, wenn dessen Eigenkapitalquote höher oder zumindest annähernd
gleich hoch ist wie die des Konzerns. Diesem Gesichtspunkt wollte der Gesetzgeber erkennbar durch die sog. Escape-Klausel
in § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG Rechnung tragen.
Die Zinsschranke wird insbesondere unter Hinweis auf das sog. objektive Nettoprinzip im Schrifttum überwiegend als verfassungswidrig
angesehen (s. z.B. Loschelder in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 4h Rz. 4 m.w.N.; Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG §
4h EStG Anm. 6; Goebel/Eilinghoff, DStZ 2010, 550; einschränkend Frotscher in Frotscher, EStG, § 4h Rz. 8 ff.: Verfassungswidrigkeit
nur bei Substanzbesteuerung; a.A. Neumann, Ubg 2009, 461; Heuermann, DStR 13, 1; Schenke in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG,
§ 4h Rdnr. A 161-191). Zudem werden Verstöße gegen die Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 GG, gegen das Gebot der Normenklarheit
und gegen die europarechtliche Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit für möglich gehalten (vgl. z.B. Loschelder in Schmidt,
EStG, 33. Aufl., § 4h Rz. 4; Goebel/Eilinghoff, DStZ 10, 550; zumindest teilweise a.A. Heuermann, DStR 13, 1; Schenke in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
EStG, § 4h Rdnr. A 193-224). Das FG Berlin-Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 13.10.2011 12 V 12089/11 (EFG 2012, 358)
erhebliche Zweifel daran geäußert, ob die Regelungen des § 4h EStG, § 8a KStG einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten
(offen gelassen im BFH-Beschluss vom 13.03.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611, m.w.N. zum Meinungsstand).
Bei der im vorliegenden Verfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung geht der Senat davon aus, dass die Zinsschranke
auch im Bereich üblicher Fremdfinanzierungen zu erheblichen Belastungswirkungen und einer Substanzbesteuerung führen kann
und insbesondere die Situation insolvenzbedrohter Unternehmen hierdurch häufig weiter verschlechtern wird (vgl. z.B. Neumann,
Ubg 2009, 461; Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Anm. 5). Die Zinsschranke erfasst somit nicht nur missbräuchliche
Gestaltungen, sondern geht weit darüber hinaus. Allein unter dem Gesichtspunkt der Missbrauchsabwehr hätte der Gesetzgeber
den ihm zustehenden Typisierungsspielraum überschritten (Schenke in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4h Rdnr. A 187). Allerdings
sind in die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht nur die Missbrauchsbekämpfung, sondern auch anderweitige Lenkungszwecke
des Gesetzgebers einzubeziehen, wie etwa die längerfristige Sicherung des deutschen Steuersubstrats. Damit hat der Gesetzgeber
nicht nur auf den (nicht in ausreichender Weise rechtfertigenden) Einnahmezweck, sondern auf einen in der Konzeption der Regelung
angelegten „qualifizierten Fiskalzweck” abgestellt (vgl. dazu Heuermann, DStR 2013, 1; Schenke in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
EStG, § 4h Rdnr. A 169, 178 f; vgl. allgemein zum „qualifizierten Fiskalzweck” BFH-Urteil vom 22.08.2012 I R 9/11, BFHE 238,
419, BFH/NV 2013, 161), der nach Auffassung des erkennenden Senats grundsätzlich geeignet ist, eine Durchbrechung des objektiven
Nettoprinzips zu rechtfertigen. Mittels der Beschränkung auf konzernangehörige Gesellschaften und der sog. Escape-Klausel
(§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b, c) hat der Gesetzgeber erkennbar versucht, die nachteiligen Folgen der Zinsschranke auf Finanzierungsgestaltungen
zu begrenzen. Außerdem ergeben sich wegen der Möglichkeit, Zinsaufwendungen, die nicht abgezogen werden dürfen, in die folgenden
Wirtschaftsjahre vorzutragen (Zinsvortrag gem. § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung), häufig nur
temporäre und keine endgültigen Steuereffekte, so dass die dem Steuerpflichtigen nachteiligen Wirkungen der Zinsschranke verfassungsrechtlich
weniger gewichtig sind (vgl. dazu allgemein BFH-Urteil vom 22.08.2012 I R 9/11, BFHE 238, 419, BFH/NV 2013, 161).
Der erkennende Senat sieht es aber gleichwohl als ernstlich zweifelhaft an, ob dem verfassungsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit
(vgl. dazu allgemein Schenke in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4h Rdnr. A 180) genügt worden ist. Zum einen ist der Toleranzrahmen
der Escape-Klausel mit – nach der im Streitjahr gültigen Fassung – 1 % nicht nur knapp bemessen, sondern eine Überschreitung
dieser Grenze führt zur Anwendung der Zinsschranke auf den gesamten Zinsaufwand (in einer Verlustsituation somit unter Umständen
zur vollständigen Nichtabziehbarkeit sämtlicher Zinsaufwendungen), d.h. ohne Begrenzung auf maximal den (ggf. pauschaliert
ermittelten) anteiligen Zinsaufwand, der auf die im Vergleich zum Konzern überhöhte Fremdfinanzierung entfällt (Verletzung
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wegen einer gemessen an der Zielsetzung quantitativ überhöhten Einschränkung des Zinsaufwands
für Fremddarlehen) und ohne Berücksichtigung der Frage, ob der Betrieb nur deshalb die Voraussetzungen der Escape-Klausel
nicht erfüllt, weil der Konzern insgesamt über eine hohe Eigenkapitalquote verfügt (vgl. z.B. Lenz/Dörfler, DB 2010, 18, welche
vorschlagen, den Zinsabzug auch von einem bestimmen Fremdkapital/Eigenkapital-Verhältnis abhängig zu machen). Zum anderen
gilt die Norm auch für reine Inlandssachverhalte, die aus fiskalischer Sicht völlig unverdächtig sind (vgl. Hey, BB 2007,
1303; a.A. Schenke in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4h Rdnr. A 174) und die nach der jüngeren EuGH-Rechtsprechung möglicherweise
nicht mehr zwingend einbezogen werden müssten, um eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten
zu erreichen (vgl. dazu Schenke in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4h Rdnr. A 284, 219). Die Möglichkeit eines Zinsvortrags
mindert zwar die Belastung der Steuerpflichtigen durch die Zinsschranke, genügt allein jedoch nicht, um diese als verfassungsrechtlich
unbedenklich anzusehen (wohl ebenso BFH-Beschluss vom 13.03.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611 zu § 8a Abs.
2 Alternative 3 KStG).
cc) Die vorgenannten ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 4h Abs. 1 EStG unter Berücksichtigung der Ausnahmen
in Abs. 2 der Norm betreffen die Zinsschranke insgesamt. Im Übrigen würden die Bedenken des Senats vermutlich gerade auch
bei der Besteuerung der Antragstellerin deutlich werden, wenngleich es aus den nachfolgend unter II.3 dargelegten Gründen
vorliegend keiner summarischen Überprüfung/Ermittlung der dafür relevanten Eigenkapitalquoten bedarf. Ausgehend von den Angaben
der Antragstellerin betrug die Eigenkapitalquote im Konzern lediglich 20 % und die Zinsaufwendungen beruhten weitestgehend
auf Bankverbindlichkeiten. Falls dies zutreffend wäre, könnten die Finanzierungsentscheidungen im Konzern allenfalls insoweit
einer unangemessenen Gewinnverlagerung gedient haben, als die Eigenkapitalquote der Antragstellerin unterhalb von 20 % lag.
Das gezeichnete Kapital der Antragstellerin betrug jedoch bereits rd. 16 % ihrer Bilanzsumme. D.h. dem Gebot der Verhältnismäßigkeit
hätte es möglicherweise nur entsprochen, lediglich insoweit eine unangemessene Gewinnverlagerung anzunehmen und den Zinsabzug
zu untersagen, als 4 % der Bilanzsumme (rd. 12,7 Mio. EUR) wegen der Finanzierungsentscheidungen des Konzerns bei der Antragstellerin
zusätzlich zu finanzieren waren (neben der konzerntypischen Fremdfinanzierungsquote von 80 %). Demgegenüber führt die Anwendung
der Zinsschranke im Streitjahr 2008 zu einem nicht abzugsfähigen Zinsaufwand i.H.v. rd. 6,3 Mio. EUR (rd. 66 % des gesamten
Zinsaufwands).
3. Allein die bestehenden ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßig des § 4h EStG i.V.m. § 8a Abs. 1 KStG genügen jedoch
nicht, um eine AdV des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides 2008 zu rechtfertigen.
a) Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts, hat das FG dessen Vollziehung im
Regelfall auszusetzen. Dies ergibt sich aus der Formulierung des § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 FGO als
Sollvorschrift. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann trotz Vorliegens solcher Zweifel die AdV abgelehnt werden
(BFH-Beschluss vom 01.04.2010 II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558).
aa) Ein solcher atypischer Fall kommt in Betracht, wenn die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes
auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen. Ist dies
der Fall, ist die Gewährung einer AdV zwar nicht ausgeschlossen. Sie setzt aber nach langjähriger Rechtsprechung des BFH wegen
des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes
Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes voraus (BFH-Beschluss vom 01.04.2010 II B 168/09,
BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558 m.w.N.). Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen
besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung einer AdV sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich
einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs
beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer AdV hinsichtlich des Gesetzesvollzuges und des öffentlichen
Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an; das Gewicht der ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betroffenen
Vorschrift soll bei dieser Abwägung hingegen nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein (BFH-Beschlüsse vom 01.04.2010 II
B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558 m.w.N.; ähnlich BFH-Beschlüsse vom 11.12.012 III B 89/12, BFH/NV 2013, 582; vom
21.12.2012 III B 41/12, BFH/NV 2013, 549; vom 09.03.2012 VII B 171/11, BFH/NV 2012, 874).
Die vorgenannte einschränkende Auslegung des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO ist allerdings nicht nur im Schrifttum auf Kritik gestoßen
(vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Tz. 96 ff.). Während der II., III. und VII. Senat auch in ihren jüngeren,
vorstehend zitierten Entscheidungen die vorgenannte Interessenabwägung als erforderlich ansehen, haben verschiedene andere
Senate des BFH zwischenzeitlich teilweise offen gelassen, ob an der bisherigen BFH-Rechtsprechung uneingeschränkt festzuhalten
ist (vgl. BFH-Beschluss vom 13.03.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611), und teilweise ausdrücklich den öffentlichen
Haushaltsinteressen deutlich weniger Gewicht beigemessen als zuvor (vgl. BFH-Beschluss vom 25.08.2009 VI B 69/09, BFHE 226,
89, BStBl II 2009, 826; vom 22. 12. 2003 IX B 177/02, BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367).
bb) An der einschränkenden Auslegung des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, wonach ein Verwaltungsakt wegen ernstlicher Zweifel an der
Verfassungsmäßigkeit der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Rechtsnormen nur nach Abwägung des individuellen Aussetzungsinteresses
gegen das öffentliche Vollziehungsinteresse auszusetzen ist, ist nach Auffassung des erkennenden Senats festzuhalten. Dies
folgt aus dem unverändert gültigen Grundsatz der Gewaltenteilung und der gem. Art. 100 Abs. 1 GG alleinigen Verwerfungskompetenz
des BVerfG in Bezug auf formell ordnungsgemäß zustande gekommene Bundesgesetze (ebenso: Beschlüsse des FG Köln vom 04.07.2012
13 V 1408/12, EFG 2012, 204, und vom 04.07.2012 13 V 1292/12, EFG 2012, 2036, jeweils aus anderweitigen Gründen bestätigt
durch BFH-Beschlüsse vom 16.10.2012 I B 125/12, BFH/NV 2013, 249 und vom 16.10.2012 I B 128/12, BFHE 238, 452, BStBl II 2013,
30; a.A. FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.10.2011 12 V 12089/11, EFG 2012, 358) und gilt insbesondere in den Fällen,
in denen eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des Steuerbescheides sich zwar formal als bloße Einzelfallentscheidung
darstellt, im Ergebnis aber aufgrund gleichgerichteter gerichtlicher Entscheidungen (etwa im Anschluss an eine BFH-Entscheidung)
gleichwohl zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes oder einer bedeutenden Neuregelung eines ganzen Sachbereichs
führen würde (vgl. auch BFH-Beschluss vom 09.03.2012 VII B 171/11, BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418).
cc) Die vorgenannte Auslegung des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO verstößt nicht gegen den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anspruch
auf einen umfassenden und effektiven gerichtlichen Rechtsschutz.
Das BVerfG hat in seinen Beschlüssen vom 06.04.1988 1 BvR 146/88 (INF 1989, 335) und vom 03.04.1992 2 BvR 283/92 (HFR 1992,
726) die ältere BFH-Rechtsprechung ausdrücklich gebilligt. Auch in seinem Beschluss vom 24.10.2011 1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11
(HFR 2012, 89) hat das BVerfG die der älteren BFH-Rechtsprechung folgende Spruchpraxis des II. Senats des BFH nicht verworfen,
sondern unter Bestätigung der Entscheidung lediglich im Ergebnis offengelassen, ob diese Rechtsprechung in jeder Hinsicht
mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist (vgl. auch die Auslegung der vorgenannten BVerfG-Entscheidung durch den Beschluss des
FG Köln vom 04.07.2012 13 V 1408/12, EFG 2012, 2040, aus anderweitigen Gründen bestätigt durch BFH-Beschluss vom 16.10.2012
I B 125/12, BFH/NV 2013, 249). Darüber hinaus hat der V. Senat des BFH durch Beschluss vom 22.11.2001 V B 100/01 (BFH/NV 2002,
519) im Zusammenhang mit § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO entschieden, dass die Ausgestaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes dem Gesetzgeber
obliegt und dieser lediglich im Rahmen seines Gestaltungsspielraums sicherstellen muss, dass nicht aufgrund einer zu engen
Begrenzung der Rechtsschutzmöglichkeiten zum Nachteil des Bürgers irreparable Folgen entstehen können. Die Verfassungsbeschwerde
gegen diese Entscheidung hat das BVerfG gem. §§ 93a, 93b des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) nicht zur Entscheidung
angenommen (BVerfG-Beschluss vom 30.01.2002 Az. 1 BvR 66/02). Mit derselben Begründung hatten bereits zuvor der I. und der
X. des BFH die Verfassungsmäßigkeit des § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO bejaht (BFH-Beschlüsse vom 02.11.1999 I B 49/99, BFHE 190,
59, BStBl II 2000, 57; vom 24.01.2000 X B 99/99, BFHE 192, 197, BStBl II 2000, 559). Zumindest im Ergebnis haben sich dem
auch der VI. und IX. Senat des BFH angeschlossen (Beschlüsse vom 22.12.2003 IX B 177/02, BFHE 204,39, BStBl II 2004, 367;
vom 26.01.2010 VI B 115/09, BFH/NV 2010, 935). Hiervon ausgehend ist nicht nur der Gesetzgeber frei, eine AdV trotz bestehender
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auszuschließen, sondern auch die Gerichte sind nicht von Verfassungswegen
daran gehindert, dem Geltungsanspruch jedes formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes durch eine einschränkende
Auslegung des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO Rechnung zu tragen. Im Übrigen erscheint es dem Senat wesentlich eher sachlich gerechtfertigt,
eine Einschränkung des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an einem formell ordnungsgemäßen Gesetz
vorzunehmen, als allein wegen des vorhergehenden Erlasses eines Vorauszahlungsbescheides, zumal der Steuerpflichtige unter
dem Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes auch nicht auf dessen Anfechtung und dessen AdV verwiesen werden kann.
Denn zum einen sind bei Erlass eines Bescheides über die künftigen Vorauszahlungen die späteren Besteuerungsgrundlagen noch
gar nicht bekannt und zum anderen nützt dem Steuerpflichtigen selbst eine Anfechtung und ein Antrag auf AdV eines Vorauszahlungsbescheides
wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit letztlich nichts, weil eine AdV des nachfolgenden, den Vorauszahlungsbescheid
ersetzenden Jahressteuerbescheides allein aufgrund rechtlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit gem. § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO
gleichwohl ausgeschlossen sein soll (BFH-Beschluss vom 24.01.2000 X B 99/99, BFHE 192, 197, BStBl II 2000, 559; BFH-Beschluss
I B 111/11 vom 13.03.2012, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611: AdV der Körperschaftsteuerbescheide 2008 und 2009 wegen ernstlicher
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG, nicht aber des zum Verfahrensgegenstand gewordenen Körperschaftsteuerbescheides
2010, der den Vorauszahlungsbescheid 2010 ersetzte). Wenn aber bereits ein wegen ernstlicher Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit
von der Vollziehung auszusetzender bzw. ausgesetzter Vorauszahlungsbescheid die nachfolgende Aussetzung des Jahressteuerbescheides
wegen ernstlicher Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit verhindern kann, ohne dass dies nach der vorstehend zitierten BFH-Rechtsprechung
verfassungsrechtlich zu beanstanden sein soll, ist nicht ersichtlich, weshalb es einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG darstellen
sollte, falls erhöhte Anforderungen an die AdV eines Jahressteuerbescheides gestellt werden, sofern der AdV-Antrag ausschließlich
mit verfassungsrechtlichen Zweifeln an dem zugrunde liegenden formell ordnungsmäßig zustande gekommenen Gesetz begründet wird.
Der erkennende Senat misst dem Geltungsanspruch eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes verfassungsrechtlich
einen wesentlich höheren Stellenwert zu als einem (angefochtenen) Vorauszahlungsbescheid.
Ein Verständnis des Art. 19 Abs. 4 GG, wonach eine einschränkende Auslegung des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO bei ernstlichen Zweifeln
an der Verfassungsmäßigkeit eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes verfassungsrechtlich zulässig und ggf.
geboten ist, vermeidet überdies Friktionen zum europarechtlichen Rechtsschutz. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
sind zwar auch nationale Gerichte befugt, vorläufigen Rechtsschutz gegen einen nationalen Verwaltungsakt zu gewähren, der
auf einem rechtlich zweifelhaften Gemeinschaftsrechtsakt beruht bzw. diesen umsetzt, allerdings nur unter den nachfolgenden
einschränkenden und der nationalen Regelung des § 69 FGO vorgehenden Voraussetzungen (vgl. Urteile des EuGH vom 21.02.1991
C-143/88 und C-92/89 „Zuckerfabrik Süderdithmarschen u.a.”, DVBl 1991, 480 Tz. 22-33; vom 09.11.1995 C-465/93 „Atlanta Fruchthandelsgesellschaft
u.a.”, HFR 1996, 102 Tz. 31-51; vom 26.11.1996 C-68/95 „T. Port”, HFR 1997, 179 Tz. 46-51; Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO,
§ 69 FGO Rz. 21 ff.; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Tz. 13): Das nationale Gericht muss erhebliche Zweifel an der Gültigkeit
des Gemeinschaftsrechtsakts haben und diese Gültigkeitsfrage dem EuGH vorlegen, sofern der Gerichtshof noch nicht mir ihr
befasst ist. Die Entscheidung muss darüber hinaus dringlich in dem Sinne sein, dass der vorläufige Rechtsschutz erforderlich
ist, um einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden des Beteiligten zu vermeiden. Ein reiner Geldschaden genügt
hierbei grundsätzlich nicht. Außerdem muss das Interesse der Gemeinschaft angemessen berücksichtigt werden. Bei der Prüfung
der vorgenannten Voraussetzungen muss das nationale Gericht etwaige Entscheidungen oder vorläufige Anordnungen des EuG oder
EuGH in der gleichen Angelegenheit beachten. Diese Voraussetzungen der EuGH-Rechtsprechung für eine AdV dürften aber kaum
mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sein, falls dieser bereits bei „einfachen” Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer Norm
in der Regel ohne Folgenabwägung eine AdV gebieten würde. Zwar hält das BVerfG bei der innerstaatlichen Umsetzung von Richtlinien
des Gemeinschaftsrechts, die den Mitgliedsstaaten keinen Umsetzungsspielraum belassen, eine Prüfung am Maßstab der Grundrechte
des Grundgesetzes für entbehrlich, solange die EuGH-Rechtsprechung einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt
der Gemeinschaft generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen
gleich zu achten ist (BVerfG-Beschluss vom 13.03.2007 1 BvF 1/05, BVerfGE 118, 79). Ein sehr weites Verständnis des Art. 19
Abs. 4 GG würde jedoch dem Geltungsanspruch der nationalen und europarechtlichen Rechtsetzungsakte und der fehlenden Befugnis
der nachgeordneten Gerichte, diese Rechtsetzungsakte zu verwerfen, nicht gerecht und die Frage aufwerfen, ob die strengere
EuGH-Rechtsprechung einem derartig weiten Verständnis des Art. 19 Abs. 4 GG noch im Wesentlichen entsprechen würde.
b) Im Streitfall lässt sich kein gegenüber den öffentlichen Interessen an dem Gesetzesvollzug überwiegendes besonderes Aussetzungsinteresse
der Antragstellerin feststellen.
aa) Der Senat vermag nach Aktenlage nicht festzustellen, dass die Antragstellerin durch die Anwendung der Zinsschranke existenzgefährdend
betroffen wird. Die streitige Körperschaftsteuer 2008, auf die sich das vorliegende Verfahren unmittelbar bezieht, beträgt
nur 11.631 EUR. Allerdings erscheint es nicht sachgerecht, bei der gebotenen Abwägung jeweils auf einzelne Steuerarten und
einzelne Jahre abzustellen. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen, die sich absehbar für den jeweiligen Antragsteller aus
der Anwendung der verfassungsrechtlich zweifelhaften Norm ergeben. Unter der Fragestellung, ob eine existenzgefährdende Belastung
der Antragstellerin vorliegt, sind somit auch die Auswirkungen auf die Gewerbesteuer 2008 und auf den körperschaftsteuerrechtlichen
Verlustrücktrag aus dem Jahr 2008 in das Jahr 2007 einzubeziehen. Insgesamt handelt es sich damit nach den schlüssigen Angaben
der Antragstellerin um einen Betrag von nahezu 600.000 EUR. Nicht ersichtlich ist nach Aktenlage jedoch, dass die Existenz
der Antragstellerin durch die Zahlung des vorgenannten Betrages bedroht wäre. Die Umsätze der Antragstellerin beliefen sich
in den Jahren 2007 und 2008 auf jeweils rd. 330 Mio. EUR, die handelsrechtlichen Jahresüberschüsse auf jeweils über 2 Mio.
EUR, die steuerlichen Einkommen ohne Anwendung der Zinsschranke und des Verlustrücktrags auf rd. + 1,7 Mio. EUR (2007) bzw.
./. 5,7 Mio. EUR (2008) und das handelsrechtliche Eigenkapital wurde mit jeweils rund 65 Mio. EUR ausgewiesen. Im Folgejahr
2009 erlitt die Antragstellerin zwar einen steuerlichen Verlust (vor Anwendung der Zinsschranke) in Höhe von rd. 60,9 Mio.
EUR, so dass das handelsrechtliche bilanzielle Eigenkapital (einschließlich der Genussrechte) weitgehend aufgezehrt war (vgl.
auch die Anlage 3 zum Betriebsprüfungsbericht). Sichere Rückschlüsse auf die jetzige finanzielle Situation der Antragstellerin
lassen die vorgenannten Daten jedoch nicht zu, zumal seit dem Jahr 2012 ein chinesischer Gesellschafter an der Antragstellerin
beteiligt ist. Im Übrigen hat die Antragstellerin auf Nachfrage der Berichterstatterin vom 10.10.2012, aus welchen Gründen
ein besonderes Aussetzungsinteresse geltend gemacht werde, zwar auf den obengenannten Betrag von 600.000 EUR und auf die Aufnahme
eines neuen Gesellschafters hingewiesen, aber keine Existenzgefährdung durch eine Zahlung des vorgenannten Betrages geltend
gemacht.
bb) Selbst wenn die in Rede stehenden Steuerforderungen i.H.v. insgesamt 600.000 EUR eine erhebliche finanzielle Belastung
für die Antragstellerin darstellten sollten, genügt dies nicht, um dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin den Vorrang
vor den öffentlichen Interessen am sofortigen Gesetzesvollzug einzuräumen.
(1) Aus der Sicht beider Beteiligten wie auch der Steuergläubiger geht es um Geldleistungen, also um Leistungen, die nicht
von vornherein einen Zustand irreparabel verändern. Vielmehr können Steuern nach Abschluss der gerichtlichen Verfahren entweder
erstmals gezahlt oder zurückgezahlt werden. Zwar wäre es nicht gerechtfertigt, einen vorläufigen Rechtsschutz gegen Geldleistungsbescheide
von vornherein auszuschließen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Tz. 2), andererseits muss das öffentliche Interesse
an der sofortigen Steuererhebung nicht allein deshalb zurücktreten, weil nur um Geldleistungen gestritten wird.
Der Senat hat auch Bedenken, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung einer gesetzlichen Steuerregelung allein
nach den aufgrund dieser Regelung erwarteten Steuereinnahmen im Verhältnis zu den gesamten Steuereinnahmen zu bemessen, welches
im Streitfall etwa bei 0,3 % liegen dürfte (vgl. die Angaben zum erwarteten Steueraufkommen im BFH-Beschluss vom 13.03.2012
I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611). Denn dabei würde vernachlässigt, dass die Haushaltseinnahmen und Haushaltsausgaben
vielfach fixe Größen sind, der tatsächliche
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sich nur auf Bruchteile dieser Größe bezieht und sich z.B. die Diskussion um eine Neuverschuldung
nur im einstelligen Prozentbereich des Gesamthaushalts bewegt. Ebensowenig kann eine Geldleistung für den Steuerpflichtigen
allein deshalb als unerheblich angesehen werden, weil sie prozentual in Bezug auf dessen Einnahmen/Umsätze geringfügig erscheint
(im Streitfall: rd. 0,18 %).
Darüber hinaus ist das öffentliche Interesse nicht auf eine geordnete Haushaltsführung zu reduzieren, sondern es bezieht sich
auch auf die Durchsetzungsfähigkeit des Gesetzgebers und damit auf den Vollzug eines formell ordnungsgemäß beschlossenen Gesetzes
als solchen. Dies gilt nicht zuletzt dann, wenn ein Steuergesetz nicht nur der Einnahmeerzielung dient, sondern daneben Lenkungszwecke
verfolgt, etwa einer gleichmäßigen Lastenverteilung dienen soll. Dem vorgenannten Gesichtspunkt mag keine entscheidende Bedeutung
beizumessen sein, falls die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Neuregelung sich lediglich auf Rand-
oder Teilbereiche der Neuregelung bezieht (wie etwa die im BFH-Beschluss vom 13.03.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II
2012, 611 zu entscheidende Frage). Dem Gesetzesvollzug ist jedoch ein höheres Gewicht beizumessen, wenn gegen die gesamte
Konzeption der gesetzlichen Neuregelung eines Sachbereichs gewichtige verfassungsrechtliche Einwendungen erhoben werden. In
derartigen Fällen hält es der Senat – auch im Interesse einer Vereinheitlichung der Beurteilungsmaßstäbe – für sachgerecht,
von einem vorrangigen Aussetzungsinteresse nur dann auszugehen, wenn dem Antragsteller andernfalls wesentliche Nachteile i.S.
der zu § 114 FGO entwickelten Grundsätze drohen. Derartige wesentliche Nachteile sind nicht nur bei einer Existenzgefährdung
des Steuerpflichtigen anzunehmen, sondern auch dann, wenn die Verfassungswidrigkeit einer Norm klar und eindeutig erscheint
und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer dementsprechenden Entscheidung des BVerfG auszugehen ist (wohl
ebenso BFH-Beschluss vom 13.03.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611).
(2) Im Streitfall betreffen die von der Antragstellerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Zweifel den Kernbereich der
Zinsschranke. Wollte man diese als ausreichend ansehen, um eine AdV zu rechtfertigen, würde faktisch der Vollzug des § 4h
EStG (ggf. i.V.m. § 8a KStG) insgesamt ausgesetzt. In einem derartigen Fall ist jedoch – wie dargelegt – das öffentliche Interesse
an einer Durchsetzung der gesetzgeberischen Entscheidungen vorrangig, sofern der Antragstellerin durch den Sofortvollzug keine
wesentlichen Nachteile drohen. Eine Existenzgefährdung der Antragstellerin durch die Anwendung der Zinsschranke ist aus den
bereits genannten Gründen nicht ersichtlich. Es besteht aber auch im Übrigen kein unabweisbares Interesse der Antragstellerin
an einer AdV. Die bestehenden Zweifel des Senats an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke genügen hierfür nicht. Bei summarischer
Beurteilung hält der erkennende Senat die Rechtslage nicht für eindeutig, zumal der BFH selbst an der besonders weitgehenden
Teilregelung in § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG nur Zweifel geäußert, aber eine abweichende Beurteilung durch das BVerfG für
möglich gehalten hat (BFH-Beschluss vom 13.03.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611). Dementsprechend vermag
der erkennende Senat nicht zweifelsfrei auszuschließen, dass das BVerfG § 4h EStG (ggf. i.V.m. § 8a KStG) als verfassungsmäßig
ansehen könnte.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
5. Die Beschwerde ist gem. § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zuzulassen. Die Frage, nach welchen Maßstäben die
Entscheidung über einen Antrag auf AdV zu treffen ist, wenn die Verfassungswidrigkeit der dem angefochtenen Verwaltungsakt
zugrunde liegenden Rechtsnorm gerügt wird, wird von den verschiedenen Senaten des BFH unterschiedlich beurteilt. Außerdem
hat das FG Finanzgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 13.10.2011 12 V 12089/11 (EFG 2012, 358) eine AdV wegen
ernstlicher Zweifel an der Zinsschrankenregelung gewährt.