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  • 05.07.2012

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 27.10.2011 – 14 K 2269/11 L

    - Gleichgeschlechtliche Lebenspartner, die eine Lebenspartnerschaft nach dem LPartG begründet haben, sind von dem Gesetzeswortlaut des § 38b Satz 2 Nr. 3 a EStG nicht erfasst. Eine entsprechende Anwendung auf eingetragene Lebenspartnerschaften kommt mangels einer Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit nicht in Betracht.


    - Eingetragenen Lebenspartnern steht kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine Zuordnung in die Steuerklassen III/V zu. Dem Gesetzgeber stünden mehrere mögliche Handlungsalternativen zu Gebote, eine - möglicherweise - verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern zu beseitigen.


    - Eine Aussetzung des Verfahrens zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit dieser Ungleichbehandlung ist mangels Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage nicht geboten.


    - Die Frage, ob eingetragenen Lebenspartnern durch die Verweigerung einer Zusammenveranlagung und die fehlende einkommensteuerliche Gleichstellung ein verfassungsrechtlich relevanter Nachteil entsteht, ist erst im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu klären


    Tatbestand

    Die Klägerinnen sind seit dem 17.08.2007 nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) miteinander verpartnert. Die Lebenspartner sind beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und leben nicht dauernd getrennt. Beide Lebenspartnerinnen erzielen - was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

    Unter dem 23.09.2010 beantragten sie, die Lohnsteuerkarten dergestalt zu ändern, dass die Klägerin zu 1) - „A” - von der Steuerklasse I in die Steuerklasse III und die Klägerin zu 2) - „B” - von der Steuerklasse I in die Steuerklasse V eingereiht wird. Zur Begründung führten sie aus, obwohl ihnen nach den gesetzlichen Regelungen die begehrte Zuordnung nicht zustehe, stünde ihnen ein Anspruch auf die Eintragungen zu. § 38b des Einkommensteuergesetzes - EStG -, der die Zuordnung von Arbeitnehmern zu den verschiedenen Lohnsteuerklassen regele, sei lückenhaft, weil darin der Familienstand der Lebenspartnerschaft nicht geregelt sei. Die Lücke müsse dadurch geschlossen werden, dass Lebenspartnern die gleichen Rechte zuzubilligen seien wie Ehegatten. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- folge, dass Lebenspartnerinnen ein Anspruch auf vollumfängliche Gleichbehandlung mit Verheirateten zustehe. Denn nach Art. 3 des Grundgesetzes - GG - sei auch ein gleichheitssatzwidriger Begünstigungsausschluss verboten, so dass sich ein Anspruch auf Gleichbehandlung schon unmittelbar aus Verfassungsrecht ergebe.

    Mit Bescheiden vom 30.09.2010 und 04.10.2010 lehnte der Beklagte die Änderungen ab. Zur Begründung führte er aus, die begehrten Eintragungen der Lohnsteuerklassen seien nur bei Ehegatten möglich. Bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sei das Tatbestandsmerkmal „Ehegatte” nicht erfüllt.

    Hiergegen legten die Klägerinnen am 06.10.2010 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, die Verpflichtung zur Änderung der Lohnsteuerklassen ergebe sich unmittelbar aus der Rechtsprechung des BVerfG. Die Verpflichtung zur Gleichbehandlung folge aus der Bindungswirkung der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen vom 07.07.2009 und 21.07.2010 nach § 31 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes - BVerfGG -.

    Nachdem die Klägerinnen sich nicht mit einem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf eine beim BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerde (2 Bar 909/06) einverstanden erklärt hatten, wies der Beklagte die Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 07.06.2011 bzw. 30.06.2011 zurück. Er hielt an seiner Ansicht fest, dass es bezüglich der Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte für eine Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten an einer Rechtsgrundlage fehle. Eine Einreihung in die Steuerklassen III und V komme nach dem geltenden Gesetzeswortlaut nur für verheiratete Ehegatten in Betracht. Lebenspartner seien keine Ehegatten i.S. der gesetzlichen Regelungen, so dass eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften ausscheide. Durch die Schaffung des neuen Personenstands der Lebenspartnerschaft sei zwar bei den Vorschriften über die Steuerklassen möglicherweise eine Regelungslücke entstanden. Gleichwohl seien Lebenspartner wie Ledige der Steuerklasse I zuzuordnen. Die Regelungslücke sei keine ausfüllungsbedürftige unbewusste Lücke im Gesetz. Der Gesetzgeber habe die einkommensteuerliche Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern vielmehr bewusst nicht geregelt, so dass eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Steuerklassen für Ehegatten nicht in Betracht komme. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Entscheidungen des BVerfG zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Die daraufhin ergangenen gesetzlichen Neuregelungen seien schon allein wegen der unterschiedlichen Rechtsbegriffe nicht auf das Einkommensteuerrecht übertragbar. Außerdem sei die Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern aufgrund der Institutsgarantie des Art. 6 GG sachlich gerechtfertigt.

    Hiergegen richtet sich die am 04.07.2011 erhobene Klage, mit der die Klägerinnen ihr Begehren auf Änderung der Lohnsteuerkarten weiterverfolgen. Sie sind weiterhin der Ansicht, dass ihnen ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Durchführung der beantragten Änderung der Steuerklassen auf ihren Lohnsteuerkarten 2010 zustehe. Hierzu wiederholen und vertiefen sie ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend tragen sie vor, dass die eingetragene Steuerklasse I auf ihren Lohnsteuerkarten unrichtig sei, weil sie am 01.01.2011 nicht ledig, sondern verpartnert gewesen seien. Für Lebenspartner seien die Regelungen über Verheiratete anzuwenden, weil die Lebenspartnerschaft in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht in jedweder Hinsicht einer Ehe entspreche, was sich aus den Beschlüssen des BVerfG vom 07.07.2009 und vom 21.07.2010 ergebe. Die Ablehnung der begehrten Steuerklassenänderung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Die durch die Nichtberücksichtigung der Lebenspartnerschaft im Einkommensteuerrecht entstandene Lücke sei durch eine verfassungskonforme Auslegung der gesetzlichen Regelungen über die zu füllen. Nur durch diese Auslegung könne sichergestellt werden, dass Lebenspartner in gleicher Weise behandelt würden wie Verheiratete. Die Auslegung sei auch geboten, da sich der geltend gemachte Anspruch unmittelbar aus der Rechtsprechung des BVerfG ableiten lasse. Die zuvor ergangene - gegenteilige - Rechtsprechung des BFH habe insoweit keine Gültigkeit mehr, zumal die Rechtsprechung des Ersten Senats des BVerfG auf Erwägungen beruhe, die gemäß § 31 BVerfGG für die Verfassungsorgane des Bundes und die Gerichte und Behörden bindend sei und auch nicht zu erwarten sei, dass der Zweite Senat des BVerfG in noch anhängigen Verfassungsbeschwerden von der Ansicht des Ersten Senats abweichen werde.

    Die Klägerinnen beantragen,

    1. den Beklagten unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 30.09.2010 und 04.10.2010 und der Einspruchsentscheidungen vom 07.06.2011 und 30.06.2011 zu verpflichten, die auf den Lohnsteuerkarten 2010 eingetragenen Lohnsteuerklassen dergestalt zu ändern, dass die Klägerin zu 1) - „A” - von der Steuerklasse I in die Steuerklasse III und die Klägerin zu 2) - „B” - von der Steuerklasse I in die Steuerklasse V eingereiht wird,

    2. hilfsweise für den Fall, dass der Antrag zu 1 nicht vollständig begründet ist, den Beklagten zu verpflichten, die auf der Lohnsteuerkarte für 2010 eingetragene Steuerklasse der Klägerin zu 2 von der Steuerklasse I in die Steuerklasse III zu ändern,

    3. hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen,

    4. die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten im Einspruchsverfahren für erforderlich zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er wiederholt seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Die Ablehnung der Änderungen der Lohnsteuerkarten durch den Bescheid des Beklagten vom 30.9.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.06.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Den Klägerinnen steht kein Anspruch auf die begehrten Einreihungen der Klägerinnen in die Lohnsteuerklasse III („A”, Klägerin zu 1.) und die Lohnsteuerklasse V („B”, Klägerin zu 2.) zu.

    I. Die Klage, die auf eine Änderung einer Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte gerichtet ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, der sich der Senat anschließt, als Verpflichtungsklage i.S.d. § 40 Abs. 1, 2. Alt. FGO statthaft (BFH-Beschluss vom 21.01.1983 VI B 98/82, zit. nach juris; a.A. (Anfechtungsklage) FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.06.2011 12 V 1468/11, zit. nach juris). Die Klägerinnen begehren den Erlass eines Verwaltungsakts i.S.d. § 118 Satz 1 der Abgabenordnung - AO -. Die Eintragung der Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte ist ein Verwaltungsakt und eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 179 AO), die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (§ 39 Abs. 3b Satz 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ). Dementsprechend ist auch die Änderung einer eingetragenen Lohnsteuerklasse ein Verwaltungsakt.

    Beide Klägerinnen sind klagebefugt. Sie erzielen - unstreitig - Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, so dass durch die Ablehnung der Einreihung in beantragten Lohnsteuerklassen die Möglichkeit besteht, dass sie in ihren Rechten verletzt sind; insofern gilt die sog. Möglichkeitstheorie (Seer in Tipke/Kruse AO/FGO, § 40 FGO Rn. 93).

    II. Die Klage ist sowohl mit dem Hauptantrag als auch mit den Hilfsanträgen nicht begründet.

    1. Gemäß § 38b Abs. 1 Satz 1 EStG werden unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer für die Durchführung des Lohnsteuerabzuges in Steuerklassen eingereiht. Die Steuerklassen für das Kalenderjahr 2011 sind dabei auf der Lohnsteuerkarte 2010 eingetragen. Dementsprechend sind Änderungen der Lohnsteuerklasse für 2011 ebenfalls auf der Lohnsteuerkarte 2010 vorzunehmen. Dies ist dadurch begründet, dass die Lohnsteuerkarte 2010 mit den eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmalen auch für den Steuerabzug vom Arbeitslohn ab dem 01.01.2011 bis zur erstmaligen Anwendung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale gilt (§ 52b Abs. 1 Satz 1 EStG).

    Das Gesetz sieht in § 38b Abs. 1 Satz 2 EStG sechs Steuerklassen vor und bestimmt abschließend, welcher Arbeitnehmer auf Grund seiner persönlichen Besteuerungsmerkmale in welche Steuerklasse gehört. Die Voraussetzungen für die Einteilung von Arbeitnehmern in die Steuerklasse III bestimmt § 38b Satz 1 Nr. 3 EStG. Hiernach setzt die Einordnung in die Steuerklasse III u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer verheiratet ist (Buchst. a), verwitwet ist (Buchst. b) oder dass die Ehe des Arbeitnehmers aufgelöst worden ist (Buchst. c).

    Die Einordnung der Klägerin zu 1. in die Steuerklasse III und der Klägerin zu 2. in die Steuerklasse V käme vorliegend allenfalls unter den Voraussetzungen des § 38b Satz 2 Nr. 3 a) Buchst. und Nr. 5 EStG in Betracht. Nach dieser Vorschrift gehören verheiratete Arbeitnehmer in die Steuerklasse III, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und entweder der Ehegatte des Arbeitnehmers keinen Arbeitslohn bezieht (Buchst. aa)) oder der Ehegatte des Arbeitnehmers auf Antrag beider Ehegatten in die Steuerklasse V eingereiht wird (Buchst. bb)). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, weshalb ein Anspruch der Klägerin zu 1. auf die Einordnung in die Steuerklasse III und der Klägerin zu 2. in die Steuerklasse V nicht besteht.

    Eine unmittelbare Anwendung der Regelungen auf die Klägerinnen scheidet aus. Nach dem Wortlaut des Gesetzes werden nur Ehegatten von § 38b Satz 2 Nr. 3 Buchst. a) und Nr. 5 EStG erfasst. Mit dem Begriff „Ehegatten” sind eindeutig die Partner einer Ehe im Sinne des bürgerlichen Rechts gemeint. Unter einer „Ehe” ist nur die rechtlich verbindliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 20.04.2004 VIII R 88/00, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2004, 1103, m.w.N.; die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1143/04 wurde vom BVerfG durch Beschluss vom 12.01.2006 nicht zur Entscheidung angenommen). Gleichgeschlechtliche Lebenspartner, die eine Lebenspartnerschaft nach dem LPartG begründet haben, sind von dem Gesetzeswortlaut mithin nicht erfasst (ausführlich hierzu BFH-Urteile vom 20.04.2004 VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103; vom 26.01.2006 III R 51/05, BStBl. II 2006, 515 (die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde ist beim BVerfG unter Az. 2 BvR 909/06 anhängig); vom 20.07.2006 III R 8/04, BStBl. II 2006, 883 (die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde ist beim BVerfG unter Az. 2 BvR 1981/06 anhängig)).

    Eine entsprechende Anwendung des § 38b Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) EStG auf eingetragene Lebenspartnerschaften kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Eine Gesetzeslücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Davon zu unterscheiden ist ein sog. rechtspolitischer Fehler, der vorliegt, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber - gemessen an dem mit ihr verfolgten Zweck - nicht als planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist. Eine Auslegung gegen den Wortlaut kommt zudem nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, wenn nämlich die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (BFH-Urteil vom 02.06.2005 III R 15/04, BStBl II 2005, 828, m.w.N.).

    Vorliegend sind die Vorschriften über die Einteilung der Lohnsteuerklassen zwar lückenhaft, weil der Personenstand „verpartnert” darin nicht berücksichtigt worden ist. Diese Regelungslücke ist aber nicht planwidrig, weil der Gesetzgeber bewusst von einer einkommensteuerlichen Gleichstellung von Ehegatten und Lebenspartnern abgesehen hat (vgl. BFH-Urteile vom 26.01.2006 III R 51/05, BStBl. II 2006, 515; vom 20.07.2006 III R 8/04, BStBl. II 2006, 883 und vom 19.10.2006 III R 29/06, BFH/NV 2007, 663 (die dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerden sind beim BVerfG unter Az. 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06 und 2 BvR 288/07 anhängig). Der ursprünglich einheitliche Entwurf des LPartG wurde während des Gesetzgebungsverfahrens in das LPartG mit den Regelungen zur eingetragenen Lebenspartnerschaft und in das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz aufgeteilt. Das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz sah in Art. 2 § 55 auch Änderungen des EStG vor. Das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz ist jedoch nicht zustande gekommen, weil der Bundesrat seine erforderliche Zustimmung nicht erteilt hat (vgl. zur Entstehungsgeschichte ausführlich BVerfG Urteil vom 17.07.2002 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - 105, 313).

    Den Klägerinnen steht auch kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine Zuordnung in die Steuerklasse III bzw. V zu. Dabei kann der Senat dahingestellt lassen, ob die Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern im Einkommensteuerrecht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Ein solcher Verfassungsverstoß wurde zuletzt von einigen Finanzgerichten bejaht (FG Niedersachsen, Beschlüsse vom 09.11.2010, 10 V 309/10, DStR-Entscheidungsdienst - DStRE - 2011, 675; vom 01.12.2010, 13 V 239/10, zit. nach juris, vom 06.01.2011 7 V 66/10, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2011, 827; FG Nürnberg Beschluss vom 16.08.2011, 3 V 868/11, juris; FG Baden-Württemberg Beschluss vom 16.05.2011, 9 V 1339/11). Teilweise wurde eine solche Ungleichbehandlung für nicht verfassungswidrig erachtet, weil sie durch Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt sei (so FG Hamburg, Urteil vom 08.12.2004 II 510/03, EFG 2005, 705 (Revision ist anhängig, BFH III R 11/05); BFH-Urteile vom 26.01.2006 III R 51/05, BStBl. II 2006, 515; vom 20.07.2006 III R 8/04, BStBl. II 2006, 883). Der BFH hat diese Frage zuletzt offengelassen (Beschluss vom 23.05.2011 III B 211/10, BFH/NV 2011, 1517).

    Die Frage kann im Streitfall dahingestellt bleiben, weil den Klägerinnen - selbst wenn man zu Ihren Gunsten davon ausgehen würde, dass eine Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden könnte - nicht quasi „automatisch” ein Anspruch auf eine Zuordnung zu den begehrten Steuerklassen zustünde. Diese gewünschte Rechtsfolge ergäbe sich nicht zwangsläufig aus einer Verfassungswidrigkeit der o.g. Normen. Das BVerfG stellt bei Verstößen gegen Art. 3 Abs. 1 GG in der Regel lediglich die Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz fest (§§ 31 Abs. 2, 79 BVerfGG; vgl. Gubelt in von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 3 Rdnr. 47). Die Entscheidung, wie die Ungleichbehandlung beseitigt werden soll, bleibt im Rahmen der Gewaltenteilung dem Gesetzgeber vorbehalten. Dabei hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Im vorliegenden Fall könnte er die Ungleichbehandlung beispielsweise durch die Anwendung der Regelung des § 38b Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) EStG auf die Lebenspartnerschaft beseitigen. Er könnte aber eine solche Ungleichbehandlung auch durch die Abschaffung der Steuerklassen III und V verhindern.

    Ebenso könnte der Gesetzgeber aber auch - wie zur Erbschaft- und Schenkungsteuer (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvR 611/07, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2010, 1721) aufgefordert werden, bis zu einem gewissen Zeitpunkt - auch rückwirkend - eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen. Entsprechend dieser möglichen Handlungsalternativen des Gesetzgebers einen - möglicherweise - verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, ist es jedenfalls dem Senat verwehrt, anstelle des Gesetzgebers dem Begehren der Klägerin zu 2) gegen die ausdrückliche gesetzliche Regelung im Wege einer verfassungsschonenden Gesetzesergänzung auf eine Einreihung in die Steuerklasse III zu entsprechen.

    Entgegen der Ansicht der Klägerinnen bestünde selbst bei Annahme einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern kein verfassungsrechtlich gesicherter Anspruch auf eine gesetzliche Regelung, nach der das Ehegattensplitting für eingetragene Lebenspartnerschaften zu gewähren und damit deren Einreihung in die Steuerklassen III und V vorzunehmen wäre. Dem Gesetzgeber steht vielmehr ungeachtet der zeitlichen Ausgestaltung einer etwaigen Neuregelung ein weiter Gestaltungsspielraum zur Beseitigung eines möglicherweise verfassungswidrigen Zustands zu (vgl. Gubelt in von Münch, GG-Kommentar, Art. 3 Rz. 23, 35, 47). Er wäre insbesondere nicht verpflichtet, an dem bisherigen System des Splittingverfahrens festzuhalten. Entgegen der Annahme der Klägerinnen ist nämlich das Splittingverfahren, wie es heute in den §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG geregelt ist, nicht von Verfassungswegen geboten. Eine verfassungsrechtliche Bestandsgarantie lässt sich aus der für die Einführung des Splittingverfahrens maßgeblichen Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 17.1.1957 1 BvL 4/54, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE 6, 55) nicht ableiten. Das BVerfG hat in dieser Entscheidung nur zum Ausdruck gebracht, dass Art. 6 GG einer Benachteiligung von Ehegatten gegenüber einzeln veranlagten Ehegatten entgegensteht. Eine solche bestand seinerzeit, da die Zusammenveranlagung zu einer Zusammenrechnung der Einkünfte führte. Dadurch konnte es durch den progressiven Einkommensteuertarif zu einer Mehrbelastung gegenüber Einzelveranlagungen kommen. Damit verbietet Art. 6 GG die Schlechterstellung von Ehegatten, gewährleistet aber nicht zwangsläufig die Anwendung eines Splittingtarifs. Auch das BVerfG hat das „Splitting” nur als „verfassungsrechtlich unbedenklich” bezeichnet und betont, dass es dem Gesetzgeber frei steht, für Ehegatten steuerliche Vergünstigungen zu schaffen. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick darauf geboten, dass das BVerfG in seiner Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit der zeitlichen Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung (Beschluss vom 4.12.2002, 2 BvR 400/98, 1735/00, BStBl II 2003, 534) den Charakter der Ehe als Erwerbsgemeinschaft hervorgehoben hat. Auch daraus leitet das BVerfG in seiner Entscheidung lediglich ein Benachteiligungsverbot ab. Bei der zeitlichen Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung lag die Benachteiligung und damit ein Verstoß gegen Art. 6 GG darin, dass es sich um zwangsläufige Aufwendungen für die verfassungsrechtlich geschützte Vereinbarkeit von Ehe und Beruf und die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft handelt. Art. 6 GG verbietet damit, die Vereinbarkeit von Ehe und Beruf - gleiches dürfte auch für die Lebenspartnerschaft gelten - durch steuerliche Regelungen zu erschweren. Auch dass im Bereich des subjektiven Nettoprinzips die eheliche Erwerbsgemeinschaft durch Anwendung und die darin zum Ausdruck kommende gemeinsame Leistungsfähigkeit im Rahmen eines besonderen Tarifs, des Splittingttarifs, berücksichtigt wird, verpflichtet den Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht, diese Begünstigung zwingend aufrecht zu erhalten. Dem entspricht, dass auch das BVerfG diese aktuellen Gestaltung ausdrücklich als einfachgesetzliche Grundentscheidung ansieht (Beschluss vom 4.12.2002, 2 BvR 400/98, 1735/00, BStBl II 2003, 534). Das bedeutet einerseits, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen des Gebotes der Folgerichtigkeit an dieser Grundentscheidung zu orientieren hat. Dem lässt sich aber andererseits auch entnehmen, dass der Gesetzgeber nicht grundsätzlich an einer Systemänderung gehindert ist, solange es nicht zu nachteiligen Regelungen für die eheliche Lebensgemeinschaft kommt. Damit steht es dem Gesetzgeber auch frei, innerhalb dieses Rahmens ggf. andere Entlastungen von Ehe und Familie und ggf. auch von Lebenspartnerschaften zu schaffen. Es ist aber - wie ausgeführt - nicht zwangsläufig, dass sich daraus der von den Klägerinnen begehrte Anspruch auf Zusammenveranlagung ergibt.

    2. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und Vorlage des Verfahrens an das BVerfG nach § 100 Abs. 1 GG ist unbegründet. Nach der genannten Vorschrift hat ein Gericht, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung des GG handelt, die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Eine solche Entscheidungserheblichkeit ist gegeben, wenn das Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. nur Beschluss vom 22.09.2009 2 BvL 3/02, BVerfGE 124, 251).

    An einer solchen Entscheidungserheblichkeit fehlt es vorliegend. Wären die Nummern 3 Buchst. a) und Nr. 5 des § 38b Abs. 1 S. 2 EStG verfassungsgemäß, so hätte die Klage sowohl mit Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen der genannten Normen mangels Vorliegen einer Ehe nicht gegeben wären. Sollten die genannten Vorschriften verfassungswidrig sein, so hätte die Klägerinnen mit ihrem Haupt- und Hilfsantrag ebenfalls keinen Erfolg. Wie ausgeführt stünde den Klägerinnen auch in diesem Fall kein Anspruch auf eine Einteilung in die Steuerklassen III und V zu.

    Die Frage, ob den Klägerinnen durch die Verweigerung einer Zusammenveranlagung und die fehlende einkommensteuerliche Gleichstellung ein verfassungsrechtlich relevanter Nachteil entsteht, ist nach alledem erst im Rahmen einer - ggf. belastenden - Einkommensteuerveranlagung zu klären.

    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    IV. Die Revision war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

    VorschriftenEStG § 26, EStG § 26b, EStG § 32a Abs. 5, EStG § 38b Satz 2 Nr. 3 a, EStG § 38b Satz 2 Nr. 5, EStG § 52b Abs. 1 Satz 1, GG Art. 3 Abs. 1, GG Art. 6 Abs. 1, GG Art. 100 Abs. 1

    Karrierechancen

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